Ich habe Johannes S. vor Jahren durch unsere gemeinsame Mollat-Solidarität als einen politisch aktiven Demokraten kennengelernt, der bürgerschaftliches Engagement wirklich ernst nimmt. Gern gebe ich ihm Gelegenheit, seine Sorgen und Überlegungen zu aktuellen Gefährdungen der Demokratie in Deutschland zur Diskussion zu stellen.
Ein Diskussionsbeitrag von Johannes S.
Der deutschen Gesellschaft stellt sich die Frage, ob CDU, CSU,SPD, die Grünen und die AFD tatsächlich ihrer politischen Verantwortung für die Menschen dieses Landes gerecht werden und auch Konsequenzen aus der deutschen Geschichte im Reden und Handeln gezogen haben.
Aktueller Anlass für diesen Beitrag sind die provokanten Aussagen von Frau von Storch „Meinen Sie, die barbarischen, muslimischen, gruppenvergewaltigenden Männerhorden zu besänftigen?“ und Ähnliches von Frau Weidel.
Dann erschien ein Artikel in der TAZ „Eine schrecklich braune Familie“ über den nationalsozialistischen Großvater der Frau von Storch, der bis Kriegsende Finanzminister war. Einer sippenhaftenden Bewertung wird nicht das Wort geredet, wie auch die Holocaust-Keule abzulehnen ist.
Frau von Storch hat sich trotz der braunen Vergangenheit ihres Großvaters, ihres Herrschaftswissens und ihrer „noblesse oblige“ als Angehörige des Hochadels der AFD angeschlossen, die ein ausgesprochen rechtes Geschichts- und Weltbild vertritt. Dies ist u.a. bewiesen durch die bewusst zweideutige Aussage des Herrn Höcke, dass das Holocaust-Denkmal ein Denkmal der Schande sei und die Aussage von Herrn Gauland, dass die deutsche Wehrmacht sich ehrenvoll verhalten hat.
Wenn Frau von Storch in ihrer Bundestagsrede alle Parteien ausnahmslos sehr feindlich als „links“ bewertet, wie dies auch fanatisierte, rechte Blogger mit Andersdenkenden tun, reiht sie sich ein in das ideologische Weltbild des Nationalsozialismus, nachdem ebenfalls alle politischen Gegner als Vertreter der „Systemparteien“ von den Nationalsozialisten pauschal diffamiert und gnadenlos verfolgt wurden. Dieses undifferenzierte Feindbild und den traditionellen Hass auf alles Linke erhalten die Mandatsträger der AFD und auch Frau von Storch aufrecht. Deshalb stellt sich die Frage, inwieweit die AFD in der elitären, autoritären Tradition des deutschen Rechtsextremismus steht und diese Haltung mit einem konstruktiven, demokratischen Patriotismus zu vereinbaren ist.
Die Flüchtlingspolitik der Merkelregierung führte eindeutig zu einer gesellschaftlichen Spaltung und war die entscheidende Ursache für das Erstarken der AFD. Die AFD spricht von einem Totalversagen und einer Rechtsverletzung der Kanzlerin.
Nach dem „nichtfunktionierenden“ Schengen-Abkommen hätten die Flüchtlinge im ersten sicheren Aufnahmeland Asyl beantragen müssen und nicht zu Hunderttausenden nach Deutschland kommen dürfen. Die offenen Grenzen ohne jegliche verlässliche Registrierung der Flüchtlinge stellt sicherlich ein Versagen hinsichtlich der Sicherheitsinteressen dar.
Entgegen jeglicher voraussehbarer Erkenntnis, dass es extrem schwierig wird -wenn es nicht sogar ausgeschlossen ist- die große Zahl von jungen Flüchtlingen mit einem anderen kulturellen und religiösen Hintergrund zu integrieren, machte die Kanzlerin die unrealistische und deshalb unwahre Aussage: „Wir schaffen das!“. Fortan wurden regierungsamtlich die schwerwiegenden Probleme in Flüchtlingsfragen weitgehend ignoriert.
