überlegt

An die Abostelle der „jungen Welt“ habe ich gestern diese Mail geschickt:

„Sehr geehrte Damen und Herren,

da ich keine Lust habe, in der jW die Positionen der taz zu lesen, kündige ich hiermit mein Printabo mit sofortiger Wirkung.

Mein online-abo halte ich bis auf Weiteres aufrecht.

Ich bitte um eine Rückmeldung/Bestätigung.

Mit freundlichen Grüßen

Klaus-Peter Kurch“

Meine Entscheidung war seit längerer Zeit herangereift. Das lange Gespräch mit Monty Schädel vom Wochenende war der letzte Tropfen, der das Fass zum überlaufen brachte.

Die „junge Welt“ hat seit einem Jahr keine klare Position zu der neu entstandenen Bewegung der „Montagsmahnwachen für den Frieden“ gefunden. Schwankend, unklar, oberflächlich war die Stellung der Zeitung von Anfang an und blieb es.

Ich erlaube mir die Verallgemeinerung, dass hier die Unfähigkeit zu Tage trat, mit einer spontanen gesellschaftlichen Bewegung richtig umzugehen (dabei gebrauche ich den Spontaneitätsbegriff als Fachbegriff des Historischen Materialismus. Dieselbe Unfähigkeit übrigens im Umgang mit anderen gesellschaftlichen Bewegungen, etwa Pegida, denen (nicht vergleichbar den Montagsmahnwachen) zumindest ein beträchtliches spontanes Element zuzubilligen war).

Die Unfähigkeit und offensichtlich auch Unwilligkeit „meiner linken Zeitung“ steigerte sich noch mit ihrer zwiespältigen Stellung zum Friedenswinter 2014/15, die nun seit Neuestem klar ins Negative drehte. Der Friedenswinter 2014/15 war aber im Jahr 2014 eine große und prinzipielle Errungenschaft der Friedensbewegung und darüber hinaus der linken Bewegung im Ganzen.

Prinzipiell werte ich auch die Erfahrung, die ich mit den Akteuren der „jungen Welt“ im Dialog machen musste. (Das habe ich im Blog ausführlich dargestellt: Wer will, kann hier suchen und die Postings vom Januar 2015 zur Kenntnis nehmen.) Ich habe nie eine Antwort erhalten. Pech für die Herrschaften dort, dass ich absolut überzeugt bin, dass sich modernes linkes Denken und moderne linke Politik nur dialogisch  entwickeln werden.

Wie oben geschrieben, behalte ich zunächst das Online-Abo bei, obwohl der Online-Auftritt wenig leserfreundlich ist und – ein Unding – keine Kommentarfunktion zur Verfügung steht. „junge Welt“ werde ich weiterhin zur Kenntnis nehmen, vermutlich in geringerem Maße als bisher, denn natürlich gibt es zahlreiche Artikel, die des Lesens wert sind.

„junge Welt“ und „taz“ im Schulterschluss!

Ziel des Projekts: Die Zerstörung des „Friedenswinter 2014/15“.

Speerspitze: Der Aktivist und Funktionär aus der traditionellen Friedensbewegung Monty Schädel.

Meine Hochachtung gilt Männern, wie Reiner Braun und Eugen Drewermann.

Bald dazu mehr.

Diskussionsebene: Antifaschismus und gegen Krieg

Sehr geehrter Monty Schädel,

bevor ich versuche, Deine Eingangsfrage zu beantworten, möchte ich mich in aller Form für die verflixte Falschschreibung Deines Namens entschuldigen und auch sonst für Deine vielen guten Hinweise danken. Wenn Du herausgefunden hast, dass ich „ohne Grundkenntnisse“ einen Kommentar „über organisatorische Zusammenhänge der Friedensbewegung“ schreiben wollte, habe ich mein Anliegen vielleicht wirklich unklar formuliert. Deinem warmen Ratschlag, mich zunächst mal in die „Stuktur- und Funktionslabyrinthe der etablierten Friedensbewegung zu begeben“ (was Du bitte als eine arglose Umschreibung auffassen mögest), werde ich wohl nur begrenzt folgen. Ich versichere Dir aber, dass ich meine Anstrengungen verstärken werde, eine kämpferisch-zielklare, antifaschistische, antimilitaristische und antiimperialistische (also radikal humanistische) Friedensbewegung auf der Strasse zu treffen und sie durch mein Mittun zu stärken.

