Recht und Demokratie – was anfangen?!

Lutz Lippke Berlin, 13.03.2018

1. Vorbemerkungen

In diesem 3. Teil nach „Recht vs. Demokratie“ (Teil 1) und „“Im Namen des Volkes“ – lückenhafte Praxis“ (Teil 2) möchte ich ein paar Überlegungen zusammentragen, in welcher Weise demokratisches Recht bei der Durchsetzung oder zumindest Bewahrung demokratischer, rechtlicher und sozialer Errungenschaften wirksam werden kann. Damit möchte ich mein Werben für eine höhere Aufmerksamkeit zu den Wirkungen des juristischen Rechts auf Demokratie und umgekehrt mit einem optimistischen Entwicklungsszenario abschließen.

Die im Teil 1 fokussierte manipulative Überformung und Beschränkung der Demokratie durch eine bürgerliche Rechtstheorie, die sich bis heute als Gegensatz zwischen Recht und Demokratie manifestiert hat, stellt hierfür einen notwendigen theoretischen Referenzrahmen zum Verständnis der aktuellen Situation dar. Dies insbesondere deshalb, weil auch sozial-reformerische Bewegungen auf die Manipulationen durch bürgerliche Rechtstheorien hereinfallen und ohne kritisches Bewusstsein deren verklausulierte Wertvorstellungen übernehmen. Teilweise sind diese Fehlvorstellungen vom Recht und der Demokratie bereits tief im gesellschaftlichen Denken verankert und müssen aufgebrochen werden.

Eine aus meiner Sicht nicht weniger problematische Reaktion auf diese Manipulationen ist die pauschale Missachtung der Wirksamkeit von Recht und Demokratie. Nach diesem Reaktionsmuster dient das gesamte bürgerlich-emanzipatorische Gesellschaftsbild allein der Aufrechterhaltung und Reproduktion der Ausbeutung, also der Verhinderung eines notwendigen Klassenkampfes und der Selbstermächtigung der Unterdrückten.

Auf die Spitze getrieben, führt diese Sichtweise den Einen in die Hoffnung auf den Aufbau einer parallelen, vernetzten Welt von kleinen, elitär-fortschrittlichen Inseln von Glückseligkeit ohne jede Bindung an bürgerliche Ideenwelten. Mit dieser Entsagung gehen aber nicht, wie wohl erhofft, nur institutionelle Ergebnisse der bisherigen Gesellschaftsentwicklung verloren, sondern auch die Reflexion über die fortbestehenden inneren Gründe für gewachsene Einstellungen und Strukturen. Daran kann oder wird sogar auch die ambitionierteste und klügste Neuentdeckung sozialer Gemeinschaften scheitern.

Der andere Teil der Widerständler wartet dagegen als geistige Vorhut auf das Erwachen der ausgebeuteten und manipulierten Masse, die erst durch fortschreitende Verelendung zur revolutionären Besinnung kommen muss. Der „Rest“ soll sich dann irgendwie im revolutionären Prozess einer Neuformierung ergeben. Es wäre aber ein paradoxes Wunder, wenn die Verelendeten gerade in der größten Not in eigener Sache am Verhandlungstisch sitzen und die nötige Durchsetzungskraft besitzen. Schon aus historischer Evidenz ist zu befürchten, dass nur die Begünstigten oder deren Vertreter wechseln und der verelendeten Masse nur ein geänderter ideologischer Atem zur minimal notwendigen Wiederbelebung eingehaucht wird.

Die Zuspitzung auf Manipulatoren, Hereingefallene und zynische Widerständler ist weder persönlich diffamierend, destruktiv spaltend noch belehrend gemeint. Es soll nur klarstellen, dass es für das Verständnis der hier vorgestellten Möglichkeiten notwendig ist, sich von Gewissheiten und den plakativ beschriebenen verfestigten Vorstellungen freizumachen. Dass es hinderliche Verfestigungen gibt, folgere ich nicht nur aus einem selbstkritischen Denken über eigene Irrtümer und Illusionen zum Gegenstand, sondern vor allem aus dem Fakt, dass eine manipulative, bürgerliche Rechtstheorie seit 100 Jahren fast unbehelligt überstehen und beherrschend wirken konnte, wie auch nicht zuletzt aus umfangreichem Austausch mit Vertretern der hier holzschnittartig zugespitzten Vorstellungen.

2. Volkssouveränität – Demokratisches Recht vs. demokratiefeindliche Rechtstheorie

Eine wesentliche Grundlage der Ertüchtigung von Recht und Demokratie stellt die geistige Befreiung von den manipulativen Beschränkungen durch die bürgerliche Rechtstheorie und deren Praxis dar. Zusammenfassend lässt sich dies durch das Konzept der

echten Volkssouveränität

ausdrücken, die eben nicht durch ein übergeordnetes Recht oder einen institutionellen Status Quo beschränkt werden kann, wie es die herrschende bürgerliche Rechtstheorie in der Tradition von Carl Schmitt postuliert.

In der Beschäftigung mit dieser Thematik kommt man nicht umhin, sich eine genauere Vorstellung von den Inhalten der Verfassungsbegriffe „Recht“ und „Gesetz“ zu machen und sich mit deren Deutungen auseinanderzusetzen.

Ausgehend vom verfassungsrechtlichen Postulat „demokratisch“ (Art. 20 I GG) und „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“ (Art.20 II Satz 1), was nur als eine echte Volkssouveränität gedacht werden kann, gibt es keinen Rückgriff auf ein dem demokratisch bestimmten Gesetz übergeordnetes Recht.

Alle Versuche durch ein übergeordnetes Recht, eine ewige Institution oder eine selbstständige Repräsentanten- oder Vertreterstellung von Auserwählten das faktische Urrecht des Souveräns zu beschränken, müssen sich normlogisch als Manipulationen erweisen. Die Verfassung bindet nicht den Volkssouverän an Einschränkungen seiner kollektiven Macht und Rechte, sondern bindet vielmehr das Recht, wie auch die Repräsentanten und Vertreter an die tatsächliche Erfüllung der ihnen von der Verfassung zugewiesenen, aber immer unmittelbar dem Volke dienenden Funktion.

Diese Machtstellung des Volkes ist damit nicht nur das einzige konstitutive Vorrecht, sondern beinhaltet damit auch die gesellschaftliche Anforderung sich seiner selbst und seinen demokratischen Pflichten der Machtausübung bewusst zu werden und diese Verantwortung und Zuständigkeit nicht pauschal zu delegieren. Recht wird prinzipiell nur das, was der geäußerte Volkswille nach den demokratisch bestimmten prozeduralen Regeln beschließen lässt und nicht das, was ihm über Nacht oder aus Hinterzimmern heraus untergeschoben wird.

Das bedeutet aber auch, dass sich das Volk mit dem ihm zustehenden Willen zur demokratischen Rechtssetzung auseinandersetzen und identifizieren muss, um die Repräsentanten und Vertreter entsprechend zu instruieren und kontrollieren. Die Beispiele dafür, dass der Volkssouverän trotz erkennbarer Interessenlage und Willensäußerungen von den Repräsentanten übergangen wurde, zeigte sich in den letzten Jahren insbesondere im Zusammenhang mit Kriegseinsätzen, Finanzkrise, Staatsterrorismus, Überwachungsstaat und Flüchtlingsströmen.

Es fehlt jedoch die deutliche Ansage des Volkssouveräns, dass diesem Übergehen tatsächlich keine Legitimität zuerkannt wird. Dafür müsste sich der Volkssouverän zum zentralen Anspruch auf das demokratische Prinzip bekennen und im wohlverstandenen Sinne in einer Querfront die selbsternannten Obrigkeiten und Eliten in die Schranken zu weisen.

Die Hoffnung darauf, dass dem politischen Gegner im Volk durch eigenen Verzicht auf demokratische Prinzipien das Wasser abgegraben wird, stellt tatsächlich nur die Demokratie selbst zur Disposition. In keiner Angelegenheit zeigt sich das wohl deutlicher, als in der Frage von direkter Demokratie durch das Recht auf Abstimmungen (Art. 20 II Satz 2 GG).

Wie kann es sein, dass ein mit NS-Unrecht massiv verseuchter führender Kommentarliteratur-Rechtsgelehrter namens Theodor Maunz, gestützt von einer kollektiv beipflichtenden Staatsrechtslehre, mittels einer konstruierten „herrschenden Meinung“ über Jahrzehnte einen weitgehenden Themenausschluss für Volksabstimmungen durch die Verfassung postulieren konnte, deren Argumentationslinie sich durch die beherzte Forschungsarbeit eines Einzelnen (Ottmar Jung) im Jahr 1994 quasi in Luft auflöste?

Welche Qualen nicht nur solche Demokratie- und Verfassungsfeinde wie Maunz, sondern die gesamte etablierte Politik und Staatsrechtslehre mit den basissdemokratischen Möglichkeiten der Verfassung hat, zeigt der bpb-Artikel mit dem bezeichnenden Titel: „Direkte Demokratie im deutschen „Parteienbundesstaat““

Dieser antidemokratischen Qual ganz pragmatisch ein Ende zu setzen, hat sich die Kampagne

„Jetzt ist die Zeit: Volksentscheid. Bundesweit.“

zum Ziel gesetzt. Eine gute Möglichkeit, sich initiativ auch mit Rechtsetzung zu befassen, nämlich mit einem Gesetzentwurf in aller und damit auch in eigener Sache.

3. Verfassungsmäßige Wirtschaftsordnung vs. Ausbeutungszwang

Ein wesentliches Anliegen bürgerlicher Rechtstheorie und der „herrschenden Meinung“ ihrer Vertreter ist die Abspaltung der Zuständigkeit des Volkssouveräns für die Bestimmung der verfassungsmäßigen Wirtschaftsordnung.

Schon in diesem Ansinnen zeigt sich die Angst davor, dass der Volkssouverän politisch der privatwirtschaftlich organisierten Wirtschaftsordnung die Gefolgschaft aufkündigen könnte, was gerade in jüngster Zeit durch die neoliberalen Zumutungen und deren internationalen Verwerfungen auch kein Wunder wäre.

Deswegen konstruierte die bürgerliche Rechtsgelehrtheit eine verfassungsrechtlich gebotene Trennung von Staat und Gesellschaft, durch die der privatrechtliche Bereich autonom und dem umändernden Zugriff einer staatlichen Gesetzgebung entzogen sein soll. Wie sich zur Frage der Wirtschaftsordnung somit durch tägliche Übung ein in der Verfassung tatsächlich gar nicht normierter Zustand verfestigt hat, zeigt ein Artikel von Prof. Dr. Römer auf.

Dass diese Entwicklung nicht unumkehrbar ist, geht aber daraus gleichfalls hervor. Der Artikel zeigt, dass es für eine Neubesinnung auf den politischen Willen und tatsächliche Alternativen ankommt, die für eine allgemeine gesellschaftliche Anerkennung und wirtschaftspolitische Zielbestimmung taugen.

Konkret wäre es daher schon jetzt möglich, bewährte und neue betriebswirtschaftliche und gemeinwirtschaftliche Gesellschaftsformen mit sozialem Anspruch zu entwickeln und deren besondere Förderung politisch durchzusetzen.

Ebenso ist eine Verknüpfung von Besteuerung und Abgaben mit gesamtgesellschaftlichen Ordnungsvorstellungen keine neue Erfindung. So könnte z.B. durch die Begünstigung von entsprechenden Wirtchaftsansiedlungen im weniger entwickelten Norden Deutschlands auf erhebliche Investitionen für Stromtrassen zur Weiterleitung der Offshore-Windenergie in den Süden verzichtet werden. Dafür liegt wohl ein bundesweites Gemeinwohlinteresse auf der Hand.

Grundsätzlich sollte sich für regionale Wertschöpfungsketten mit guter Öko- und Sozialbilanz aus der offensichtlichen gesamtgesellschaftlichen Interessenlage wie z.B. den Klimaschutzzielen erhebliche Bevorzugungen ergeben. Solche gesamtgesellschaftlichen Ziele und Schwerpunktsetzungen müssen konkret formuliert und politisch diskutiert werden. Das Grundgesetz steht dem jedenfalls nicht entgegen.

4. Sozialstaatlichkeit vs. „Reichtumszwang und Armutsfreiheit“

Aus dem oben genannten Artikel von Prof. Dr. Römer und grundsätzlichen Überlegungen zum Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes lässt sich ableiten, dass sich der Sozialstaat zwischen dem Anspruch auf ein nicht unterschreitbares Minimum von individueller Menschenwürde und einem gesellschaftlich noch anerkannten Maximum einer soziale Leistung bewegen kann. Unwürdige Verarmung wie auch obzöner Reichtum verstoßen also gleichermaßen gegen die Menschenwürde.

Verfassungsrechtlich sollte damit einerseits die Abschaffung von Sanktionen zu existenziellen staatlichen Grundleistungen einen absoluten Vorrang in der Sozialpolitik haben. Welche Diskrepanz sich zwischen Armut und Wegwerfgesellschaft entwickelt hat, lässt sich an der Diskussion um die Ersatzversorgung durch ehrenamtliche Tafeln ermessen. Das Notwendige müsste eigentlich der Staat gewährleisten. Minimale gesellschaftliche Teilhabe ist sogar für Jeden ein Pflichtrecht, was sich schon aus der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherungspflicht ergibt und sich damit ohne Weiteres auf alle grundlegenden Lebensbereiche erstreckt. Um es auf den Punkt zu bringen: „Es lohnt ja wohl kaum mit teuer Medizin ein Leben halbwegs bis ins Rentenalter gesund zu erhalten, das ansonsten am sozialen Leben nicht mehr teilhaben kann.“

Wer sanktioniert, will eigentlich töten.

Andererseits ist aus der Menschenwürde genauso eine Obergrenze für die Abschöpfung von Leistungen durch den Einzelnen zu begründen. Eine isolierte Wertschöpfung von großen Vermögen ohne die Nutzung fremder und allgemeiner Leistungen dürfte in heutiger Zeit unmöglich sein. Wenn die Menschenwürde und Sozialbindung normativ mit einem Minimum verträglich ist, warum sollte sie mit einem Maximum unverträglich sein? Das ergäbe jedenfalls keinen Sinn.

Die im Dienste der verfassungsrechtlich sozial gebundenen Wirtschaftsordnung, somit vom Gemeinwohl „erzwungene“ Rolle eines asozialen Ausbeuters und Profiteurs verletzt prinzipiell ebenso die Menschenwürde, wie der Verweis auf unwürdige Lebensbedingungen am unteren Ende.

Dem sozialen Würdeentzug im Gemeinwohlinteresse kann sich der einzelne Profiteur nur durch wirtschaftliche „Unvernunft“ entziehen. Er darf Vermögensüberschüsse jedenfalls nicht zur Erlangung einer vorherrschenden politischen und wirtschaftlichen Macht missbrauchen und der Staat darf das auch nicht fördern. Dies wäre grundsätzlich verfassungswidrig und zudem als Korruption strafbar. Also auch kein Ausweg, der zu legalen Ergebnissen führen kann.

Eine Logik der Unbeschränktheit von Ansprüchen nach oben, ergibt sich damit also weder normativ aus der Verfassung noch macht sie im Rahmen eines demokratischen Rechts- und Sozialstaates überhaupt einen Sinn. Damit geht es bei der Abschöpfung von hohen Vermögen nicht um eine nachträgliche, enteignende Umverteilung von einseitigen Vermögensrechten, sondern um die Kappung von verfassungs- und rechtswidrigen, also asozialen Aneignungszwängen in Folge der aktuell präferierten Wirtschaftsordnung und damit der allseitigen Verwirklichung des Prinzips der Menschenwürde und der Sozialstaatsbindung.

5. Stärkung der Legislative

Die Stärkung der Legislative, genaugenommen des einzelnen Abgeordneten, sollte durch bürgerschaftliches Engagement auch zwischen den Wahlen forciert werden. Der Einflussnahme durch Parteien, insbesondere durch die parlamentarischen Fraktionen, aber auch durch die Vielzahl von Lobbyorganisationen, die Exekutive und Judikative kann der Wahlbürger durch dauerhafte Präsenz und Stützung der Abgeordneten entgegenwirken.

Verfassungswidrigen Einschränkungen von Abgeordnetenrechten sollte grundsätzlich und vehement entgegengetreten werden. Der Abgeordnete muss seinen normativen Rückhalt im Verfassungsrecht durch den Souverän ganz allgemein unterstützt sehen und sich somit als Erwählter des gesamten Souveräns auf seine Funktion als dessen eigenverantwortlicher Vertreter in Politik und Gesetzgebung besinnen.

Der Abgeordnete steht für sein Wort und für seine Stimme. Darin ist er frei und allein dem Votum des Wählers ausgesetzt. Die Parteien werden somit auf ihre Rolle für die Auswahl geeigneter Volksvertreter und die Erarbeitung und Bündelung von politischer Programmatik zurückgeführt. Die Fraktionen tragen zur effektiven Organisation und den inhaltlichen Austausch der eigenverantwortlichen Abgeordneten bei, anstatt mit einem verfassungswidrigen Fraktionszwang die parteipolitische oder interfraktionelle Abhängigkeit des Abgeordneten zu organisieren.

Unter solchen Umständen würde eine Wahlabstinenz nicht mehr mit demokratischen und verfassungsrechtlichen Gründen unterlegbar sein. Durch die zu etablierenden Volksabstimmungen ergänzt, wird die Volkssouveränität damit auch in der repräsentativen Demokratie zum Projekt der bürgerschaftlichen Selbstermächtigung und wirkt der Beliebigkeit und Politikverdrossenheit entgegen.

Rechtswidrige Beschränkungen von Abgeordnetenrechten, wie beispielsweise durch den BGH-Beschluss vom Februar 2017 zum NSA-Untersuchungsausschuss (siehe im Teil 2 unter Punkt 4), dürfte ein solches Gericht politisch und rechtlich nicht mehr überleben und damit für die Zukunft ausgeschlossen sein.

5. Rechtsstaatlichkeit vs. Richterstaat

Der größte Teil der Richterschaft und der Beschäftigten des Staates ist in der Lage die Gesetze einzuhalten und rechtsstaatliche Wirksamkeit zu garantieren. Insbesondere die Klarstellung und Verbesserung der Gesetzgebungskompetenz durch eine gestärkte Legislative und die aktiv forcierte Abberufung oder Verurteilung verfassungswidrig agierender Richter und Staatsdiener gibt den Beteiligten dafür die klare verfassungsgemäße Zielrichtung.

Sofern Gesetzesmängel eine angemessene und sichere Rechtsprechung nicht ermöglichen, kommt es zu einer zügigen Rückkopplung dieser Mängel durch Richtervorlage über das Bundesverfassungsgericht an den Gesetzgeber. Damit steigt tendenziell die Qualität und Bedeutung der verfassungsgemäßen Gesetzgebung, somit auch die allgemeine Rechtssicherheit und ein gutes Rechtsverständnis der Allgemeinheit.

Dies entlastet den Gesetzgeber und die Rechtsprechung von ständigen Neubewertungen und Ausgleichshandlungen zu mangelhaften Rechtsgrundlagen und auch von unnötigen Verfahren.

Zunehmend verändert dies die Rechtsprechung zugunsten der verfassungsmäßigen Gesetzestreue der Richterschaft, so dass Rechtsverletzungen nicht mehr als richterliche Alltagshandlungen auftreten. Damit entfällt auch der bisher entschuldigende Rahmen für Rechtsbeugungen, so dass der nur durch Richterrecht etablierten Rechtsbeugung zur Verhinderung der Verfolgung von Rechtsbeugung die Basis entzogen ist und verbliebene „schwarze Schafe“ wirksam aussortiert werden.

Rechtsstaatlichkeit wird damit zur verlässlichen Wirklichkeit, die Rechtsprechung entlastet sich faktisch durch Qualität selbst und erhöht auch allgemein ihr Ansehen und ihre Wirksamkeit.

6. Allgemeines Rechtsverständnis vs. erbitterter Kampf ums Recht

Eine an ordentliche, klar formulierte Gesetze gebundene Rechtsprechung führt zu einem allgemein besseren Rechtsverständnis und damit zu weniger und kürzeren Gerichtsverfahren. Allgemein noch offene Rechtsfragen werden im ordentlichen Instanzenzug der Gerichte, durch eine wieder aufnahmefähige Verfassungsgerichtsbarkeit und durch den Gesetzgeber zügig, allgemeinverbindlich und transparent geklärt, so dass Unsicherheiten im Recht tendenziell abnehmen.

Eine damit verbundene hohe Akzeptanz der Rechtsprechung und allgemeine Rechtssicherheit wirkt sich auf alle gesellschaftlichen Bereiche stabilisierend aus. Sie fördert den Gemeinsinn und einen verantwortungsvollen Umgang miteinander, was den Vorrang des politischen, persönlichen und gerechten Ausgleichs von Interessen wieder in den Fokus rückt.

7. Nachwort

Nach reiflicher Überlegung habe ich für diesen 3. Teil darauf verzichtet, zu rechtlichen Fragestellungen ins Detail zu gehen. Der Umfang und die „für und wieders“ wären von mir nur partiell erfassbar, was mehr Detailfragen als grundsätzliche Antworten zur Folge haben würde. Das wesentliche Anliegen meines Beitrags würde untergehen, nämlich das Werben für die notwendige Achtsamkeit auf das juristische Recht als einen wesentlichen Teil der Demokratie- und Machtfragen.

Um das vorherrschende Dilemma mit einem Bild zu verdeutlichen: Wir haben lesen gelernt, um uns allseits, also sozusagen demokratisch-literarisch, zu bilden, nicht um die Rechts-Mechanik eines Kreuzworträtsels mit Buchstaben zu füllen oder im Ratequiz A,B,C unterscheiden und bescheiden zu können. Man kann das Gerätsel also verachten und sich abwenden. Trotzdem oder auch gerade deswegen haben sich in der Gesellschaft Methoden durchgesetzt, die Raten und Rätseln als das wesentliche Mittel für wichtige Entscheidungen etabliert haben. Denn mit virtuosen aber sinnfreien Buchstaben-Manipulationen und einem variablen Lösungscode können Gewinne beliebig verteilt und Verlierer ausgeschieden werden. Niemand kann das Willkürliche und Sinnbefreite kontrollieren. Jedenfalls dann nicht, wenn er sich abwendet, obwohl er den Wirkungen unterworfen ist. Wir kommen also nicht umhin, dem Raten und Rätseln eine demokratisch-literarische Qualität und damit Willkürfreiheit und Sinnhaftigkeit aufzuzwingen. Das Recht und das Können dazu haben wir.

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111 Antworten zu Recht und Demokratie – was anfangen?!

  1. willi uebelherr schreibt:

    Lieber Lutz, grandios. Meine volle anerkennung. Ich habe natuerlich einige einwaende und hinweise, klar. Das will ich aber spaeter, so nach und nach, vortragen.

    Ueberragend ist dein ansatz, die Volkssouveraenitaet zur grundlage zu machen, was ja immer rechte und pflichten beinhaltet und ein sich entziehen tatsaechlich verachtet.

    mit dank und lieben gruessen, willi

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  2. Katharina Winter schreibt:

    Wieviel Rechtsstaat ist noch möglich? Werden Gesetze noch eingehalten? Wenn ja, wo …?

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  3. Katharina Winter schreibt:

    Ich weiß ja nicht, worauf Ihre Ausführungen beruhen. Kennen Sie sich mit Gerichtsverhandlungen aus?
    Ich habe mittlerweile an ca. 20 Gerichtsverhandlungen teilgenommen, an eigenen und als Begleiter, Zuhörer bei Verhandlungen anderer Personen. Es gab regelmäßig ein Hauen und ein Stechen (Metapher) im Gerichtssaal, ein Abwürgen, den Mund verbieten, es durften keine Aussagen korrigiert werden … die Hinzuziehung von Zeugen wurde verhindert, Beweise ignoriert, die Protokollierung wurde abgelehnt. Das erzeugt weitere Gerichtsverhandlungen und in mit diesen wird es selten besser. Die Gerichte verstopfen.
    Ein gegenseitiges Benehmen der Richter, Staatsanwälte und anderen Beteiligten wird nur mit einer Aufnahme von Verhandlungen per Video erzielbar sein.
    ————- Es ist an der Zeit, das umzusetzen! —————-
    Nur das wird die Einhaltung von Gesetzen wieder zurückholen können!
    Ersatzweise nehmen die Betroffenen jetzt schon die Verhandlungen privat auf.

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    • Lutz Lippke schreibt:

      Was Sie beschreiben, das kenne ich auch ganz gut. Und ich weiß, das solche Szenarien nicht nur in besonderen Fällen auftreten, sondern durchaus Gerichtsalltag sind und massives Leid auslösen. Das müssen Sie mir hier erstmal glauben und am besten alle 3 Teile aufmerksam lesen. Dann hoffentlich verstehen, dass ich mit dem Beitrag versuche an des Wesens Kern zu gelangen und einen allgemeinen politischen Ausweg aufzuzeigen. Der erscheint Ihnen zu optimistisch? Das leuchtet mir sogar ein. Aber wenn ich für die üblichen Verdächtigen die „Fähigkeit zum Richtigen“ behauptet habe, dann doch mit dem unbedingten Zusatz der Notwendigkeit von wirksamen Sanktionen bei Verweigerung. Auf die Schnelle passiert da nichts. Das konkret Drängende war hier aber nicht mein Thema. Berichten Sie trotzdem von Ihren Erfahrungen, was Sie für die Ursachen der wahrgenommenen Zustände halten und wie dem zu begegnen ist. Für die reguläre Aufzeichnung von Verhandlungen und Vernehmungen gibt es jedenfalls sehr gute Argumente, aber noch erheblichen Widerstand in der Justiz.

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    • willi uebelherr schreibt:

      Ich unetrstuetze sehr den vorschlag von Katharina zur aufzeichnung aller „verhandlungen“ und deren arbeitssitzungen. Die mafiose struktur der rechtssystemakteure ist nur meoglich durch verheimlichung.

      Alle diese sitzungen finden im oeffntlichen raum statt. Und auf der grundlage des prinzips, „wir machen alles oeffentlich, was oeffentlich ist“, ist das eine logische schlussfolgerung der Volkssouveraenitaet.

      Das gilt natuerlich fuer alle aktivitaeten staatlich-begruendeter akteure.

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  4. Theresa Bruckmann schreibt:

    Lieber Lutz Lippke,
    bevor Sie diesen 3. wunderbaren Teil ins Netz stellten, hatte ich 2 klägliche Versuche gemacht. Sie waren aber beide nicht der Rede wert. Zunächst war ich erschlagen von dem Ansturm an Zumutungen der Dinge, die Norbert Häring auf seinem Blog darstellt.
    Diese Dreistigkeit von Seiten der Seeheimer SPD-Leute, mit der – jetzt offenbar ganz offen
    die Entdemokratisierung weitergetrieben werden soll, hat mich erschüttert.
    Die Instruiierung an die Politik aus Davos (ob und inwieweit ihnen das gelingt, sei hier nicht Thema), hat Norbert Häring publik gemacht (sollte wohl eher (noch) verborgen bleiben.
    Das zusammen machte mich sprach-, mut- und ratlos. Zwar brachte ich ein paar Einwürfe zustande, etwa:
    Auf welchem Feld der Rechtsprechung funktioniert
    es ordentlich?
    Und sollte man nicht ein paar mustergültige
    Rechtsfälle als Anschauungsmaterial darstellen
    (wann und wo sie tatsächlich so stattgefunden haben),
    denn Erziehung geschieht ja auch nur am positiven Beispiel.
    Und was ist mit der Bestrafung, etwa Herabstufung von Personal
    im Justiz- und Beamtenapparat? Wird das gemacht und zeigt dies
    Wirkung?
    Sie sehen alles nur hilflose Einwürfe, nichts Zusammenhängendes.
    Ich konnte Ihnen überhaupt keine Hilfe sein.

    Aus Ihrem wunderbaren 3. Teil möchte ich folgendes bekräftigen
    und/erinnern:

    Zu 1) Referenzrahmen:
    Sie stellen noch einmal den Referenzrahmen zum Verständnis der aktuellen Situation dar und Sie sagen: „Teilweise sind diese Fehlvorstellungen von Recht und der Demokratie bereits tief im gesellschaftlichen Denken verankert und müssen aufgebrochen werden.
    Dies habe ich bislang weder bemerkt, geschweige denn mir Gedanken gemacht. Auch deshalb muss ich mir immer wieder Herleitung vor Augen halten, mit der die Ingeborg Maus die Volkssouveränität begründet, und zwar gehe ich dabei zurück bis zu Prof. Mausfelds
    Begründung eines humanitären Universalismus, nämlich die Anerkennung einer prinzipiellen Gleichwertigkeit aller Menschen. Er argumentiert in

    Klicke, um auf Mausfeld_Die_Angst_der_Machteliten_vor_dem_Volk.pdf zuzugreifen

    Seine Argumentation (S.37/38): Der Mensch hat, Kant zufolge, „nicht boß einen relativen Wert, d.i. einen Preis, sondern einen inneren Wert, d.i. Würde“. Er kann daher keinen Marktpreis haben, weil er als Person. d.h. als autonomes vernunftbegabtes Wesen, „Zweck an sich selbst“ ist und niemals als bloßes Mittel für die Interessen anderer ‚verzweckt‘ werden darf.

