Vom Verbrenner zum ÖPNV+ oder vom Verbrenner zum Elektroauto?

Ein bemerkenswertes Gespräch, nicht nur, weil das Thema interessiert und die Teilnehmer Sachkenntnis haben, sondern auch, weil man einander zuhört, Gegenargumente zur Kenntnis nimmt und eventuell als Anregung verwendet.

Ich teile weitgehend die Position und Argumentation von Jörg Bergstedt. Sie besteht nicht in einem engstirnigen Eifern für den ÖPNV, sondern in einer zwar Konzentration darauf bei aber gleichzeitig vorausschauender Lösung des Problems der verbleibenden Lücken. Deshalb schreibe ich oben ÖPNV+.

Meine persönlichen Erfahrungen:

Ich  habe weder Auto noch Führerschein. Nach Oranienburg Zentrum oder Bahnhof sind es sieben Kilometer. Die S-Bahn fährt von Oranienburg bis Berlin-Friedrichstraße 45 Minuten (im 20 min-Takt). Zum Bus ist es etwa ein Kilometer. Er fährt 10 bis 15 mal am Tag (zwischen 6 Uhr und 20 Uhr). Das klingt viel, deckt aber frühe und späte Termine in Berlin nicht ab.

Mein Zubringer ist das Fahrrad, über lange Jahre das normale Tourenrad. Im jetzigen Alter möchte ich auf das Pedelec nicht mehr verzichten. Die Grenzen des Fahrrads sind: schlechtes Wetter und umfangreiches Gepäck.

Die (wenigen) Lücken meiner Mobilität nehme ich manchmal hin, d. h. ich vermeide Fahrten. Meist werden die Lücken durch das Auto und die Fahrbereitschaft von Mrs. Tapir geschlossen. Das Auto (Renault Clio) wäre aus meiner Sicht vollständig durch ein leichtes vierrädriges Elektrofahrzeug für zwei Personen zu ersetzen, das Wetterschutz bietet und Gepäcktransport erlaubt. Als Geschwindigkeit würden mir 50 bis 60 km/h ausreichen, als Reichweite 100 bis 150 km.

Das sind die Bedingungen zweier Rentner. Diese Lösung könnte mAn auch funktionieren, wenn ich /wir noch im Arbeitsprozess in Berlin stünden. Eine mehrköpfige Familie freilich brauchte eine andere Lösung.

„Lassen Sie uns doch mal über Verkehr reden“

Unter dieser Überschrift haben die Nachdenkseiten eine unregelmäßige Serie von Beiträgen  gestartet um zur Debatte anzuregen.

Bisher erschienen sind: Teil 1: Kostenloser ÖPNV?; Teil 2: Pendlerverkehr vermeiden; Teil 3: Sackgasse Elektromobilität und weiterhin wurden 24 Leserbriefe zu den ersten beiden Teilen veröffentlicht.

Ich begrüße diese Initiative sehr. Das Eine ist es, sich gegen die Hysterisierung der Diskussionen um Ökologie, Umwelt, Klima (die dringend erforderlich sind) zu wehren, genauso wichtig ist es aber, den Meinungsstreit positiv, sachbezogen und konstruktiv zu führen. Am Ende erwarte ich die Einsicht, dass keine Form von Ökodiktatur das immer weiter sich ballende Problemknäuel entwirren kann, sondern, dass Lösungen entwickelt werden müssen, die den berechtigten Interessen und Bedürfnisse aller Gesellschaftsmitglieder entsprechen und von ihnen allen getragen werden.

Ich hatte am vergangenen Wochenende mein persönliches Verkehrsproblem zu lösen: Ich wollte am Freitag von Oranienburg, Ortsteil Schmachtenhagen nach Lehsten (Möllenhagen) im Mecklenburgischen fahren (zum Chorwochenende), dort übernachten, am Sonntag, dem 7.4., um 13 Uhr in Potsdam-Waldstadt sein und am späten Nachmittag von dort wieder zurück nach Schmachtenhagen.