Nun zu Deiner Frage „auf welcher Ebene soll ich denn mit Dir diskutieren?“. Die Antwort scheint mir einfach und schwierig zugleich zu sein:

Es ist die Ebene des wirklichen Antifaschismus.

Du erklärst (ausgerechnet in der „taz“ aber nicht nur dort), dass dieses Problem ein Problem des Friedenswinters sei und dass es Deine (nunmehr endgültig) negative Haltung zum Friedenswinter begründet. Ich bitte Dich sehr, Deine Beweise der faschistischen Unterwanderung des Friedenswinters offenzulegen. Dabei wäre es schön, wenn Du Dich auf die größten Aktionen des Friedenswinters konzentrieren würdest, darunter die große Demonstration gegen den Kriegstreiber Gauck am 13. 12. 2014 in Berlin (von der habe ich nämlich „einige Grundkenntnisse“). Dabei bin ich guter Hoffnung, dass wir das Problem der „unterschiedlichen Ausgangsstufen“ der Diskussion dadurch verringern können, dass Du auf Argumente verzichtest a la: „NPD-Fritze X hat neben Friedenswinter-Aktivist Y gestanden. Es gibt sogar ein Foto.“

Ich habe verstanden, dass Deine Position nicht mit der von Björn Kunter gleichgesetzt werden darf. Ich habe das auch nirgends getan. Wohl aber sehe ich eine Verantwortung des politischen Geschäftsführers der Organisation DFG-KV, die Mitglied der Friedenskooperative ist, wenn bei der Strategiekonferenz, die die DFG-KV auf ihrer Webseite bewirbt, unwidersprochen unhaltbare Positionen vertreten werden. Die Unhaltbarkeit der dort vertretenen (und schweigend mitgetragenen oder wie?) Position besteht darin, dass die entscheidende Rolle systematisch mobilisierter und bewaffneter Nationalisten-Faschisten beim gewaltsamen Sturz der (formal)bürgerlich-demokratischen Regierung Janukowitsch ignoriert wird. Die Unhaltbarkeit besteht auch darin, dass das faschistische Progrom von Odessa vom 2. Mai 2014, das in der Ukraine zwar nicht das einzige aber von einzigartiger Bedeutung war, völlig ausgeblendet wird. Für dieses Progrom trägt die nichtfaschistische aber von Faschisten mitbestimmte Kiewer Regierung eine Verantwortung; sowohl für sein Zustandekommen, als auch für seine Nichtaufklärung. Die Nichtaufklärung wird bekanntlich auch von internationalen Menschenrechtsaktivisten, wie denen des Auswärtigen Amts oder denen der „taz“ hingenommen (schrieb ich jetzt -aktivisten oder -imperialisten?).

Ich unterstelle, dass wir uns in einer antifaschistischen Grundposition einig sind. Ich meine, dass die in Europa drohenden weiteren Kriege nur, genau wie in der Ukraine, mittels Aktivierung von Faschisten in Gang gesetzt werden können. Wie faschistische Kräfte heutigentags aussehen – modern, untraditionell bis „gutbürgerlich“ – und wie nichtfaschistische Regierungen mit ihnen kooperieren, das aufzudecken ist jede Diskussionsanstrengung wert. Und letztere, selbstredend, rechtfertigt keine persönlichen Feindseligkeiten.

Übrigens – und damit noch einmal zu Deiner Ausgangsfrage zurück – möchte ich nicht beanspruchen, dass DU mit mir diskutierst. Vielleicht könnten WIR es gemeinsam tun.

Mit freundlichem Gruß

Klaus-Peter Kurch

Die zweite Aktionskonferenz des Friedenswinters 2014/15 hat gestern in Frankfurt/M stattgefunden

Für mich war es die erste, denn von der damals in Hannover, im Herbst 2014, hatte ich nichts mitbekommen. Jetzt, in Frankfurt, das war ein positives Erlebnis für mich. Es ging lebendig zu, streitbar bis zu gelegentlichem Chaos aber letztlich doch zielorientiert und im Ganzen solidarisch. 140 Teilnehmer wurden gezählt, ein reichliches Drittel mehr als beim erstenmal.

