Was tun? – Lernen vom gestern für morgen?

Die beiden weltgeschichtlichen Revolutionen, 1789 und 1917, hatten die Verhältnisse umgestürzt, die Eigentumsverhältnisse und die der politischen Macht.
1789 trat bekanntlich an die Stelle des feudalen Privateigentums das kapitalistische, ausbeuterisch beide, und die politische Macht wurde fortan grundsätzlich in Form der bürgerlichen Demokratie ausgeübt.
Die sozialistische Revolution 1917 war im Anspruch noch tiefgreifender: Jedes Privateigentum an Produktionsmitteln und damit jede „Ausbeutung des Menschen durch den Menschen“ sollte überwunden werden. Das gesellschaftliche Eigentum sollte den Charakter der Ökonomie und damit der gesellschaftlichen Basis bestimmen. Die politische Form des Umwälzungsprozesses wurde „Diktatur des Proletariats“ genannt, bei voller (philosophisch-ideologischer) Klarheit, dass diese Diktatur ihrem Wesen nach die umfassendste Demokratie sein würde.

Heute ist es geschichtliche Tatsache, dass die damals geschaffene politische Macht zumindest im europäischen Realsozialismus, gleichgültig ob als Diktatur oder als Demokratie definiert, liquidiert wurde (und zwar unblutig) und danach erneut kapitalistische Produktionsverhältnisse zu herrschenden gemacht wurden.

Wie konnte es von der tatsächlichen revolutionären Machtausübung des revolutionären Volkes im Jahr 1917 und den Folgejahren zum Machtverlust der Revolution kommen, der schließlich nach Jahrzehnten in der endgültigen Liquidierung = vollendeten Konterrevolution endete?

Den ersten Keim all dessen sehe ich in dem, was ich etwas provozierend nennen möchte

die Entmachtung Lenins.

Lenin stand für die unmittelbare Machtausübung der revolutionären Arbeiter, Bauern und Soldaten. Natürlich in der konkreten historischen Form des damaligen Russland. Stichworte: Avantgardepartei, Berufsrevolutionäre, zeitweilig Roter Terror und Kriegskommunismus.

Lenin erspürte jederzeit die aktuellen materiellen Notwendigkeiten des Revolutionsprozesses. („Jederzeit“ formuliere ich. Er selbst sagte freimütig, dass er unzählige Fehler gemacht habe, vieles Notwendige zu spät erkannt habe.) Dabei konnte er sich weder auf eine ausgefeilte Theorie noch auf wissenschaftliche Studien verlassen, sondern er war allein auf seine überragenden geistigen Fähigkeiten und den Austausch angewiesen.
Ein Beispiel eines solchen genialen Marksteins ist z. B. die Initiierung der Neuen Ökonomischen Politik (NÖP) im März 1921; eine Politik, die Stalin niemals befürwortete.

Im März 1922 erlitt Lenin den ersten schweren Schlaganfall, der ihn weitgehend politisch handlungsunfähig machte aber mit der Hoffnung auf Rückkehr.
Stalin wurde ab 2. April 1922 Sekretär des ZK und nahm die Rolle eines bürokratischen bzw. Verwaltungskoordinators in der Parteizentrale wahr (zunächst mit (vielleicht widerstrebender?) Zustimmung Lenins).
Am 16. Dezember 1922 erfolgte Lenins zweiter schwerer Schlaganfall, der alle seine Hoffnungen auf Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit beendete und ihm sein politisches Ende vor Augen führte. Am 30.Dezember 1922 wurde Stalin Generalsekretär und konzentrierte damit, nach Lenins Worten, „eine unermessliche Macht in seinen Händen.“ In diktierten Notizen ab 23. Dezember 1922 bis 4. Januar 1923, die an das Zentralkomitee und den Parteitag gerichtet waren und nach Lenins Absicht dort verlesen werden sollten, verlangte Lenin die Absetzung Stalins und den Übergang zu einer erweiterten kollektiven Parteiführung.

In weiteren kurzen diktierten Artikeln formulierte Lenin letzte konkret-praktische aber auch strategische Überlegungen zum weiteren Weg der Revolution. Die letzte dieser Arbeiten ist „Lieber weniger, aber besser“ vom 2. März 1923.
Diese Arbeiten sind niemals – in Jahrzehnten des Realsozialismus nicht! – ausgeschöpft worden. Sie wurden über Jahrzehnte geheim gehalten. Von ihrer Existenz erfuhren vorwitzige Genossen aus den Medien des Klassenfeinds.

Das Wesen dieser Vorgänge in der bolschewistischen Führung zwischen März 1922 und März 1923 mit Lenin, Stalin und dem „Triumvirat“ aus Stalin, Sinowjew und Kamenew im Mittelpunk, das Wesen ist der Übergang vom revolutionären Volkswillen an der Macht zur Machtübernahme durch persönliche bzw. Partikularinteressen.

Können aus diesen Erfahrungen Schlüsse für heute gezogen werden?

Dieser Beitrag wurde unter Bewußtheit, Demokratie, Krieg, Krise, Lenin, Machtmedien, Materialismus, Realkapitalismus, Realsozialismus, Revolution abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Hinterlasse einen Kommentar