„Schließ Aug und Ohr für eine Weil“ (4)

Gedanken in einer verdrehten und gefährlichen Welt
von Mrs. Tapir

I – Wer sagt mir, was ich zu denken habe?
IIDer Faschismus 33 kam auf leisen Sohlen und mit angezogener Handbremse
III – Eine erschütternde Entdeckung

IV – Der nächste Schreck: Die WissenschaftlerInnen ließen sich genauso einfangen

Eben hatte ich mit Entsetzen festgestellt, wie die deutschen Dichter und Intellektuellen ohne große Hemmungen schon 1933 einen Eid auf Hitler und seine Politik ablegten.
Als ich die Wiki-Seite gerade wegschalten wollte, fiel mein Blick auf die nächste Meldung:

Bekenntnis der Professoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler  Aufruf deutscher Universitätsgelehrter und Wissenschaftler vom 11. November 1933

Ich erschrecke. Also auch dort, wo eigentlich die Freiheit des Denkens gepflegt wurde oder werden sollte, wo Menschen um die Wahrheit ringen, wohlwissend, dass man sich ihr nur annähern kann und niemand die eine Wahrheit gepachtet hat, wo die Menschen über den Fragen von Ideologie und Politik stehen sollten, da huldigen die Professoren reihenweise dem „Führer“ und das schon 1933, d.h. kurz nach seiner Machtübernahme. Auch hier, so denke ich mir, kann die Bereitschaft nicht bei allen plötzlich gekommen sein.

Ich lese mit leichtem Entsetzen weiter:
Das Bekenntnis der Professoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen Staat wurde am 11. November 1933 zur Feier der „nationalsozialistischen Revolution“ des Jahres auf einer Festveranstaltung in der Alberthalle in Leipzig als Gelöbnis deutscher Gelehrter – meist im Beamtenverhältnis – vorgetragen. Doch waren nicht alle Unterzeichner Professoren, es finden sich auch Privatdozenten, Lehrbeauftragte, Dozenten bis zu einzelnen Studenten darunter.
Der Titel lautete „Mit Adolf Hitler für des deutschen Volkes Ehre, Freiheit und Recht!“
Insgesamt unterschrieben ca. 900 Personen.

Die Wissenschaftler unterschrieben trotz der Tatsache, dass der nationalsozialistische Staat zuvor durch das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums massiv in die wissenschaftliche Lehrfreiheit der Hochschulen eingegriffen hatte, indem er Wissenschaftler jüdischen Glaubens oder Herkunft oder demokratischer Gesinnung aus dem Amt vertrieben hatte. Auch war die Selbstbestimmung der Universitäten durch die Einführung des Führerprinzips beseitigt worden und die NSDAP hatte dort einen bestimmenden Einfluss gewonnen.

Mir wird schlecht, als ich Auszüge aus den Reden von zwei Universitätsdirektoren lese. die sie anlässlich der Unterschreibung dieses „Bekenntnisses“ gehalten haben:

Rektor Eugen Fischer (Berlin):

Ein gewaltiger Baumeister hat den Riss gezeichnet und den Bau geleitet und es fertig gebracht durch die Macht und den Zauber seiner Persönlichkeit, ein ganzes großes 65-Millionen-Volk mitzureißen […] zu einer gewaltigen Welle des Mitbauens, des Mitarbeitens an diesem neuen Staate. Das nennt dann die Welt Revolution […], weil es wie ein Sturm einhergebraust kam, […] weil eines Mannes Wesen, eines Mannes Wille weggebrochen hat, was morsch und schlecht war, und neue Ideale einem Volk als Richtlinien gegeben hat nach deutscher Art in Sitte, Ruhe und Ordnung […] wir Wissenschaftler bauen mit […] mit vollem und ganzem Herzen dem neuen Staat folgend. Das ist der Sozialismus der Tat! Wir werden ihn aufbauen und ausbauen, nicht abgerungen durch die Fäuste der Arbeiter, nicht abgerungen durch Klassenkampf und Klassengegensatz, sondern aufgebaut auf der Gemeinsamkeit unserer Erblinien, auf der Gemeinsamkeit unseres Blutes, das im letzten Volksgenossen den gleichen Menschen gleichen Stammes sieht wie wir selbst sind.“

Rektor Martin Heidegger (Freiburg i. Br.):

Deutsche Lehrer und Kameraden! Deutsche Volksgenossen und Volksgenossinnen! […] Wir haben uns losgesagt von der Vergötzung eines boden- und machtlosen Denkens. Wir sehen das Ende der ihm dienstbaren Philosophie. Wir sind dessen gewiss, dass die klare Härte und die werkgerechte Sicherheit des unnachgiebigen einfachen Fragens nach dem Wesen des Seins wiederkehren. Der ursprüngliche Mut, in der Auseinandersetzung mit dem Seienden an diesem entweder zu wachsen oder zu zerbrechen, ist der innerste Beweggrund des Fragens einer völkischen Wissenschaft. […] Die nationalsozialistische Revolution ist nicht bloß die Übernahme einer vorhandenen Macht im Staat durch eine andere […] Partei, sondern diese Revolution bringt die völlige Umwälzung unseres deutschen Daseins. Von nun an fordert jedwedes Ding Entscheidung und alles Tun Verantwortung.“