    Ein universeller Humanismus schließt alle Ideen einer Vorrangstellung der eigenen biologischen, sozialen, kulturellen, religiösen oder nationalen Gruppe aus, insbesondere also Rassismus, Nationalismus oder Exzeptionalismus. In enger Beziehung damit steht ein weiteres Prinzip, nämlich das Recht auf politische Selbstbestimmung. Jeder Bürger soll einen angemessenen Anteil an allen Entscheidungen haben, die das eigene gesellschaftliche Leben betreffen. Alle Bürger haben somit ein Recht auf umfassende demokratische Mitwirkung an allen relevanten gesellschaftlichen Aspekten. Zentrale Bereiche einer Gesellschaft, insbesondere die Wirtschaft, dürfen nicht von einer demokratischen Legitimation und Kontrolle ausgeklammert werden. Alle Machtstrukturen haben ihre Existenzberechtigung nachzuweisen und sich der Öffentlichkeit gegenüber zu rechtfertigen, sonst sind sie illegitim und somit zu beseitigen…“
    Prof. Mausfeld verweist stets auf weiterführende Ausführungen von Ingeborg Maus.
    Hier setzen Sie in Ihrem 1. Beitrag zum Thema ‚Recht versus Demokratie?!
    In den Abschnitten 1 bis 3 stellen Sie das Vorgehen von Maus dar und sagen in 3.
    „Das Bonner Grundgesetz wird in der Tradition der Weimarer Verfassung gesehen, enthält aber im Gegensatz zum Weimarer Wertepluralismus eine Zielbestimmung auf den Sozialstaat… In der neueren Verfassungsinterpretation haben sich gegenüber der Weimarer Verfassungsdiskussion die Rollen vertauscht. Während reaktionäre Intentionen nun scheinbar eine beschränkende neopositivistische Verfassungsinterpretation artikulieren, wendet sich die progressive Staatsrechtslehre einer antiformalen Interpretation der Verfassung zu.
    In Ihrem Kommentar vom 08. Februar 2018 bringen Sie das Beispiel: kapitalistische Wirtschaftsordnung und Grundgesetz. Wörtlich: „Nach Maus bedingt die von ihr enttarnte gründungsrechtliche Interpretation des Grundgesetzes als einheitliche Verfassungsintention die Folgerung, dass das Bestehen der kapitalistischen Wirtschaftsordnung durch das Grundgesetz absolut geschützt ist. In Ihrer Erklärung stellen Sie die Argumentation umfassend dar.
    In Ihrer Kommentierung vom 09. Februar schreiben Sie über die praktische Dimension der Erkenntnisse von Maus:
    „Die sehe ich vor allem in folgendem:
    1. Ohne verbindliches Recht keine Demokratie
    2. Durch unbestimmte Rechtslogik wird Demokratie gefährdet
    3. Verbindliches Prozessrecht muss unbestimmte Rechtsbegriffe/Werte fixieren
    4. Logische Qualität des Rechts ist gerade kein Gegensatz zu gerechten Lösungen
    5. Rechtslehre als Textauslegungslehre manifestiert die Unbestimmtheit des Rechts

    Sie schreiben zudem: „Aber allen ist wohl auch klar, dass die Rechtsordnung immer auch eine
    politische Funktion hat. Mir war früher nicht bewusst, welch grundlegende Dimension die Beschränkung der Demokratie, die Absicherung der Machtverhältnisse und Möglichkeiten der Repression in diesen Deutschland-AGB tatsächlich vorliegt. Der Verweis auf ein paar gekündigte Geheimabsprachen mit den ehemaligen Besatzungsmächten lenkt von dem Selbstgemachten nur ab.“
    Am 10. Februar 2018 „Demokratisches Legalsystem „in progress“ bedeutet weder statisch, noch fremdbestimmt.“
    Am selben 10. Februar „1. Welches Rechtssystem ermöglicht eine Demokratie, also R – >D?
    2. Welche Wirkmächtigkeit muss Demokratie auf das Recht haben, also D -> R?“ und begründen dies sorgfältig.
    Am 10. Februar ist das Video EUropa – „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Aber wo geht sie hin?“ von Prof. Andreas Fisahn (attac) im Blog.

    Am 12. Februar schreibe ich „Ich komme irgendwie nicht los vom Begriff Wertepluralismus.
    Also der Wertepluralismus einmal b i l d l i c h dargestellt. „Ich stelle mir einen Ozean von Möglichkeiten vor, aus dem der demokratische Souverän wählen kann. Das wäre ein P r i m a t P o l i t i k. Jetzt kommt ein V o r b e h a l t, z.B. ein wirtschafticher, den stelle ich mir wie einen F i l t e r vor. Es fällt nur noch durch den Filter, was mit dem Vorbehalt vereinbar ist. Das heißt, das allermeiste aus dem Ozean der Möglichkeiten kommt überhaupt und von-vorn-herein g a r n i c h t mehr in B e t r a c h t .
    Der Vorbehalt hat die Wirkung eines Flaschenhalses, eines künstlich gesetzten Engpasses, um nur die erwünschten Möglichkeiten z u z u l a s s e n. Die Möglichkeiten unterliegen einem B r i e f i n g . Sie stehen gar n i c h t mehr zur W a h l .
    Solche Vorbehalte können sein. Wirtschaftsform (Wettbewerb, Markt, Globalismus oder Abschottung zum Schutz der heimischen Wirtschaft, u.v.m.), öffentliche Sicherheit (ein Ausnahmezustand z.B.), Kriegswirtschaft (anstelle jeglicher/m Produktion und Handel), Rassismus oder Exceptionalismus u.v.m.
    Beim Lesen des Textes von Prof. Römer steht (S.175) „Wie in Weimar wird auch für die Bundesrepublik der Kompromiss aufgekündigt, der darin bestand, im Verzicht auf die Einfügung sozialistischer Elemente in die Verfassungsordnung die rechtliche Möglichkeit zu eröffnen, durch die Gesetzgebung die Entwicklung in Richtung Sozialismus voranzutreiben….und (S.176) Während sich die überkommene, rechtsstaatliche, gewaltenteilende Verfassung gegenüber den Bestrebungen einer sozialstaatlichen Fortbildung im wesentlichen abweisend zeigt, hat das Verwaltungsrecht einen seine gesamte Systematik ergreifenden, in die Tiefe gehenden Prozess der Umbildung durchlaufen, als dessen Ergebnis heute der Sozialstaat in einer zwar noch nicht abgeschlossenen, aber doch weit fortgeschrittenen Formung vor sich steht“ (Forsthoff) … und (S.179) Ausbau, Umbau und auch der heutige Abbau des Sozialstaats konnte somit bei erbaulichem verfassungsrechtlichen Sermon und unter Anschmiegung der Verfassungsrechtsprechung und Verfassungslehre an die wechselnden politischen Machtlagen stattfinden und (S.180) Der verfassungsrechtliche Normenbestand selbst hat sich seit 1954 nicht wesentlich verändert. Das Grundgesetz ist zwar über vierzig mal und teilweise umfassend geändert worden. Neue soziale Rechte und Institute sind jedoch nicht aufgenommen worden. (auch S 180) Ergebnis der kläglich verlaufenen Arbeit der Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat im Zusammenhang mit dem Beitritt der neuen Bundesländer ist lediglich gewesen, dass niemand seiner Behinderung wegen benachteiligt werden darf, Art. 3, Abs. 3, Satz 2 GG und … Art. 3, Abs. 2 GG (Gleichberechtigung von Mann und Frau).
    (S.181) Die BRD ist andererseits Mitglied der EU und von internationalen Institutionen wie z.B. dem IWF, der Weltbank, der GATT, die sich sehr entschieden für die Herstellung kapitalistischer Marktwirtschaft, für Privatisierungen und für freie Konkurrenz einsetzen, sowie für den Rückzug des Staates von wirtschaftlicher Betätigung.
    Die marktwirtschaftliche Verfassung der BRD hat dadurch eine internationale Absicherung und Befestigung erfahren. Die entscheidende verfassungsrechtliche Änderung der wirtschaftlichen Bestimmungen des Grundgesetzes wurde jedoch im Zuge des Vereinigungsprozesses vorgenommen, sie wurde ohne die – notwendige, Art. 79 Abs. 3 GG-Änderung des Wortlauts der Verfassung und weitestgehend undiskutiert, gleichsam nebenbei beschlossen. Bereits im Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18. Mai 1990, bestätigt von der Volkskammer durch Gesetz vom 21. Juni 1990 wurde der gemeinsame Wille bekundet, die Soziale Marktwirtschaft als Grundlage für die weitere wirtschaftliche und soziale Entwicklung mit sozialem Ausgleich und sozialer Absicherung und Verantwortung gegenüber der Umwelt auch in der Deutschen Demokratischen Republik einzuführen.“
    Art. 1, Abs. 3 normiert, die Soziale Marktwirtschaft sei für die Wirtschaftsunion die gemeinsame Wirtschaftsordnung beider Vertragsparteien. „Sie wird insbesondere bestimmt durch Privateigentum, Leistungswettbewerb, freie Preisbildung und grundsätzlich volle Freizügigkeit von Arbeit, Kapital, Gütern und Dienstleistungen.“ Die DDR verpflichtete sich in diesem Vertrag, die Rahmenbedingungen zu schaffen „für die Entfaltung der Marktkräfte und der Privatinitiative“ und die Unternehmensverfassung so zu gestalten, dass sie „auf den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft mit der freien Entscheidung der Unternehmen über Produkte, Mengen, Produktionsverfahren, Investitionen, Arbeitsverhältnisse, Preise und Gewinnverwendung beruht“, Art. 11 Abs. 3. In verbindlichen Leitsätzen wurde von den Vertragspartnern festgehalten, dass wirtschaftliche Leistungen vorrangig privatwirtschaftlich und im Wettbewerb erbracht werden. Dieser Vertrag bezog sich auf verfassungsrechtliche Fragen; er war ein Verfassungsvertrag, jedenfalls für die DDR. weil für sie die Übernahme von Verfassungsnormen der BRD vereinbart wurde. Dieser Vertrag wurde ebenso wie der Einigungsvertrag von den gesetzgebenden Gremien der BRD und der DDR mit den Mehrheiten, die für ein verfassungsänderndes Gesetz erforderlich sind, beschlossen.“

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    • Lutz Lippke schreibt:

      „Im Mausfeld habe ich Maus auch gefunden“ und konnte meine Erfahrungen mit der Justiz und aus den vielen Diskussionen mit Juristen mit grundsätzlichen Erklärungsmustern in Übereinstimmung bringen. Gleichzeitig konnte ich die linke Naivität und verbreitete Ignoranz gegenüber den Wirkungen des Rechts auf die Gesellschaft bei Maus erklärt finden. Mit Rüthers schließen sich Offenbarungen zur Methodik des Richterstaats an und die Texte von Römer verbinden dies mit den Fragen zur Wirtschaftsordnung und dem Sozialstaat. Ich habe natürlich auch die Texte von Häring angelesen, wollte mich aber weitgehend auf die innerstaatliche Situation beschränken. Es war eigentlich sogar meine Absicht noch mehr in die Methoden der Gerichtspraxis hineinzuleuchten. Das hätte bei Frau Winter sicher mehr Zustimmung gefunden. Aber das ist eine weitere Dimension, die man nicht halbherzig behandeln sollte.
      Mit den 3 Teilen wollte ich aus 2 Richtungen auf die derzeitige Situation aufmerksam machen und dabei auf gut untersuchte, aber wenig verbreitete Erkenntnisse aufmerksam machen. Den vom Justizversagen direkt oder mittelbar Betroffenen kann das Verständnis der historischen und politischen Dimensionen anregen, sich über Einzelfälle und konkrete Interessenlagen hinweg, allgemein und gemeinsam für eine gesetzestreue Justiz einzusetzen und die Erfahrungen in den politischen Diskurs mit einzubringen. Für die politisch Engagierten, aber mit Justiz und Recht wenig vertrauten, war es mir wichtig aufzuzeigen, dass in den werteverbrämten Rechtskonstrukten von der allgemeinen Beschränkung der Demokratie bis hin zur Schädigung oder sogar Zerstörung einzelner Existenzen eine eigenwillige, aber eben nicht absichtslose Verbindung besteht, die schwer zu fassen und damit umso wirksamer ist.
      Wenn mir diese Verknüpfung der 2 Erfahrungswelten ein Stück weit gelungen ist und wir daraus tendenziell ein Mehr an Klarheit und Orientierung für die Notwendigkeit der Durchsetzung demokratischer Rechte gewinnen können, dann hat sich der Aufwand schon gelohnt. Zu dem dargestellten Optimismus, dass uns dies sowohl in der allgemeinen politischen und kulturellen Entwicklung als auch im Einzelfall zu mehr Gerechtigkeit bringen wird, stehe ich. Wie sonst kann ein Mensch gerade in Not solche Klarheit und Kraft entfalten. https://opablog.net/?s=Ilona+Haslbauer+Gedichte

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    • Theresa Bruckmann schreibt:

      Lieber Lutz Lippke,
      „ein universeller Humanismus schließt alle Ideen einer Vorrangstellung der eigenen biologischen, sozialen, kulturellen, religiösen oder nationalen Gruppe aus, insbesondere also Rassismus, Nationalismus oder Exzeptionalismus. In enger Beziehung damit steht ein weiteres Prinzip, nämlich das Recht auf politische Selbstbestimmung. Jeder Bürger soll einen angemessenen Anteil an allen Entscheidungen haben, die das eigene gesellschaftliche Leben betreffen. Alle Bürger haben somit ein Recht auf umfassende demokratische Mitwirkung an allen relevanten gesellschaftlichen Aspekten. Zentrale Bereiche einer Gesellschaft, insbesondere die Wirtschaft, dürfen nicht von einer demokratischen Legitimation und Kontrolle ausgeklammert werden“ heißt es s.o.
      bei Prof. Mausfeld.
      Hier will ich mal versuchen anzuknüpfen.
      Aber zuvor muss ich nachlesen, welche rechtliche Struktur der spanische Staat hat, um zu sehen, wie Katalanien darin rechtlich eingebunden ist.

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  5. Theresa Bruckmann schreibt:

    Willi Uebelherr,
    an Sie und Ihre beiden ganz wesentlichen Aussagen habe ich gedacht, als ich zum einen den Humanismusbegriff von Mausfeld in den Mittelpunkt rückte. Im Prinzip steht für mich die Frage im Raum: „Welchen Humanismus meinen wir?“
    Ich denke z.B. an verschiedene Kommunen-Experimente, die scheiterten, weil man sich nicht einigen konnte auf die ‚persönlichen Freiheiten‘, also wenn einer mehr haben wollte von dem Getauschten (das muss nicht Geld sein), weil er dieses ‚ein Jeder nach seinen Bedürfnissen‘ anders beanspruchte als die anderen.
    Das zweite ist die Sache mit der Absicherung im Krankheitsfall. Krankenhauskosten können ein halbes Eigenheim kosten. Eine Kommune kann das gar nicht aufbringen. Deshalb braucht man entweder ein Aufgehobensein in einem größeren (genossenschaftlich organisierten?) Versicherungsverbund oder aber man akzeptiert einen ‚Überbau‘ und reizt die Freiheiten/Möglichkeiten, die er zulässt aus, so weit es eben geht (lässt sich vielleicht verschieben nach dem ‚Schmetterlings-Idee von Wallerstein).
    Damit bin ich beim nächsten Thema “Überbau‘. Was wir schon kennen an Gemeinwohl-Ökonomie akzeptiert/toleriert, also auf jeden Fall ‚lehnt nicht strikt ab‘ was an Überbau – ich sage mal vorgefunden ist – arbeitet aber auf einer Ebene ganz anders, wählt auch anders und rechnet – so denke ich – damit, dass auch das evolutionär zu einem anderen Gesellschafts-/Wirtschaftsleben führt.
    Auch die Memo-Gruppe sehe ich so. Alle Vorschläge setzen den Primat Politik voraus, einen starken Staat, der der Ökonomie ganz klar den Rahmen setzt, in der sie sich zu bewegen hat, lenkend dafür sorgt, dass befördert wird, was dem ganzen Volk, der Umwelt dient, ist nachhaltig, zukunftsfähig, ressourcenschonend. Heinz-Josef Bontrup (S. 475) Arbeit, Kapital und Staat, 4.Auflage 2011, geht optimistisch davon aus, dass alle 4 Jahre eine andere Politik Schwerpunkte setzt, natürlich zum Wohle aller und macht Vorschläge an die Politik, so wie es die AAWP Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik seit ihren Anfängen tut. Sie bewegt sich damit auf dem Terrain, von dem Lutz Lippke und Prof. Römer sagen, „was heute schon möglich ist“. Es gab ja auch mal Zeiten (mit Karl Schiller 1966-72) wo solches nicht nur möglich schien, sondern gemacht wurde (mit Keynes, konzertierte Aktionen, Globalsteuerung entlang dem ‚Magischen Viereck‘. Ich bin mir dabei ziemlich sicher, dass die Verfassungsfrage so radikal nicht analysiert wurde, wie Ingeborg Maus das tut. Aber Heinz-Josef Bontrup zitiert an mehreren Stellen Karl Georg Zinn, so z.B. auf der Seite 472 ebenda: „Wann wird Sozialabbau verfassungswidrig?“ oder auf der Seite 473 (ebenfalls Zinn, K.G. (2003): Realitäten und Visionen von Arbeit und Arbeitsmarktpolitik, in Sozialismus, Heft 8) Darin: „Der bar jeder Leistungsbezogenheit wachsende Überreichtum an der Spitze der Vermögenspyramide bei gleichzeitigem Anstieg der sozialen Armut ist schlicht sozialstaatswidrig und somit eine Art Verfassungsbruch“ (Zinn, K:G. (2003): Realitäten … in Sozialismus, Heft 7-8.
    Kurz: So wie in der Friedensbewegung sind verschiedene Menschen, Gruppen unterschiedlich unterwegs. Wir sollten sie aber als unsere Freunde mit ähnlichen Zielen betrachten.
    Zur Wissenschaftlichkeit noch etwas: Natürlich denke ich auch manchmal ‚dahinter kann man sich auch zurückziehen‘; aber es ist nun einmal so, wer Gehör finden will, muss sich fragen: „Wie bringe ich die Erkenntnisse unter die Leute?“ Das kann über attac geschehen oder über die Teilnahme an Enquete-Kommissionen u.ä. Formen der Politikberatung.
    „Alles nützt etwas“, würde Wallerstein wieder sagen.
    Verteilungsfragen und -ziele wie die Verteilung von Arbeit, also des Arbeitsvolumens, Arbeitszeitverkürzung, Verteilung der Wertschöpfung, haben bei der Memo-Gruppe immer im Zentrum gestanden und (zur Erinnerung: die Gruppe gründete sich als Reaktion auf das Fallenlassen des Staatsziels ‚Vollbeschäftigung‘ durch die Regierung Helmut Schmidts 1975).
    Die Notwendigkeit des Staates Steuern so zu erheben, dass die Staatsaufgaben erfüllt werden können und dass die Gewinneinkommen dazu ihren Beitrag zu leisten haben, findet man in jedem Memorandum der Gruppe. Kreditfinanzierte Zukunftsausgaben. Bildung, Infrastruktur, Daseinsfürsorge, sind eine Notwendigkeit. Die ‚Schwarze Null‘ ist Kaputtsparen. Investitionen in die Zukunft sind nicht Staatsverbrauch, sondern ist Werteschaffen. Im Bild eines Buchhalters sind sie eine Bilanzverlängerung, denn auf der Aktiva-Seite stehen neue geschaffene Werte, denen auf der Passiva-Seite neue Schulden in genau der Höhe gegenüberstehen. Wenn man bedenkt, wie günstig die Zinssätze gegenwärtig sind, sind Zukunftsinvestitionen das Gebot der Stunde.

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  6. willi uebelherr schreibt:

    Liebe Theresa, ich stimme dir in vielem zu. Aber wir sollten die beliebigkeit etwas reduzieren und klarer die bedingungen einer transformation angehen.

    Diese transformationen finden ja von der anderen seite permanent statt. Und nicht nur in Deutschland. Im Makroskop wurde ein dreiteiliger text in uebersetzter form von Bill Mitchell veroeffentlich. Nur der 3.teil ist frei lesbar.

    Wirtschaftspolitik und die Modern Monetary Theory – 3
    Bill Mitchell, 15.3.2018
    https://makroskop.eu/2018/03/wirtschaftspolitik-und-die-modern-monetary-theory-3/

    In diesem teil macht Bill Mitchell deutlich, dass eine souveraene gemeinschaft mit ihrem staat keine kredite benoetigt, weil sie dann ihre eigene waehrung selbst organisiert. Wenn wir in einem FIAT-Geldsystem leben wollen, dann sollten wir die prinzipien der alten National Oekonomie, Smith und Ricardo, etwas ernst nehmen und uns keine baeren aufbinden lassen.

    Insofern waren alle diese transformationen nur moeglich, weil ein vakuum erzeugt wurde, in dem dies alles moeglich war. Und dieses vakuum wird vom politischen ueberbau symbolisiert, weil es da um Entmaechtigung des „Souveraens“ geht. Und nur darum.

    Dass eine gemeinschaft immer eine soziale sicherung im bedarfsfall einrichten kann, das wissen wir doch. Das ist ja auch unsere aktionsgrundlage. Dieses ganze Affentheater des Privaten wird doch wirklich nicht gebraucht. Vor allem schafft es nur sinnloses durcheinander und einen gewaltigen nutzlosen aufwand.

    Und was von diesem theater des politischen ueberbaus willst du denn retten? Was ist es denn wert, gerettet zu werden? Oder ist da mehr der eingeuebte Gehorsam „die Mutter der Gedanken“? Oder unsere eigene ideenlosigkeit und „selbstverschuldete Unmuendigkeit“?

    mit lieben gruessen, willi

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    • fidelpoludo schreibt:

      Zitat von Willis Schlußfragen:
      „Und was von diesem theater des politischen ueberbaus willst du denn retten? Was ist es denn wert, gerettet zu werden? Oder ist da mehr der eingeuebte Gehorsam „die Mutter der Gedanken“? Oder unsere eigene ideenlosigkeit und „selbstverschuldete Unmuendigkeit“?
      Hallo Willi,
      wenn du hier William Mitchell zitierst – der Hinweis ist kostbar und ich bin dafür sehr dankbar -, dann wirst du auch nicht übersehen haben, dass er zusammen mit Thomas Fazi ein Buch mit dem sehr sprechenden Titel veröffentlichen wird: „Reclaiming the State“, was ja nicht etwa heißt „Wir wollen unseren alten Kaiser Wilhelm wieder haben!“, sondern: „Wir wollen (unseren alten) Staat wieder haben!“ Er behauptet nämlich – meiner Ansicht nach völlig zurecht -, dass ein Großteil des Versagens der Linken darin bestand und besteht, dass sie im Staat kein Werkzeug zum Kampf gegen den Neoliberalismus gesehen hat und sieht. Soviel glaube ich, bisher von ihm verstanden zu haben. Aber mein Verständnis seiner Gedanken und Theorien ist erst am Anfang. Bin im Moment dabei, mir seinen letzten Vortrag in Helsinki anzusehen und anzuhören:

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  7. willi uebelherr schreibt:

    Liebe freunde, Makroskop mit Heiner Flassbeck haben immer noch nicht verstanden, wie wichtig eigentlich der freie zugang zu texten ist. Deshalb ein vorschlag.

    Unter der vorrausetzung, dass in diesem kreis menschen sind mit einem zugang zu Makroskop. kopieren wir die 3 teile von Bill Mitchell in einen blogbeitrag. Da existiert dann die huerde Klaus-Peter. Falls diese huerde uebergehbar ist, wird dieser beitrag verteilt. Dann senden wir eine email an Hernn Flassbeck und die redaktion von Makroskop, dass wir diese 3 teile veroeffentlicht haben und bitten sie, Bill Mitchell um seine position dazu nachzufragen. Und natuerlich die uebersetzerInnen.

    Makroskop und Heiner Flassbeck sind Geld-Junkies. Sie haben alle ausreichende finanzielle basen, aber keine verantwortung fuer die allgemeinheit. Aber vielleicht wird ihnen der unsinn langsam klar, den sie organisieren. Bill Mitchell in seinem blog ist da deutlich unkomplizierter.
    Bill Mitchell – billy blog
    Modern Monetary Theory … macroeconomic reality
    http://bilbo.economicoutlook.net/blog/

    mit lieben gruessen, willi

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  8. Lutz Lippke schreibt:

    Rechtsanwalt Schmitz unerschrocken mit den Mitteln des Rechts gegen Kriegstreiber und Rechtsbeuger. Medial findet das nicht statt, aber es geht direkt auf die 12. Mehr kann ein Einzelner nicht bewirken. Man könnte unterstützen, erweitern, verbreitern.
    https://www.rechtsanwalt-wilfried-schmitz.de/aktuelles/

    Der Alternative für Syrien-Fan und Chef-Rassistenjäger des Bundestages Özdemir sammelt dagegen politisch weiter Bonusmeilen für erfundene Fluchtursachen, damit keiner überhaupt nirgendwo bleiben muss. Wer wählt eigentlich (noch) solche Leute und eine solch fragwürdig ambivalente Partei, wie die Grünen? Wer von den Bürgerbewegten des Bündnis 90 kann den Etikettenschwindel dulden? Oder ist das nicht sogar Betrug, wenn Kriegshetzer den Namen einer definitiv friedensbewegten Bürgerbewegung als Deckmantel nutzen?
    https://www.tagesspiegel.de/politik/cem-oezdemir-ueber-terror-syrien-fluechtlinge-es-wird-nicht-jeder-bleiben-koennen/12596302.html

    Man muss die AfD sicher gar nicht mögen, aber deren „Antwort“ an Akteure wie Özdemir ist klar:
    „Die AfD fordert eine strikte Einhaltung des Nichteinmischungsgrundsatzes in innere Angelegenheiten von Staaten, auch durch nichtstaatliche Akteure.“
    Noch klarer wäre die AfD mit entsprechender Tat gegen Brandstifter wie Özdemir, in dem sie selbst Anzeige nach dem Völkerstrafgesetzbuch erstattet, um der Forderung Nachdruck zu verleihen.

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    • fidelpoludo schreibt:

      Hallo Lutz,
      meine volle Zustimmung in allen Punkten.
      (Ist bisher noch nicht häufig vorgekommen, aber ich hätte nichts dagegen,
      wenn es in Zukunft immer öfter der Fall wäre.)

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      • Lutz Lippke schreibt:

        Das ist doch auch das Ziel unserer kontroversen Debatten. Möglichst viel Konsens für gemeinsame Ziele finden, in dem wir die Meinungen und Gewissheiten selbst zerlegen, bevor es die tun, die den Zielen entgegen stehen. Dass wir uns hier Ähnliches wünschen, davon gehe ich aus. Ein großer Vorteil, wenn Macht, Kommerz und Abhängigkeiten fehlen, es lohnt gar nicht, sich zu misstrauen.

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  9. fidelpoludo schreibt:

    B a z o n B r o c k :
    1. „Europa schafft sich ab!“
    „Es hat den Rechsstaat aufgegeben. Es hat die Demokratie aufgegeben. Unter dem anleitenden Beispiel der USA, also der nackten Machtausübung ohne jede Art von Kontrolle. Das heißt: Die Mafiotisierung ist das Grundprinzip des Westens. Die Gesellschaften sind mafiotisiert.“
    2. „Der Ausnahmezustand ist auf Dauer gesetzt. Was wir in Europa und den USA erleben, ist, dass die Regierenden den permanenten Ausnahmezustand erklären. Der Notstand wir zur Normalität erklärt. In dem Augenblick wird die Demokratie aufgegeben. An die Stelle von Recht und Gesetz tritt die Gaunerei. Es spricht nur noch die Macht: Wer sich durchsetzen kann, hat recht! Ende! Aus! Die Eliten entlassen uns aus der Verfügung der Demokratie und des Rechtsstaates in ihre Willkür.“
    3. „Was wir sehen – etwa in Griechenland – ist eine Willkürkette nach der anderen.“
    4. Über die Gleichheit der Menschen
    „Alle Menschen sind gleich im Hinblick auf das, was sie nicht können, nicht wissen und haben. Deswegen muss es Demokratie geben. Nämlich: Wie regiert man denn unter der aufgeklärten Vorstellung, dass niemand die Macht hat, die Werklichkeit nach seinem Willen zu formen? (…) Die Aufklärung beginnt da, wo alle sich das eingestehen und die Anmaßung der Allwissenheit aufgeben. Da beginnt auch die Demokratie. Diejenigen im Westen, die sie zu repräsentieren glauben, vorgeben, im Namen der demokratischen rechtsstaatlichen Verfasstheit zu argumentieren, haben die Begriffe nur usurpiert. Sie hantieren mit Begriffen und Sachverhalten herum, um sie nach ihrem Belieben zurecht zu biegen.“
    5. Über die Mafiotisierung der Gesellschaft:
    „Was früher unter dem Stichwort „Balkanisierung der Politk“ bezeichnet wurde, der Zerfall in kleine Teil- und Parallelgesellschaften, das wird heute im Sinne der Mafiotisierung gemacht: Jeder hat seinen kleinen Code, mit dem er Leute an sich bindet unter Ausschluß der anderen. Und damit ist der Konflikt vorhanden. Und durch die Migrationspolitik wird das jetzt zum staatlichen Ziel erklärt.
    Es gibt nur noch Ausnahmen, keine Regeln mehr.

