Der Kampf um die Inschrift – Drama in vier Akten – Update 9.5.

Akt I

Es war am 4. Mai als K., Mitglied der Partei dieBasis, eine Idee hatte: Er schlug seinen Parteifreunden, den „Basistas“, vor, am 8. Mai, dem Tag der Befreiung, an der Gedenkveranstaltung der Stadt teilzunehmen und ein Blumengebinde des Kreisverbands der Partei niederzulegen. Er hatte auch einen Textvorschlag für die Schleifen parat, z. B. „dieBasis Oberhavel in antifaschistischem Gedenken“.

Dass weniger als ein Fünftel der Mitglieder auf den Vorschlag antwortete, überraschte K. nicht. Das ist normal. Die Spannbreite der Antworten war groß. Sie reichte von entschiedener Ablehnung bis zu entschiedener Zustimmung und zwischen beiden Extremen mittlere Stimmen, die angesichts der zu erwartenden öffentlichen Aufmerksamkeit eine Zerreißprobe für den noch jungen Verband befürchteten.

Ins Gespräch kam (mit dem Segen der Landesleitung) ein zweiter Vorschlag. Ein Kranz mit weißen Schleifen ohne jeden Text aber mit den vier Farben der Basispartei. „Ohne jeden Text?“- staunte K. „Mindestens doch mit dem Logo des Kreisverbands“ – schlug er vor, um wenigstens in dieser reduzierten Form das Gesicht zu zeigen. Darauf gab es ein „Ja“ und, wie sich am Ende zeigte, ein „Nein“.

Akt II

Die Zeit begann zu drängen, und K., für den „Antifaschismus“ kein Begriff aus der Mottenkiste ist und der deshalb die textlosen Schleifen unbefriedigend fand, formulierte seinen Vorschlag neu:
„Richtig ist wohl, bei aller Freude an einem klaren Statement, dass wir in der Kürze der Zeit keine repräsentative Mitgliedermeinung erreichen können. Und wir sollten niemanden übergehen oder in eine Rolle drängen, die er oder sie nicht will.
Deshalb tendiere ich jetzt zu diesem Vorgehen:
– Ich bestelle ein Blumengesteck mit Schleife, auf der steht: „Mitglieder der dieBasis Oberhavel in antifaschistischem Gedenken“. Weiße Schleife, wenn möglich Umrandung der Schleife mit den 4 Farben der Basis. Kein Logo, kein Verweis auf den Kreisverband!
– Parallel dazu ein Kranz (bestelle nicht ich) gemäß Vorschlag von A., Schleife ohne Text aber mit den Farben und dem Logo der dieBasis.“

Der naive K. glaubte, das sei ein Vorschlag, der allen gerecht würde, dem zögernden Kreisverband einerseits und den Mitgliedern andererseits, die explizit antifaschistisch gedenken wollten.
Jetzt aber wurde (online) abgestimmt, welcher Text auf so einer Schleife stehen solle und die Mehrheit votierte für „dieBasis steht für Frieden“. Aber statt dass jetzt ein Kranz vom Kreisverband in Auftrag gegeben wurde mit eben diesem gewählten Text, wurde hektisch weiter darüber debattiert, ob auf der Schleife des Gebindes von K. und M., der beiden Mitglieder, weiterhin etwas vom antifaschistischen Gedenken stehen dürfe.

K. und M. fragten sich einigermaßen verblüfft:
Knickten die Basistas plötzlich vor der Warnung ein, lieber nicht den Eindruck erwecken zu wollen, sie seien russenfreundlich oder Befürworter des Krieges?

Oder wurde hier mit doppelter Moral einerseits das Agieren der Faschisten in der Ukraine angeklagt, gleichzeitig aber der ehemaligen sowjetischen Armee die Ehre und der Dank dafür versagt, dass sie unser Land maßgeblich mit von den Faschisten befreit hat?

Oder ging es darum, sich von der Leistung der Sowjetunion bei dieser Befreiung überhaupt zu distanzieren, einem Volk, dass im 2. Weltkrieg am meisten von allen unter dem Faschismus Deutschlands gelitten hat?

Akt III

Es kam zur Beratung „in großer Runde“.

An die „von oben“ (widerwillig?) abgesegnete Idee des Kranzes mit den leeren Schleifen erinnerte sich plötzlich niemand mehr.
Jetzt ging es nur noch um die Frage: Dürfen Mitglieder der dieBasis, öffentlich erkennbar als Mitglieder der dieBasis, von „antifaschistischem Gedenken“ sprechen, auch wenn diese Formulierung von der Mehrheit der Mitglieder als Text für ein offiziell vom Kreisverband gestiftetes Gebinde abgelehnt würde?