Das Dilema in der Flüchtlingsfrage: Einerseits Empathie und Solidarität mit schwer bedrängten Menschen, andererseits auch die legitimen Interessen der Gesellschaft. Infolge der Verbrechen des Dritten Reiches stand die deutsche Regierung unter Druck und konnte schwerlich die Flüchtlinge abweisen. Vorher wurden die Mittel für die Flüchtlinge in der Türkei auch von der deutschen Regierung gekürzt, es war abzusehen, dass sich große Flüchtlingsgruppen auf den Weg nach Deutschland aufmachten und keine notwendigen Vorkehrungen getroffen. Es besteht der Verdacht, dass Flüchtlinge auch als ein fragwürdiges Mittel missbraucht und gelenkt wurden, um geopolitische Ziele zu erreichen.
Die AFD und auch die AFD-Frau Weidel nimmt nur die Interessen Deutschlands wahr und zeigt keinerlei Mitgefühl mit den tatsächlichen Bürgerkriegsflüchtlingen und prangert sehr vereinfachend die Folgen durch die Flüchtlingspolitik mit den vielen, viel zu vielen Vergehen von jungen Flüchtlingen an und trägt damit massiv zu einem Feindbild gegenüber ausländischen und insbesondere muslimischen Menschen bei. Auch diese Haltung spricht für eine überzogene nationalistische Gesinnung, Xenophobie und Intoleranz.
Die Ursachen für die Flüchtlingsproblematik, die amerikanische, imperialistische Regime-Change-Politik wird, wie von CDU, SPD, den Grünen auch von der AFD nicht thematisiert und die AFD diskriminiert einseitig die Opfer dieser verhängnisvollen Politik.
Andererseits dürfte es der Realität entsprechen, dass es auf dem Arbeitsmarkt viel zu wenig Arbeitsplätze für Helfer gibt, inländische arbeitslose Menschen in Konkurrenz zu den arbeitssuchenden Flüchtlingen treten, ein Lohndumping eintritt, ca. bis zu 80 v.H. der Emigranten keine Arbeit finden werden, deshalb jahrelang horrende Sozialkosten entstehen, die zu einem weiteren Abbau der Sozialleistungen und zu Spannungen führen werden.
Auch war abzusehen, dass Ungarn und andere EU-Länder keine Flüchtlinge aufnehmen werden.
Insofern kann von einem Versagen der Merkelschen Flüchtlingspolitik gesprochen werden
Die AFD und der Neoliberalismus:
Die AFD ist erklärtermaßen eine neoliberale Partei, die versucht die ökonomischen Interessen Deutschlands im Gegensatz zu den internationalistischen Vertretern des Großkapitals national durchzusetzen. Dies wird auch durch die kühl berechnenden Aussagen in dem Interview der Basler Zeitung vom 4.1.2018 mit Frau von Storch deutlich: Das politische Ziel mit Russland einen Ausgleich zu suchen, wird mit den wirtschaftlichen Interessen Deutschlands und weniger mit der Erhaltung des sehr gefährdenden Friedens mit Russland begründet. Wenn ein dritter Krieg gegen Russland für die deutsche Wirtschaft lukrativer werden sollte, dürfte dies, wie bereits zweimal in der deutschen Geschichte geschichtsvergessen und selbstzerstörerisch akzeptiert werden. Die AFD befürwortet kritiklos die Nato-Politik und hat den Bundeswehr-Einsatz in Afrika (Tschad?) befürwortet.
Nicht nur materiell und sozial abgehängte, tief verunsicherte Menschen bis hinein in den Mittelstand, sondern auch gutsituierte, gebildete Bürger haben die AFD gewählt. Die arbeitslosen und materiell schlechtgestellten Wähler werden mit dem Eintreten der AFD für den Neoliberalismus manipulativ an der Nase herumführt. Dies ist bereits durch Macron in Frankreich eingetreten und zeichnet sich auch in Österreich durch die Regierungsbeteiligung der rechtspopulistischen bis rechtsextremem FPÖ ab.
Die gesellschaftspolitischen Folgen:
Der gesellschaftszersetzende neoliberale Raubtierkapitalismus führte durch Hartz IV, Zeitarbeit, Hungerlöhne, Privatisierung, Globalisierung, einer sehr hohen Arbeitslosigkeit mit sehr manipulierten Zahlen zur ersten, sozialen, materiellen Spaltung in Arm und Reich.
Die „soziale Frage“ und Massenarbeitslosigkeit war bereits entscheidend für den Aufstieg des Nationalsozialismus.
Die fragwürdige Flüchtlingspolitik führte zu einer sich eskalierenden zweiten gesellschaftspolitisch brisanten Spaltung.