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    • fidelpoludo schreibt:

      „so spielt sich unter der Herrschaft einer entformalisierenden Verfassungsjudikatur ein moderateres Drama ab. Das Bundesverfassungsgericht, das vom Grundgesetz als „Hüter“ der geschriebenen Verfassung eingesetzt war, usurpiert in der freizügigen Auslegung einer Verfassung, deren Inhalt es selber durch seine Entscheidungen je nach Sachlage stets neu bestimmt, die verfassungsgebende Gewalt des Volkes, ohne dass ein Verfassungsgesetz zustande käme. Auf diese Weise verschwinden auch die rechtsfreien Räume der Bürger, die nur durch präzise Gesetzesbestimmungen ausgegrenzt werden können, während die gesetzgebende Souveränität des Volkes in der Selbstprogrammierung der Apparate verschwindet.

      Noch einmal für auf der Zunge zum Zergehen:
      während die gesetzgebende Souveränität des Volkes in der Selbstprogrammierung der Apparate verschwindet.“
      Nun dürfte doch allen klar sein, das solche „Selbste“, auch und gerade „Apparate“, gerade im Moment ihrer „Selbstprogrammierung“ den verschiedensten Einflüssen ausgesetzt sind, denen je nach (ökonomischer?; politischer?) Macht begegnet oder nachgegeben wird. Dass Konzerninteressen, die ihr neoliberales Banner („Universale Freiheit für die alles zum Besten aller regelnden Märkte!“) jahrzehntelang schon vor sich hertragen, für sakrosankt und „alternativlos“ erklärt durch die überwältigende Mehrheit akademisch etablierter Ökonomen (99:1 once again!) diese Gelegenheit nicht beim Schopf ergreifen bzw. schon ergriffen haben und (gerade auch juristische) „Fakten geschaffen“ haben und schaffen ließen, die angeblich unumkehrbar sind, nachdem sie nicht unmittelbar zu Protest gingen, sollte niemanden wundern.

      Und was Europa und die EU betrifft, hören wir von derselben Autorin nur einen Abschnitt weiter:

      „auch bei größter Zustimmung zur Erweiterung der EU muss hinsichtlich der Qualität ihrer angestrebten Vertiefung gefragt werden, welche Kriterien für eine demokratische Verfassung überhaupt noch bestehen. (…) Mit Kant wäre hier daran zu erinnern, dass die (bereits vertraglich verbundenen) europäischen Einzelstaaten auch „innerlich schon eine rechtliche Verfassung haben“, und das Verständnis für demokratische Strukturen so weit zu schärfen, dass der Verfassungsentwurf für Europa in seiner jetzigen Gestalt als ein neues großes Projekt der Demokratieverhinderung zu erkennen ist.

      Diese Zitate von Ingeborg Maus („Vom Rechtsstaat zum Verfassungsstaat. Zur Kritik juridischer Demokratieverhinderung“ – mit meinen Hervorhebungen) wurden im Jahre 2004 veröffentlicht. Gehe ich zu weit, wenn ich Bazon Brocks Argumente in der konsequenten Verlängerung ihrer Argumente ansiedele. Seitdem sind 14 Jahre ins Land gegangen und rechtlich und demokratisch wie sozial hat sich Nichts zum Besseren geändert, eher haben sich weitere Konsequenzen aus den falschen Grundlagen, die nie wirklich korrigiert wurden, ergeben. Konsequenzen, deren Auswirkungen Bazon Brock benennt. Denken wir an Mollath und NSU. Gaunerei und Mafiotisierung. Schon 2004 spricht Ingeborg Maus von „Demokratieverhinderung“, nicht etwa von „Demokratieabbau“. Was noch nie wirklich da war, kann nicht abgebaut, wohl aber verhindert werden.

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      • Theresa Bruckmann schreibt:

        Lieber fidelpoludo,

        ein paar Fragen sind unbeantwortet geblieben.

        1) Bazon Brock
        Als ich ihn erstmals hörte, verstand ich auf Anhieb ungefähr 2/3.
        Jetzt, nach der Beschäftigung mit Prof. Mausfelds Vorträgen, meine
        ich zu erkennen, dass sie aus denselben Quellen schöpfen:
        Aristoteles, Kant, Platon Sokrates.
        Daher, weil dies auch meine Bezugsgrößen/Koordinaten sind,
        beziehe ich die hohe Glaubwürdigkeit, die sie bei mir genießen.

        2) Zu dem Beitrag von Elisabeth Schattenholzer

        Sprache und Wirklichkeit – ein schwieriges Verhältnis


        Es ist nicht immer Zustimmung, die einem fesselt, es kann auch
        Widerspruch sein, der aber seine Zeit brauchte, sich zu formieren.
        Dazu gab es Leserbriefe bei den NachDenkSeiten:

        Leserbriefe zu „Sprache und Wirklichkeit – ein schwieriges Verhältnis“


        Im Leserbrief Nr. 6 wird die Begriffswelten W1, W2 und W3 angesprochen.
        Diese benutze ich im Popper’schen Sinn. Beide, Schattenholzer und der Leserbrief-
        schreiber scheinen andere Definitionen zu benutzen.

        Aber zunächst zum Femininum:
        Lutz Lippke schreibt, dass es eher Wortklauberei, eine Masche oder ein Fetisch sei, als inhaltliche Genauigkeit und Vollständigkeit. Wörtlich: „So könnte man/frau auch einfordern, dass Arbeitnehmer(-innen) immer als Arbeitgeber(-innen) zu bezeichnen sind und sich einbilden damit etwas Entscheidendes gegen soziale Diskriminierung getan zu haben. Dass
        dies Blödsinn ist, leuchtet wohl jedem ein. Entscheidender ist, dass das Verbot sozialer Diskriminierung im Grundgesetz nicht explizit normiert wurde, so dass nicht Wenige meinen, dass Gerechtigkeit bedeutet, dass man die Plätze an den Freßtrögen nach Geschlechterquoten verteilt.
        Dem stimme ich voll zu.
        Persönlich halte ich es mit dem Femininum so: Die Berufsbezeichnung Lehrer, Betriebswirt, Volkswirt, Ökonom beschreibt die Tätigkeit und ich hatte nie das Bedürfnis dieses -in anzuhängen, mit einer Ausnahme: Wenn ich damit rechnen muss, dass Frauen in der Runde sind, die mich schon in der Vorstellungsrunde sofort korrigieren und sich schlimmstenfalls auch noch dazu auf die Rednerliste setzen lassen, um in langen Ausführungen ihren anderen Standpunkt darzulegen, stelle ich mich vorbeugend lieber gleich mit Ökonomin vor.
        Oder wenn ich eigentlich sagen will, dass die Kanzlerin nichts staatsmännisches an sich hat, ebenfalls um dem dümmlichen Einwand zu begegnen, wie könne eine weibliche Person (staats)männisch sein, umschreibe ich dies, dass wir leider z.Z. weder einen Staatsmann noch eine Staatsfrau haben, die uns regiert.

        Der Satz. „Ein Teilbegriff einer Menge kann und darf niemals gleichzeitig deren Oberbegriff sein“, ging mir nicht mehr aus dem Sinn.

        Für mich war der Satz bisher ein logisch wahrer Satz, so wie „die Teilmengen A 1 bis A n
        sind Teilmengen einer Menge A.“ oder noch eindeutiger in der Internationalen Nomenklatur, wie sie die Biologie benutzt. Im 3bändigen dtv-Atlas zur Biologie, dtv-Verlag München 1984
        ist das komplette Fachwissen in gerade mal 18 x 11x 3,5 cm Raumbedarf untergebracht. (Das sind die Abmessungen aller 3 Taschenbuch-Bände zusammengenommen).
        Im Vorwort heißt es u.a. „…Die Grundkonzeption des Werkes folgt einerseits methodisch-didaktischen Überlegungen, andererseits spiegelt sie weitgehend die Struktur der Fachwissenschaft wider: Im Fortschreiten von einfacheren zu immer komplexeren Systemen werden die Organisationsebenen des Lebendigen deutlich…“
        Es geht vom allgemeinen bis runter zur einzelnen Merkmal einer Pflanze, eines Tieres. Nichts wiederholt sich, anders als in einem Lexikon.
        Für jemand, der sich das ohne Lehrer und Unterricht selbst erarbeiten will, geradezu ideal.
        Hierbei gilt die strenge Ordnung von Oberbegriffen hin zu Unterabteilungen und weiter
        aufgespalten – auf insgesamt 23 Ebenen bei der Botanik und 17 Ebenen in der Zoologie.
        Im 3 Band ist diese Systematik auf den Seiten 542 – 584 exakt dargestellt.

        Dann ist wie gesagt von den 3 Welten die Rede.
        Karl R. Popper, Ausgangspunkte – Meine intellektuelle Entwicklung, Hoffmann und Campe, 1979
        Auf der Seite 263 heißt es: „Bolzanos Unterscheidung zwischen Sätzen an sich und subjektiven Denkprozessen erschien mir immer von der größten Wichtigkeit. Sätze an sich können in logischen Beziehungen zueinander stehen… Subjektive Denkprozesse dagegen können zueinander nur in psychologischen Beziehungen stehen…Die Denkprozesse eines Menschen können weder denen eines anderen widersprechen noch seinen eigenen Denkprozessen zu einem anderen Zeitpunkt.“
        Popper
        unterscheidet dann: Welt 1, die Welt der ‚Dinge‘, Welt 2, die Welt der subjektiven Erfahrungen (wie etwa Denkprozesse) und die Welt der Sätze an sich, seine Welt 3.
        Über diese Welt 3 sagt er dann auf der Seite 272: „Wir können die Welt der Probleme, der Theorien und der kritischen Argumente als einen Sonderfall betrachten, als ein Welt 3 im engeren Sinne, als die sprachliche oder logische oder intellektuelle Provinz der Welt 3; und zur Welt 3 im umfassenderen Sinne können wir alle Produkte des menschlichen Geistes rechnen wie etwa die Werkzeuge, die sozialen Institutionen und vor allem die Kunstwerke.“
        Popper hat dann seine für den naturwissenschaftlichen Bereich allgemein anerkannte Erkenntnistheorie auf den sozialwissenschaftlichen/gesellschaftswissenschaftlichen Bereich angewandt und ist zu seiner ‚offenen Gesellschaft‘ gelangt, die nichts anderes sagt, als dass
        eine Gesellschaft offen ist, wenn die Regierung abgewählt werden kann (wenn also Demokratie
        funktioniert). Außerdem ist er für Veränderungen in ‚Stücken‘, so dass die Folgen immer wieder überprüft werden können, so dass weitere und korrigierende Veränderungen möglich werden. Helmut Schmidt war ein Freund solchen Vorgehens (ausführlich dargestellt in Helmut Schmidt – eine politische Biographie, Martin Rupps, Hohenheim Verlag Stuttgart Leipzig, 2. Aufl. 2003.
        Zur Philosophie die ‚Mutter aller Wissenschaften‘. Wenn heute Ökonomen interdisziplinär nach Auswegen aus der neoklassischen Enge suchen, dann kann man das durchaus als eine
        Umkehr hin zu einer umfassenden Sicht auf das wirtschaftliche Handeln betrachten.

        Im Zusammenhang Wallerstein Video, verschrieb ich mich bei Nuging.
        Gemeint ist natürlich das Nudging, (Schubsen, eine soft Methode, Massen zu lenken. Richard H. Thaler bekam für seine Arbeiten auf diesem Gebiet den diesjähriger Wirtschafts-Nobel-Preis. Seine Arbeiten wiederum gehen auf das Paar Cass Sunstein/Samantha Power zurück, die schon die Strategie ausgearbeitet haben, mit der humanitäre Interventionen gerechtfertigt werden.

        Sonstiges:
        In diesem Beitrag
        http://www.voltairenet.org/article200378.html

        heißt es: „Seit Jahrhunderten gehört fast die ganze Stadt nur vier Personen.“
        Gemeint ist London, also der Immobilienbesitz Londons.
        Wer mögen die 4 Personen sein (der Adel?)

        und dieses Video sehe ich mir immer wieder an:

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        • fidelpoludo schreibt:

          Liebe Theresa,
          ehrlich, ich bin ganz stolz, dass Sie mir einen so langen Beitrag sozusagen „widmen“.
          Da sprechen Sie soviele Punkte und Fragen an. Das schaffe ich keineswegs in einem Abwasch. (Ich beginne also mit Teil? – 1)
          Nur eine kurze Bemerkung zu Popper: Als Person schien er mir immer als ehrlicher Mann mit den besten Absichten, der aus Überzeugung von der linken auf die rechte Seite gewechselt ist. Aus Überzeugung, nicht weil er etwa käuflich war. Theoretisch und wissenschaftlich mag er im naturwissenschaftlichen Bereich einige Bedeutung haben, aber im sozialwissenschaftlichen war er in den 70ern eines der Feindbilder der Linken. Ich weiß nicht, ob Sie sich an den sogenannten „Positivismus-Streit“ erinnern. Hier habe ich die Argumente der Linken, ganz besonders Adornos und der Kritischen Theorie gegen Popper und Albert, deren Theorie sich den gleichen Namen gab, ganz klar bevorzugt, ganz einfach u.a. weil sie Gleichsetzung von „offener“ Gesellschaft mit Kapitalismus nicht nur nicht akzeptierten, sondern zum theoretischen Gegenangriff bliesen. Hauptvorwurf: Es gibt keine wertfreie Theorie (im sozialen Bereich), wie von Popper u.a. behauptet. Sie muss immer von gesellschaftlichen Interessen getragen sein. Das ließe sich immer und immer wieder nachweisen. Außerdem sei an einem Begriff von gesellschaftlicher Totalität festzuhalten, den die „kritischen Rationalisten“ für unwissenschaftlich halten:

          „Grundlegend für die gesellschaftliche Analyse der Vertreter der Frankfurter Schule ist eine Wesenslehre der Gesellschaft, die vom Grundbegriff der Totalität ausgeht. Die Totalität wird als grundlegender struktureller Zusammenhang gesehen, der den Charakter der Gesellschaftsform bestimmt; die „psychosozialen Agenturen“ (Familie, Autoritäten, Peers, Massenmedien etc.) der Gesellschaft formen und bestimmen Denken und Identität des Individuums und damit auch der (Sozial-)Wissenschaftler von vornherein in weitaus größerem Maß, als das Individuum andersherum auf die sozialen Agenturen einwirken kann. Soziologie soll diese Totalität aufdecken und analysieren, um die Voraussetzungen zu ihrer potentiellen Überwindung zu schaffen. Für Popper hingegen sind alle Problemlösungsversuche notwendigerweise auf Einzelaspekte bezogen. Eine Veränderung der Gesellschaft „als Ganzes“ hält er für nicht möglich und den Versuch, es dennoch zu tun, für gefährlich.

          Während der Kritische Rationalismus also vorschlägt, das Ziel der Sozialwissenschaft sei der Versuch, gesellschaftliche Probleme zu lösen und gesellschaftliche Missstände zu beseitigen, ist die Frankfurter Schule der Auffassung, dass das Ziel darin bestehe, die der Gesellschaft zugrundeliegende Totalität auszumachen, die diese Probleme und Missstände verursacht. Diese Totalität bestehe aus Widersprüchen (in der Gegenwart insbesondere Klassengegensätze), die der Kritische Rationalismus irrigerweise dem Gesellschaftsbegriff der kritischen Theorie (Totalität) statt der Gesellschaft selbst (als Gegenstand dieses Begriffs) anlaste, weil er die klassische Logik statt der hegelschen Dialektik verwende. Nur durch Aufhebung der Widersprüche (Klassengegensätze) ließen sich die wahren Ursachen der Missstände beseitigen, und nicht lediglich, wie es der Kritische Rationalismus versuche, die oberflächlichen Symptome dieser Ursachen.“
          (https://de.wikipedia.org/wiki/Positivismusstreit)

          Leicht zu erkennen, dass sich in Popper die weltbeherrschende, mit dem Neoliberalismus leicht in Übereinstimmung zu bringende Denkweise zeigt. Wo es keine Totalität, keinen Gesamtzusammenhang, wird im Detail einfach „weitergewurschtelt“. Helmut Schmidt war einer seiner Anhänger, weil er anglophon angehaucht war und sich in den angelsächsischen Ländern besonders wohlfühlte und sich staatsmännisch zu präsentieren wußte. Und wenn wir genau hinsehen, hat das Elend des Neoliberalismus schon in seiner Politik seinen Anfang genommen, auch wenn er außer Amtes sich zu einem seiner Kritiker – zusammen mit Biedenkopf – aufschwang. Leider viel zu spät und folgenlos.

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  10. fidelpoludo schreibt:

    Bundestag zwischen „Volkskammer und Krolloper“-Merkel zerreißt den deutschen Gesellschaftsvertrag

    Dienstag, 20. März 2018

    Der Rechtsstaat in Deutschland ist nicht nur eine zivilisatorische Errungenschaft- es ist der deutsche Gesellschaftsvertrag.

    Nichts macht deutlicher als diese verräterische Überlegung der deutschen Bundeskanzlerin, daß Deutschland als europäischer Rechtsstaat abgedankt und sich voll auf die angelsächsische Linie des Rechtsverständnisses begeben hat. Das, was die Bundeskanzlerin in Warschau von sich gegeben hatte, bedeutet eines…

    https://www.world-economy.eu/pro-contra/details/article/bundestag-zwischen-volkskammer-und-krolloper-merkel-zerreisst-den-deutschen-gesellschaftsvertrag/

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  11. Theresa Bruckmann schreibt:

    Und eines Tages holen wir uns unser Rechtssystem wieder zurück,
    z.B. in St. Petersburg

    https://deutsch.rt.com/meinung/44585-semester-in-st-petersburg-recht/

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  12. Lutz Lippke schreibt:

    Fall Puigdemont
    Regierungssprecher Steffen Seibert betonte in Berlin: „Spanien ist ein demokratischer Rechtsstaat.“
    … wohl, weil es billig ist, in Spanien zu foltern
    https://www.heise.de/tp/news/Es-ist-billig-in-Spanien-zu-foltern-1991758.html

    „SPIEGEL ONLINE: Und was geschieht, wenn Deutschland Puigdemont nicht ausliefert?
    Heger: Dann ist er ein freier Mann. Er könnte innerhalb der EU reisen, wohin er will. Oder er könnte auch in Deutschland bleiben.“
    http://www.spiegel.de/politik/ausland/carles-puigdemont-strafrechtler-martin-heger-ueber-auslieferung-an-spanien-a-1199815.html

    Belgien und die Schweiz sind wohl in dieser Weise dem Ansinnen aus Madrid nicht gefolgt. Deutschland hätte es ebenso halten können, insbesondere wenn sie für eine Strafbarkeit nach deutschem Recht keine prüfbaren Anhaltspunkte hätte. Für die Vollstreckung des europäischen Haftbefehls und eine Auslieferung kommt es also auch darauf an, ob die BRD ein Rechtsstaat ist.
    Dazu seibert der Regierungssprecher im Fall Skripal: „Es sei der Bundesregierung sehr wichtig gewesen, so Regierungssprecher Steffen Seibert in der Regierungspressekonferenz am Freitag, „sehr klar zu zeigen, dass wir in dieser Sache an der Seite Großbritanniens stehen“.“
    https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2018/03/2018-03-15-gift-attacke.html

    Das Völkerrecht fordert von einem Rechtsstaat aber ein anderes Vorgehen. Das Prozedere zur Aufklärung ist vertraglich festgelegt. RA Kubicki (FDP): „Wer weiß, wer der Täter ist, der braucht keine Aufklärung“
    http://www.deutschlandfunk.de/skripal-affaere-kubicki-kritisiert-den-westen-wer-weiss-wer.694.de.html?dram:article_id=413685

    In den ÖR statt Information nur Dauerrechnen zu Aktion und Reaktionen in ganzen Zahlen. 4 Diplomaten da, dann vermutlich 4 Diplomaten dort. Was sagt der Experte dazu. So dumm kommentierte man vor Jahren nur im Fussball-TV. Das Addieren von ganzen Zahlen unter 100 beherrschen also auch das Team aus deutscher Regierung, Diplomaten und Journalisten noch. Was will man mehr für Gehälter um 10.000 € jeden Monat?

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  13. fidelpoludo schreibt:

    Hier eine interessante Meldung von Norbert Häring auf seinem Blog. Da der Text nicht lang ist, habe ich ihn gleich in den Kommentar kopiert.
    http://norberthaering.de/de/27-german/news/966-olg-blauer-bote
    Wichtige Verhandlung am OLG Hamburg gegen einen Kritiker natonaher Fake-News
    26.03.2018 |

    Am Donnerstag 29.3. wird am Hanseatischen Oberlandesgericht die Klage des Stern gegen den Blogger Blauer Bote verhandelt, wegen dessen Kritik an einer Propagandastory um das kleine Mädchen Bana Alabed, das angeblich selbst auf Englisch aus dem Syrienkrieg twitterte. Nach Ansicht der Richterinnen darf man offenbar falsche Geschichten dieser Art nicht Fake News oder Lügengeschichten nennen, weil man nicht wissen könne, ob der Autor es nicht besser wisse, oder ob er bewusst lüge.

    Wenn das durchgeht, wäre es quasi das richterliche Gütesiegel unter eine Argumentation, die im Rahmen der aktuellen Anti-Fake-News-Kampagne gegen alternative Medien um sich greift. Danach kommen Fake News und Lügen ausschließlich von regierungs- und natokritischen Geistern in alternativen Medien, während die etablierte Medien wie der Stern allenfalls unschuldige Fehler machen und von der tagtäglich lügenden Klatschpresse erst gar nicht geredet wird.

    Andererseits müssen sich die verschiedenen offiziösen Faktenfindergrppen, die sehr freigiebig mit dem Begriff Fake News umgehen, warm anziehen, wenn die angeschuldigten sich zur Gewohnheit machen sollten, beim Hamburger Gericht dagegen vorzugehen.

    Weiter Informationen und Hintergründe über den Streitgegenstand und über das bizarre Gerichtsverfahren gibt es beim Blauen Boten. Weil ich es wichtig finde, dass kritische Stimmen nicht auf diese Weise zum Schweigen gebracht werden, spende ich für die Deckung der Anwaltskosten.

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    • Lutz Lippke schreibt:

      Die Geschichte ist tatsächlich bizarr und das Vorgehen von stern armselig. Es läuft darauf hinaus, mit der Behauptung des Glaubens ohne jeden Beleg sich gegen den Vorwurf einer bewussten Lüge juristisch durchzusetzen. Das bedeutet das Eingeständnis, dass uns stern nur Vermutungen und Glauben verkaufen will und keine journalistisch verantwortlichen Recherchen. Das zum Sachverhalt.
      Zum Rechtlichen wünsche ich dem Blauen Boten eine gute Verteidigung, habe aber eine andere Sichtweise auf das Problem.
      Ich hatte mal im beckblog die „Fälschung von Beweisen“ durch ein Gericht behauptet und wurde dort sofort mit dem Ruf nach dem Staatsanwalt wegen Verleumdung angefeindet. Das Problem war nicht die beweisbare objektive Tatsache, dass das Gericht den Beweis falsch wiedergegeben und gewürdigt hatte, sondern nur die in das Wort „Fälschung“ implizierte Behauptung, dass dies absichtlich geschehen sei. Eine solche Absicht konnte ich zwar unstreitig vermuten, aber nicht als Tatsache behaupten. Ich reagierte ganz einfach, indem ich darauf hinwies, dass ich in meinem Kommentar keineswegs eine Absicht unterstellt hatte, das Wort „Fälschung“ als „Verfälschung“ verstanden werden müsse, was nur den objektiven Tatbestand beschreibt und die Frage des subjektiven Tatbestands vollkommen offen lasse. Etwas anderes sei meinem Kommentar nicht zu entnehmen. Die alternative Version, dass die Richterkammer aus unbewusster Voreingenommenheit oder unabsichtlicher Schlamperei im Urteil die Beweise so verfälscht, dass diese sich in die gewünschte Begründung einpassen, das von der beim beckblog versammelten Expertokratie nicht erkannt wurde und zudem auch nicht revisionstauglich sein soll, erklärte ich als einen noch viel dramatischeren Systemfehler. Dagegen kam dann nur das Argument, dass die Beweisverfälschung nicht entscheidungserheblich gewesen sein soll.
      Diese und viele andere Erfahrungen haben mich gelehrt, meine Mittel und Vorgehensweisen genauer zu prüfen und im „feindlichen“ Umfeld an juristischen Erfordernissen auszurichten. Diese Einsicht sollte neben dem Unmut über das Vorgehen der Gegner auch beim Blauen Boten ankommen.
      Die Darstellung des Blauen Boten zu den bisherigen Gerichtsaktivitäten ist mir zu intransparent und widersprüchlich. Der Fehler des ungenauen Meinens wiederholt sich hier. Von rechtskräftigen Verhandlungen ohne Wissen der beklagten Partei zu schreiben, ist nun zwar kein juristisches Problem. Der Schreiber kann sich darauf zurückziehen, dass er von Recht nichts versteht, aber in der Sache eine klare Haltung hat. Das ist aber wiederum ein Einfallstor für mangelnde Wahrnehmungs- und Recherchefähigkeit.
      Denkbar ist, dass 2 Anträge auf Erlass von einstweiligen Anordnungen vor Bekanntgabe an den Beklagten und ohne Anhörung in mündlicher Verhandlung vom Gericht behandelt wurden, die aber grundsätzlich nicht rechtskräftig, sondern nur rechtswirksam werden können. In allen mir bekannten Fallkonstellationen muss auf Antrag des Beklagten die mündliche Verhandlung nachgeholt werden und neu entschieden werden. Die einstweilige Anordnung besteht also nur bis zur neuen Entscheidung nach mündlicher Verhandlung und wird durch diese ersetzt. Es kommt also für den Beklagten bei erster Kenntnisnahme einer einstweiligen Anordnung darauf an, möglichst bald eine mündliche Verhandlung zu beantragen und zu dieser ausschließlich juristisch vorzutragen und eben nicht politisch. Das kann der Beklagte der einstweiligen Anordnung bzw. den dort referenzierten Gesetzen entnehmen. Das ist die erste Pflicht, wenn man es mit der Justiz zu tun bekommt.
      Die Informationen vom Blauen Boten dazu, deuten auf eine falsche Wahrnehmung und Behandlung der Situation hin. Man kann nur hoffen, dass die beauftragten Anwälte das juristisch richtig behandeln und die Frage der dummen Glaubenserklärungen des stern nur als einen Teil der juristischen Verteidigung verwerten.

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  14. fidelpoludo schreibt:

    Hallo Lutz,
    ich bin baff, dabei habe ich wohl nur von einer Art Vorhölle der „juristischen Teufelsmühle“ erfahren.
    Da dem Norbert Häring einiges an dem Fall und dem Schicksal des Blauen Boten zu liegen scheint, fände ich es gut, diesen Text als Kommentar in Härings Blog niederzulegen. Er könnte tatsächlich hilfreich sein. Eventuell das gleiche auf dem Blog des Blauen Boten.