Nach Diskussion sprach sich eine überwältigende Mehrheit für die Durchführung zweier bundesweiter Friedensmanifestationen aus und zwar am 10. Mai in Berlin aus Anlass des 70. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus und am 1. September 2015 zum Jahrestag des Beginns des 2. Weltkriegs. Über weitere wichtige Termine, etwa die Ostermärsche oder den 70. Jahrestag des Abwurfs der amerikanischen Atombombe am 5. 8., bestand Übereinstimmung, dass unbedingt regionale Aktionen in einem möglichst breiten Bündnis aller Friedensorganisationen durchgeführt werden sollen. ALLE Teilnehmer (soweit ich sehen konnte) sprachen sich dafür aus, die Aktionsform „Friedenswinter“ über die genannten Termine hinaus weiterzuführen (unter einem dann passenderen Namen) und weiterzuentwickeln. Die  Weiterführung/Weiterentwicklung soll im Mittelpunkt der 3. Aktionskonferenz Ende Juni/Anfang Juli 2015 stehen und von einer Arbeitsgruppe „Ideensammlung“ vorbereitet werden. Zur Mitarbeit daran meldeten sich spontan mindestens 15 Teilnehmer. Der Koordninierungskreis soll, eventuell erweitert, weiterarbeiten.

Mit diesen Beschlüssen bzw. Orientierungen wurden für die nächste Zeit positive Ergebnisse erzielt. Die Freude darüber sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass grundsätzliche Probleme noch nicht gelöst sind. Ich nenne nur diese drei:

* der Masseneinfluss der Friedensbewegung

* die inhaltliche Qualität des Friedenswinters, Konflikte und Spaltungen innerhalb

* das Getrenntsein von wichtigen Akteuren der traditionellen Friedensbewegung.

* Den ersten Punkt – Massenbewegung – möchte ich vorläufig ausklammern. Zwar haben wir Einfluss darauf. Als wie überzeugend, wie „attraktiv“, werden wir wahrgenommen? Das Massenbewusstsein aber hängt von vielen Faktoren ab und kann von uns nicht einfach durch Argumente und Aktionen geändert werden. (Vergl. z. B.: hier, zu den „Wünschen der Deutschen“.)

* Für zentral halte ich den nächsten Punkt: Die Qualität unserer eigenen Arbeit. Elias Davidsson hat dazu goldene Worte gesagt (sinngemäss zitiert): „Die Friedensbewegung muss eine Strategie haben. Sie darf nicht nur reagieren, sondern muss selbst positive Werte setzen, positive Initiativen auslösen. Gerechtigkeit ist unser oberster Wert!“ Die innere Stärke und die Überzeugungskraft der Friedensbewegung nach außen hängen entscheidend von klaren zivilisatorisch-politischen-geistigen Grundsätzen und Grundwerten ab, die im Tagesgeschehen behauptet werden müssen. Das schliesst offene Abgrenzung ein gegenüber Positionen, die nicht geteilt werden. Aber  – viel zu wenig beachtet – es eröffnet auch Differenzierungsmöglichkeiten. Partielle Übereinstimmungen, die „auf dem Tisch liegen“, machen auch partielle Bündnisse möglich, in denen jeder/jede sein/ihr Gesicht behält.

Ich glaube zudem, dass viele der so verlustbringenden Konflikte zwischen Friedensbewegten viel von ihrer Schärfe verlieren, wenn statt vordergründiger Personalisierung um Inhalte, Grundsätze, Sachfragen gerungen wird.

Ich sehe als Problemkreise, die der gründlichen Diskussion bedürfen, u.a.:

– Gründen wir uns auf einige bestimmte Werte und wenn ja, welche? Sind es, wie vorgeschlagen: „Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit“?

– Wie hängt die Friedensfrage mit der sozialen Frage zusammen?

– Wie genau bestimmen wir die Kriegskräfte, die wir überwinden wollen (speziell: Differenzierung der Interessen des amerikanischen und des europäisch-deutschen Kapitals)?