Hier ist deutlich zu sehen: Der Faschismus outet sich hier noch nicht offen durch Kriegshetze, durch Verabscheuung der Juden und durch Aufruf zum Massenmord. Hier geht es nicht, noch nicht um den Holocaust. Aber es geht um das, was den Weg dazu bereitete.
Wer heute diese Texte liest, durchschaut die dahinterstehenden Werte und Absichten natürlich leichter, als es die Zeitgenossen konnten. Aber trotzdem gab es damals bereits die sichtbare Verdrängung der Juden aus allen öffentlichen Bereichen, die Verfolgung der Kommunisten, die in den ersten KZs saßen, die Verherrlichung des Arischen usw. Diese Wissenschaftler hätten es sehen können. Und es gab schließlich solche, die es sahen. Aber die Masse, auch die Masse der Intellektuellen, hing ihr Fähnchen brav und opportunistisch in den neuen Wind.

Mir wird übel, vor allem deshalb, weil mich das an etwas erinnert:
„Ich fühle mich wie Sophie Scholl“, hat am Beginn der Corona-Maßnahmen eine Querdenkerin gesagt.

Als sich die Querdenkerin auf Sophie Scholl bezog, meinte sie damit, dass der Umgang mit ihr als Andersdenkende in seiner Härte, Brutalität und Unmenschlichkeit sowie in seiner Dummheit und Borniertheit sie an das erinnert, was Sophie Scholl gespürt haben muss, als ihr bewusst wurde, dass da etwas losrollte, dem sie sich entgegenstemmen musste. Diese Frau, die daran erinnert hat, hat unter den Gutmenschen, Corona-Gläubigen und Drosten-Verehrerinnen dieses Staates einen regelrechten Shitstorm ausgelöst: Empörung über diese Missachtung der Helden des Widerstandes gegen Hitler, über die angebliche Verharmlosung des Nationalsozialismus und den Missbrauch seiner tapferen Gegner….

Schließ Aug und Ohr für eine Weil
vor dem Getös der Zeit.
Du heilst es nicht und hast kein Heil
als wo dein Herz sich weiht.

Dein Amt ist hüten, harren, sehen
im Tag die Ewigkeit.
So bist du schon im Weltgeschehen
befangen und befreit.

Die Stunde kommt da man dich braucht,
dann sei du ganz bereit.
Und in das Feuer das verraucht,
wirf dich als letztes Scheit.

Wie ich im dritten Teil erwähnt habe, stammt dieses Lied – ein Lied, das Sophie Scholl geliebt hat – ebenfalls aus dem bündischen Kreis der Südlegion.

Wehret den Anfängen, ist eine alte Forderung als Lehre aus der Zeit des Faschismus. Seid sensibel für gesellschaftliche Erscheinungen, die sich harmlos tarnen aber Andersdenkenden und das Wasser abgraben und Andersseiende aus der Gesellschaft ausschließen. Tut mir leid. Ich kann es der Frau nachfühlen, habe es immer wieder genauso erlebt.

Und
– wenn ich heute unsere Außenministerin höre, wie sie dazu aufruft, Frieden durch Waffen und noch mehr Waffen erreichen zu wollen,
– wenn ich Herrn Habeck höre, der dem deutschen Volk ohne mit der Wimper zu zucken mal eben eine Wirtschaftskrise, tausendfache Existenznöte und steigende Armut abverlangt, dafür, dass er persönlich bereit ist, die unverbrüchliche Freundschaft mit dem machthungrigsten und mächtigsten Staate der Welt zu pflegen, weil es dazu für ihn gar keine Alternative gibt, und
– ich dann in unseren Medien lese, dass es nicht selten die Coronaquerdenker sind, die auch jetzt wieder staatsgefährdende Narrative verbreiten und dem Ukrainischen Volk die selbstlose und selbstzerstörerische Solidarität verweigern,
dann weiß ich plötzlich: genau so fing es damals an. Und die Mehrheit hat es hingenommen, hat es geschluckt, fand es sogar gut und war begeistert.

Leider kann man heute nicht mehr emigrieren, wohin denn bloß in dieser Welt?

Vor Kurzem konnte man lesen, dass Lauterbach festgestellt hat, dass die KITA -Schließungen in der Corona-Zeit nicht nötig und sogar Kindeswohl gefährdend waren. Ei, nein aber auch! Wenn man genau das vor zwei Jahren laut sagte oder auf Plakate schrieb, war man ein Verschwörungstheoretiker, ein Schwurbler, ein Rechter, ein Böser, ein Mörder, ein gefährlicher, psychisch Kranker, einer, der seine Mitmenschen willentlich gefährden will und außerdem nahe am Hochverrat vorbeischipperte.