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    • Lutz Lippke schreibt:

      Ich hatte zunächst nur die kurze Darstellung beim Blauen Boten gelesen. Wenn man aber den Link zum Anwalt Markus Kompa gefunden hat, dann klaren sich die Dinge auf. Der Anwalt kennt sich sicher aus und die juristische Auseinandersetzung wird bewusst für die Sache genutzt. Dem kann man folgen.
      Meine Einwände stehen dem nicht entgegen, sondern gelten für Jeden, der sich es nicht leisten kann, Opfer einer juristischen Tatzuweisung zu werden, nur weil er seine Meinung öffentlich äußert. Und wenn das schon passiert, wollte ich ein Beispiel benennen, wie man sich dem juristischen Übel entziehen kann, ohne von seiner Kritik abzulassen.
      Gerät man zwangweise in juristische Auseinandersetzungen, wie es spätestens mit einer Anzeige, Abmahnung oder einstweiligen Verfügung / Anordnung der Fall ist, dann gibt es nur 2 Möglichkeiten: Das Juristische möglichst kostensparend juristisch Abwettern oder bewusst die juristische Zuspitzung zu suchen. Für Beides muss man sich juristisch befähigen oder vertrauenswürdigen juristischen Beistand suchen. Unverdrossen mit der Fahne der Gerechtigkeit in die juristische Schlacht zu ziehen oder einen beliebigen Anwalt zu beauftragen, geht regelmäßig in die Hose. Das ist hier offensichtlich nicht der Fall, was erst aus den Infos beim Anwalt Kompa klar wird. Dass der Blaue Bote diese Transparenz nicht auf seiner Seite zustande bekommt, ist aber ein Hinweis auf Defizite, die man nicht leichtfertig abtun sollte. Ich wiederhole mich zwar, aber Recht ist einerseits ein wichtiges Herrschaftsinstrument (Vorgehen des Stern und der Gerichte), aber andererseits auch ein wichtiges Element der Demokratie. Für die beklagten Rechtsgrundsätze findet man ganz sich Fallgestaltungen, die deren Notwendigkeit für demokratische Prinzipien nachweist. Es kommt darauf an, von wem und wie diese Rechtsgrundsätze angewandt werden. Politische Sachverhalte, die sich nicht explizit auf Rechtsfragen beziehen, sollten grundsätzlich im politischen Raum verbleiben, schon um einer zusätzlichen Instrumentalisierung der Justiz für Politisches und die Verwässerung der Grenzen vorzubeugen. Die derzeitigen politischen Machtverhältnisse fördern eher ein Schleifen der Gesetze und Rechtsgrundsätze, als das sie gestärkt werden. Dieses Problem steckt in jedem verlorenen Fall, der trotz nachvollziehbaren Gründen erfolglos vor höheren Gerichten vorgetragen und letztlich vom BVerfG mit begründungsloser Nichtannahme Rechtskraft erlangt. Welche Kraft und Nerven es kostet, sich rechtlich gegen den festen Unwillen des „Systems“ durchzusetzen, merkt man erst, wenn man mitten drin ist. Die Wenigsten würden diesen Spießrutenlauf freiwillig immer wiederholen, bleiben aber oft vom „System“ festgenagelt. Einmal drin, immer drin.
      Die herrschende Meinung (h.M.) der Rechtsprechung speist sich aus vielen im Sinne des Gerechten gescheiterten Fallentscheidungen und ersetzt faktisch die geltenden Gesetze durch einen einengenden und vereinfachenden Entscheidungskorridor von Fallbeispielen. Ein verfassungswidriger Zustand, der uns auf Ingeborg Maus zurückführt, die statt dem gängigen Fokus auf fallorientierter Rechtsverteidigung eine Hinwendung zu ordentlicher Gesetzgebung und deren konsequenter Durchsetzung propagiert.
      Das geht nur, wenn wir uns tatsächlich um Juristisches mit seinen Besonderheiten als wichtigen Teil des Politschen, aber eben nicht bloß als anderem Aggregatzustand des Gleichen kümmern. So verklärend ist jedoch mehrheitlich die Sicht der politischen Linken.

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      • fidelpoludo schreibt:

        „Meine Einwände stehen dem nicht entgegen, sondern gelten für Jeden, der sich es nicht leisten kann, Opfer einer juristischen Tatzuweisung zu werden, nur weil er seine Meinung öffentlich äußert. Und wenn das schon passiert, wollte ich ein Beispiel benennen, wie man sich dem juristischen Übel entziehen kann, ohne von seiner Kritik abzulassen.“

        Ich hoffte im Falle von Gilad Atzmon, der ebenfalls droht „Opfer einer juristischen Tatzuweisung zu werden, nur weil er seine Meinung öffentlich äußert, dass er „sich dem juristischen Übel entziehen kann“. Allerdings sind beide, Ankläger wie Beklagter von einem ganz anderen Kaliber. Auch in England steht politischer Druck ins Haus. Diesmal wird es kaum möglich sein, die Angelegenheit „unter ferner liefen“ zu regeln, ohne öffentlichen Wirbel zu entfachen. Dazu scheinen Kläger und Beklagter zu entschlossen, hier ein Exempel zu statuieren: Hier für die Meinungsfreiheit in einer Demokratie, dort für die Unantastbarkeit des „antisemitischen“ Tabus. Spannend und bedeutsam. Beide Parteien Spezialisten auf ihrem Gebiet.
        Mich würde interessieren, wie Lutz Lippke den Fall nach den vorliegenden Informationen einschätzt, die uns allerdings bis jetzt nur nach Gilad Atzmons Version, der ich ganz vertraue, vorliegen. Sein letzter Hilferuf klingt so entschlossen wie existentiell bedroht:
        http://www.gilad.co.uk/

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  15. Lutz Lippke schreibt:

    Eine Vorbemerkung:
    Ich neige dazu, dem Internationalistischen eher meine nationale Borniertheit gegenüber zu stellen. Vielleicht hat das (auch) mit meinen bedauernswerten Fremdsprachkenntnissen und meiner beschränkten Weltläufigkeit zu tun, das will ich nicht ausschließen. Aber insbesondere begründe ich diese Beschränktheit mit der Einsicht, dass das Völkerrecht mir und vielen weiteren Bürgern keine umfassende Zuständigkeit für den amerikanischen oder auch den syrischen Präsidenten oder etwa spanisch-katalanische Verhältnisse übertragen hat und auch das Demokratieprinzip mir in diesen Fragen kein unmittelbares Mitbestimmungsrecht einräumt. Ich kann dazu eine Meinung haben. Über deren tatsächliche Relevanz entscheiden aber die Berechtigten vor Ort. Mein „vor Ort“ ist Deutschland und in Fragen meiner tatsächlichen Mitwirkung zur Bestimmung des Laufs der Dinge ist die „deutsche Brille“ kein Nationalismus, sondern Bekenntnis zu Völkerrecht und demokratischen Prinzipien. Ich meine, dass diese nationale Beschränkung des Mitbestimmungsanspruchs angesichts der internationalen Beteiligung und Bedeutung Deutschlands kaum zur Einschränkung von Wirksamkeit führen muss. Wahrscheinlich trifft sogar das Gegenteil zu.

    Unter dieser Prämisse kann ich im aktuell brisanten Fall der Verhaftung des Katalanen Carles Puigdemont in Deutschland eine „deutsche Brille“ aufsetzen und alle Fragen zur Haltung gegenüber das Referendum in Katalonien, der Recht- oder Unrechtmäßigkeit des spanischen Vorgehens und deren Vereinbarkeit mit den europäischen Menschenrechten auch mal in den unmaßgeblichen Bereich meiner persönlichen Meinung verschieben. Davon ist meine Mitwirkung an Fragen der deutschen Rechtsstaatlichkeit definitiv nicht betroffen. Als deutscher Bürger bin ich unabhängig von politischen Haltungen quasi freiwillig verpflichtet, mir über Rechtsstaatlichkeit in Deutschland nicht nur Gedanken zu machen, sondern an deren Durchsetzung mitzuwirken.
    Eine wesentliche Grundlage dieser Rechtsstaatlichkeit ist die Bewegungsfreiheit des strafrechtlich unbescholtenen Bürgers. Eine Festsetzung oder Inhaftierung im strafrechtlichen Sinne setzt den begründeten Verdacht einer Tatbegehung voraus, die nach dem geltenden Gesetz strafbar ist. Ohne begründeten STRAF-Tatverdacht keine Festsetzung, keine Verhaftung. Wer verhaftet, muss also ein deutsches Strafgesetz benennen können, das durch die verdächtigte Tatbegehung erfüllt wird. Im Fall Puigdemont hört man dazu eigenartige Töne aus dem juristischen Lager.
    Es wird von gegenseitigem Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit der EU-Partner geschrieben, der rein formellen Prüfung eines EU-Haftbefehls und davon, dass erst nach der polizeilichen Verhaftung und formell durchgewunkenen Haftanordnung des Amtsrichters vom OLG Schleswig darüber nachgedacht wird, auf welcher gesetzlichen Grundlage die Verhaftung zur Auslieferung überhaupt zulässig sein könnte. Das widerspricht allerdings unmittelbar dem Prinzip, dass einer Freiheitsberaubung durch Verhaftung mindestens ein begründeter Verdacht zu einer im deutschen Gesetz benannten Straftat zugrunde liegen muss. Mein Verdacht ist daher, dass das Vorgehen der deutschen Justiz im Fall Puigdemont unmittelbar den deutschen rechtsstaatlichen Grundsätzen widerspricht oder aber medial falsch dargestellt wird. Nun kenne ich mich in der Materie nicht aus. Mir scheint es aber so, dass dies auch für weite Teile der Juristerei, also auch der Justiz, wie auch der Politik und Medien gilt.
    Natürlich kann man nun ausweichend politisch argumentieren und sich im pro und contra zur spanischen Politik und deren Rechtswesen auslassen. Aufgrund der Tatsache, dass die deutsche Politik (ich vermute, sie hatte auf das Wirksamwerden des Haftbefehls in Deutschland Einfluss), aber insbesondere wohl die deutsche Justiz spätestens ab dem Moment der richterlichen Haftanordnung, nicht dem spanischem Recht unterworfen ist, sondern nach deutschem Recht einen strafrechtlichen Grund für die Inhaftierung von Puigdemont kennen musste, gibt es nun keinen Grund für dieses Ausweichmanöver. Der Fall ist zur innerdeutschen Frage der Rechtstaatlichkeit geworden. Im beckblog habe ich mein Unverständnis zu den bisher gelesenen juristischen Erklärungen artikuliert und auf 2 grundsätzliche juristische Probleme fokussiert:
    1. Rechtswidrige Haftanordnung ohne Kenntnis des in Deutschland nach Gesetz strafbaren Handelns. Das soll erst nachträglich „erkundet“ werden.
    2. Die möglicherweise „gefundene“ Strafbarkeit der konkreten Tat von Puigdemont MUSS zugleich in einer Analogie auch in Deutschland zu einer Strafverfolgung und Verhaftung führen. Sämtliches politisches Handeln, insbesondere natürlich von Politikern und „Rebellen“, kristallisiert sich in dieser Analogie als strafbar oder politisch. Es geht im Fall Puigdemont also auch in Deutschland um deutsches politisches Strafrecht. Das sollte nicht unter den Tisch gewischt werden. https://community.beck.de/2018/03/26/europaeischer-haftbefehl-gegen-carles-puigdemont-wie-geht-es-jetzt-weiter#comment-80821

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    • fidelpoludo schreibt:

      Das Beste, was ich bisher zu diesem Thema gelesen habe.

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    • willi uebelherr schreibt:

      Lieber Fidelpoludo, das ist genauso oberflaechliches geschwaetz wie all das viele andere.

      9:00 hat her skripal mit seiner tochter das haus verlassen. 16:00 etwa wurden die beiden auf einer bank gefunden. Militaerisches nervengift, binaer oder unaer, kann da nicht im spiel sein. Das dauert sekunden oder wenige minuten. Scottland Yard geht nun davon aus, dass die haustuer infiziert war.

      Zuletzt waren sie in einem fischrestaurant. Die aerzte und chemiker gehen von Fentanyl aus. Ein Morphium aehnlich wirkender synthetischer stoff.

      Bisher gibt es keine oeffentlich zugaengliche diognose. Blutproben sind unter ausschluss der oeffentlichkeit an das CWC team gegangen. Vielleicht noch woanders hin. Aber nicht an die russischen stellen.

      Lest euch das durch, wenn ihr verstehen wollt, was eigentlich geschieht:
      Last Act Of ‚Novichok‘ Drama Revealed – „The Skripals‘ Resurrection“
      http://www.moonofalabama.org/2018/03/she-is-risen-last-act-of-novichok-drama-revealed-the-skripals-resurrection.html

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      • fidelpoludo schreibt:

        Ja, Willi, ich gebe zu: Was ich auf dem von Dir angegebenen Link lesen kann, geht weiter als der von Theresa. Aber das deshalb als „oberflaechliches geschwaetz wie all das viele andere“ zu kennzeichnen, ist völlig daneben und ein arrogante Selbsterhöhung nach dem Motto: „Trau nur dem Link, den ich als letzten Schrei ausfindig gemacht habe und vergeßt alles vorherige und den Rest!“ Als ob der RT-Artikel in der Tendenz nicht in die gleiche Richtung ginge wie der radikalere von „Moon-of-Alabama“ (für den Hinweis auf diese Website bin ich Dir trotzdem dankbar).

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        • Theresa Bruckmann schreibt:

          Die Zeit drängt, ich muss zum Ostermarsch. Danach möchte ich auf den oben gemeinten Artikel von Frank Elbe eingehen, weil er genau das berührt, was wir unter ‚Recht vs. Demokratie‘ abhandeln.

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          • fidelpoludo schreibt:

            Hallo Theresa, wenn Sie etwas schneller laufen als die anderen, können Sie eher wieder zurück sein und loslegen. Ich warte darauf.

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            • Theresa Bruckmann schreibt:

              Ohne verbindliches Recht keine Demokratie.

              Wir haben erarbeitet, wie das Volk im demokratischen Verfahren den Volkes-Willen findet und an ihre parlamentarischen Vertreter adressiert, wo die Gesetze erarbeitet werden.
              Und wie die Justiz diese Gesetze anwendet und die Einhaltung erzwingen kann (wenn eine Seite klagt). .
              Vom Moment des Inkrafttretens an haben diese Gesetze Gültigkeit für die Regierenden, wie jeden einzelnen aus dem Volk. Damit kann man sagen: das Volk hält sich an die Gesetze, die es sich selbst gegeben hat.
              Weiter gilt:
              Ohne verbindliches Recht, keine Demokratie.

              Was Frank Elbe hier beklagt, ist dass die Regierenden sich nicht nur
              nicht um den Volkswillen scheren, nein mehr noch,
              noch nicht einmal die Gesetze beachten.
              Das kommt hier zum Ausdruck:
              „Die Leidenschaft, mit der die westliche Welt Solidarität mit Großbritannien bekundet …
              übertüncht einen Mangel an Aufklärungsbereitschaft.
              Schlimmer noch: Sie will uns glauben machen,
              dass Abstimmungsprozesse in EU und NATO
              an Stelle von Beweisen treten können.
              Das läuft auf eine Bevormundung des Bürgers hinaus…
              Graf Lambsdorff… hat … ausgeführt, dass er sich
              nicht wirklich vorstellen könne,
              dass 24 Staaten der Welt sich entscheiden,
              russische Agenten auszuweisen,
              wenn die Beweise, die Großbritannien vorlegt,
              nicht stichhaltig sind.
              Damit wird sich der mündige Bürger nicht abfinden.
              Bis zur Klärung weiterer Fakten ist politische Zurückhaltung
              mit Schuldzuweisungen und Strafmaßnahmen geboten.
              Sie ergibt sich aus dem Respekt vor unserem eigenen Wertesystem,
              nach dem die Verhängung von Strafen ohne ausreichende
              Feststellung der Schuld unzulässig ist.
              Aus Artikel 26 (1) des Grundgesetzes leitet sich
              ein für jedermann unmittelbar geltendes Gebot ab,
              Handlungen zu unterlassen, die geeignet sind und
              in der Absicht vorgenommen werden,
              das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören.
              Unberechtigte Verdächtigungen fallen unter dieses Verbot.
              Die Ausweisung von nachrichtendienstlichem Personal ist
              zwar keine Verletzung des Völkerrechts,
              hat aber in dieser Situation den Charakter eines unfreundlichen Aktes,
              der als friedensstörende Handlung nach Art. 26 (1) GG verfassungswidrig wäre.
              (Außenminister Lawrow nennt das auch so).
              Hier wird ja nicht nur jemand beschuldigt, bevor der Vorwurf bewiesen ist;
              hier wird schon a b g e s t r a f t bevor der Beweise vorliegen.

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    • willi uebelherr schreibt:

      Hier noch eine heutige ergaenzung:
      Mordsache Skripal: London im Besitz der Tatwaffe, des chemischen Giftes A-234 „Nowitschok“

      Recht und Demokratie – was anfangen?!

      Uebrigens: Der name „Nowitschok“ existiert nicht und hat nie in Russland/SowjetUnion existiert.

      Hier zum treffen im russischen Aussenministerium. Interessant der duemmliche beitrag eines vertreters der deutschen Botschaft.
      Russian Minister Foreign Affairs Summons Ambassadors To A Meeting On Skripal Case
      21.03.2018
      http://www.informationclearinghouse.info/49071.htm

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  16. fidelpoludo schreibt:

    Interessant ist viel. Auch das hier über die Käuflichkeit von erst der Wissenschaft und dann der Universtäten:

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    • fidelpoludo schreibt:

      Was hat Professor Kreiß mit Lenin auf’m Hut?

      Um die unvollständige Frage noch etwas genauer zu stellen:
      Wie gelingt es dem Mann (Prof. Kreiß) so gelassen zubleiben bei all dem Skandalösen, das er zu berichten hat?
      Ist er gekauft in dem Sinne:

      „Erzähl, was du nicht verschweigen kannst​ – die hören sowieso nicht zu​, ​weil du glatt über drei Minuten kommst und dann noch in ganzen Sätzen redest, an die Nebensätze anzuschließen, du dich​ auch noch erdreistest. Hier hasse ’n paar tausend, damitte auf keinen Fall so ausfällig wirst, die Sirenen einzuschalten, auf Deutsch: nicht so laut wirst, dass du mit den Sirenen die Leute aufweckst, so dass sie aufwachen, vor Schreck nicht einmal dazu kommen, sich die Augen zu reiben – trotz des Tiefschlafs in dem sie selig dahinträumen -, ihren Mainstream-Masken-Filter vergessen aufzusetzen, in dem alles Hörens- und Bedenkenswerte schon zigmal vorgekaut ist. So könnte der eine oder andere Fetzen doch durchdringen, das Volk schließlich populistisch verhetzen, dass sie sogar beginnen zuzuhören, vielleicht sogar zu begreifen, was Sache ist (obwohl wir im Grunde alles vollkommen dicht vorne, hinten, oben, unten, sogar mehrfach diagonal und kreuz und quer alles komplett abgesichert haben). Wir kennen unseren Lenin besser als die: „Vertrauen ist gut! Kontrolle ist besser!“ Dass er das nie so gesagt hat, interessiert nicht, wenn es (uns) nur paßt. Auch Lenin kann immer nur das gesagt haben, was wir ihm in den Mund legen.“

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  17. fidelpoludo schreibt:

    Wie gelingt es dem Mann (Prof. Kreiß) so gelassen zu
    bleiben bei all dem Skandalösen, das er zu berichten hat?
    Ist er gekauft in dem Sinne: „Erzähl, was du nicht
    verschweigen kannst, aber schalt die Sirenen nicht
    an, weil dann könnten die Menschen aufwachen und
    zuhören, vielleicht sogar begreifen, was los ist…“

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  18. Lutz Lippke schreibt:

    Da mir die Diskussion beim beckblog zur Inhaftierung von Puigdemon zu schleppend und ausweichend läuft, habe ich noch einmal nachgelegt und hoffe dort auf Gegenstimmen zur Klärung von Grundsatzfragen des deutschen Rechts.
    https://community.beck.de/2018/03/26/europaeischer-haftbefehl-gegen-carles-puigdemont-wie-geht-es-jetzt-weiter#comment-80872

    Da es dort häufiger zur Löschung von Kommentaren kommt (wobei Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg wohl eine löbliche Ausnahme ist), hier der Text meines Kommentars:

    Ich denke, O.Garcia weist in seinem Blog auf wenig Beachtetes hin: „… nun hat auch die deutsche Justiz ihr „Katalonien-Problem“, ein Problem, das eine Reihe schwieriger Fragen nicht nur des Auslieferungsrechts, sondern auch des materiellen deutschen Strafrechts aufwirft.“, „Das vom ersuchenden Staat als strafbar angegebene Verhalten muß im ersuchten Staat tatsächlich auch strafbar sein.“, „Deshalb muß auch bei identischen Formulierungen und Verwendung gleicher Begriffe der ersuchte Staat die strafrechtliche Einordnung nach seinem eigenen Recht vornehmen.“

    Leider fokussiert O.Garcia aber dann nur auf die Frage, ob ein Auslieferung erfolgen könnte und in welchem Zeitrahmen dazu eine Prüfung stattfinden könnte. Nun wurde Puigdemont jedoch bereits verhaftet und dem Amtsrichter vorgeführt, der eine Festhalteanordnung traf. Dies obwohl es sehr fraglich ist, ob überhaupt ein anwendbares deutsches Strafgesetz vorliegt.

    Die Verhaftung und Festhalteanordnung unterliegt genauso dem deutschen Recht wie eine eventuelle Auslieferung. Hat Deutschland nun einen politischen Häftling, für den es erst durch richterliches Nachdenken ein Gesetz „entwickeln“ muss?

    Zum spanischen Beschluss, als Grundlage des europäischen Haftbefehls, schreibt O.Garcia:

    Der Beschluß macht aus dem Rebellionstatbestand ein uferloses politisches Gefährdungsdelikt…Hier reicht es, zu prüfen, ob ein solches Gewaltverständnis auch für § 81 StGB möglich ist.

    Spätestens mit der Festhalteanordnung und weiteren Haft müsste dies durch einen deutschen Amtsrichter vorläufig bestätigt worden sein. Andernfalls hätte es keine Haftanordnung geben dürfen. Der Einwand eines „förmlichen Automatismus“ wegen des europäischen Haftbefehls, wie von verschiedenen Seiten behauptet, müsste wohl für jeden Haftbefehl gelten. Warum sollte insoweit ein internationaler Haftbefehl mehr gelten als ein deutscher Haftbefehl.

    Der Richtervorbehalt würde also mit dem Formalienargument als das enttarnt, was im nationalen Rahmen geleugnet wird. Wurde einmal ein Haftbefehl erwirkt, dann läuft in Deutschland ein formal getriebener Automatismus, der vom Beschuldigten selbst gestoppt werden muss, damit sich die Subsumption von Taten unter Strafgesetze nicht der nun angestrebten Verurteilung anpasst, was ggf. durch grenzwertige Auslegungsrethorik und manipulative Darstellung des Tatbestands und der Beweismittel revisionsfest formuliert wird. In dieser Reihenfolge handelt es sich dabei um vorsätzliche Rechtsbeugung, die aus einer sehr eigenen Sichtweise von Juristen als „Kunst“ aufgefasst wird. Tatsächlich handelt es sich um eine Zwangsstörung, die aus zunächst unüberlegten oder rein williensgetriebenen frühen Handlungen und Entscheidungen, gepaart mit dem Unvermögen zur Fehlereinsicht und Selbstkorrektur, zum „konsistenten Ende“ geführt werden muss. Koste es, was es wolle.

    Insofern empfinde ich die Diagnose von O.Garcia, dass eine Entscheidung zur Klärung der Strafbarkeit noch eine längere Zeit in Anspruch nehmen könnte, als Zumutung. Ich verstehe nicht, warum die entscheidende juristische Frage nicht deutlich gestellt wird:

    Warum und wie lange darf jemand in Deutschland inhaftiert werden, wenn man zwar seine Taten kennt, aber gar nicht weiß, ob diese Taten überhaupt strafbar sind?

    Es geht hier also um die grundsätzliche Frage, ob die deutsche Justiz und Juristerei überhaupt in der Lage ist, rechtsstaatlich zu denken und zu handeln.

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    • willi uebelherr schreibt:

      Alle achtung, lieber Lutz. Ich habe mir die kommentare auf beckblog durchgelesen. Nicht alles verstanden. Aber deine argumentationslinien stechen wirklich hervor. Und du kaempfst mit spitzer „tastatur“. Meinen grossen dank.

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    • fidelpoludo schreibt:

      Sätze, Urteile und Erkenntnisse, die sich von den zu ihnen hinführenden und sie eskortierenden, von der grauen und sandigen „Bleiwüste“ in ihrer Deutlichkeit und ihrem markanten und zuspitzenden Profil sich abzuheben beginnen wie Palmen und Kakteen einer Oase in der Wüste, verdienen es sowohl wiederholt wie auch formal-erscheinungsbildlich mit den zur Verfügung stehenden, hier typografischen Mitteln hervorgehoben zu werden. Da uns die Farbe hier nicht zur Verfügung steht, also mindestens so:

      „Es geht hier also um die grundsätzliche Frage,
      ob die deutsche Justiz und Juristerei überhaupt in der Lage ist,
      rechtsstaatlich zu denken und zu handeln.“

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      • fidelpoludo schreibt:

        Also ich würde meinen, wenn ich des Kranichs „Postingkriterien“ recht verstanden habe:
        Der Elefant ist im Raum. Ob nur mit Rüssel, Segelohren, Elfenbeinbögen, Stummelschwanz, Augenlidern, Breitbandbeinen oder Trompetenstößen oder in geballter grauer Masse, bliebe zu diskutieren.

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  19. Lutz Lippke schreibt:

    Rebellion als Hochverrat? Verhaften ohne Zulässigkeit?

    „Der Vorwurf der Rebellion beinhalte im Kern den Vorwurf der Durchführung eines verfassungswidrigen Referendums trotz zu erwartender gewaltsamer Ausschreitungen, teilte die Generalstaatsanwaltschaft mit. Dies finde eine vergleichbare Entsprechung im Deutschen Strafrecht in den §§ 81, 82 Strafgesetzbuch (Hochverrat).“ so berichtet faz.

    Vergleichbare Entsprechung heißt ganz konkret, dass jeder Deutsche, der vergleichbar in Deutschland handelt, wegen Hochverrat verfolgt wird. Sich mit dieser „deutschen“ Sicht der GStA auf Strafbarkeit politischen Wirkens sollte man sich intensiv auseinandersetzen und Rechtsvergleiche mit Sachen NSA, NSU, Geheimgesetzgebung etc. anstellen. Während das Volk auf die Verurteilungen von Vertretern des tiefen Staates wartet, agiert dieser zunehmend offener gegen demokratische Grundrechte.

    Manchmal zeigt sich das Scheinheilige in kleinen Worten bzw. deren Fehlen.

    Das AG begründete seinen Prüfumfang zur Festhalteanordnung laut NDR so: „Zwar ist § 22 Abs. 3 IRG verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass das Amtsgericht in Evidenzfällen auch die materiellen Voraussetzungen für die Freiheitsentziehung – insbesondere die Haftvoraussetzungen der §§ 15, 16 IRG und die Zulässigkeit der Auslieferung – in seine Prüfung einzubeziehen hat (vgl. BVerfG StV 2011, S. 170 – 172). Im vorliegenden Fall ist jedoch bei der dem Amtsgericht im Rahmen des Verfahrens nach § 22 IRG allein obliegenden summarischen Prüfung noch nicht evident, dass die Auslieferung des Verfolgten auf der Grundlage des Europäischen Haftbefehls vom 23.03.2018 unzulässig und der Eingriff in das Freiheitsrecht des Verfolgten daher von vornherein nicht gerechtfertigt ist.“

    Das BVerfG stellt jedoch zum Richtervorbehalt klar: „Richtervorbehalt dient der verstärkten Sicherung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Alle staatlichen Organe sind verpflichtet dafür Sorge zu tragen, dass der Richtervorbehalt als Grundrechtssicherung praktisch wirksam wird.“ und thematisiert durchaus problembewusst die Frage der mangelhaften Prüfung der materiellen Rechtslage durch § 22 IRG.

    Eine verfassungsgemäße Anwendung durch das Amtsgericht verlangt daher: „Das Amtsgericht ist zumindest in Evidenzfällen verpflichtet, bevor es seine Freilassungs- oder Festhalteanordnung trifft, auf der (schmalen) ihm zu diesem Zeitpunkt zugänglichen Erkenntnisgrundlage und daher notwendig in summarischer Weise auch die Haftvoraussetzungen der §§ 15, 16 IRG in seine Prüfung einzubeziehen. Ergeben sich bei dieser Prüfung konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ein Haftgrund offensichtlich nicht vorliegt oder dass die Auslieferung von vornherein unzulässig ist, muss das Amtsgericht vor seiner Entscheidung zunächst versuchen, die Sach- und Rechtslage innerhalb der ihm gesetzten Frist mit der Generalstaatsanwaltschaft zu erörtern, damit diese entweder die umgehende Freilassung des Festgenommenen verfügen oder aber sachliche oder rechtliche Erkenntnisse einbringen kann, welche die Zulässigkeit der Auslieferungshaft und mithin der Festhalteanordnung nach § 22 Abs. 3 Satz 2 IRG begründen. Schlägt ein solcher Versuch fehl oder kommt der Kontakt zur Generalstaatsanwaltschaft nicht zustande (etwa an Wochenenden oder Feiertagen), bleiben jedoch nach Auffassung des Amtsgerichts durchgreifende Bedenken gegen die Zulässigkeit der Haft bestehen, über die nicht innerhalb der Fristen des § 22 IRG das Oberlandesgericht entscheiden kann, so muss es in erweiternder, verfassungskonformer Auslegung des § 22 Abs. 3 IRG eine Freilassungsanordnung erlassen (vgl. Wilkitzki, a.a.O., § 22 Rn. 26 f.; Schomburg/Lagodny/Hackner, a.a.O., Vor §§ 21, 22 IRG Rn. 25 ff.).“ [Hervorhebungen durch mich].

