Lehnt der Deutsche Freidenker-Verband Transparenz ab?

Seit längerer Zeit mußte rätseln, wer Antwort auf die oben gestellte Frage suchte. Jetzt aber gibt es ein Dokument „Die Friedensbewegung, Blatter und die „Transparenz“ mit dem Untertitel: „Beteiligung an der „Initiative transparente Zivilgesellschaft“?“. Es wurde nach Diskussionen vom Vorstand einstimmig beschlossen und verspricht die Erläuterung der Freidenker-Position.

Ich verstehe die Vorstandsantwort zunächst als ein ziemlich klares „Jein“. Deshalb finde ich es besonders sympathisch, dass der Vorstandsvorsitzende Klaus Hartmann betont, dass Papier möge „ausschließlich als Diskussionsbeitrag zum Thema verstanden“ werden und dass er die Hoffnung ausdrückt, „dass die Argumentation nachvollziehbar ist oder zumindest der Prüfung für wert befunden wird.“

Ich versuche nachzuvollziehen und zu prüfen… muss aber bekennen, dass buchstäblich mit dem ersten Satz eine Irritation beginnt: Was, zum Teufel, hat Blatter mit der Transparenz der Friedensbewegung oder der Freidenker oder beider zu tun? Geht es überhaupt um Transparenz, wenn die Schreibweise „Transparenz“ gewählt wird, also Gänsefüßchen-Transparenz, was ja wohl „sogenannte Transparenz“ bedeutet?

Ein Ausgangspunkt der Diskussion war, wie im Papier festgestellt wird, dass „man“ mit einiger Verblüffung feststellen musste, dass „man“ im Kampf um eine machtvolle Friedensbewegung „aus den vermeintlich eigenen Reihen immer wieder ‚friendly fire‘ ausgesetzt wird“. Mir wird nicht ganz klar, welcher „man“ hier spricht. Immerhin stellt der Freidenkervorstand fest, dass aus den traditionellen „Institutionen“ („Man“ liebt offensichtlich Anführungszeichen.) der Friedensbewegung „vielfach… Alleinvertretungsansprüche postuliert, Spaltung statt Zusammengehen befördert“ wurden.

„Alleinvertretungsansprüche“, „Spaltung“ in der Friedensbewegung – das sind harte Einschätzungen – die ich für völlig zutreffend halte. Jetzt bin ich doch neugierig, wie „man“ sich von seiner Verblüffung erholt und welche politischen Schlußfolgerungen „man“ gezogen hat.

Eine Antwort darauf finde ich leider nicht, muss stattdessen feststellen, dass mich nun auch noch „man“, diese höchst diffuse Persönlichkeit, verlassen hat. Irgendetwas förderte jetzt Vermutungen. Fragen warfen sich auf. Ideen kamen auf. Eben hatte wir einige Rösser benannt – „Alleinvertretung“, „Abgrenzung“, „Spaltung“ – aber Reiter finden sich nicht. Weder Reiter, die diese Rösser geritten haben, noch Andere, die sie zähmen wollten (um im Bild zu bleiben).

„Man“ habe Auskünfte nicht leicht bekommen können und sei so auf die Idee verfallen, Transparenz einzufordern (Konnte man nicht bei der Verblüffung bleiben, bin ich versucht, etwas boshaft zu fragen.) „Man“ erinnerte sich sogar der „Initiative Transparente Zivilgesellschaft“ – aber Vorsicht! Vorsicht! – damit werden wir plötzlich Teil der Korruptions- bzw. Antikorruptionsszene. Ja, plötzlich sind wir angesagt, gleich Leuten, die auf die Bäume des Regenwaldes klettern oder gestrandete Wal abschleppen. Skandalisierung ist das Vehikel in diesem Antikorruptionsgeschäft. Wollt Ihr das? – Transparenz verlangen, um dann auf Seite eins der Bildzeitung zu stehen? – „Nein! Nein!“, lieber Märchenonkel, „Nie wieder werden wir Transparenz verlangen!“

„Aber, aber“, begütigt der Märchenonkel, „nun schüttet das Kind nicht gleich mit dem Bade aus.“ „Selbstverständlich gibt es ein ernsthaftes und unterstützenswertes Interesse, nicht in einem Mafiastaat leben zu wollen, sondern einem Staat, in dem die Interessen der Menschen und nicht der Profit die politischen Entscheidungen bestimmen, in dem nicht Lobbyisten die Gesetzesvorlagen formulieren.“ Diese Interessen durchzusetzen wird schwer genug sein im Realkapitalismus, verdeutlicht das Papier. Und weiter: „Damit sollen entsprechende Bemühungen… ermutigt und der Blick dafür geschärft werden, dass für ihren Erfolg eine radikale Analyse, ein langer Atem und die Überwindung des Kapitalismus notwendig ist.“

Also doch Ermutigung meiner Transparenz-Bemühungen? Also doch Unterstützung einer radikalen (und kontinuierlichen) Analyse? Gern möchte ich, trotz der großen Allgemeinheit dieser Sätze (der Teufel steckt bekanntlich im Detail) zustimmen. Doch der Verweis auf die „Überwindung  des Kapitalismus“ lässt mich in doppelter Hinsicht fürchten, dass wir aneinander vorbeireden: Zum einen, weil es mit dieser Überwindung noch gute Weile hat und ich keineswegs solange auf eine breite und sehr bewusste Praktizierung von Transparenz warten möchte. Und zum zweiten, weil mit der revolutionären Überwindung des Kapitalismus keineswegs das Goldene Zeitalter der Transparenz anbricht. Es gibt einschlägige Erfahrungen.