Zu Transportieren hatte ich a) meine normalen Utensilien für ein Wochenende in einer Ferienwohnung b) etliche Lebensmittel, um zur Versorgung der Gruppe mit selbstgemachten „heimischen Spezialitäten“ beizutragen und c) ein nicht ganz großes aber auch nicht ganz kleines Akkordeon.

Die Anreise, nicht an einen engen Zeitrahmen gebunden, bewältigte ich in diesen Etappen:

  • – Schmachtenhagen-Oranienburg, 7 km, Pedelec.
  • – Oranienburg-Neustrelitz, Regio, 50 min, mit Bahnkart,  8 € + 5 € Fahrrad = 13,-€.
  • . Neustrelitz – Lehsten, 32 km, Pedelec.

Diese Anreise dauerte von 10:30 Uhr bis 14 Uhr. Sie war bei herrlichem Sonnenschein ein gesundes Vergnügen. (Zum Vergnügen trug ein funktionierender Aufzug im Bahnhof Oranienburg bei.) Jedoch hätte nicht jede ältere Person die 32 km mit dem Pedelec ohne größere Pause bewältigt.

Mit dem Auto wäre die kürzeste Entfernung (ohne Autobahn) 115 km gewesen und wäre in etwa 2 Std. bewältigt worden.

Die Rückfahrt über Potsdam war komplizierter. Die Teilstrecken waren:

  • – Lehsten-Neustrelitz, 32 km, Pedelec
  • – Neustrelitz-Potsdam Hbf, ca 2 Std. Bahnkart, 16,-€ + 5,-€=21 €.
  • – Potsdam Hbf-Potsdam-Waldstadt, 4 km, Pedelec.
  • -Potsdam-Waldstadt-Potsdam Hbf, 4 km, Pedelec.
  • Potsdam Hbf-Oranienburg, 1,5 Std, 4 €.
  • Oranienburg- Schmachtenhagen, 7km, Pedelec.

Mit dem Auto wäre die Strecke Lehsten-Potsdam etwa 170 oder 190 km gewesen (2,5 Std.), die Strecke Potsdam-Schmachtenhagen noch einmal 75 km (1 Stunde).

Das entscheidende Ziel, rechtzeitig zu 13 Uhr in Potsdam zu sein, habe ich eigentlich gut erreicht, musste dafür aber am Sonntag vor 8 Uhr starten, war also 5 Stunden unterwegs. Das Wetter spielte wieder prächtig mit. Mit der Bahn musste ich 1x umsteigen. Das wird mit dem schweren Rad sofort zur Tortur, wenn (wie in Potsdam) der Aufzug nicht funktioniert. Die Rückfahrt von Potsdam nach Oranienburg leider wieder mit Umsteigen. Dauer der Rückfahrt etwa 2 Stunden.

Nach der gesamten Reise Lehsten-Potsdam-Schmachtenhagen wusste ich dann doch, was ich getan hatte. Der Akku meines acht Jahre alten Pedelecs hat die Rückreisestrecke über insgesamt 47 km gut bewältigt. Doch das Rad war schwer, und viel länger hätte der Akku nicht gehalten.

Die Anstrengungen habe ich als sportliche Übung verstanden und also positiv gewertet. Eine nicht zu seltene direkte Bahnverbindung zwischen Neustrelitz und Potsdam sollte es geben, dito Potsdam-Oranienburg. Die Kosten der Rückreise (25 €, mit Bahncard 50) hätten niedriger sein dürfen. Das Ganze wäre bei schlechtem Wetter kein Vergnügen gewesen. Die Wetterabhängigkeit ist für mich der entscheidende Begrenzungsfaktor für ein solches Unternehmen. Da ich kein Auto habe, wäre in diesem Fall eine Fahrgemeinschaft die Lösung gewesen. Das Radwegenetz war übrigens sehr gut.

Fotografiert habe ich unterwegs nicht, Fotoapparat blieb zu Hause. Die Landschaft aber, durch die ich jetzt im frühen Frühling fuhr, war ein Traum.