Die Vorsitzende sah in diesem Verhalten eine drohende Beschädigung der Partei und brachte den Sachverhalt auf die generelle Fragestellung: ‚Dürfen Mitglieder, die als solche öffentlich erkennbar sind, einfach sagen was sie wollen? Wo kämen wir denn da hin?‘
(Natürlich konnte keiner wollen, dass jemand daherkäme und z.B. sagen würde: „Ich bin Mitglied der Partei dieBasis und ich bin für die Todesstrafe oder für die Duldung von sexuellem Missbrauch. Und wenn man einmal dem Teufel den kleinen Finger hinreiche, dann will er bekanntlich die ganze Hand. Das „antifaschistische Gedenken“ schien offenbar ähnlich diskriminierend?)

Das Drama kulminierte: „Bockig“ wollten zwei Mitglieder „ihren Kopf durchsetzen“ und beharrten auf ihrem „antifaschistischen Gedenken“. Und eine basisdemokratische Dreiviertelmehrheit sprach ihnen das Recht ab, dies als „Mitglieder dieBasis“ oder als „von Mitgliedern dieBasis“ öffentlich zu tun.

K. und M. stellten daraufhin fest: „Wenn Ihr tatsächlich die Absicht unseres demonstrativen antifaschistischen Gedenkens mit unserer Parteimitgliedschaft nicht vereinbaren könnt, sehen wir nur einen Ausweg…. Und der besteht nicht darin, unser antifaschistisches Gedenken zu unterlassen. Dann sind wir in der falschen Partei.“

Akt IV

Es gibt Bilder von dem Blumengebinde, das die beiden nun ehemaligen Mitglieder der Partei dieBasis am 8. Mai, dem Tag der Befreiung des Deutschen Volkes vom Faschismus, auf dem sowjetischen Ehrenfriedhof niedergelegt haben. Die weißen, textlos bestellten Schleifen haben sie von Hand beschrieben. Jetzt völlig frei in ihrer Wahl haben sie noch einmal nachgedacht und einen Text gefunden, der nicht nur richtig und wahr ist, sondern auch poetisch und aktuell und überwältigend populär bei denen, die ihren Antifaschismus nicht nach Konjunktur pflegen können, sondern ihn leben müssen.

Update 9.5.:

Der „Marsch des unsterblichen Regiments“ ist in Russland ein Marsch der Millionen. Das ursprünglich von mir verlinkte Video ist bei youtube nicht mehr verfügbar. Hier ein kürzeres Ersatzvideo:

Das ursprüngliche Video habe ich bei Colonel Cassad wiedergefunden.

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3 Antworten zu Der Kampf um die Inschrift – Drama in vier Akten – Update 9.5.

  1. Bernhard Meyer schreibt:

    – „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.“
    – Auch wenn dieser Verstand dir sagt, dass nicht stimmt, was die Mainstreammedien über Corona und die Impfung sagen.
    – Dito über Russland und die Gründe für den Einmarsch in die Ukraine.
    – „Ist der Ruf schon ruiniert, …“ kannst du als dieBasis am Ehrenmal einen antifaschistischen Kranz niederlegen.

    Vielleicht hättet ihr beide es riskieren sollen, auf eigene Faust als „Mitglieder der Partei dieBasis“ dieses Bekenntnis-Blumengebinde niederzulegen. Um dann abzuwarten, was passiert und zu schauen, wie es begründet wird, wenn es passiert.
    Jedenfalls ist es schade, dass ihr gleich ausgetreten seid. Ich wünsche mir eine breit aufgestellte Partei. Die Enge gibt es schon draußen.
    Herzliche Grüße
    Bernhard Meyer

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    • fidelpoludo schreibt:

      Der Vorschlag hat etwas dialektisch Anziehendes und Überzeugendes. Vielleicht könnte er die Dialektik ironisch zuspitzend folgende Form annehmen:

      „Vielleicht hättet ihr beide es riskieren sollen, auf eigene Faust als „Ausgetretene Mitglieder der Partei dieBasis“ dieses Bekenntnis-Blumengebinde niederzulegen. Um dann abzuwarten, was passiert und zu schauen, wie es begründet wird, wenn es passiert.“

      Um die Enge der Partei bloßzustellen.

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    • fidelpoludo schreibt:

      „Gegen das Vergessen“
      Der „Mut, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen“ ist ja schon lange von einer „nicht unrussischen“ Partei vor gut einem Jahrhundert als „kleinbürgerliche Abweichung“ einer „subjektiv idealistischen Ideologie“ „entlarvt“ worden.

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