Wo versteckt sich die deutsche Friedensbewegung (Fb)?

GraubärtInnen geben den NewcomerInnen die Antwort, dass sich die Fb überhaupt gar nicht verstecke. „Damals im Bonner Hofgarten…“. An dieser Stelle hört NewcomerIn bereits nicht mehr hin, da mit Defiziten in der Erziehung zu Ehrerbietigkeit gesegnet.

Als nächstes, heiβt es, könne Jeder und Jede an den Ostermärschen sehen, dass sich die Fb nicht versteckt. Die Ostermärsche sind szenebasierte jährliche Rituale, bei denen eine verschwindende Minderheit (etwa jeder zehntausendste Bewohner dieses schönen Landes) mit beeindruckender Beharrlichkeit diverse Friedensforderungen vertritt. Nur in jedem vierten, fünften Kreis der BRD (Landkreis oder kreisfreie Stadt) findet irgendeine Ostermarschveranstaltung statt. Für zahlreiche hauptamtliche Funktionäre der Fb, auch Aktivisten genannt, sind diese Tatsachen Anlass zu verantwortungsbewusster Einschätzung und grosser Zufriedenheit. NewcomerInnen sind davon eher wenig erbaut.

Dass rundum Erstaunliche, wohl gar Schockierende, ist, dass seit 2014 tatsächliche einige lautstarke, wöchentlich platzbesetzende (!) NewcomerInnen für Frieden auftauchten. Völlig ungenehmigt; sogar unabhängig von Ostern! Das hing mit Kriegsgefahr und Krieg zusammen, Krieg im „eigenen Haus“. Sofort setzte ein Trommelfeuer ein (aus bemerkenswerten Richtungen und mit bemerkenswerten Kalibern), um diese noch gar nicht ganz entstandene neue Fb zu „verstecken“, will sagen, totzuschlagen.

Aber aus dem Gemetzel, den Trümmern, der Asche (inzwischen war HOGESA, danach PEGIDA in Stellung gebracht) erhob sich ein Phönix. Sein Name: „Friedenswinter 2014/15“. Der Friedenswinter rückte am 13. Dezember 2014 dem Kriegshetzer und  FaschismusWeltkriegsumwerter Gauck auf die Bude. Das war die einzige bundesweite (und damit auch größte) offensive politische Aktion der deutschen Friedensbewegung seit Jahren.

Für das, was danach folgte, suche ich (eher zu den NewcomerInnen zählend) eine Erklärung. Der Friedenswinter versteckte sich wieder, versteckte sich in derselben Art, wie es die alte Fb seit Jahr und Tag tut.

Doch das Verstecken um’s Verrecken, hat seit der Aktionskonferenz des Friedenswinters von Mitte März 2015 in Frankfurt/M Löcher gekriegt. „Friedenswinter, husch, husch in die Grube!“ rief Monty, der Dickschädel und politische Führer oder Stellvertreter, den 140 Teilnehmern zu, und 140 sagten: „Nein“ und sprachen sich für eine AG „Zukunft“ aus. (Einige sagten es verhaltener als es zunächst schien.)

Seitdem findet auf der Mailingliste des Friedenswinters und (nach deren „Moderierung“) auf der Mailingliste der AG „Zukunft“, teils auch auf der Facebook-Seite des Friedenswinters, eine Auseinandersetzung darüber statt, wie die Friedensbewegung in unserer Zeit wieder zu einer offensiven politischen Kraft gegen die durch den atlantischen Imperialismus entfachte akute Kriegsgefahr werden kann. Dazu gehört die (Selbst-) aufklärung darüber, welche „Formen des Versteckspiels“ wie entwickelt wurden und wie diese (auch) durch einen neue Qualität der Basisdemokratie überwunden werden können.

Im Moment also scheint sich die Fb in einem Wust von Vorschlägen, Meinungsäußerungen, tollen lokalen Aktionen, Zersplitterungen, Aneinandervorbeireden aber auch eisigem Schweigen, kurz, einem Chaos zu verstecken. Opa blickt auf dieses Geschehen und mischt sich nach Maßgabe seiner Einsichten und Kräfte ein. Gründe für vorschnellen Optimismus hat er keine, aber die Gewissheit, dass der heranrückende Krieg den vielen StreiterInnen für den Frieden – den allzu vielen StreiterInnen für allzu verschiedene Frieden – die rettende Erkenntnis ins dicke Fell brennen wird. Im schlimmsten oder besten Fall sagen die danach dann: „Für den Neuen Anfang ist es nie zu spät.“

Eine Schlüsselposition der Friedensmahnwachen!