    Während das BVerfG angesichts der grundrechtlich mangelhaften Regelung des § 22 IRG „zumindest in Evidenzfällen“ eine genauere Prüfung fordert, was keine Beschränkung, sondern dem gebotenen „sollte grundsätzlich“ ein „in Evidenzfällen unverzichtbar“ anfügt, macht das Amtsgericht daraus ein Ausschlusskriterium der Art „kein Evidenzfall = keine genauere Prüfung der Bedenken. Solche Vorgehensweise weitergesponnen, wird aus jeder verfassungsrechtlichen Abhandlung des BVerfG eine Beliebigkeit, die den vielen wohlfeilen Worten spottet, die hier zur Auslegware zusammengeflickt werden. Das Jura eine Textdeutungswissenschaft wäre, überzeugt mich immer mehr. Hohl, sinnentleert, gewissenlos und vollkommen überbewertet, wanzt sich das Recht zunehmend als AGB in Politik und Gesellschaft. Da gehört es in einer freiheitlich- demokratischen Gesellschaft definitiv nicht hin. Recht ist beschränkte, notwendige Rahmenhandlung und nicht das Zentrum liebe Juristen. Wohin jubelnde Juristen im Dienste ihres obersten gesetzgebenden Führer im Schulterschluss mit Finanzkapital, Kriegswirtschaft und Medienhuren führen, ist in der deutschen Geschichte gut bekannt, auch wenn dem Volk das gerne untergeschoben wird. Wer heute diejenigen Hochverräter sind, die den totalitären Staat, die Entrechtung der Masse und die Alternativlosigkeit des Militärischen predigen und juristisch gegen Völkerrecht und Grundgesetz, kann das Volk deutlich wahrnehmen und hoffentlich die Notbremse ziehen. Von den Juristen ist hierzu offensichtlich wie ab 1933 nichts zu erwarten.

    https://community.beck.de/2018/03/26/europaeischer-haftbefehl-gegen-carles-puigdemont-wie-geht-es-jetzt-weiter#comment-80910

    Gefällt 1 Person

  20. fidelpoludo schreibt:

    Lieber Lutz,
    es gibt hier einiges hervorzuheben und zu unterstreichen. Ich erlaube mir, das hiermit – auf ein Minimum beschränkt – nachzuholen:
    „Das Jura eine Textdeutungswissenschaft wäre, überzeugt mich immer mehr. Hohl, sinnentleert, gewissenlos und vollkommen überbewertet, wanzt sich das Recht zunehmend als AGB in Politik und Gesellschaft. Da gehört es in einer freiheitlich- demokratischen Gesellschaft definitiv nicht hin. Recht ist beschränkte, notwendige Rahmenhandlung und nicht das Zentrum, liebe Juristen. Wohin jubelnde Juristen im Dienste ihres obersten gesetzgebenden Führer im Schulterschluss mit Finanzkapital, Kriegswirtschaft und Medienhuren führen, ist in der deutschen Geschichte gut bekannt, auch wenn dem Volk das gerne untergeschoben wird. Wer heute diejenigen Hochverräter sind, die den totalitären Staat, die Entrechtung der Masse und die Alternativlosigkeit des Militärischen predigen und juristisch gegen Völkerrecht und Grundgesetz, kann das Volk deutlich wahrnehmen und hoffentlich die Notbremse ziehen. Von den Juristen ist hierzu offensichtlich wie ab 1933 nichts zu erwarten.“
    Außerdem habe ich Deine Kommentare auf dem beck-blog nach Portugal zu einem befreundeten Journalisten gemailt, der an dieser Affaire arbeitet.
    Herausragende Arbeit, soweit ich das beurteilen kann!
    (So herausragend, dass WordPress am liebsten doppelt posten würde, es aber wieder nur einmal tut, wenn ich Überflüssiges anhänge)

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  21. willi uebelherr schreibt:

    Lieber Fidelpoludo, ich stimme dir voll zu. Es ist unglaublich, mit welcher kraft und klarheit Lutz den „Juristen“ das schwitzen beibringt. Und immer die perspektiven mitschwingend. Kein jammern und klagen. Meinen grossen dank.

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  22. Lutz Lippke schreibt:

    Danke für die Blumen. Besonders sorgfältig mit dem Text war ich auf die Schnelle allerdings nicht. Zuviel verspreche ich mir von dem Reingrätschen auch nicht. Fakt ist, es wird dort von Juristen, vor allem von Anwälten, Richtern und Verwaltungsjuristen gelesen. Seit Jahren habe ich meine (politische) Polemik dort abgelegt, weil man sonst ignoriert, von anonymen Schreibern pauschal zurückgewiesen oder von Verantwortlichen rückstandslos gelöscht wird. Der Jurist versteht sich gern als interessenloses, politisches Neutrum. Seither versuche ich (halbwegs) juristisch fundiert zu argumentieren und damit dem dort gefühlten objektiven Geist des Juristen zu entsprechen. Auf diesem Weg möchte ich dort das Verdrängte und Verleugnete juristisch richtig benennen und unterschlagene Folgerungen aufzeigen. Wenn dann, wie in diesem Fall, extreme Zurückhaltung oder sogar eisiges Schweigen auf die Argumente folgt, dann ziere ich mich aber auch nicht, mal etwas mehr zu klotzen. Manches Argument schärft hoffentlich das Bewusstsein, steter Tropfen höhlt jedenfalls den abweisenden Stein der weisen Expertokraten. Da bin ich mir dann doch ziemlich sicher.

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    • Lutz Lippke schreibt:

      Mein Kommentar im beckblog wurde gelöscht. Das überrascht mich nicht.
      Ohne Frage stehen viele Juristen und sogar offizielle Medien einer Auslieferung von Puigdemont kritisch fragend gegenüber. Die deutsche Justiz wird aber überwiegend als „Opfer“ einer politisch-juristischen Sturheit und fragwürdigen Anwendung des Rechts durch Spanien dargestellt. Beispielhaft hierzu eine lesenswerte Abhandlung von Prof. Dr. Ulrich K. Preuß auf Verfassungsblog.
      https://verfassungsblog.de/spanische-tragoedie/

      Insgeheim hoffen wohl die peinlich berührten deutsche Juristen auf ein Einlenken der Spanier, womöglich durch Bemühungen der deutschen Politik.
      Die juristische Stimmen, die der propagierten Opferrolle der deutschen Justiz widersprechen, sind dagegen kaum auszumachen. Dies obwohl nun bereits erwiesen ist, dass der Europäische Haftbefehl nicht zur Verhaftung in Deutschland nach spanischem Recht führt, sondern nur auf der Grundlage deutschen Rechts mit politischer Zustimmung erfolgen konnte und unter dem Richtervorbehalt stand. Also juristisch spielte spanisches Recht für die Verhaftung definitiv nur eine sekundäre Rolle. Sowohl die Politik, als auch die Justiz hätte die Verhaftung wegen Bedenken einer Rechtswidrigkeit nach deutschem Recht unterlassen bzw. die Haft wieder aufheben können. Man hat sich jedoch politisch und juristisch für eine Inhaftierung Puigdemonts entschieden.
      Also eine deutsche Tragödie, deren politische und rechtliche Auswirkungen in Deutschland zum Verständnis von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit nicht überschätzt werden kann.

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      • fidelpoludo schreibt:

        Hallo Lutz.
        was sagst Du zu den im Radio vernehmbaren Stimmen, die für den spanischen „Rebellions“-Tatbestand in Deutschland eine Entsprechung zum „Hochverrats“-Tatbestand ausgemacht zu
        haben glauben? Der „Strafrechtsexperte“ (möglicherweise wären die Anführungsstriche zu streichen) Nikolaos Gazeas auf Zeit.de:
        http://www.zeit.de/politik/ausland/2018-04/carles-puigdemont-auslieferung-rebellion-interview

        „Das Verhalten von Herrn Puigdemont wäre bei uns nur als Hochverrat strafbar. Der Hochverrat ist in den Paragrafen 81 und 82 des Strafgesetzbuches geregelt. Er greift aber nur, wenn der Täter mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt handelt. Beides ist hier nicht der Fall. Herr Puigdemont hat weder Gewalt angewandt noch damit gedroht. Gewalt liegt nach zutreffender juristischer Definition zum deutschen Hochverratstatbestand nur vor, wenn sich die staatlichen Institutionen zur Kapitulation vor den hochverräterischen Absichten des Täters gezwungen sehen, sei es auch, um die Bürger vor schwerwiegenden Schäden zu schützen.“ (…)
        Denn wenn allein die Möglichkeit, dass es zu Gewalt kommt, den Rebellionsvorwurf rechtfertigt, dann könnte letztlich jeder Organisator einer Demonstration am Ende des Tages wegen schwerster politischer Straftaten angeklagt werden. Das wäre ein tiefer Eingriff in die Meinungs- und Versammlungsfreiheit, die unser freiheitlich-demokratisches Grundgesetz schützt. (…)
        (darauf hattest Du ja gestern schon deutlichst hingewiesen wie auch auf die im folgenden angefürten Konsequenzen:)
        Politisches Strafrecht muss immer eng ausgelegt werden, auch und gerade weil es sonst sehr schnell missbraucht werden kann, um politische Widersacher auszuschalten. (…) Und das würde massiv ein ganz elementares Grundrecht in jeder Demokratie, die freie Meinungsäußerung und die Versammlungsfreiheit, aber auch die Grenzen zulässiger politischer Betätigung womöglich einschränken.“

        Alles in allem stelle ich fest, dass diese Position weitestgehend mit Deiner übereinstimmt und: dass die Angelegenheit in den Mainstreammedien dann doch kontroverser diskutiert wird als vorauszusehen war. Umso erstaunlicher die Löschung Deines Beitrags auf beckblog. Man hat aber nicht angedeutet oder direkt ausgesprochen, dass Deine Kommentare in Zukunft nicht mehr erwünscht sind, oder? Nachfragen nach einer Begründung der Löschung erübrigen sich? Vielleicht solltest Du das ausprobieren. Vielleicht machen Sie sich noch lächerlicher als bis jetzt schon. Wenn überhaupt werden sie das wohl mit einem angeblichen Vergleich des Hitlerstaats mit dem Deutschen Rechtsstaat begründen, was man so auffassen, aber nicht durchhalten kann.

        Jetzt werde ich mir den Ulrich Preuß ansehen. Kannte ich seit vielen Jahren als „linken“ Juristen. Habe einige Bücher von ihm. Aber viele Altlinke haben mit den Jahren offen oder klammheimlich die Seiten gewechselt und sind beim „Marsch durch die Institutionen“ stecken geblieben oder haben sich gar in ihnen festgebissen. Würde mich freuen, wenn es bei ihm nicht der Fall ist. Hatte ihn aber aus dem Gedächtnis verloren, weil meine Bücherhalden langsam überhand nehmen und ich nach einem Umzug schon den Überblick verloren habe.
        (So wie WordPress immer öfter den Überblick verliert: Doppelt! – Neiein!!)

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        • Lutz Lippke schreibt:

          Die abstrakte Gleichsetzung der „spanischen Rebellion“ mit dem „deutschen Hochverrat“ folge ich nicht. Statt eines juristischen Vergleichs, den ich doch den Experten überlasse, fokussiere ich 2 Folgerungen.
          1. Welche Deutschen hätten bisher verfolgt und bestraft werden müssen, wenn das deutsche Strafrecht dem spanischen politischen Strafrecht entsprechen würde, wie es Staatsanwaltschaft und Strafrechtler nun verdruckst behaupten? Führt das dann auch zu einer Lawine von Ermittlungen und Verfahren wegen dieser analogen (politischer) Straftaten, insbesondere aber wegen der bisherigen Versäumnisse in der Justiz auch zu Verfahren wegen Rechtsbeugung und Strafvereitelung im Amt?
          2. Welche politischen Folgerungen hat diese Gleichsetzung für Deutschland im Hinblick auf totalitäre Strukturen, politischer Unterdrückung durch Strafrecht etc.?

          Beim beckblog lohnt sich eine Diskussion um die Löschpraxis nicht und gerät eher kontraproduktiv. Die Löschung betrifft zunächst nur den einen Kommentar und nicht meine Person. Ich werde zumindest geduldet. Trotzdem halte ich es für sinnig, die Grenzen dort möglichst nur dann auszureizen, wenn es Not tut. Im Übrigen: Kommentieren kann dort Jeder, auch anonym als Gast.

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  23. willi uebelherr schreibt:

    Lieber Lutz, liebe freunde, ich bin ueber den beckblog schockiert. Das haette ich nie erwartet. Ich wusste es von dir, Lutz, dass eine kommentar-loeschung manchmal geschieht.

    Aber mir geht es um Ulrich Preuss. Angenehm dieser text, weil er das problem philosophisch angeht. Allerdings kommt bei ihm eine strikte Staats-Hoerigkeit zum ausdruck. Zunaechst:

    „Ein Referendum ist bekanntlich, ähnlich einer Wahl, ein durch Staatsrecht geschaffenes Institut, kraft dessen die einzelnen Staatsbürger in die Lage versetzt werden, eine in der Regel kollektiv verbindliche Sachentscheidung zu treffen.“

    Er kennt das problem, will es aber nicht wahrhaben.
    Referendum
    https://de.wikipedia.org/wiki/Referendum
    Plebiszit
    https://de.wikipedia.org/wiki/Plebiszit
    Volksinitiative und Referendum
    http://www.swisspolitics.org/politische-struktur/volksinitiative-und-referendum/

    Es ist ja immer die frage, von welchem standpunkt, also auf welcher seite wir stehen. Ich stelle mich grundsaetzlich auf die seite der bevoelkerung. Fuer die menschen ist es voellig egal, wie die staatskonstrukte mit ihrem selbstinterpretierten rechtssystem dazu stehen und ob sie dessen eine bedeutung zumessen. Das entscheidende ist dabei, dass die bevoelkerung dieses plebiszit, diese erklaerung, diese abstimmung, dieses referendum machen. Und nur sie selbst koennen darueber bestimmen.

    „Es ist ein Akt der Selbstkonstituierung als souveränes Subjekt. Freilich hängt deren Wirksamkeit wie bei allen Sprechakten von der Anerkennung der Rechtsgemeinschaft ab, durch die erst Worte zu wirkmächtigen Tatsachen werden.
    Bei Souveränitätserklärungen heißt das: sie bedarf der Anerkennung aller oder doch zumindest einer relevanten Anzahl der anderen Souveränitätssubjekte, d.h. der internationalen (Staaten-)Gemeinschaft.
    Im internationalen Rechtsverkehr bleibt Katalonien, sofern dort überhaupt wahrgenommen, eine autonome spanische Provinz, die katalanische Sprache eine Regionalsprache“

    Diese 3 saetze bilden einen absatz. Ich habe sie etwas getrennt. Hier geht dem Herrn Preuss, seinem namen zu ehre, voellig der gaul durch. Jedes staatliche gebilde ruht auf der bewussten und freiwilligen uebereinkunft der mitglieder, gemeinden oder regionen von gemeinden, Und wenn nun eine entitaet kein interesse mehr an dieser gemeinschaft hat, dann trennt sie sich. Bleibt alleine oder bindet sich in einen anderen verband ein. Und kann dies auch jederzeit wieder rueckgaengig machen. Um sich eingebunden in einen verband zu beschreiben wird die zustimmung aller anderen beteiligten benoetigt. Aber niemals fuer die trennung.

    „Die Irrtümer der Regierung und der Justiz Spaniens können Europa nicht gleichgültig lassen, denn es zeigt sich in ihnen nun sogar in einer konsolidierten konstitutionellen Demokratie die Keimform eines Politikmusters, das bislang zum Kennzeichen autoritärer Regime gehörte.“

    Ich wundere mich ueber das „bislang“. Kennt Herr Preuss die geschichte der letzten dekaden nicht? Oder lebt er in einer traumwelt, die nun fuer ihn die traummaske abgelegt hat?

    Der kern des ganzen wird ja nicht angeschnitten. Alle diese staatskonstruktionen sind ueberwiegend mit gewalt gegen die bevoelkerung erzeugt worden. Und, sollen wir nun diesen ekeligen akt im nachhinein verteidigen? Das ist doch purer schwachsinn, was diese leute sich ausdenken. Entsteht so ein unsinn notwendig, wenn wir die juristerei zum beruf erklaeren? Oder ist es die folge autoritaetshoerigem lesen? Oder die reduktion auf die Vernunft von Autoritaet, die wir brauchen sollten, um diesen leuten ihr arbeitsfeld zu geben?

    Also, schon wenn ich lese „konstitutionelle Demokratie“, platzt mir der kragen. Was verstehen die leute eigentlich unter Demokratie? Wir kommt unser „Preuss“ auf den begriff „demo-autoritäre Konstruktion“, wenn eigentlich „krato-autoritaer“ passend waere?

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    • Lutz Lippke schreibt:

      Ich stimme Dir weitgehend zu, Willi!
      Zum beckblog lohnt sich Entrüstung nicht, aber ich verstehe und teile sie. In der Rechtspraxis ist Leugnung und Ignoranz durch Juristen noch sehr viel stärker ausgeprägt, so dass ich den beckblog als halbwegs nützliches öffentliches Verhandlungsmedium ansehe. Alternativen dazu gibt es kaum und der Austausch muss ja stattfinden.

      Dass Du den Text von Preuss trotz einiger positiver Argumente zurecht auseinandernehmen wirst, war mir auch klar. Die bürgerliche Rechtstheorie Carl Schmitts (besser wohl Rechtsideologie) steckt tief in der deutschen Juristerei drin, auch wenn man sich offiziell nicht in dessen Tradition eingeordnet sehen will.
      Mein Fokus lag aber eher auf dem Phänomen, dass das Problem immer bei den Anderen gesucht wird, hier bei den Spaniern. Das erspart den Blick auf die eigenen Unterlassungen und Fehlhandlungen. Das ist auch nicht neu, aber im Fall Puigdemon gut aufzuzeigen und kritisch zu besprechen.

      Grundsätzlich muss es legitim sein, dass eine menschliche Gemeinschaft die Form und Abgrenzung ihrer Organisation selbst bestimmt. Trotzdem kann man natürlich solche Bestrebungen im Konkreten auch kritisch sehen und verhindern wollen. Die Frage ist, welche Anforderungen und welche Grenzen für die jeweiligen Absichten legitim und damit auch legal sind. Da der Prof. Preuss einer radikal-demokratischen Auffassung vom Recht offensichtlich unverdächtig ist, stellen dessen Feststellungen zum grundsätzlich rechtlich falschen Umgang der spanischen Justiz mit der Abstimmung eine gute Diskussionsgrundlage dar. Denn auch mit einer eher demokratieskeptischen Sicht können die polizeilichen und strafrechtlichen Aktionen Spaniens nicht mit Rechtsstaatlichkeit in Übereinstimmung gebracht werden. Die Folgerung daraus ist, dass das restriktive Vorgehen der spanischen Strafjustiz und Politik allein politisch motiviert ist und schon damit einer Auslieferung entgegen steht. So äußerte sich auch der Verteidiger Schomburg. Ganz trivial ist diese wohl zutreffende Argumentation nicht, wie der folgende anwaltliche Beitrag aufzeigt. https://www.anwalt.de/rechtstipps/auslieferung-puigdemonts-puigdemont-darf-nicht-aufgrund-des-eu-haftbefehls-ausgeliefert-werden_131994.html

      Eine etwas andere Herangehensweise ist die, die ich bisher fokussiere. Da schon die Verhaftung und erst recht natürlich eine eventuelle Auslieferung von Puigedemont die Strafbarkeit seiner konkreten Absichten und Handlungen nach deutschen Strafgesetzen erfordert, setze ich bereits bei der offensichtlichen Unzulässigkeit der Verhaftung an.
      Dafür sehe ich 1. einen formalrechtlichen Grund:
      Eine Verhaftung in Deutschland durfte nur erfolgen, wenn den Behörden ein deutscher Straftatbestand vorab bekannt war, dessen Begehen sich Puigdemont mindestens verdächtig gemacht hatte. Tatsächlich waren zwar die Taten von Puigdemont im Wesentlichen unstrittig, aber zur Frage der Anwendbarkeit von deutschen Strafgesetzen besteht bei den Akteuren bis heute höchste Unsicherheit. Das allein verbietet jedoch schon eine Verhaftung, denn eine Freiheitsentziehung ist nur auf Grundlage eines Gesetzes zulässig und nicht schon deshalb, weil man vermutet, dass man vielleicht noch nachträglich ein Gesetz finden oder passend fantasieren könnte. Um diese offensichtliche Rechtswidrigkeit des bisherigen Vorgehens bei der Verhaftung zu übergehen, wird diese Thematik gemieden und ein rechtspolitsches Allerlei diskutiert. Ich spekuliere, dass schon deshalb das Ziel besteht, diese offene Rechtswidrigkeit stillschweigend durch gerichtliche Bestätigung der Zulässigkeit von Haft und Auslieferung nachträglich zu heilen. Trotzdem und gerade deswegen ist es sehr wichtig, diese grundlegende Rechtswidrigkeit oder sogar offene Rechtsbeugung zu einem Wesensmerkmal des Strafrechts (Das mit Strafandrohung Verbotene muss vor Tatbegehung und Verhaftung bekannt sein.) im Zusammenhang mit der Verhaftung zu thematisieren.
      zu 2. materiell-rechtlichen Gründen steht, neben der Frage der politischen Verfolgung in Spanien, die wesentlich Frage, ob diese spanische Vorgehensweise nun faktisch aufgrund dieses Falls prägend in deutsches Recht übernommen wird. Auch dieser Frage wird von den Juristen eher ausgewichen. Sie ist aber für uns, als überwiegend dem deutschen Strafrecht Unterworfenen, existenziell. Diesen Fokus hatte ich bereits als meine „deutsche Brille“ angedeutet.

      Fragen zu politischem Sinn und Unsinn von Abspaltungsbestrebungen habe ich bewusst nicht thematisiert, weil dies vor allem politische und praktische Fragen aufwirft, die nicht per Strafrecht zu regeln sind. Legt man diesen Maßstab bei der Lektüre der Beiträge an, die Theresa verlinkt hat, dann fällt einem die Boshaftigkeit der dortigen Vermischung von Allerlei auf, wenn die Strafsache Puigdemont mit Meinungen zu politischen Fragen von diversen Abspaltungstendenzen vermischt wird. Die Schreiber haben entweder das Thema verfehlt oder würden mit dem Strafrecht alles regeln wollen, wenn man sie ließe. In diesem Punkt sind Juristen allerdings mehrheitlich sehr kritisch eingestellt. Das nur, um auch mal etwas Positives über Juristen schreiben zu können.

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    • willi uebelherr schreibt:

      Lieber Lutz, danke fuer den link zu http://www.anwalt.de. Shahryar Ebrahim-Nesbat koennte perser/Iraner sein. Er hat eine grossartige denkweise.

      Ich stimme deinem prinzip zu: jede verhaftung setzt eine begruendung fuer ein strafbares tun im gebiet der festnahme voraus.
      Und ich stimme Shahryar zu, dass die aufforderung zur festnahme und auslieferung von seiten Spanien abzulehnen ist, weil es politisch motiviert ist.

      Wir wissen ja alle, dass es hier um die erhaltung mopolarer strukturen geht, die mit dem EU-konstrukt bestens durchgesetzt werden, weil jede begruendung fuer ein tun nach aussen abgeschoben werden soll, ow es keinen raum der reflektion mehr gibt.

      Albrecht Mueller fuehrt ja mit Sven Giegold, diesem Dummschwaetzer, eine aehnliche debatte.

      Die strategie der herrschenden ist die anonyme zentralisierung. Die strategie der bevoelkerungen ist die lokale/regionale selbstverntwortung. An dieser grundfrage reibt und traenkt sich doch das ganze juristische theater. Und diese grundlinie zeigt sich immer wieder in den einzelnen gemetzeln.

      Rebellion ist doch fuer uns das hoechstwertigste gut menschlichen seins. Schon bei kindern achten wir auf die entstehung rebellischem charakter, mut zur auflehnung und infragestellung des status quo. Wir koennen diese kraft im verhalten mit allen arten von blumen schmuecken. Aber der kern in seiner reinen form bleibt doch immer damit unangetastet. Klaus-Peter zitiert Wolfgang Goethe. Auch fuer ihn, in seiner noch klaren zeit, war die rebellion die grundlage der auszeichnung.

      Shahryar referenziert die christliche Inquisition. Auch wenn er sie als spanische Inquisition zeichnet, dann passt das trotzdem fuer den ganzen akt.

      Wenn wir diesen gedanken folgen, werden wir als experten der rechtssysteme entsprechend agieren. Wenn wir so nicht agieren, dann wollen wir diesen gedankn nicht folgen und sind teil der christlichen Inquisition. Ganz oder teilweise.

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      • Lutz Lippke schreibt:

        Willi, schön dass Du zu Beginn den Fokus auf juristische Probleme beibehalten hast. Zu diesem Teil volle Übereinkunft. Meine „reine“ Rechtsauffassung: Die deutsche Justiz muss die Inhaftierung zwingend aufheben und auf Antrag den Inhaftierten wegen der unzulässigen Festsetzung entschädigen. Das sehe ich als zwingende Folge der geltenden Gesetze. Dabei ist es eigentlich egal, wie ich politisch zu irgendwem stehe oder was wer warum bezweckt. Das Ergebnis muss mir nicht einmal gefallen, um es als verbindliche Folge des geltenden Rechts zu akzeptieren.
        Das reicht Dir, wie vielen Anderen, aber offenbar nicht. Es muss (immer) eine politische Einordnung her. Warum nur? Erzeugt das nicht auch unnötige Probleme?

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        • fidelpoludo schreibt:

          Hallo Lutz,
          die „Reinheit“ Deiner Rechtsauffassung imponiert mir: „Dabei ist es eigentlich egal, wie ich politisch zu irgendwem stehe oder was wer warum bezweckt. Das Ergebnis muss mir nicht einmal gefallen, um es als verbindliche Folge des geltenden Rechts zu akzeptieren.“
          Eine der wenigen Formen von „Liberalität“, die es noch zu verteidigen bzw. wieder neu aufzubauen gilt

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          • Lutz Lippke schreibt:

            Wenn man sich überlegt, dass liberale Rechtsauffassungen seit Jahrhunderten wichtige Elemente der Aufklärung und Mittel zur Überwindung der absolutistischen Macht der Aristokratie und Kirche war, dann haben wir tatsächlich mehr Bürgerliches vor einem Rückfall zu verteidigen, als wir gleichzeitig neu aufbauen können. Errungenes verteidigen und Neues aufbauen muss also möglichst Hand in Hand gehen.

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      • willi uebelherr schreibt:

        Lieber Lutz, doch das reicht mir. Ich sehe das eher alternativ, auch wenn dein 1.punkt absolut selbsttragend ist und keiner weitere ergaenzung bedarf.
        Das politische motiv, die bekaempfung vorhandener bestrebungen nach lokaler/regionaler selbstbestimmung und damit ein akt der aufloesung elitaer/pyramidaler strukturen, vielleicht auch die grundlage fuer deinen 1. punkt, agiert sowieso und unabhaengig. Wir koennen es zur grundlage machen, muessen aber nicht.

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        • Lutz Lippke schreibt:

          Manchmal verstehen wir uns schon ohne Worte. Dir war offensichtlich klar, dass mein Einwand nicht bedeuten sollte, dass ich das Politische aus dem Diskurs eliminieren will.
          Die „vielen Anderen“ hatte ich nicht explizit spezifiziert, kann man aber in unzähligen Regierungs- und Medienmeldungen, Kommentaren und auch im eigentlich „rein“ juristischen beckblog sofort finden. Wer sich vor Abspaltungsideen z.B. der Bayern fürchtet, möchte den katalanischen Bösewicht für lange Zeit eingesperrt sehen. Wer den spanischen Regierungschef als politischen Gegner ansieht, möchte dem katalanischen Freiheitskämpfer am liebsten einen sozialistischen Heldenorden verleihen. Also geht es Vielen darum, den Fall politisch für eigene Zwecke zu benutzen und sich wenig um das allgemein für Alle geltende Gesetz zu scheren.
          Dabei ist eine transparente Darstellung der derzeit geltenden Rechtslage, gerade auch deren Mängel, Unklarheiten und Lücken, ganz eminent wichtige Rechtspolitik im Sinne der Demokratie über einen konkreten Fall hinaus. Dass es um diese Transparenz schlecht bestellt ist, ist ja zumindest für mich ein wichtiges politisches Thema und der entscheidende Antrieb für die Beschäftigung mit dem Fall „offensichtlich rechtswidrige Verhaftung“ von Puigdemont durch die Justiz Schleswig. So will ich den Fall aus meiner bisherigen Kenntnis korrekt betiteln.
          Dank eines Hinweises auf den EU-Rahmenbeschluss von 2002 zum EU-Haftbefehl durch einen „Gast“ im beckblog ist nun auch klargestellt, dass an dem medial von Juristen und Politikern behaupteten Automatismus „EU-Haftbefehl -> Verhaftung“ nichts dran ist. Vielmehr stellt diese Behauptung eine offensichtlich beabsichtigte Verfälschung der bestehenden Rechtlage dar.
          https://community.beck.de/2018/03/26/europaeischer-haftbefehl-gegen-carles-puigdemont-wie-geht-es-jetzt-weiter#comment-80967

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        • willi uebelherr schreibt:

          Lieber Lutz und alle.