– Wie modern und zeitgemäß und wie konkret ist unser Antifaschismus?

– Welche Position nehmen wir zu Gewalt und Gewaltlosigkeit ein?

– Sind Autorität und persönliche Autoritäten in der Friedensbewegung wünschenswert? Wie entstehen diese, wenn die Friedensbewegung einen konsequent dialogischen Charakter hat? Welche Rolle könnte dabei das Internet spielen?

Ich halte die offene Diskussion dieser (und weiterer) Fragen für unverzichtbar. Aktionstreffen (auch wenn sie über 2 Tage gehen würden) reichen zur Führung solcher Diskussionenen in keiner Weise aus. Es geht um einen längeren Diskussionsprozess, der vorrangig (aber nicht nur) mittels Internet (Internetforum) geführt werden sollte.

* zum oben erwähnte dritten Punkt, dem Getrenntsein von wichtigen Akteuren der traditionellen Friedensbewegung: Ich habe Reiner Braun auf der Konferenz so verstanden, dass es ihm wichtig ist, auf all die bewährten und verdienstvollen Kräfte der traditionellen Friedensbewegung zuzugehen, um die widernatürlichen gegenseitigen Ablehnungen zu überwinden. Ich begrüße diese Haltung und glaube darüber hinaus, dass die vorgeschlagene Qualifizierung und Vertiefung „des Friedenswinters“ Bedenken ausräumen kann und insofern unterstützend wirken wird.

Ich bin bereit, an den skizzierten Prozessen nach Massgabe meiner Kräfte und Fähigkeiten aktiv mitzuwirken.

 

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Ergänzung, heute am 3. April 2015:

Da auf vorstehendes Posting heute im Freidenker-Brief Nr. 3/2015 verlinkt wurde, möchte ich aus heutiger Sicht eine Korrektur und Ergänzung vornehmen. Der Satz: „ALLE Teilnehmer (soweit ich sehen konnte) sprachen sich dafür aus, die Aktionsform „Friedenswinter“ über die genannten Termine hinaus weiterzuführen (unter einem dann passenderen Namen) und weiterzuentwickeln.“ ist nicht richtig. Weder habe ich als Neukommer die Tiefe der Meinungsverschiedenheiten damals mitgekriegt, noch konnte ich von meinem Platz aus Monty Schädels Ablehnung sehen. Und aus seinem Diskussionsbeitrag habe ich merkwürdigerweise seine Ablehnung nicht entnommen.

Richtig ist, dass sich Monty Schädel und andere mit aller Energie für das Ende des Friedenswinters einsetzen. Dazu kann man inzwischen viel nachlesen, auch hier im Blog. Insgesamt wird für diese Diskussion sehr viel aufgefahren, wenn man die begrenzten „linken“ Medienpotentiale bedenkt. Ich bin überzeugt, dass es sich um mehr als „persönliche Animositäten“ handelt, die man am besten „in den Skat drückt“ sollte. Ich nenne einige der Protagonisten (neben Monty Schädel): Jutta Ditfurth, „taz“, „junge Welt“ (Koschmieder, Carlens, Huth), „Zeitung gegen den Krieg“, Otmar Steinbicker („Aachener Friedensmagazin“), „Bund Soziale Verteidigung“ (konkret dazu hier) und weitere.

Haben sich da gestandene ehrliche Friedensaktivisten verrannt? Sind bewährte Friedensaktivisten auf die andere Seite übergelaufen? Beide Fragen erscheinen mir berechtigt, denn Beides gibt es. Und beide Fragen kann ich nicht beantworten.

Was ich tue: 1. Die spalterischen Aktivitäten so klar und prinzipiell, wie möglich, benennen. Nichts unter den Tisch kehren! Und 2. Mich über die finanziellen Bedingungen der Friedensakteure und ihrer Organisationen informieren. „Was tun sie, und wer bezahlt es?“ Hilfreich ist dabei die Datenbank der „Transparenzinitiative Zivilgesellschaft“. Ein Blick zeigt,dass es Friedensorganisationen mit der Transparenz nicht so haben.

Auch der Freidenkerverband hat sich dieser Initiative noch nicht angeschlossen. 😉