Bekanntlich wurden die Montagsmahnwachen für den Frieden von der ersten Stunde an bekämpft und zwar von einer „gestandenen Linken“ im Schulterschluss mit den Mainstreammedien. Bekanntlich wurde (und wird) auch die Friedensinitiative „Friedenswinter 2014/15“ bekämpft, natürlich von vielen Lohnschreibern der Mainstreammedien aber auch von mehr oder weniger bekannten Vertretern der traditionellen Friedensbewegung und der traditionellen Linken. Das sind neben Ditfurth Monty Schädel samt Solidarisierern, Journalisten der „jungen Welt“ und der Parteivorstand der Linkspartei.

Ich betrachte diese Positionierung nicht als einen Zufall, sondern vermute, dass sie tiefe Wurzeln hat. Daher glaube ich nicht, dass sie durch „Erklärungen guten Willens der beteiligten Seiten“ aus der Welt zu schaffen ist und halte die gründliche Analyse des Phänomens für notwendig.

Auffällig ist, dass alle die Angriffe mit dürftigsten Argumenten begründet werden. Eigentlich reduziert sich die Beweisführung auf die Verwendung von denunziatorischen Versatzstücken bürgerlicher (hegemonialer) Argumentationsmuster.  Das macht den Streit unergiebig bis aussichtslos; vielleicht beabsichtigen das ja manche dieser „Führungspersönlichkeiten“. Bleibt aber der Streit, die inhaltliche Auseinandersetzung unter den vielen Friedensbewegten und Linken, die in schwierigen Zeiten Orientierung suchen, die feste zeitgemäße Friedenspositionen brauchen und die Massen von Menschen erreichen wollen, um tatsächlich politisch zu agieren.

In dieser Situation halte ich die „Einladung zum Frieden“ für hilfreich, die auf einem bundesweiten Treffen der Friedensmahnwachen in Wanfried am 11. April 2015 beschlossen wurde. Im Folgenden das Dokument im Wortlaut:

 

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Das Dokument fixiert, dass die Friedensmahnwachen eindeutig auf den Positionen der UN-Charta und der Erklärung der Menschenrechte stehen. Vorwürfe, man sei „rechtsoffen“, „antisemitisch“ oder „Verschwörungstheoretiker“ werden für alle erkennbar das, was sie immer waren – Verleumdungen. Ein Schlüsselsatz ist für mich auch das Bekenntnis zum „Asylrecht für alle Flüchtlinge gemäß der Charta der Menschenrechte“. Damit ist eine prinzipielle, begrifflich-scharfe Abgrenzung nicht nur gegenüber PEGIDA/Elsässer gegeben, sondern gegenüber JEDER Kritikbewegung an gesellschaftlichen Missständen, die rechte Positionen toleriert. 

Eigentlich müssten Diejenigen, die den „Friedenswinter 2014/15 begraben wollen (der ja vielleicht bald „Friedensbewegung 2015/2016“ heisst), nach dieser Erklärung jetzt ihre Position revidieren. Ich bin gespannt, wie sie sich verhalten werden.

Das Dokument, wie jeder sehen kann, formuliert wenige, allgemeingültige Positionen. Ich denke, dass es der Konkretisierung in mehreren Richtungen politischer Brisanz bedarf. Vordringlich sehe ich solchen Konkretisierungsbedarf

– zu einer wirklich humanistischen Flüchtlingspolitik

– zur Kriegstreiberei der USA/NATO/EU gegenüber Russland

– zur rasanten Militarisierung der BRD-Gesellschaft

– zur Transparenzproblematik in demokratischen Institutionen (einschließlich des mehrdimensionalen Medienproblems).

Infobrief über die Zulassungs- und Gesinnungsvoraussetzungen zur Teilnahme an der Friedensbewegung (nicht nur spaßig zu einem ernsten Thema)

Lieber Gutwilliger, liebe Gutwillige!