          „Dabei ist eine transparente Darstellung der derzeit geltenden Rechtslage, gerade auch deren Mängel, Unklarheiten und Lücken, ganz eminent wichtige Rechtspolitik im Sinne der Demokratie über einen konkreten Fall hinaus.“

          Unklarheiten und Luecken wird es immer geben, wenn wir versuchen, ein dynamisches system mit statischen attributen zu beschreiben. Jeder versuch, die Totalitaet des Lebens festzuzurenn, ist zum scheitern verurteilt. Es geht also um interpretations-kompetenz und deren dominanz.

          Auch Immanuel Kant hat immer darauf verwiesen, dass der wesentliche kern unsere Philosophie des Rechts ist und nicht das, was auf dem papier geschrieben steht.

          Die anpassung und lueckenfuellung und folgerungslogik ist wesentlicher teil der Herrschaft. Auch die umdeutung geschriebener begriffe. Ich betrachte das nicht als rechtsbeugung, sondern als akt der rechtssetzung.

          Das ist auch, neben der oekonomie, der anstrengende teil unserer Volkssouveraenitaet. Wir koennen nicht erwarten, dass Rechtsexperten aus dem milieu der Rechtsnutzer nun damit beginnen, in unserem sinne und wohle das Recht auszulegen. Ein abstraktes, absolut wahres rechtsverstaendnis gibt es nicht.

          Wenn wir nun, oder besser du, dich diesem thema der auslieferung von Carles Puigdemont oder seiner aktiven freunde zuwendest, dann suchst du danach, die luecken und leerstellen so auszufuellen, dass deine interpretation geltend werden kann. Die anderen machen es in ihrem sinne genauso.

          Die entscheidung waere eigentlich eine entscheidung der bevoelkerung in Deutschland. Das bricht aber das bestehende rechtsverstaendnis der sich selbst erklaerten akteure. Schon daraus wird erkennbar, dass sie kein interesse an einer demokratischen struktur haben.

          Wir bewegen uns eigentlich im raum von kompromissen, anpassung und wegdriften. Der entscheidende stoss jedoch kommt aus dem oeffentlichen raum, dem sich dann letztlich auch die Rechtsakteure unterwerfen muessen, wenn sie das theater aufrecht erhalten wollen. Irgendwann werden sie die masken ablegen, weil sie dessen ueberdruessig sind.

          Das finde ich in allen diesen debatten der „juristischen blogger“ und portale. Und in den staatlichen mafiosen rechtszirkeln, die im geheimen arbeiten, wird es auch so sein. Merkwuerdiger weise wird immer ein setzender bezug auf die allgemeinheit erzeugt, der dann schnell verschwindet, weil dann nur noch eine abgehobene, abstrakte ebene gilt. Bei unserem „Preuss“, der von Fidelpoludo als „Linker“ bezeichnet wurde, war das gut zu erkennen.

          Auch die organisierten „Linken“ in der „Die LInke“ agieren im raum der illusionen und getriebenheit, anstatt mal die Rechtsgrundlagen so zu beschreiben, wie sie wirklich sind. Wir finden ja eine riesige bandbreite der intuitionen im „Rechtssystem“, angefangen von philistren erklaerungen im GG bis hin zu den anwendungsbestimmungen, die jegliches Demokratieverstaendnis aufloesen.

          Aber diese konstruktion ist eben kein zufall, sondern gewollt. Damit kann der sich selbst erklaerte Rechtsapparat mit seinem Beamtenkonstrukt auch sanft und wohlwollend agieren, wenn es politisch sinnvoll ist.

          Deswegen hatte ich mal das gefuhl, dich als „Rechts-Positivist“ zu erkennen. Das sind menschen, die dem Rechtssystem eine eigene substanz zuerkennen und nicht sehen wollen, dass es um den ausdruck des realen Klassenkampfes geht. Und Rechts-Positivisten neigen dazu, oder sind davon getrieben, der bevoelkerung als schwaecherer teil in diesem klassenkampf das instrument „Rechtssystem“ aus den haenden zu reissen. Der andere teil hat es ja schon immer in der hand.

          Solange die menschen das Plebiszit nicht fuer sich in anspruch nehmen wollen, koennen die anderen machen, was sie wollen. Und weil die akteure des Rechtssystems von geldfuessen leben, was anderes haben sie ja nicht, folgen sie den akteuren des geldsystems. Rechtssystem und dessen theoretische eroerterung und interpretation sind dann nur anhaengsel.

          Die akteure im Rechtssystem sind auf den „Staat“ ueber das Beamtentum verpflichtet. Und was ist der Staat? Ein instrument der Eliten, fuer die Eliten, gegen die Bevoelkerung. Das war doch auch in der DDR so. Daher auch die verlogenen erklaerungen ala Daniela Dahn, Diether Dehm und Freidenker und sonstiger. Auch Albrecht Mueller gehoert dazu.

          Es ist immer merkwuerdig anzusehen, dass die traeger der substanz, die eigentliche kraft, nur zusehen, was um sie herum so inszeniert wird. Anstatt die peitschen und mistgabeln in die hand zu nehmen und das ganze gesindel wie „die Sau durchs Dorf“ zu treiben.

          Trotzdem bleibt fuer die aktivisten der raum, einer anderen philosophie des rechts geltung zu verschaffen, indem die luecken anders gefuellt und die geschriebenen erklaerungen anders ausgelegt werden.

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          • Theresa Bruckmann schreibt:

            „Auch Immanuel Kant hat immer darauf verwiesen, dass der wesentliche kern unsere Philosophie des Rechts ist und nicht das, was auf dem papier geschrieben steht.“
            Ja, aber Kant hat Maßstäbe, z.B. dieser
            Kategorische Imperati

            „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ oder noch einmal anders gesagt:
            „Handle nach der Maxime, die sich selbst zugleich zum allgemeinen Gesetze machen kann.“

            Kants Kategorischer Imperativ – die Kurzfassung zum Mitnehmen


            Und was mögen „Daniela Dahn, Diether Dehm und Freidenker und sonstiger. Auch Albrecht Mueller gehoert dazu“ gesagt haben, dass sie unter diesen Rundumschlag fallen?
            Ich werde noch einmal versuchen von Kant über Mausfeld (Universeller Humanismus)
            zu Ingeborg Maus und dem Volkssouverän als oberster Gesetzgeber zu gelangen und dabei vor allem darauf achten, was es heißt ‚das ganze Volk‘ entscheidet und dann versuchen dies auf katalanische Verhältnisse zu übetragen.
            Die ganz andere Sache, nämlich wie mit Puigdemont nach deutschem Recht zu verfahren ist, habe ebenfalls noch kein klares Bild.
            Mir ist dieser Richtervorhalt z.B. nicht klar und die Gleichsetzung von ‚Rebellion‘ und ‚Hochverrat‘ klingt irgendwie mehr als abenteuerlich (wie gesagt, ohne mich damit selbst befasst zu haben)
            Was mir unmittelbar einleuchtet ist, dass die Unschuldvermutung, dass nämlich ein
            Verdächtiger einer eindeutigen Straftat wie (Hausanzünden) so lange als unschuldig zu gelten hat, bis seine Täterschaft BEWIESEN ist.
            Umgekehrt, dass einer eindeutig Täter von etwas ist, was man bei uns in Deutschland, wo er festgesetzt ist, noch gar nicht klar benennen kann? Entweder haben wir für diesen Fall keine eindeutige Gesetzeslage, dann wäre das eine Gesetzeslücke oder wir haben sie und umgehen sie. Wie gesagt, mir ist das noch nicht klar geworden.

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            • Lutz Lippke schreibt:

              Liebe Theresa,
              Sie sind die Erste, die meinen Fokus im Fall Puigdemont als Problem erkannt hat bzw. dies klar reflektiert.

              „Umgekehrt, dass einer eindeutig Täter von etwas ist, was man bei uns in Deutschland, wo er festgesetzt ist, noch gar nicht klar benennen kann? Entweder haben wir für diesen Fall keine eindeutige Gesetzeslage, dann wäre das eine Gesetzeslücke oder wir haben sie und umgehen sie. Wie gesagt, mir ist das noch nicht klar geworden.“

              Im nationalen Strafrecht besteht dazu eigentlich keine Gesetzeslücke. Strafrechtlich verhaftet werden darf schon prinzipiell nur Derjenige, der begründet verdächtigt ist, den objektiven Tatbestand eines nationalen Strafgesetzes erfüllt zu haben. Der objektive Tatbestand ist die verdächtigte Handlung, deren Strafbarkeit nach konkretem Gesetz vorab bereits feststeht. Weitere Kriterien sind subjektiver Tatbestand (Motiv, Vorsatz, grobe Fahrlässigkeit etc.) und Schuldfähigkeit. Der Verdacht muss sich also auf ein konkretes Handeln und dadurch konkret verletztes deutsches Strafgesetz beziehen. Insoweit besteht kein Raum für Ungewissheiten des Haftgrundes. Ob sich der Verdacht letztlich bestätigt, ist eine andere Sache.

              Die vorläufige Verhaftung von Puigdemont wird von den Juristen mit einem „formalen Automatismus“ durch den europöäischen Haftbefehl begründet, dem man angeblich befolgen musste ohne bereits zu wissen, worin die deutsche Strafbarkeit bestehen würde. Würde das stimmen, hätte der EU-Haftbefehl eine stärkere Eingriffswirkung in verfassungsmäßige Freiheitsrechte als der deutsche Haftbefehl. Man sollte nicht vergessen, dass auch deutsche Staatsbürger aufgrund ausländischem EU-Haftsbefehl in Deutschland verhaftet und ausgeliefert werden können. Faktisch würde der behauptete „formale Automatismus“ des EU-Haftbefehls dazu führen, dass ab dem Zeitpunkt der Fahndung und Ergreifung bis zur Entscheidung des zuständigen OLG die deutschen Rechtsgrundsätze im Strafrecht zu freiheitsentziehenden Maßnahmen ausgeschaltet sind und vorläufig durch das Strafrecht des Landes ersetzt werden, das den EU-Haftbefehl erlassen hat. Eine ziemlich abenteuerliche Folgerung, die aber von den „formalen Automatisten“ gar nicht erst vollzogen wird.

              Die Behauptung zum Automatismus ist auch definitiv falsch. Sie wird bereits durch den europäischen Rahmenbeschluss zum Haftbefehl widerlegt. http://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:3b151647-772d-48b0-ad8c-0e4c78804c2e.0002.02/DOC_1&format=PDF
              Dort heißt es in den Grundsätzen unter (12):
              „Keine Bestimmung des vorliegenden Rahmenbeschlusses darf in dem Sinne ausgelegt werden, dass sie es untersagt, die Übergabe einer Person, gegen die ein Europäischer Haftbefehl besteht, abzulehnen, wenn …“ und „Der vorliegende Rahmenbeschluss belässt jedem Mitgliedstaat die Freiheit zur Anwendung seiner verfassungsmäßigen Regelung“. Damit ist ein Automatismus durch EU-Recht ausgeschlossen, wird aber mit dem Automatismus-Argument behauptet.

              Es könnte also allenfalls durch das deutsche Recht zur Internationalen Rechtshilfe (IRG) ein solcher Automatismus bestehen, der aber bereits offensichtlich verfassungswidrig wäre. Denn eine Überlagerung von nationalem spanischem Strafrechts über die verfassungsmäßigen Grundprinzipien des deutschen Strafrechts wäre eine absurde Folgerung, deren Behauptung von den „formalen Automatisten“ auch nicht gewagt wird.

              Es zeigt sich also in dieser Frage eine gedankenlose Geschwätzigkeit von Juristen statt aufklärende Transparenz, auf die ich beim beckblog einwirken wollte. Bisher weitgehend erfolglos. Ich bin mir aber sicher, dass meine Einwände besser verstanden werden, als sich dies durch Schweigen, Rückfragen und Löschung offenbart.

              Grundsätzlich ist dieser „Automatismus des EU-Haftbefehls“ eine wichtige Frage, die auch unabhängig vom Fall Puigdemont geklärt werden muss. Aber auch im Fall Puigdemont sollten man trotz oder gerade wegen der aktuellen Entwicklung (vorläufige OLG-Entscheidung zur Freilassung) diese Frage nicht aus den Augen verlieren. Denn es zeigt sich eine typische Tendenz der Juristen zur „Heilung von Verfahrensfehlern“ durch weitere wohlüberlegte aber sehr intransparente Methoden der weiteren Bearbeitung. Die Begründung des OLG in seinem Beschluss deutet auf eine solche Tendenz hin. Ich möchte mir aber bei meinem derzeitigen Wissensstand nicht anmaßen, dies hier als Tatsache darzulegen. Sozusagen „mustergültig“ wurde diese „heilende Vorgehensweise“ im Fall Mollath umgesetzt. Ich bin davon überzeugt, dass das WAV zu Mollath unter schwersten Bedingungen für die Justiz (aufmerksame Öffentlichkeit, Rechtswidrigkeiten unleugbar evident) mit allen personellen und methodischen Mitteln in Richtung der noch möglichen Entlastung der eigenen Leute und der maximal möglichen Belastung von Mollath optimiert wurde.

              Grundsätzlich halte ich 2 wesentliche Vorgehensweisen gegen diese intransparenten Methoden der Justiz für zwingend notwendig:
              1. Fehlhandlungen der Justiz müssen im möglichst frühesten Stadium sachgerecht aufgedeckt und effektiv angegriffen werden, damit die Justiz sich aus juristischer Notwendigkeit möglichst sofort korrigieren muss und sich gar nicht erst in ihre „Heilmethodik“ zur Selbstentlastung begibt.
              2. Die intransparenten „Heilmethoden“ der Justiz müssen strukturell erkannt werden, um dagegen sachlich richtig vorgehen zu können und diese Ausflüchte und ihre oft gravierenden Folgen für Betroffene sukzessive zu unterbinden.

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              • Theresa Bruckmann schreibt:

                „Würde das stimmen, hätte der EU-Haftbefehl eine stärkere Eingriffswirkung in verfassungsmäßige Freiheitsrechte als der deutsche Haftbefehl. Man sollte nicht vergessen, dass auch deutsche Staatsbürger aufgrund ausländischem EU-Haftsbefehl in Deutschland verhaftet und ausgeliefert werden können“ schreiben Sie.
                In der Tat abenteuerlich.
                Während meiner aktiven Zeit bei ai (amnesty international), also Briefe an
                Justizbehörden, Staatschefs z.B. zu schreiben, habe ich mich jederzeit darauf verlassen,
                dass mich meine deutsche Staatsangehörigkeit schützen würde, auch dann und gerade dann, wenn meine Handlung im Adressatenstaat rechtswidrig gewesen wäre. (Ich habe mich gar nicht darum gekümmert, sondern nur nach meinem deutschen Recht auf freie Meinungsäußerung gehandelt. Umso erschütterter war ich, als dann im Fall Elisabeth Käsemann das deutsche Außenamt 1977 sich nicht um die Studentin aus Tübingen gekümmert hat, die dann die argentinischen Folterkeller nicht überlebte.
                Fortan habe auch ich nur noch auf meine ai-KollegInnen vertraut.

                Wie ich meine Sätze so durchlese, sehe ich, dass ich das Thema EU-Haftbefehl
                verfehlt habe.
                Ich lasse es dennoch so stehen, weil darin zum Ausdruck kommt, dass ich NICHT NUR
                auf deutsches Recht GEGENÜBER einem anderen EU-LAND vertraue, sondern noch
                WEIT DARÜBER HINAUS auch auf deutsches Recht GEGENÜBER allen Staaten dieser
                WELT.

                Dies nur zur Unterstreichung Ihrer Haltung.
                Ich gebe Ihnen in allen Punkten recht.

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                • Theresa Bruckmann schreibt:

                  Ergänzung: Elisabeth Käsemann wurde natürlich nicht ausgeliefert; sondern
                  sie wirkte in Argentinien und wurde dort verhaftet.
                  Sie hat nach deutschen Recht nichts Strafwürdiges begangen,
                  wohl auch nicht nach argentinischem. Sie bekam auch keinen Prozess,
                  sondern verschwand im Folterkeller.
                  Insofern hinkt auch dieser Vergleich.
                  Was ich aber sagen will ist, was uns unsere STAATSBÜRGERSCHAFT in
                  einem demokratischen RECHTSTAAT WERT sein MÜSSTE:
                  Das ist sozusagen die Messlatte.

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                • Lutz Lippke schreibt:

                  Ja, bei den Verbrechen und Leiden in der Welt erscheinen unsere „Luxusprobleme“ mitunter kleingeistig, aber Beides steht in direkter Verbindung. Auch wenn sich mutige Deutsche wie Elisabeth Käsemann gegen Unrecht in der Welt engagieren. Wenn wir es hier nicht schaffen, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu verstehen und durchzusetzen, welche Hoffnungen sollten die Ausgezehrten in aller Welt damit verbinden?

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    • willi uebelherr schreibt:

      RTde: „Abschaffung des Nationalstaats – ein neoliberaler Traum“

      Soll hier die „Linke“ zerpfluegt werden? Brauchen wir Staaten? Ich frage mich, was hat „Links-Sein“ mit staat zu tun. Beides zusammen geht doch eigentlich nicht.

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  24. Lutz Lippke schreibt:

    „Die Generalstaatsanwaltschaft ist zu weit gegangen“ – so Strafrechtsexperte Nikolaos Gazeas
    http://www.zeit.de/politik/ausland/2018-04/carles-puigdemont-auslieferung-rebellion-interview/komplettansicht

    Rückwirkungen auf die deutsche Rechtspraxis
    https://www.heise.de/tp/features/Fall-Puigdemont-Rueckwirkungen-auf-die-deutsche-Rechtspraxis-4010805.html

    Heribert Prantl von der SZ sieht das Problem im „erbärmlich schlechten deutschen Gesetz“ zur Rechtshilfe (IRG) und fordert dessen richterliche Vorlage an den EGH zur Normenkontrolle.
    http://www.sueddeutsche.de/politik/katalanischer-separatistenfuehrer-ueber-den-fall-puigdemont-sollte-der-europaeische-gerichtshof-entscheiden-1.3930134

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  25. Lutz Lippke schreibt:

    Gerade habe ich bei n-tv aufgeschnappt, das Puigdemont unter Auflagen freigelassen wurde. Es wurde ein Auslieferungshaftbefehl wegen Veruntreuung erlassen und gegen Auflagen ausgesetzt. Der Vorwurf des Hochverrats hat sich möglicherweise erledigt. Ein Rückzug von der rechtswidrigen Verhaftung in Raten?

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  26. willi uebelherr schreibt:

    Zum thema „Recht und Demokratie“ passt meine letzte email in unserem diskurs-kreis sehr gut.

    FtC: PCR: Lügen sind Washingtons Weg zur Dominanz
    Aus unserem Kreis der freien DenkerInnen

    Lügen sind Washingtons Weg zur Dominanz
    Paul Craig Roberts, 04.04.2018, uebersetzt FtC
    https://www.theblogcat.de/uebersetzungen/pcr-04-04-2018/

    Warum wachsen die Ostermärsche nicht in Zeiten erhöhter Kriegsgefahr?
    Peter Nowak, 5.4.2018
    https://www.heise.de/tp/features/Warum-wachsen-die-Ostermaersche-nicht-in-Zeiten-erhoehter-Kriegsgefahr-4011075.html

    Liebe freunde,

    „Fritz the Cat“, Friedrich, hat sofort die bedeutung dieses textes von Paul Craig Roberts erkannt und uebersetzt.

    Wenn wir nun den text in Telepolis lesen, ja eigentlich zum gleichen thema, dann sehen wir die verwirrung und die geistigen nebelwolken im deutsch-sprachigen raum.

    mit lieben gruessen, willi
    Asuncion, Paraguay

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  27. Lutz Lippke schreibt:

    Getroffene Hunde bellen nach. Schon mal gehört? WUFF, Wuff, wuff, wu, w…! Dazu eingezogener Schwanz, beleidigte Miene, verärgerter Rückzug. So peinlich agiert man in der Zeit, die Sonntags- Bildzeitung der Intellektuellen.
    http://www.zeit.de/politik/ausland/2018-04/carles-puigdemont-freilassung-risiko-katalonien-justiz#comments

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    • willi uebelherr schreibt:

      Ulrich Ladurner, was ist das fuer ein ekeltyp. Nato-Strichjunge? Koennte passen. Ich habe ja mit solchen portalen nichts zu tun. Deswegen weiss ich auch nicht, was da so alles hervorquillt. Ich haette, ehrlich gestanden, nie fuer moeglich gehalten, dass dort so ein reaktionaerer brei verbreitet wird.

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  28. willi uebelherr schreibt:

    Zum thema dieser diskussion. Carles Puigdemont und Skripal passen doch eigentlich gut zusammen. Zeigen eine zentralisierte organisation, wo jeder hinweis auf wahre begebenheiten zertrampelt werden soll. Meist dadurch, dass schon im vorneherein eine gefahr skizziert wird, was geschehen koennte, wenn die wahre begebenheit wie „Phoenix aus der Asche“ hervorsteigt.

    Solange die thematik „tiefer Staat“ und selbstbestimmungsrecht der menschen in regionen, die sie selbst bestimmen, sich also auch selbst konstituieren, nicht selbstverstaendlich reflektiert wird, leben wir im inneren kriegszustand. Wir koennen auch „tiefer Staat“ in „Staat“ transformieren und haben dann sofort die deckung mit Katalonien.

    Wenn wir den „Staat“ als instrument der „Reichen“, „Vermoegenden“ und „Besitzenden“ betrachten, was ja nicht allzu schwer zu begruenden ist, dann haben wir einen klaren bezugspunkt.

    Die problematik ist nun, dass fast alle auf beiden seiten an diesem konstrukt festhalten wollen. Auch Puigdemont. Dann geht es ploetzlich darum, die staatenbildung zu einem universalen recht und notwendigkeit zu erklaeren. Dann sind ja die israelischen kolonialen landraeuber auch geschuetzt. Ich vermute, den Katalanen, Basken und Gilizianern ist das alles noch nicht so richtig klar, worauf das hinauslaeuft.

    Und bei uns selbst? Liegt nicht dort ein graben versteckt, der uns tatsaechlich trennt, obwohl er dicht mit bunten blumen ueberwachsen scheint?

    Parallelen zwischen Salisbury und dem deutschen Plutonium-Skandal 1994?
    https://www.heise.de/tp/features/Parallelen-zwischen-Salisbury-und-dem-deutschen-Plutonium-Skandal-1994-4009728.html

    Der fall Skripal und sein deutsches vorgaengerprojekt „Hades“ zeigen uns doch deutlich die spuren und graeben, die wir nicht wahrhaben wollen. Uns geradezu aengstlich auf die grasinsel in der sumpflandschaft als sicheren ort zurueckziehen wollen. Ist es moeglich, mal grundsaetzlich und systemorientiert die bedingung dieser beiden geschehnisse zu betrachten? Koennen wir ueberhaupt erwarten, dass die akteure sich an den von manchen von uns erklaerten Rechtsprinzipien halten?

    mit lieben gruessen, willi

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  29. Lutz Lippke schreibt:

    Man sollte die Wirkung einer Inhaftierung und deren Vorbestimmung des weiteren Verlaufs von Gerichtsverfahren nicht unterschätzen. Nicht selten wird Festnahme und Untersuchungshaft Verdächtigter zur Einschüchterung und Beugung umgenutzt und maximal ausgedehnt, obwohl dies rechtswidrig ist. Ein solches Vorgehen wird durch das weitere Vorgehen der Justiz häufig gedeckt und nicht selten in abstruser Weise sogar potenziert. Das Phänomen der Überzeugungskraft von dreisten Lügen nach dem Motto: „So dreiste Lügen wagt doch niemand“ ist bekannt und der Propaganda artverwandt.

    Deshalb bleibe ich bei meinem Fokus auf einer Unzulässigkeit der Inhaftierung Puigdemonts. Weniger wegen dem Fall Puigdemonts selbst, sondern wegen dem damit verletzten Grundsatz, dass vor einer Inhaftierung klar sein muss, welches Strafgesetz bei Unterstellung der Tat vom Verdächtigten verletzt wurde. Dieses Vorgehen markiert eine Tendenz eines beliebig einsetzbaren verfassungswidrigen Zugriffs und Freiheitsentzugs fern jeder gesetzlichen Bestimmungen.

    Nun reagierte endlich ein Jurist auf meine Einwände zur Inhaftierung ohne Rechtsgrund. Vielleicht ergeben sich aus dem Austausch nun neue Erkenntnisse.

    Ich habe WR Kolos so geantwortet:
    Tatsächlich ist es so, dass die Meldung der GStA formal keine Unsicherheit in der rechtlichen Wertung erkennen lässt. Die Frage stellt sich daher, ob dieser Ausschluss von Unsicherheit in der Bewertung den Tatsachen entspricht bzw. ob diese Sicherheit aus einer angemessenen, pflichtgemäßen juristischen Prüfung der Rechtslage resultiert. Sie können dem sicher besser als ich nachgehen. Zu prüfen wären die von Ihnen schon verlinkten Aussagen aus der Medieninformation der GStA Schleswig vom 3.April 2018, die ich hier mal in die Punkte 1 – 5 gegliedert habe.

    1. „Der Vorwurf der Rebellion beinhaltet im Kern den Vorwurf der Durchführung eines verfassungswidrigen Referendums trotz zu erwartender gewaltsamer Ausschreitungen.“

    2. „Dies findet eine vergleichbare Entsprechung im Deutschen Strafrecht in den §§ 81, 82 Strafgesetzbuch (Hochverrat).“

    3. „Eine wortgleiche Übereinstimmung der deutschen und spanischen Vorschriften ist insoweit gesetzlich nicht gefordert.“

    4. „Soweit der Verfolgte der Veruntreuung öffentlicher Gelder und – nach dem Verständnis
    der spanischen Behörden – der Korruption beschuldigt wird, beinhaltet dies den Vorwurf
    der Verwendung öffentlicher Gelder für die Durchführung eines verfassungswidrigen Referendums,
    was einer Strafbarkeit nach § 266 des deutschen Strafgesetzbuches (Untreue)
    entspricht.“

    5. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr.
    Weniger einschneidende Maßnahmen als der Vollzug der Auslieferungshaft bieten keine
    Gewähr dafür, dass deren Zweck auch durch sie erreicht werden könnte.

    Deutlich hatte jedenfalls das Amtsgericht rechtliche Zweifel angezeigt, wie der Medien-Info der Präsidentin des Landgerichts Kiel vom 26. März 2018 zur gerichtlichen Festhalteanordnung zu entnehmen ist. An dem Termin nahm auch die GStA teil und erfuhr spätestens jetzt, dass es rechtliche Anhaltspunkte für eine Unzulässigkeit gibt.

    „Ohne Frage bietet der Inhalt des Europäischen Haftbefehls Anhaltspunkte dafür, dass die Auslieferung des Verfolgten bei umfassender Prüfung unter Abwägung der betroffenen Rechtsfragen im Ergebnis als unzulässig bewertet werden könnte.“

    Aus Sicht der Ermittlungsrichterin bestanden also ohne Frage Anhaltspunkte für eine Unzulässigkeit. Diese Anhaltspunkte konnten nur darin liegen, dass die dargestellte „Sicherheit“ der GStA zu einer vergleichbaren Strafbarkeit tatsächlich nicht zutrifft. Das beweist, dass der Freiheitsentzug ohne Klärung der entscheidenden Voraussetzung, nämlich die Strafbarkeit der verdächtigten Tat in Deutschland, angeordnet und beibehalten wurde.

    https://community.beck.de/2018/03/26/europaeischer-haftbefehl-gegen-carles-puigdemont-wie-geht-es-jetzt-weiter?page=1#comment-81008

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    • willi uebelherr schreibt:

      Lieber Lutz, deinen vorletzten kommentar habe ich auf der 1.seite wieder gefunden. Also jenen, den du uns hier weiter gegeben hast. 59 kommentare auf 2 seiten. (x und 9).

      Danke wieder fuer den link. Sehr krass der kommentar bei tagesschau, den du referenzierst:
      http://www.tagesschau.de/inland/puigdemont-freilassung-wie-geht-es-weiter-101.html

      Die polizei in Deutschland gibt daten an die mafia-polizei in Spanien weiter.
      „Mir scheint es so, als würden sich die Probleme für die Ermittlungsbehörden hier in Deutschland erst noch richtig auftürmen, die man sich mit den wenig bedachten Freundschaftsdiensten für die spanische Justiz und Regierung eingehandelt hat.“

      Das klingt ja eher sanft und laesst so manchen spielraum offen. Das wuerde mir nie gelingen.