Merken die nicht selbst, wie sie mit den Werten Wahrheit, Toleranz, Meinungsfreiheit, Schlittenfahren?

Heute geht Corona nicht mehr. Ich las vor einiger Zeit, dass sich durch Corona nur noch 20 Prozent der Bevölkerung beunruhigt fühlen. Aber wehe, man wagt es, die Waffenlieferungen in die Ukraine zu kritisieren oder dazu aufzurufen, diplomatische Verhandlungen mit Russland zu führen. Wehe, man weist darauf hin, dass man sich mal mit den Forderungen Russlands befassen sollte, die sie immer wieder – und zwar vor ihrem Kriegsbeginn – an die westliche Welt gestellt haben, aber nur Hohn dafür ernteten. (Sie standen jahrelang im Raum, wurden aber von den USA und der Nato nicht einmal zur Kenntnis genommen.) Wer das wagt, wird sofort schief angesehen, auch vom guten deutschen Bürger schon, aber erst recht von Verfassungsschutz und Polizei. Die verorten einen dann sofort in die Gruppe der hochgefährlichen Staatsgegner.

Wie soll ich das ertragen, dass ich Angst haben muss      
– wenn ich frage, warum wir alle auf einmal mit dem israelischen Staat der Rache-Ideologie frönen müssen, obwohl uns die christliche Erziehung etwas ganz anders gelehrt hat oder
– wenn ich den grausamen Tod der 12.300 palästinensischen Kinder und die Angst und Not der noch lebenden 1 Millionen obdachlosen, unterernährten und oft verletzten Kinder betrauere, ohne die Angst der einen Mutter als wichtiger und bedauernswerter zu bezeichnen, deren Kind als Geisel bei der Hamas festgehalten wird oder
– wenn ich mich weigere, zu akzeptieren, dass in der Damensauna plötzlich eine Transfrau verlangt, diese Sauna auch besuchen zu dürfen oder
– wenn ich – auch heute noch  – gegenüber Fremden sage, dass ich nicht gegen Corona geimpft bin und sehen muss, wie sich ihre Augen verengen…..

Wann wachen wir aus diesem Albtraum auf?

7 Kommentare zu „„Schließ Aug und Ohr für eine Weil“ (4)“

  1. „Merken die nicht selbst, wie sie mit den Werten Wahrheit, Toleranz, Meinungsfreiheit, Schlittenfahren?“

    Sicher. Aber sie haben die Macht.

    „Wann wachen wir aus diesem Albtraum auf?“

    Stand nicht rgendwo hier auch mal: „Es rettet uns kein höhres Wesen …“? Ich fürchte, es ist so.

    Zum Abschluß möchte ich noch sagen, dass ich mit dem „neuen Design“ nicht glücklich bin. Nur noch drei „letzte kommentare“ werden angezeigt, überflüssigerweise mit Inhaltsvorschau … kurz: Das „alte“ Design war praktikabler und besser.

    Gefällt 1 Person

    1. Nur noch drei „letzte kommentare“ werden angezeigt, überflüssigerweise mit Inhaltsvorschau

      Das wäre auch mein Haupteinwand: Kommentator- und Ortsangabe reichen und schaffen Platz für mehr Übersicht über die Zahl der Kommentare. Dafür würde sich die Raumererweiterung, die Du geschaffen hast, wirklich lohnen.

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  2. Dieser Blog hat einen RSS Feed, was wohl wenige wissen, für die Artikel als auch separat die Kommentare:

    https://opablog.net/feed/

    https://opablog.net/comments/feed/

    einfach als Feedadresse in einen Feedreader wie inoreader.com oder installierbaren wie RSSOWL hinzufügen und man sieht alle Kommentare wenn man mal ein paar Wochen nicht frequentiert hat.

    WordPress ist eben ein Blog und kein Forum wo man sehen kann wer wo zuletzt gepostet hat, da kann Kranich wohl auch wenig machen ausser altes hervorzuholen als Moderator . Die letzten Kommentare waren ja auch schon vor dem Designwechsel eher spärlich. Die Suchfunktion ist auch miserabel, jedenfalls finde ich weder über interne Suche noch Google hier wirklich Artikel wieder mit meinem Namen, der Blog ist wohl zu unwichtig für Google um ihn regelmässig und voll zu indizieren oder steht auf dem Index.

    Gibt ja auch Forum Plugins für WordPress, aber würde ich nicht empfehlen für diesen inhaltsschweren gut moderierten Blog, weniger ist oft mehr als zu viel Tratsch.

    RSS ist fast schon tot wie das usenet, aber in Gedenken an Aaron Schwartz schadet es denke ich nicht wenn ein paar Oldies es weiternutzen

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