1. Wenn es Dir plötzlich in den Kopf kommt, dass Du etwas für den Frieden tun willst, dann kapiere erst einmal eins: Darauf sind Andere schon lange vor Dir gekommen. Es gibt eine lange Liste. Stelle Dich erstmal hinten an. Dann lernst Du Regel zwei.

2. Die Friedensbewegung führt den Friedenskampf; zumindest hat sie eine imposante Festung errichtet. Über der flattern ruhmreiche Banner. Es sind die guten Banner der „DFG-VK“, „VVN-BdA“, „AGF-Kassel“, „Friedensratschlag“, „Friko“, „IMI“, „BSV“ und viele andere. Als erstes lerne mal all diese Namen. Wenn Du vor dieser Festung mit Deinem Friedenswimpel rumspazierst, dann ist das verdächtig. Und einfach eine Friedensmahnwache schräg gegenüber der Festung einzurichten, das ist beleidigend. Das Mindeste was verdiente Festungskommandanten (Schädel, Strutynski, Pflüger aber auch viele andere) von Dir erwarten, ist eine höfliche Anfrage. Danach lernst Du Regel eins.

3. Du neigst zu Ungeduld? Du willst gar auf der Strasse demonstrieren? Du meinst, die Regeln eins und zwei gehören abgeschafft? Angeblich hast Du da draußen Kriegshorden gesichtet, die immer näher kommen? Du führst sogar laute Rede auf der Strasse und im Internet? — Wir stellen fest, Dein Fall verlangt Maßnahmen. Zunächst bieten wir Dir eine Schnellhilfe an. Andernfalls Exkurs und Regel drei.

4. Schnellhilfe gegen Ungeduld: Einbeziehung des Probanden in die Erarbeitung eines Antrags an das Amt Steinmeier zur Förderung unserer Friedensarbeit nach dem „Win-Win-Win-Prinzip“: Steinmeier legt sein Geld nutzbringend an. Wir mehren unser „FBO-know how“ (FBO – FriedensBewegungsOrganisation). Junge Friedensbewegte lernen geschmeidig kooperieren.

5. Auf junge Friedensbewegte, die Schnellhilfe ablehnen und unbeherrscht an sämtliche Festungstore hämmern, müssen wir Regel drei anwenden. Zu ihrem Verständnis dieser Exkurs: Der anderweitig bekannte Aktivist Henryk M. Broder hat sich seit Längerem Verdienste erworben bei der Implementierung des Political CorrectnessSpeaking in den deutschen Sprachraum, also bei der Bewertung sprachlicher Äußerungen auf Zulässigkeit. Unsere ewig junge Veteranin Jutta Ditfurth hat erfolgreich bei ihm studiert und übertrifft ihn inzwischen mit ihrer Fähigkeit, Sprachliches auf Zulässigkeit zu bewerten noch bevor es geäußert wird. Auf dieser Basis fußt Regel drei (Entscheidungsregel).

6. Entscheidungsregel:

A. Sie artikulieren sich laut auf der Strasse und haben bei uns noch nie ein Friedensseminar belegt.

B. Nazis artikulieren sich laut auf der Strasse und haben bei uns noch nie ein Friedensseminar belegt.

C. Sie sind Nazi („Antisemit“, „Rassist“, „Neurechter“, „Rechtsoffener“, „Verschwörungstheoretiker“ usw), und wir lehnen jeden Kontakt mit Ihnen ab.

7. Erweiterte Entscheidungsregel: Wir ächten darüber hinaus jede Zusammenarbeit mit Leuten, die jemals Kontakt zu einem Menschen nach 6. C. hatten.

 

Der vorliegende Infobrief ist Opa leider erst jetzt bekannt geworden. Damit, dass er hier unbekümmert seit Jahren für den Frieden schreibt, hat er Regel eins gravierend verletzt. Und viel schlimmer: Opa hat einmal auf Elsässers Website verlinkt und fällt damit unter die erweiterte Entscheidungsregel nach Punkt 7. Opa schien es trotzdem angemessen, auf den Infobrief hinzuweisen, weil er in Kürze zwei weitere Regelverletzungen begehen wird und bei dieser Gelegenheit vielleicht explizit auf die Regelfrage zurückkommt.

Schöne Ostern!