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  30. Lutz Lippke schreibt:

    Entschuldigt mein penibles Nachhaken zu Rechtsfragen (im beckblog) und damit zu geringe Aufmerksamkeit für andere Diskussionsstränge. Aber einer muss sich ja auch um konkrete juristische Fragen bei Inhaftierung, politischem Strafrecht usw. kümmern. Bei der Suche des passenden Beitrags ist mir aufgefallen, dass opablog zwar die Kategorie Demokratie kennt, aber nicht die Kategorie Recht.
    Nachfolgend ergänzende Fragen zu meinem Kommentar im beckblog (hier am 6.4. verlinkt).
    Vielleicht habt ihr dazu auch ein paar Gedanken.

    Konkrete Fragen zu den im obigen Kommentar als Punkte 1 -5 gegliederten Feststellungen der GStA:

    Fragen zu 1.:

    a) Woraus resultierte nach Ansicht der GStA bei der Durchführung eines verfassungswidrigen Referendums konkret die Erwartung gewaltsamer Ausschreitungen?

    Anmerkung: Ein zuvor gerichtlich als verfassungswidrig festgestelltes Referendum ist zunächst nur eine gerichtlich nicht legalisierte Abstimmung. Ein befürwortendes Abstimmungsergebnis hätte somit nach spanischem Recht keine Rechtskraft.

    b) Wurde von Puigedemont die gewaltsame Umsetzung eines positiven Referendumsergebnisses angekündigt oder wissentlich befördert?

    c) Von welchen zu erwartenden gewaltsamen Ausschreitungen schreibt die GStA und wodurch und von wem sollte diese Gewalt unmittelbar ausgelöst werden und gegen wen gerichtet sein?

    Fragen zu 2.:

    d) Wäre eine vergleichbare Handlung in Deutschland mit bis zu 30 Jahren Haft bedroht?

    e) Wer entscheidet in Deutschland auf welcher Grundlage über das Recht auf Abstimmungen und deren Gültigkeit?

    f) Ist im deutschen Recht die Feststellung der Verfassungswidrigkeit eines beabsichtigten Referendums vorgesehen?

    g) Falls f zutrifft und ein Referendum in Deutschland als verfassungswidrig festgestellt wäre: Wäre die Absicht der Durchführung des Referendums ab Feststellung der Verfassungswidrigkeit als Hochverrat strafbar?

    h) Würden deutsche Staatsanwaltschaften in vergleichbaren Fällen Verdächtigte verhaften, in der Sache ermitteln und dazu auch gesetzlich verpflichtet sein?

    Fragen zu 4.

    i) Wer hatte die Hoheit über die öffentlichen Gelder, die veruntreut worden sein sollen?

    j) Wurde die Verwendung dieser öffentlichen Gelder von Puigdemont gegen den Willen des Haushaltsverantwortlichen bestimmt?

    k) Würde eine vergleichbare Handlung in Deutschland nach Klärung der Fragen i und j den Straftatbestand der Untreue tatsächlich erfüllen, verfolgt werden und zur Inhaftierung führen?

    l) Welche rechtliche Aussage der GStA steckt hinter: „… und – nach dem Verständnis der spanischen Behörden – der Korruption beschuldigt wird, beinhaltet dies …“?

    Fragen zu 5.

    m) Welche weniger einschneidenden Maßnahmen konnte die GStA geprüft und als zweckwidrig verworfen haben können?

    n) Hätte die GStA nach Kenntnisnahme der Bedenken der Ermittlungsrichterin seine Einschätzungen erneut überprüfen und mit den gesetzlichen Vorgaben in Übereinstimmung bringen müssen?
    https://community.beck.de/2018/03/26/europaeischer-haftbefehl-gegen-carles-puigdemont-wie-geht-es-jetzt-weiter?page=1#comment-81030

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  31. Theresa Bruckmann schreibt:

    Lieber Lutz Lippke,
    ich mache mal den Versuch eine Haltung zu Ihren Fragen einzunehmen. Wegen der einfacheren Lesbarkeit wiederhole ich alle ihre Sätze (das Hin- und Hernachschlagen kostet mich mehr Mühe als ein paar Sätze mehr zu lesen).
    Übrigens ist dies für mich – ebensowenig wie für Sie – eine vergnügungssteuerpflichtige Angelegenheit.

    Zur Frage 1:
    a) Woraus resultierte nach Ansicht der GStA bei der Durchführung eines verfassungswidrigen Referendums konkret die Erwartung gewaltsamer Ausschreitungen?

    Sie merken an, „Ein zuvor gerichtlich als verfassungswidrig festgestelltes Referendum ist zunächst nur eine gerichtlich nicht legalisierte Abstimmung“, und weiter: „Ein befürwortendes Abstimmungsergebnis hätte somit nach spanischem Recht keine Rechtskraft.“

    Ich stimme Ihnen zu, dass ein ‚Ja zur Unabhängigkeit‘ unter diesen Voraussetzungen keine Rechtskraft hätte.
    ABER ich meine, wie sollte denn ein befürwortendes Abstimmungsergebnis (das also gar kein Referendum ist) überhaupt rechtskräftig werden? ein lediglich eindeutiges Stimmungsbild?

    Zu b) Wurde von Puigedemont die gewaltsame Umsetzung eines positiven Referendumsergebnisses angekündigt oder wissentlich befördert?

    ALSO: Die spanische Seite behauptet ein lediglich befürwortendes Abstimmungsergebnis, also dieses eindeutige Stimmungsbild,
    während Puigedemont und seine Anhänger von einem (zwar von der Zentralmacht gerichtlich nicht legalisierten), aber einem REFERENDUM mit eindeutigem Ja zur Unabhängigkeit sprechen.

    Das ist natürlich ein (zwar nur sprachlicher, begrifflicher) Kollisionskurs.
    Wie könnte die friedliche Auflösung des Konflikts aussehen?
    Die spanische Justiz könnte Katalonien weitere geforderte regionale
    katalonische Sonderrechte einräumen, aber auf ihrem Standpunkt beharren,
    dass dies ein lediglich befürwortendes Abstimmungsergebnis darstellt.
    oder
    Die spanische Justiz könnte (falls die spanische Verfassung das zuließe),
    das katalonische Referendum nachträglich ‚heilen‘ und ihm seinen Segen geben.

    Puigedemont und die Unabhängigkeitsverfechter könnten sagen: „Wir anerkennen diese Haltung der spanischen Justiz, stellen aber eine Liste von Forderungen an die Zentralmacht auf, die verschiedene katalonische Kultur- oder Wirtschaftsrechte stärken.“
    In dem Fall würden Sie nachträglich eine ledigliche Abstimmung aus dem Referendum machen.

    BLEIBEN beide Seiten auf IHREM Standpunkt, muss die spanische Justiz die Zuwiderhandlung ihrer als unzulässig eingestuften Abstimmung gerichtlich ahnden, d.h. der Einhaltung des spanischen Rechts (hier Verfassungsrecht) Geltung verschaffen.

    Der SINN oder die KONSEQUENZ eines REFERENDUMS besteht darin, dass das
    Ergebnis als der WILLE DER MEHRHEIT UMGESETZT WIRD:
    Puigedemont müsste also, wenn das Referendum Sinn machen soll – diesem entsprechend – die katalonische Unabhängigkeit mit einem Rechtsakt oder Schritt für Schritt betreiben.

    Dieser einseitige Willensakt der katalonischen Seite muss aber beim Beharren auf den
    beidseitigen Standpunkten notwendigerweise zur Kollision auf der ‚ordnungdurchsetzenden Ebene‘ führen. Ein notwendiger, aber noch nicht hinreichender Grund für eine gewaltsame Durchsetzung – von welcher Seite auch immer und in welcher Form auch immer –
    ist mit dem ‚Auftrag‘, den ein Referendum gibt, schon gegeben.

    Damit ist Punkt c) mit beantwortet.

    Zur Frage 2:

    d) Wäre eine vergleichbare Handlung in Deutschland mit bis zu 30 Jahren Haft bedroht?

    Die Aussagen sind eindeutig.
    § 81
    Hochverrat gegen den Bund
    (1) Wer es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt
    1. den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen oder
    2. die auf dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland beruhende verfassungsmäßige Ordnung zu ändern,
    wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft.
    (2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

    § 82
    Hochverrat gegen ein Land
    (1) Wer es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt
    1. das Gebiet eines Landes ganz oder zum Teil einem anderen Land der Bundesrepublik Deutschland einzuverleiben oder einen Teil eines Landes von diesem abzutrennen oder
    2. die auf der Verfassung eines Landes beruhende verfassungsmäßige Ordnung zu ändern,
    wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.
    (2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren

    Zu e) Wer entscheidet in Deutschland auf welcher Grundlage über das Recht auf Abstimmung und deren Gültigkeit?

    Außer dem Hinweis darauf, dass das GG keinen Austritt eines Landes vorsieht, fällt mir hierzu nichts ein.

    Und was sollte der bloßen Abstimmung über ein Meinungsbild entgegenstehen? Freundliche Akte gegenüber der Bundesrepublik wären sie natürlich nicht. Aber warum strafbar?
    Anders, wenn damit Hetze oder extreme nationalradikale oder rassistische Gedanken verbreitet werden, also eine Abstimmung mit z.B. rassistischem Begleitton.

    Zu f) Ist im deutschen Recht die Feststellung der Verfassungswidrigkeit eines beabsichtigten Referendums vorgesehen?
    Das ist eine Frage an die Fachjuristen.
    Ich denke aber, dass im Falle einer Anzeige, Klage eines (jeden) Bürgers die Justiz der rechtlichen Prüfung nachgehen muss.

    Zu h) Würden deutsche Staatsanwaltschaften in vergleichbaren Fällen Verdächtige verhaften, in der Sache ermitteln und dazu auch gesetzlich verpflichtet sein?

    Auch hier wie in f), eine Frage an Fachjuristen.
    Im Falle einer Anzeige, Klage, müsste ermittelt, werden.
    Deshalb einen Verdächtigen verhaften, eher ’nein‘.

    zu Frage 4:

    zu i) Wer hatte die Hoheit über die öffentlichen Gelder, die veruntreut worden sein sollen?

    Vom Bundestag, also von unserem nationalen Parlament wird immer behauptet, es hätte
    2 Königsaufgaben, das Budgetrecht und den Vorbehalt für den Bundeswehreinsatz.

    Aber auch hier, denke ich, wo kein Kläger ist, ist kein Richter.
    Der Rechnungshof reklamiert jedes Jahr die Verschwendung von öffentlichen Mitteln.
    Aber das sind in der Regel Marginalien.

    zu j) Wurde die Verwendung dieser öffentlichen Gelder von Puigedemont gegen den Willen des Haushaltsverantwortlichen bestimmt?

    Soll wohl heißen, der Haushaltsverantwortliche sagte ’nein‘ und Puigedemont traf die Geldmittelentscheidung dennoch.
    Die Geldmittel für die Volksabstimmung entstammen wahrscheinlich ganz verschiedenen Geldtöpfen und sind so was wie ’normale Betriebsausgaben‘.

    Zu k) Würde eine vergleichbare Handlung in Deutschland nach Klärung der Fragen i) und j) den Straftatbestand der Untreue tatsächlich erfüllen, verfolgt werden und zur Inhaftierung führen?

    In Gelddingen werden Entscheidungen immensen Ausmaßes getroffen, ohne dass auch nur nach Untreue gefragt wird. Aufsichtsräte, die ihrer Aufsichtspflicht nicht nachkommen
    (Flughafen Berlin z.B.. der Verkauf der IKB-Bank an Lonely Star, die vorher mit über 9 Mrd. Euro aufgehübscht wurde.
    http://www.spiegel.de/wirtschaft/finanzkrise-lone-star-bekommt-ikb-zum-schnaeppchenpreis-a-573471.html

    Vor einigen Monaten musste in Niedersachsen eine zusätzliche Landtagswahl stattfinden, nur weil eine Abgeordnete von den Grünen zur CDU wechselte.

    k) würde ich deshalb rundum verneinen, eine Veruntreuung wird erst gar nicht festgestellt, entsprechend muss eine Angelegenheit erst gar nicht verfolgt werden. Von Inhaftierung ganz zu schweigen.

    Zu l: Welche rechtliche Aussage der GStA steckt hinter
    „Soweit der Verfolgte der Veruntreuung öffentlicher Gelder und – nach dem Verständnis der spanischen Behörden – der Korruption beschuldigt wird,
    beinhaltet dies den Vorwurf der Verwendung öffentlicher Gelder für die Durchführung eines verfassungswidrigen Referendums, was einer Strafbarkeit nach § 266 des deutschen Strafgesetzbuches (Untreue) entspricht.“?

    Einschub: unser § 266 StGB:
    Strafgesetzbuch (StGB)
    § 266 Untreue
    (1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
    (2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

    Soll wohl heißen der Vorwurf, die Verwendung öffentlicher Gelder für die Durchführung eines verfassungswidrigen Referendums erfülle

    – den Tatbestand der Veruntreuung öffentlicher Gelder und –
    – nach dem Verständnis der spanischen Behörden – auch den der Korruption.

    und inwieweit
    entspricht der behauptete Vorwurf der Strafbarkeit nach § 266 des deutschen Strafgesetzbuches (Untreue)?

    Im Wirtschaftprivatrecht gibt es bei uns solche Vorwürfe und Rechtsverfahren relativ häufig.
    Auf der Ebene der Politik eigentlich nicht. Im Zweifelsfall wird Unerfahrenheit, Irrtum, Falschinformation ins Feld geführt und die Presse, die solchen Sachen nachgehen müsste,
    hält sich ohnehin vollständig zurück, denn es ist ja nicht die Opposition, sondern die Regierung und da haben wir nunmal eine Hofberichterstattung.

    Zu Frage 5:
    zu m) Welche weniger einschneidenden Maßnahmen konnte die GStA geprüft und als zweckwidrig verworfen haben können?

    Nun, sie hätte erwägen können, den Pass oder ein anderes ‚Pfand‘ anstelle der Festsetzung in Verwahrung zu nehmen, so lange die Klärung läuft.

    zu n) Hätte die GStA nach Kenntnisnahme der Bedenken der Ermittlungsrichterin seine Einschätzungen erneut überprüfen und mit den gesetzlichen Vorgaben in Übereinstimmung bringen müssen?

    Klarer Fall, ja!

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    • Lutz Lippke schreibt:

      Liebe Theresa,
      schön das Sie meine konkreten Detailfragen mal genauer beleuchtet haben und vor allem dabei auch das Spannungsverhältnis zwischen Politik als Macht- und Meinungsprozess (Legitimität) und Recht als normativen Rahmen (Legalität) herausstellen.
      Dieses Spannungsverhältnis kann deutlicher nicht zutage treten:
      „Ich stimme Ihnen zu, dass ein ‚Ja zur Unabhängigkeit‘ unter diesen Voraussetzungen keine Rechtskraft hätte. ABER ich meine, wie sollte denn ein befürwortendes Abstimmungsergebnis (das also gar kein Referendum ist) überhaupt rechtskräftig werden? ein lediglich eindeutiges Stimmungsbild?“

      Um es auf den Kern einzudampfen:
      Kann eine illegale politische Aktion (z.B. verbotenes Referendum, Putsch, Revolution) legitim sein?

      Meine Antwort:
      Eindeutig ja. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die politische Aktion Legitimität erlangt und sich in einem neuen oder geänderten System quasi selbst legalisiert. Es ist also eine Macht- und Erfolgsfrage. Das ist schon ein wichtiges Thema. Wer z.B. eine gewaltsame Revolution als alternativlos behauptet, muss sich und anderen zugleich die Notwendigkeit der sicheren Machtübernahme als alternativlos eingestehen, weil andernfalls nur Märtyrer zu ihrem Ziel kommen., nämlich der Aufopferung für etwas nicht erreichbar Höheres. Außerdem prägt natürlich die Art des Umsturzes auch die Struktur des nachfolgenden Legalsystems. Wer Gewalt als legitim zur Machtübernahme beansprucht, muss logisch damit rechnen, diese auf gleiche Weise legal zu verlieren. Dazu wird es sicher einige Diskussionen geben.

      Eigentlich hatte ich die Fragen konkret auf die Behauptung der GStA bezogen, dass vergleichbare Handlungen von Puigdemont hier in Deutschland strafbar wären und kein Auslieferungshindernis vorliegt. Diese Behauptung kann man nach meiner Ansicht widerlegen und somit die Unzulässigkeit der Festnahme ableiten.
      Sicherlich muss man eine strafrechtliche Gewaltzumessung von einer haftungsrechtlichen Zumessung und auch von politischer Verantwortung unterscheiden. Wenn eine verbotene politische Aktion mit dem Aufruf zur Gewalt verbunden ist, dann ist das Strafrecht regelmäßig berührt. Wenn es aber in der Folge einer verbotenen politischen Aktion zu Gewalt kommt, ohne dass diese unmittelbar provoziert oder billigend in Kauf genommen wurde, dann ist das mit dem Strafrecht nicht zu machen. Allenfalls könnte es eine haftungsrechtliche Verantwortung geben, wenn die Gewalt kausal durch Fahrlässigkeit oder Pflichtverletzung des politisch und gewaltfrei Handelnden verursacht ist. Findet sich auch dafür keine kausale Zuordnung bleibt nur die Gewaltzumessung als politische Bewertung statt der rechtlichen Bewertung. Diese politische Bewertung geht natürlich immer, ist aber nicht Aufgabe der GStA. Die GStA hatte nur eine strafrechtliche Zuordnung der konkret im EU-Haftbefehl angegebenen Handlungen von P. nach deutschem Strafrecht vorzunehmen. Die Durchführung eines gerichtlich verbotenen Referendums ist jedenfalls in Deutschland kein strafrechtlich sanktionierter Gewaltakt. Ebensowenig ist es die Ausrufung der Unabhängigkeit und Aufforderung zu Verhandlungen und politischem Dialog. Mit Beidem ist auch keine billigende Inkaufnahme von Gewalt verbunden, wenn die Absicht Referendum -> Unabhängigkeitserklärung -> politischer Dialog vorlag.

      Könnte dagegen die Absicht der anderen Seite, eine gerichtlich verbotene Handlung gewaltsam zu unterbinden, dem Handelnden als Gewalt zugeordnet werden? Grundsätzlich wohl nicht. Es sei denn, mit der verbotenen Handlung wird die andere Seite faktisch zur Gewaltausübung gezwungen. Dass die spanische Regierung gezwungen war, das gerichtlich verbotene Referendum gewaltsam zu unterbinden, kann man aber nirgendwo begründet finden.

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  32. Lutz Lippke schreibt:

    Nun hat wenigstens ein Fachjurist im beckblog auf meine Fragen/Anmerkungen zu den rechtlichen Voraussetzungen einer Inhaftierung Verdächtigter nach deutschem Recht reagiert (Link unten). Denn darum geht es juristisch in der Hauptsache.
    (?)
    Ich nehme mal vorweg, dass die vorstehende Aussage die Meisten irritieren wird. Denn geht es im Fall Puigdemont nicht eigentlich um ein (illegales) Referendum in Katalonien, Abspaltung, nationale Integrität und regionale Identität, politische Verfolgung in Spanien usw., also spanische und europäische Politik und nicht um deutsche Rechtsfragen? So wird es doch in den Medien und Blogs immer wieder berichtet und ausgiebig diskutiert.

    Dazu eine einfache Testfrage:
    Was wäre der deutsche Fall Puigdemont, wenn P. nicht in Deutschland inhaftiert worden wäre, sondern das Land unbehelligt wieder verlassen hätte?
    Es gäbe wohl einen Fall Puigdemont in Deutschland nicht. Weder die Justiz Schleswig, die spanischen Institutionen, noch Frau Barley oder der deutsche Regierungssprecher würden in dieser Sache involviert sein und in den deutschen Medien wäre P. nur ein nebenpolitisches Thema im EU-Ausland. Über P. kann man diskutieren, muss es aber nicht. Es gibt ganz sicher Wichtigeres.

    In der deutschen Hauptsache des Fall P. geht es juristisch aber darum, dass in aller Öffentlichkeit eine Inhaftierung / Freiheitsberaubung eines Bürgers ohne jede Rechtsgrundlage erfolgte, die deutsche Justiz offensichtlich rechtswidrig handelte und wohl auch noch handelt. Es geht weiter darum, dass diese grundlegende Tatsache durch politisches und juristisches Geschwätz zu angeblich „großer Politik“ überlagert wird und damit das Eigentliche wieder einmal im Nebel verschwindet. Dabei sind die Verhaftung selbst und der Umgang mit den damit verbundenen Rechtsfragen nicht nur juristisch brisant, sondern auf ganz andere Weise hochpolitisch. Es geht darum, dass ein beliebiger Bürger (egal ob politischer Aktivist oder braves Schaf, Linker oder Rechter, Deutscher, Spanier oder Weltbürger) in Deutschland damit rechnen muss, ohne Rechtsgrundlage von der deutschen Justiz auf Zuruf der Freiheit beraubt zu werden und dann um ihn herum in aller Öffentlichkeit alles Mögliche gefaselt wird, nur nicht das Wesentliche zur Sache. An der rechtswidrigen Freiheitsberaubung ist nicht nur die Justiz Schleswig beteiligt, sondern auch das BVerfG. Denn das BVerfG hat ein bereits als verfassungswidrig erkanntes Gesetz (§ 22 IRG) nicht dem Gesetzgeber zur Abhilfe vorgelegt, sondern vielmehr eine zulässige Verfassungsbeschwerde trotz der eigenen Erkenntnis zur Verfassungswidrigkeit des gerügten Gesetzes keinen Erfolg eingeräumt. Die Anwendung dieses deutschen verfassungswidrigen Gesetzes ist nun die (wider)rechtliche Grundlage für die Freiheitsberaubung im Fall P..
    https://community.beck.de/2018/03/26/europaeischer-haftbefehl-gegen-carles-puigdemont-wie-geht-es-jetzt-weiter?page=1#comment-81038
    https://community.beck.de/2018/03/26/europaeischer-haftbefehl-gegen-carles-puigdemont-wie-geht-es-jetzt-weiter?page=1#comment-81039
    http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2010/09/rk20100916_2bvr160807.html

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  33. willi uebelherr schreibt:

    Lieber Lutz und andere streiter um das Recht, auch wenn es vielleicht nicht ganz zum thema passt. In den Nachdenkseiten lese ich von Jens Berger:
    „„Die Übertragung der rechtsstaatlicher Grundsätze, wie beispielsweise der
    Unschuldsvermutung, auf die internationale Eben ist wirklich Unsinn“ – so umriss
    vor einer Woche der Merkel-Vertraute und Leiter des Auswärtigen Ausschusses des
    Bundestags, Norbert Röttgen, die neue Linie des Westens
    (ab Minute 19) gegenüber
    Russlands.
    Das ist ja wie im fall Puigdemont. Verlaessliche rechtsgrundlagen gibt es nicht.

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    • Lutz Lippke schreibt:

      Rechtsgrundlagen gibt es. Gute, weniger gute und schlechte. Die prozedurale Verlässlichkeit der Einhaltung, Überprüfung und geregelten, demokratischen Abänderung ist ein gesellschaftliches Ziel des Streits ums Recht. Das strahlt natürlich auch aufs Völkerrecht aus. Soweit völkerrechtlich ein Vorgehen analog der strafrechtlichen Unschuldsvermutung vereinbart ist, z.B. vertraglich die Untersuchung von Streitfällen durch eine überstaatliche Organisation, ist die vereinfachende Analogie natürlich kein Unsinn. Eine allgemeine und direkte Übertragung von innerstaatliches Strafrecht auf Völkerrecht ist nicht möglich.
      Meine Herangehensweise ist Folgende:
      Es gibt verlässliche Rechtsgrundlagen und Prozeduren. (Basta! 😉
      Wer sie verletzt, handelt rechtswidrig, wer sie unter Nutzung von Staatsgewalt mit der Absicht verletzt, damit die demokratische Grundordnung temporär oder dauerhaft auszuhebeln, macht sich eines Verbrechens strafbar. Dies juristisch herzuleiten und zur Grundlage des Handelns zu machen, ist Anwendung der verlässlichen Rechtsgrundlagen und notwendige Selbstermächtigung zugleich. Dieses Feld den Juristen und Politikern zu überlassen, bedeutet jeden Selbstermächtigtenin jedem politischen System jederzeit dem möglichen Schicksal einer Verräumung, Schädigung und Peinigung zu überlassen.

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    • willi uebelherr schreibt:

      Lieber Lutz

      „Eine allgemeine und direkte Übertragung von innerstaatliches Strafrecht auf Völkerrecht ist nicht möglich.“
      Ich spreche von Rechtsgrundlagen (Prinzipien, Orientierung) und nicht von Strafrecht. Ich bin etwas enttaeuscht von deiner „Kleingeistigkeit“. Im beckblog agierst du ja ganz anders.

      Woraus soll denn ein Strafrecht entstehen, wenn nicht aus den Rechtsgrundlagen. Und wir koennen uns doch nicht aufsplittern in lokale, regionale und globale akteure. Wir bleiben immer eine ganzheitliche person.

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      • Lutz Lippke schreibt:

        Es gibt ja internationales Strafrecht. Aber dessen Wirksamkeit hängt von der Zustimmung der einzelnen Staaten ab. Wir wissen doch, dass es im Völkerrecht keine Rechtssetzung durch Mehrheiten gibt, sondern die Ratifizierung durch die Staaten, Vetorechte im Sicherheitsrat, erhebliche Vollzugsprobleme und politische Manipulationen.
        Mit dem von Dir zitierten Satz wollte ich keinen Grundsatz benennen, sondern die aktuelle Situation.

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    • willi uebelherr schreibt:

      Ja, lieber Lutz, das ist oft die quelle unserer schwierigkeiten, wenn wir uns auf das reduzieren, was die „aktuelle Situation“ uns gibt. Merkwuerdigerweise konzentriert sich das auf jene, die dagegen wirken wollen. Unsere gegner gehen da ganz anders mit um. Sie haben ziele und perspektiven, aus denen heraus sie die aktuelle situation konstruieren.

      Und was haellt uns davon ab, die Rechtssysteme unseren anforderungen zu unterwerfen? Deine diskussion im beckblog zum „Richtervorbehalt“, zur verfassungswidrigkeit des Bundesverfassungsgerichts, zur aufloesung der souveraenitat der Legislative, zeigt uns doch deren methoden. Das ist doch alles kein zufall.

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      • Lutz Lippke schreibt:

        Meine allgemeine Sicht auf unser Missverständnis:
        1. Eine wesentliche Quelle unserer konkreten Schwierigkeiten liegt in der Definition des jeweiligen Kontextes unserer Kommunikation. Was situationsbezogen richtig ist, kann als Grundsatz vollkommen falsch sein. Was hier und heute gilt, kann dort und morgen ungültig sein. Was Tatsache ist, ist noch lange nicht die Wahrheit. In knappen Kommentaren können wir den jeweils gemeinten Kontext aber nicht immer vollständig übermitteln oder setzen das Verständnis irrtümlich voraus. Dem Hindernis für eine verständige Kommunikation „verschiedene Kontexte“ bei Sender und Empfänger widmen wir uns tatsächlich zu wenig. Vorsichtig sollten wir allerdings mit dem Hineindeuten von Absichten in die Wahl des Kontextes sein. Das ist faktisch die Ebene „Kontext des Kontextes des …“ und damit induktiv / skalierbar. Als Grundsatz sollte gelten, den Kontext definiert der Sender und muss ggf. von ihm erklärt und korrigiert werden.

        2. Die asynchrone, schriftliche Diskussion hat viele Vorteile, aber auch einige Nachteile. Während man im direkten Gespräch sofort nachfragen und damit Missverständnisse klären könnte, wird in der asynchronen Kommunikation ein Missverständnis erst dann sichtbar, wenn es unerwartete Reaktionen gibt. Da kann sich schon auch mal ein Berg von Missverständnissen und Unklarheiten aufgetürmt haben. Ohne Vielfalt und Spontanität aufgeben zu wollen, halte ich „Kontextklarheit“ und „Effizienz“ im gegenseitigen Kommunizieren für wichtige Ziele. Wir „üben“ das hier auf wohlwollende Art und sehen in den auftretenden Fehlern das Problem so, wie es sich schon aus sich selbst heraus ergibt. Das ist als Erfahrung sehr wertvoll. Denn in anderen Kommunikationsumgebungen werden weniger unbeabsichtigte Missverständnisse zum Problem, sondern mehr oder weniger bewusste Manipulationen auf Grund von Interessen, die nicht immer offenbar sind.
        Meine These dazu: Wenn wir in unserer wohlwollenden Kommunikation ohne Verlust von Vielfalt und Offenheit gute Methoden einer möglichst fehlerfreien und effizienten Übertragung von Kontext und Interessenlage finden und darauf aufbauend auch eine Fehlerrobustheit gegen sachfremde Einflüsse wie Manipulation, dann haben wir auch bessere Werkzeuge gegen Propaganda, Fehlinformationen und Denunziation.

        Zu Deinen konkreten Einwänden:
        „wenn wir uns auf das reduzieren, was die „aktuelle Situation“ uns gibt“
        Ganz klar eine Frage des Kontextes. Ich antworte Dir aktuell und konkret in Bezug auf Deinen Kommentar und im Rahmen meines Aufmerksamkeits- und Zeitrahmens, wie er sich genau in diesem Moment darstellt. Nur aus diesen Umständen ergibt sich der Kontext des Kontextes meiner Reaktion. Dazu kannst Du nur Vermutungen anstellen.