Diese zwei Spaltungen haben voraussehbar auch die rechtsextremen, völkischen und fremdenfeindlichen Bewegungen verstärkt, die den Bestand des deutschen Volkes und der christlich-westlichen Wertegemeinschaft gefährdet sehen. Die AFD distanziert sich nicht überzeugend davon, sondern betreibt im Gegenteil eine unverantwortliche, pauschale Agitation gegen Flüchtlinge und muslimische Menschen.
Die gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen, -die an sich längst überfällig sind – haben sich zunehmend radikalisiert, wurden feindseliger und hasserfüllter. Dies ist bereits in Teilen der Bevölkerung ein Kulturkampf, ein sich abzeichnender geistiger Bürgerkrieg.Dieser Fanatismus geht m. E. weniger von der eher unbedeutenden Antifa und weitgehend angepassten Linken aus, sondern vor allem von rechts stehenden, rechtsextremen, enttäuschten Bürgern. Und wird von intelligenten, raffiniert schreibenden, rechten Blogs, z. B. Philosophia Perennis oder jouwatch und vielen anderen Blogs verstärkt, die teilweise sehr zutreffend den Zustand der politischen Kultur und Gesellschaft und die Merkelsche Politik sehr kritisch beschreiben und damit einen rechten gesellschaftlichen „roll back“ massiv durchsetzen wollen. Erschreckende, fanatische Internet-Kommentare auf diese Blogs werden dabei und auch zensierend gegenüber abweichenden Meinungen in Kauf genommen.
In staatsbürgerlicher Verantwortung ist dieser Intoleranz, Verweigerung eines ehrlichen Dialogs zu widerstehen, ob es von den tragenden Parteien, links, rechts oder AFD zu verantworten ist. Diese Entwicklung mit abgrundtiefen Mißtrauen, Hass und Schuldzuweisungen ist fatal, gefährlich und kann nicht mehr, auch nicht durch ein untaugliches, rechtlich nicht haltbares Netzdurchsetzungsgesetz eingefangen werden. Bei der absehbaren Krise der Wirtschaft und der Finanzwirtschaft kann dies zu Chaos, Terror, einem dauernden Ausnahmezustand, wie in Frankreich und bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen zwischen Rechts und Links, „Biodeutschen“ und Ausländern, gegen Moslems, gegen Schwächere, Verdächtige und in der Folge zu einer diktatorischen Regierung führen. Der frühere CIA-Chef Hayden hat prognostiziert dass Deutschland in den nächsten Jahren nicht mehr regierbar ist.
Das Auftreten und Erstarken der AFD wirft die Frage auf, ob hinter der AFD stehende Kreise insgeheim einen Geschichtsrevisionismus über die nationalsozialistische Ideologie betreiben, um die Macht erhalten zu können. Die faschistischen Putsche in Griechenland und Chile belegen diese Gefahr. Mitglieder und auch Wähler der AFD haben Verbindungen zur NPD, der Identitären Bewegung
Das angepasste Auftreten der AFD deutet daraufhin, dass man durch Anpassung an die Macht kommen will.
Die AFD, der Wolf im Schafspelz?
Die AFD stellt deshalb in ihrer gegenwärtigen Ausrichtung keine Alternative für Deutschland dar. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Partei – der Stachel im Fleisch der deutschen Gesellschaft – und die anderen Parteien in Reaktion auf die AFD entwickeln werden.
Alle verantwortlichen gesellschaftlichen Kräfte sind aufgerufen, sehr massiv den Einsatz für den Frieden in Syrien, im Irak und Afghanistan und einen Marschall-Plan für Afrika einzufordern und sich dafür einsetzen, dass die Flüchtlinge wieder in ihre angestammte, befriedete Heimat zurückkehren können und dafür konstruktiv Aufbauhilfe geleistet wird.
Oskar Lafontaine, Willy Wimmer, der Theologe Eugen Drewermann, Ken Jebsen, der Friedensforscher Daniele Ganser und viele andere, unabhängige Persönlichkeiten setzen auf Aufklärung und Dialog, nicht auf Parteien, sondern auf Widerstand durch die Zivilgesellschaft und eine außerparlamentarische Opposition gegen diese gesamtgesellschaftlich gefährliche Entwicklung, die den innen- und auch außenpolitischen Frieden gefährdet.