        „Merkwuerdigerweise konzentriert sich das auf jene, die dagegen wirken wollen.“
        Da stoßen wir möglicherweise auf einen grundlegenden Dissenz zwischen uns. Du schreibst oft von einfachen Basiselementen, die auch das Gesamte bestimmen (werden). Überbau-Phänomene sind demnach kontraproduktiv. Das trifft daher vermutlich auch auf das Überbauphänomen „Kontext“ zu. Kontext ist demnach ganz einfach mitkommunizierte Absicht. Wer sich in einer konkreten Kommunikation reduziert, reduziert sich im Gesamten. Liege ich in dieser Deutung Deiner Herangehensweise richtig?

        „Unsere gegner gehen da ganz anders mit um.“
        Die Methoden der Gegner zu kennen, ist sicher wichtig. Sie als Leitbild der eigenen Methodenentwicklung zu nehmen, wäre falsch. So verstehe ich Deine Anmerkung zwar nicht grundsätzlich, aber ein wenig „Begeisterung“ für die Gegner steckt da schon drin.

        „Sie [die Gegner] haben ziele und perspektiven, aus denen heraus sie die aktuelle situation konstruieren.“
        Ich weiß was Du damit meinst und spare mir daher eine Detailkritik, die vermutlich unendlich fortgeführt werden kann. Es geht Dir wohl darum, dass Ziele und Möglichkeiten die bewusste Konstruktion und Manipualtion der aktuellen Wirklichkeit bestimmt. Ich vermute in dieser Feststellung aber einen Widerspruch zu Deiner Haltung, dass Taktik und Strategie Bullshit sind. Taktik, Strategie, Kontext sind nur dann keine leeren Floskeln, wenn Ziele, Möglichkeiten und konkrete Umsetzung nicht nach einem gesetzmäßigen Schema und einer durchgreifenden Konstruktion von Basiselementen des „Richtigen“ funktionieren. Insofern sehe ich einen Unterschied zu den Gegnern gerade in der Illusion des „gesetzmäßig wahren und richtigen Wollens = Könnens = Werdens“ (ein ideologischer Fehler) und in unserem Anspruch „Realität nicht zu manipulieren“ (ein notwendiges Übel des guten Wollens).

        „Und was haellt uns davon ab, die Rechtssysteme unseren anforderungen zu unterwerfen?“
        Heute und Morgen die Realität, auf die ich mich zuvor fokussiert, aber nicht reduziert hatte. Taktik? Jedenfalls nicht alternativlos.
        Eine Alternative: Wenn es uns Beiden heute gelingt, die notwendige Einsicht und Handlungsfähigkeit der ausreichenden Masse an Machtfähigen für unsere Anforderungen (welche?) zu generieren, bestimmen wir spätestens ab morgen das Rechtssystem neu und kontrollieren das dank der überwältigenden Mehrheitsmacht auch. Das Problem dieser Alternative ist, dass wir sie heute sicher nicht erreichen werden und wenn wir das nicht realisieren, nicht mal irgendwann. Also gibt es notwendig Raum für alternative Aktivitäten bis morgen oder sogar noch länger. Ein Teil unserer Aktivitäten sollten wir für das aktuell Geeignete und einen anderen Teil für das grundsätzlich und zukünftig Richtige verwenden. Dass Beides mit der durchgreifenden Gesetzmäßigkeit einiger Basiselemente abzuhandeln ist … (Repeat)

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      • Theresa Bruckmann schreibt:

        Lieber Willi Uebelherr,
        „unsere gegner gehen da ganz anders mit um. Sie haben ziele und perspektiven, aus denen heraus sie die aktuelle situation konstruieren.“
        Ganz recht!
        „…die Rechtssysteme unseren anforderungen zu unterwerfen“. ???
        Wenn das so gemeint ist, dass wir das Recht auch beugen und uns einen feuchten Kehricht um die derzeit gültigen Gesetze scheren sollen, das können Sie doch nicht gemeint haben, oder?
        Wenn wir aber darauf bestehen, dass geltende Gesetze eingehalten werden (z.B. durch unsere Kritik am Vorgehen der Justiz), haben wir unsere Anforderungen erfüllt, die da heißen ‚Verfassung und Gesetze haben für die Regierungsseite ebenso Gültigkeit, wie für uns einzelne Bürger (selbst dann, wenn diese Gesetze unserer Meinung nach (noch) unzulänglich sind)‘. Zuwiderhandlungen sind zu benennen (von der Justiz selbst, aber auch vom einzelnen Bürger) und die Einhaltung im Rechtsverfahren zu erzwingen.

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    • Lutz Lippke schreibt:

      Ich habe mir das ein paar Minuten angetan. Diese investigativen Experten kann ich aber nicht länger aushalten.

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      • fidelpoludo schreibt:

        Was man nicht kann, könnte man lernen, muss es aber nicht. (Wahrscheinlich ist zumindest Dirk Pohlmann ein weit gewichtiger „investiger Experte“ als wir alle… (der zudem noch Jura studiert hat – und zwar speziell auf dem publizistischen Gebiet)

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        • fidelpoludo schreibt:

          „Hingucken, solange der Kopf noch dran ist!“
          sagte mal jemand sehr treffend auf diesem Blog – als er mal kundtat, dass es beim Fussball auch und gerade als Verlierer etwas zu lernen gibt und gilt. Nämlich wenn der Gegener einfach geschickter und besser spielt. Und wenn man irgendwann dann doch einmal gewinnen will.

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      • Lutz Lippke schreibt:

        Vielleicht bin ich ja ungerecht und schau ein anderes Mal noch mal drauf. Es ist nicht das Thema, sondern der Habitus, der mich stört.

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    • fidelpoludo schreibt:

      Sehr gut! Danke, Theresa! Es gibt noch einiges mehr und weitere hervorragende Beiträge von Dirk Pohlmann, die bei Youtube anzusehen sind. Er braucht sich vor mir nicht mehr auszuweisen,

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  34. willi uebelherr schreibt:

    Liebe freunde, ich bin mir jetzt nicht sicher, ob dieser kommentar bevorzugt hierher passt.

    Das Ende des Internationalen Rechts?
    von Thierry Meyssan, 10.4.2018
    http://www.voltairenet.org/article200614.html

    Ich stehe ja in bezug auf Anarchismus weitab von Thierry Meyssan. Aber in diesem text hat er doch wieder eine wichtige botschaft weiter gegeben, die wir ja bei uns auch permanent diskutieren.

    „So wie eine Gesellschaft sich in ein Chaos verwandelt oder der Mensch wieder zum Wolf für den Menschen wird, wenn sie des Rechts entbehrt, so wird die Welt wieder zu einem Schlachtfeld werden, wenn sie das internationale Recht aufgibt.“

    Und da stimme ich ihm uneingeschraenkt zu. Auch fuer mich sind unsere Rechtsgrundlagen, die wir in Rechtssetzung zum ausdruck bringen, elementar. Entscheidend daran sind unsere wertvorstellungen, die wir in univeraler auspraegung zur geltung bringen.

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  35. Lutz Lippke schreibt:

    Lieschen, Hans und der „Deutsche Puigdemont“ – Fiktionen eines Rechtsstaats

    F: Was Puigdemont ein Deutscher?
    A: Ja!
    F: Ist der nicht Katalane?
    A: Sicher!
    F: Ist der nicht auch Spanier?
    A: Vielleicht sicher!
    F: Also doch kein Deutscher?
    A: Der echte Puigdemont natürlich nicht!
    F: Und der Unechte?
    A: Ist Deutscher!
    F: Ein unechter deutscher Puigdemont?
    A: Sozusagen fiktives Rechtssubjekt!
    F: Fiktives Rechtssubjekt?
    A: Eben nur als Fiktion im deutschen Recht!
    F: Und der wurde verhaftet?
    A: Fiktiv!
    F: Und soll ausgeliefert werden?
    A: Fiktiv!
    F: Wollen die Spanier den Unechten?
    A: Nein!
    F: Nur fiktiv nein?
    A: Nein, echt nein!
    F: Die wollen den Echten und kriegen den Unechten?
    A: Entweder Beide oder Keinen!
    F: Weswegen?
    A: Deutsche Gesetze!
    F: Deswegen sind die Spanier sauer?
    A: Klar!
    F: Wo ist denn der Unechte?
    A: Wird noch diskutiert!
    F: Kann man den Unechten verfolgen?
    A: Fiktiv schon!
    F: Und verhaften?
    A: Nur wenn er nach StGB einer Straftat verdächtig ist?
    F: StGB?
    A: Deutsches Strafgesetzbuch!
    F: Fiktiv?
    A: Nein echtes StGB!
    F: Fiktive Straftat?
    A: Nein Echte!
    F: Fiktive Tat?
    A: Die vom Echten, nur eben fiktiv in Deutschland begangen!
    F: Also Rebellion in Deutschland?
    A: Gibt es im StGB nicht!
    F: Etwas Vergleichbares?
    A: Vielleicht!
    F: Hochverrat!
    A: Vielleicht, aber wo war die Gewalt?
    F: Fiktiv!
    A: Geht das?
    F: Wenn man will!
    A: Jetzt frage ich also?
    F: Genau! Und ich antworte!
    F_A: Was ist denn fiktive Gewalt?
    A_F: Ein fiktives Tatbestandsmerkmal!
    F_A: Fiktives Tatbestandsmerkmal?
    A_F: Gewalt eben nur als Fiktion!
    F_A: Also angedrohte Gewalt?
    A_F: Nein, noch fiktiver!
    F_A: Ausgedacht?
    A_F: Ja!
    F_A: Von wem?
    A_F: Von dem fiktiv Geschädigten!
    F_A: Also dem spanischen Staat?
    A_F: Nein dem deutschen Staat!
    F_A: Und wozu?
    A_F: Fühlt er sich bedroht!
    F_A: Reagiert mit Staatsgewalt?
    A_F: Genau!
    F_A: Als Notwehr gegen fiktive Gewalt?
    A_F: Genau!
    F_A: Wer denkt sich so etwas aus?
    A_F: Der Generalstaatsanwalt!
    F_A: Aber das ergibt doch keinen Sinn?
    A_F: Die Spanier kriegen den Echten!
    F_A: Ohne den Unechten?
    A_F: Egal!
    F_A: Ohne Gesetz?
    A_F: Recht ist Gesetzesfiktion!
    F_A: Blödsinn!
    A_F: Fiktiver Blödsinn?
    F_A: Nein echter Blödsinn!
    A_F: Jetzt frage ich also wieder?
    A_F_A: Vielleicht!
    F_A_F: Wie vielleicht?
    A_F_A: Ist möglich!
    F_A_F: Können wir uns einigen?
    A_F_A: Klar!
    F_A_F: Frage ich nun oder antworte ich?
    A_F_A: Einfache Logik!
    F_A_F: Welche Logik?
    A_F_A: Frage vom Fragesteller, Antwort vom Antwortenden!
    A_F_A_F: Ich frage, also bin ich Fragesteller!
    F_A_F_A: War das eine Antwort?
    A_F_A_F: Vielleicht!
    F_A_F_A: Gibt es Unklarheiten?
    A_F_A_F: Nein!
    F_A_F_A: Jurist?
    A_F_A_F: Ja Generalstaatsanwalt!
    F_A_F_A: Fiktiv?
    A_F_A_F: Klar!
    F_A_F_A: Fiktive Gewalt?
    A_F_A_F: Genau!
    F_A_F_A: Also sinnlos?
    A_F_A_F: Nein, ausgedacht!
    F_A_F_A: Selbst ausgedacht?
    A_F_A_F: Genau!
    F_A_F_A: Fiktive Gesetze auch?
    A_F_A_F: Genau!
    F_A_F_A: Wozu?
    A_F_A_F: Damit es passt!
    F_A_F_A: Was?
    A_F_A_F: Die Spanier kriegen den echten Puigdemont!
    F_A_F_A: Wegen ausgedachter fiktiver Gewalt?
    A_F_A_F: Genau!
    F_A_F_A: Als fiktives Tatbestandsmerkmal?
    A_F_A_F: Genau!
    F_A_F_A: Also fiktiver Hochverrat?
    A_F_A_F: Genau! Rebellion!
    F_A_F_A: Vom Deutschen?
    A_F_A_F: Egal!
    F_A_F_A: Warum egal?
    A_F_A_F: Die Spanier wollen den Echten!
    F_A_F_A: Und den kriegen sie?
    A_F_A_F: Klar!
    F_A_F_A: Ohne Gesetz, ohne Rechtsgrundlage?
    A_F_A_F: Alles fiktiv!
    F_A_F_A: Fiktive Staatsgewalt?
    A_F_A_F: Nein echte Staatsgewalt!
    F_A_F_A: Gewaltenteilung?
    A_F_A_F: Ist fiktiv!
    F_A_F_A: Unabhängigkeit der Rechtsprechung?
    A_F_A_F: Fiktiv!
    F_A_F_A: Bindung an Recht und Gesetz?
    A_F_A_F: Fiktiv?
    F_A_F_A: Geschriebene Gesetz?
    A_F_A_F: Rohmaterial!
    F_A_F_A: Wofür?
    A_F_A_F: Für die Staatsgewalt!
    F_A_F_A: Gegen wen?
    A_F_A_F: Egal!
    F_A_F_A: Gegen den Generalstaatsanwalt?
    A_F_A_F: Blödsinn!
    F_A_F_A: Gegen Lieschen und Hans?
    A_F_A_F: Wenn es soweit ist!
    F_A_F_A: Wie finden die das?
    A_F_A_F: Glauben die gar nicht!
    F_A_F_A: Wenn sie es doch merken?
    A_F_A_F: Ist es zu spät!
    A_F_A_F_A: Ich bin Hans!
    F_A_F_A_F: Nur fiktiv?
    H: Klar!
    F_A_F_A_F: Oh, bin ich jetzt wieder der Fragesteller?
    H: Nein Lieschen!
    L: Warum Lieschen?
    H: Nur fiktiv!
    L: Ist es denn schon zu spät?
    H: Sehr spät!
    L: Zu spät?
    H: Es ist nie zu spät!
    L: Und was machen wir nun als Lieschen und Hans?
    H: Die echten Gesetze durchsetzen!
    L: Echt wir?
    H: Genau!
    L: Bevor es doch zu spät wird?
    H: Genau!
    L: Und der Puigdemont?
    H: Ein Testfall für Deutschland!
    L: Wofür Test?
    H: Für den Rechtsstaat!
    L: Real?
    H: Genau!
    L: Gerechtigkeit?
    H: Hoffentlich auch!
    L: Gegen Willkür?
    H: Genau!
    L: Und für die Demokratie?
    H: Genau!
    L: Die Freiheit?
    H: Genau!
    L: Den Frieden?
    H: Genau!

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  36. Theresa Bruckmann schreibt:

    Danke Lutz Lippke!
    Wunderbar und jetzt noch von Uthoff und Wagner in die Anstalt gebracht!
    Das ist ja schon die fertige Performance
    und gleichzeitig die Programmatik mündiger Bürger für die Rückeroberung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, samt deren Weiterentwicklung im Sinne der Volkssouveränität.

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  37. Lutz Lippke schreibt:

    Mit ein bisschen Fiktion …, kann ich mir das auch gut ausmalen.
    Zur Sache selbst hat ein Herr WR Kolos (auch im Mollath-Fall beim beckblog als Wissensquelle Gold wert) Wichtiges dargelegt. Ich habe die Frage der Zulässigkeit einer Verhaftung jetzt im beckblog weiter bearbeitet und bin auf Interessantes gestoßen.

    Lutz Lippke kommentiert am Di, 2018-04-17 16:20

    Ok, das BVerfG erklärt eine verfassungswidriges Gesetz für nichtig.

    Zumindest erklärte das BVerfG, dass der Rechtssatz § 22 Abs.3 Satz 2 IRG in seinem Wortlaut verfassungswidrig ist (2 BvR 1608/07). Das BVerfG hatte aber im Verfahren 2 BvR 1608/07 der Beschwerde gegen § 22 Abs.3 Satz 2 IRG (Rn 15) trotzdem keinen Erfolg eingeräumt (Rn 25). Also die Beschwerde blieb zum Gesetz erfolglos, obwohl sie zulässig und absolut begründet war.

    Missachtete das BVerfG damit nicht schon den rechtsstaatlichen Grundsatz, dass „eine zulässige und begründete Beschwerde nicht erfolglos bleiben kann“?

    Ich halte das Vorgehen jedenfalls für äußerst bedenklich. Die Begründetheit der Rüge bestätigte das BverfG in vollem Umfang. Der Wortlaut von § 22 Abs.3 Satz 2 IRG gewährleistet nach der Feststellung des BVerfG ausschließlich einen Schutz vor Personenverwechselung (Rn 26). „Dies steht nicht ohne weiteres im Einklang mit der aufgezeigten freiheitssichernden Funktion des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG und dem sich aus Art. 104 GG ergebenden Verfassungsgebot …“ und „Die Regelung des § 22 Abs. 3 Satz 2 IRG lässt jedoch eine solche Sachaufklärung von vornherein nicht zu.
    Eine derartige Reduzierung der (amts-) richterlichen Überprüfung und Entscheidungskompetenz „auf Null“ (vgl. Wilkitzki, a.a.O., § 22 IRG Rn. 12) lässt sich unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten schwerlich rechtfertigen.“ (Rn 28)

    Das BVerfG umging mit der Nichtstattgabe der Beschwerde gegen das Gesetz offenbar auch § 95 Abs. 3 Satz 2.
    Denn dessen Vorausetzung im 2. Teilsatzes war erfüllt, so dass auch der 1. Teilsatz „Das gleiche gilt, wenn …“ erfüllt wurde.
    Das Gleiche ist der 2. Teilsatz von Satz 1: „so ist das Gesetz für nichtig zu erklären.“

    § 22 Abs.3 Satz 2 IRG hätte nach allem was ich sehen kann, vom BVerfG aus gesetzlichen Gründen für nichtig erklärt werden müssen.

    Zur Wirkung einer Entscheidung heißt es auf der Webseite des BVerfG:
    „Ein verfassungswidriges Gesetz erklärt das Bundesverfassungsgericht im Regelfall für nichtig.“

    Das steht allerdings im Widerspruch zu „ihrem Rechtsgrundsatz“ Herr Kolos, der besagen soll: „…dass man alles Mögliche zur Rettung einer Norm prüfen muss, bevor man sie für nichtig erklärt.“
    Die gesetzliche Regelung dazu erscheint mir allerdings eindeutig. Zwischen Stattgabe und Nichtigkeit besteht ein direkter Zusammenhang, der keine „Rettungsaktionen“ zulässt. Jedenfalls nicht dadurch, dass man mit der wahrheitswidrigen Behauptung der Erfolglosigkeit eine rechtlich begründete Stattgabe verweigert, um damit die Nichtigkeit des Gesetzes zu vermeiden. Vielleicht übersehe ich aber an 2-3 oder sogar noch mehr Stellen, wieder einmal was wirklich Recht und Gesetz ist und Sie können wieder einmal den richtigen Weg leuchten.

    In der Sache selbst erklärte das BVerfG ja, dass es einer verfassungskonformen Auslegung gegen den Wortlaut des Gesetzes bedarf (Rn 29). Dem folgen bestimmte „unbestimmte Formulierungen“ zur Erläuterung dieser verfassungskonformen Auslegung, die typisch in jeder schwurbeligen Auslegungsposse zu finden sind.
    Zum Beispiel die Phrasen „Um verfassungsrechtlich bedenkliche Ergebnisse zu vermeiden“, „bleiben jedoch nach Auffassung des Amtsgerichts durchgreifende Bedenken bestehen“ legen faktisch die Garantie der Grundrechte in eine beliebige Vermeidungs- und Phrasenkunst des jeweiligen Amtsrichters. Da wird einem schon beim Lesen der BverfG-Anleitung für die Praxis schlecht.

    Konkret schien mir das Amtsgericht im Fall P. zu zaghaft, aber angesichts der Eierei des BVerfG und der Brisanz des Falls ist das aus menschlicher Sicht kein Wunder. Es gibt ja noch das OLG, könnte der verfassungsbedenkliche Seufzer gewesen sein.

    Ihre weiteren Hinweise zur politischen Verfolgung sind wohl das Fundierteste, was ich bisher zum Fall P. zu lesen bekam.

    Sehr intensiv befasst sich offenbar auch Telepolis mit der Sache.
    So wird eine Entlastung zum Vorwurf der Untreue/Korruption durch den spanischen Finanzminister thematisiert
    Ebenso befasst man sich bei Telepolis mit den politischen Hintergründen der Strafverfolgung unter dem Label „Repressionspolitik“.

    Neu ist mir noch die Idee eines Kommentators (aus der spanischen Justiz) im Handelsblatt, dass P. sich nach deutschem Recht nicht wegen Hochverrats, sondern wegen „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ strafbar gemacht hätte. Das ist ja auch ein „heißes Eisen“ in Deutschland, wenn man an die letzten Änderungen dazu denkt und vor allem an das PAG in Bayern.

    Angesichts dieser Auseinandersetzungen und Entwicklungen täte das BVerfG gut daran, nachzuweisen, dass es „staatstragend“ nicht schon grundsätzlich mit Robentragen verwechselt. Bei einem wachsamen BVerfG wäre dem OLG Schleswig die Zuweisung der Verantwortung für Gewalteinsatz in Spanien nicht so leichtfertig herausgerutscht und die Generalstaatsanwälte hätten genug wegen Strafvereitelung im Amt und Rechtsbeugung zu schaffen, statt sich auswärts zum gegenseitigen Wundenlecken mit den Spaniern zu treffen.

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  38. Lutz Lippke schreibt:

    Nachfolgend eine (noch) knappe Diskussion im beckblog zum Widerstandsrecht.
    Mir kam die Idee zur Abgabe einer persönlichen, offiziellen Erklärung, als Mittel der De-Legitimierung von staatlichem Handeln. Vielleicht gibt es ja dazu Meinungen.

    Alexander Würdinger kommentiert am Mi, 2018-04-25 13:01 Permanenter Link

    Ich habe irgendwo den Satz gelesen „Da die Bundesrepublik Deutschland faktisch kein Rechtsstaat ist, bin ich durchaus der Meinung, dass ein Kampf gegen den Staat und seine Institutionen, der sich nicht auf das Führen von Gerichtsprozessen beschränkt, legitim sein kann.“

    Gast kommentiert am Mi, 2018-04-25 17:50 Permanenter Link

    Wie kommen Sie darauf, dass „die Bundesrepublik Deutschland faktisch kein Rechtsstaat ist“? Womit wollen Sie „Kampf gegen den Staat und seine Institutionen“ aufnehmen, „der sich nicht auf das Führen von Gerichtsprozessen beschrünkt“? Welche Waffen meinen Sie da?

    Lutz Lippke kommentiert am Do, 2018-04-26 11:37 Permanenter Link

    Denkbar wäre z.B. der Entzug der Legitimation durch explizite und begründete Erklärung. Zum Beispiel wegen vielfachem Bruch des Völkerrechts, der Verfassung und von vielen einfachen Gesetzen durch die Staatsgewalten. Sozusagen eine Erklärung „Im Namen des Volkes“, nur zunächst als Einzelstimme. Ich halte das für einen ersten notwendigen Schritt im verfassungsmäßigen Widerstandsrecht, der sich qualitativ deutlich von dem wenig verändernden Anrennen gegen die Politik und Justiz in jedem Einzelfall abhebt, sich aber auch deutlich von Deutschtümelei, Rechsbürgerei und sonstig ideologischen Sonderwegen abgrenzt.

    Die normative Gültigkeit der Verfassung und gesetzmäßigen Ordnung wird mehrheitlich behauptet, genauso wie die normative Existenz des demokratischen, sozialen Bundesstaates. Eine persönliche Erklärung, dass das derzeitige staatliche, politische und juristische Handeln der Staatsgewalten diesen Normen in wesentlichen Grundfragen widerspricht und nicht legitimiert wird, ist eine zulässige, verfassungsgemäße und demokratische Erklärung.

    Interessant wäre die juristische Frage, ob damit auch der justiziellen Entlastungsbehauptungen zur Rechtskraft von Entscheidungen, der „Rechtsfortbildung“ durch Entscheidungen und dem damit angeblich geschaffenen „Gewohnheitsrecht“ ein juristisch wirkender Riegel vorgeschoben werden kann. Denn es wird zunehmend wichtiger auch öffentlich verbindlich klarzustellen, dass die Drift in willkürliche, totalitäre und kriegslüsterne Zustände keine genetische Sucht der normalen Deutschen ist, sondern von Politikern, Juristen, Journalisten und deren Auftraggeber verantwortet wird.

    https://community.beck.de/2014/02/09/wie-objektiv-unabh-ngig-und-neutral-sind-medizinische-psychologische-und-psychiatrische-gerichtsgutachter?page=1#comment-81300

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    • willi uebelherr schreibt:

      Lieber Lutz, alle Achtung. Wohl auch von der administration, die deinen kommentar, den du hier uns lesen laesst, geloescht haben. Versehen war da wohl nicht.
      Bekommst du eigentlich eine erklaerung, warum die loeschung erfolgte? Ausser „Gast“ hat niemand darauf verwiesen. Das ist ja alles sehr merkwuerdig.

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    • kranich05 schreibt:

      Lieber LL,
      Dir geht es um den Entzug der Legitimation durch „durch explizite und begründete Erklärung.“
      Vielleicht ist das eine anregende Idee. Mich jedenfalls regt sie zu vielleicht weiterführenden Fragen an:
      Was bedeutet „Entzug der Legitimitätion“ (oder der Legitimität?) in der Wirklichkeit?
      Soll die „explizite und begründete Erklärung“ irgend etwas bewirken, also Wirkliches bewegen. Wie soll sie das?
      Kann das, was in diesem Posting steht

      Aufruf zu Aktionen des zivilen Ungehorsams: Wir blockieren die Air Base Ramstein!


      als eine Art konkreteres Beispiel für die von Dir angedachte Erklärung gelten?

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      • Lutz Lippke schreibt:

        Zur letzten Frage zuerst. Der zivile Ungehorsam ist mehr legitime politische Aktion als eine juristische Handlung. Widerstand gegen die Staatsgewalt setzt allerdings implizit das Anerkenntnis der Staatsgewalt voraus. Ingeborg Maus hat sich dazu nicht ablehnend, aber kritisch eingelassen. Bei nächster Gelegenheit liefere ich die Quelle.
        Kurz: Es ist nicht das Gleiche. Beides kann sich vermutlich vortrefflich ergänzen.

        Die Idee ist eher ein juristischer Akt, wie ein Testament oder eine Verfügung. Mit dem Unterschied, dass die rechtswirksame Erklärung durch öffentliche Bekanntmachung sofort gelten soll. Verfügt würde über den eigenen Anteil am „Im Namen des Volkes“ und könnte auf ganz bestimmte oder eher allgemeine Sachverhalte bezogen sein.

        Ob und wie das rechtswirksam umsetzbar ist, wollte ich auch im beckblog diskutieren. Darauf gebracht wurde ich durch gästchen, der die (willkürliche) „Auslegung“ von Gesetzen und Verfassung durch Exekutive und Judikative als Rechtsfortbildung und sogar Gewohnheitsrecht verkaufen will. Gewohnheitsrecht entsteht durch stillschweigende Hinnahme und Unterlassen von rechtlichen Gegenmaßnahmen. Politische Handlung ist aber nicht per se eine rechtliche Handlung. Selbst rechtliche Handlungen unterscheiden sich in der Wirkung. So kann A ein Nutzungsrecht an X haben und trotzdem B das X erben.

        Die Löschpraxis im beckblog ist eher willkürlich und wird nicht begründet. Im Konkreten wurde der ganze Strang gelöscht, mein Kommentar muss nicht der Auslöser gewesen sein.

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  39. Theresa Bruckmann schreibt:

    An Lutz Lippke:
    1972 wurde der Radikalenerlass eingeführt. Wer nach einer Gesinnungsprüfung nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stand, konnte nicht Lehrer, Richter o.ä.
    im Staatsdienst werden.
    Wenn nun heute Politiker, Juristen die FDGO missachten, daraus müsste sich was machen lassen.

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  40. Pingback: Lieber Lutz Lippke,… | opablog

  41. Theresa Bruckmann schreibt:

    Ich habe lange nach einem passenden Ort für diese Nachricht gesucht,
    dann endlich die Überschrift „4. Sozialstaatlichkeit vs. „Reichtumszwang und Armutsfreiheit“
    im Text von Lutz Lippke vom 13.03.2018 gefunden.
    Die Stelle, an der Lutz Lippke direkt auf die Befassung des BVerfG mit den
    Hartz IV – Sanktionen eingeht, fand ich aber nicht.
    Ich würde mich nämlich freuen, wenn er etwas zu dieser Bewertung durch
    Prof. Fisahn sagen würde.
    https://www.sozialismus.de/kommentare_analysen/detail/artikel/im-prinzip-ja-aber/

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