Es scheint bei dem Transparenzproblem um Einiges mehr zu gehen.

Leider – die auf den ersten anderthalb Seiten formulierte Ausgangsposition des Freidenkerverbandes zum Transparenzproblem finde ich nicht besonders überzeugend. Weder wird gründlich dargestellt, warum diese Frage aufgeworfen wurde, noch wird die Tragweite dieser Fragestellung umrissen. Stattdessen wird sie in die sumpfige Nähe des Korruptions- und Antikorruptionsmarktes gerückt.

Nun bin ich neugierig darauf, wie der Freidenkerverband im Einzelnen die  „Initiative Transparente Zivilgesellschaft“ einschätzt…

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8 Antworten zu Lehnt der Deutsche Freidenker-Verband Transparenz ab?

  1. Lutz Lippke schreibt:

    Das ist interessant. Nimmt man den vollständigen Text unter dem Link zur Hand, kann ich (man ;-)) die Vorbehalte gegen die Transparenz-Initiative und deren Manipulationsmöglichkeiten schon nachvollziehen. Zumindest, wenn man die Aussagen des Papiers als gegeben annimmt. Nur wird das Problem damit natürlich nicht gelöst. Transparenz ist zur Vertrauensbildung in der Öffentlichkeit sehr wichtig. Das gilt für Organisationen, sich der Aufklärung verschreiben im Besonderen. Das muss möglich sein. Andererseits ist naive und ungerichtete Transparenz in intriganten Zeiten auch nicht ganz ungefährlich. So steht der Schutz von Persönlichkeitsrechten meist zurecht vor Transparenzforderungen und der Verweis auf BILD DIR UNSERE MEINUNG ist nicht so fehl am Platze. Der Weigerung sich einer anderen Organisation zu unterwerfen, die möglicherweise nicht wirklich mit den eigenen Zielen vereinbar ist, kann ich verstehen. Ich denke, dass die Lösung darin liegt, sich die notwendige Transparenz aus Sicht des Adressaten selbst zu überlegen und ggf. eigene Wege der Erfüllung zu gehen. Was spricht dagegen, sich die (üblichen) Kriterien herzunehmen und auf eigene Weise Transparenz herzustellen. Wenn dies überzeugend und begründet geschieht, dann sollte man nicht auf ein Label oder vorgegebenes Patentrezept bestehen.
    Ich habe mal unter diesem Blickwinkel bzw. den 10 „Geboten“ der ITZ die Seiten des Freidenker-Verbandes angeleuchtet. Zu den Fragezeichen habe ich nicht sofort etwas gefunden. Das soll nicht heißen, dass die Angaben verschwiegen werden.
    1. Name, Sitz, Anschrift und Gründungsjahr – ok
    2. Satzung – ok
    3. Bescheides vom Finanzamt über Gemeinnützigkeit – ?
    4. „Name und Funktion der wesentlichen Entscheidungsträger – ok
    5. Bericht über die Tätigkeiten – ?
    6. Personalstruktur – ?
    7./8. Mittelherkunft – ?
    9. Gesellschaftsrechtliche Verbundenheit – ok
    10. Namen von juristischen Personen mit Spenden > 10 % – ?

    Ich hielte es also für sinnvoll, entweder eine eigene Transparenzlogik zu begründen oder sich konkret zur Erfüllung bzw. Ablehnung der einzelnen Punkte zu positionieren. Für mich wurde z.B. recht schnell klar, dass ich mich in Erklärungen und Anliegen der Freidenker wiederfinde, aber der weitgehende Ausschluss von Religiösen nicht mein Ding ist, obwohl ich ja selbst nicht darunter falle. Aber das ist keine Bewertung der Transparenz, denn die Position ist offen benannt und ergibt sich aus Historie und Weltsicht.

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    • Lutz Lippke schreibt:

      Nachsatz:
      Den Aufsatz des DFV halte ich zumindest auch für unglücklich. Es wäre besser gewesen, intern über die maximal mögliche und sinnvolle Transparenz zu beraten, die dann umzusetzen und erst dann auf tatsächliche Kritik mit Klarstellung und Gegenkritik zu reagieren. Jetzt wirkt es wie ein vorsorglicher Angriff zur Verteidigung, weil die (eigenen) Hausaufgaben nicht richtig gemacht wurden.

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  2. Pingback: Wie schätzt der Deutsche Freidenker-Verband die „Initiative Transparente Zivilgesellschaft“ konkret ein? | opablog

  3. Pingback: TI | opablog

  4. elkezwinge schreibt:

    Die 10 Punkte von Tranparenzforderungen finde ich prima und erst recht, nachzusehen, ob die Freidenker diese auch konkret erfüllen.
    Sicher gibt es noch viel mehr Punkte, die für eine Organisation wünschenswert und notwendig im Hinblick auf demokratische Teilhabe usw. sind. Lernend schreiten wir aber voran, vor allen Dingen, wenn unser „Opa“ so unaufdringlich, eindeutig nachhakt…..
    Zu dem „Ausschluss von Religiösem“ möchte ich anmerken: wir Freidenker finden Papst Franziskus großartig in seinen Handlungen (nach Lampedusa zu fahren, in Bolivien das Grab eines ermordeten Revolutionörs zu besuchen, „der Kapitalismus tötet“ usw.), aber das ist nicht dem Religiösen zuzuordnen, wohl aber christlichen Maximen, und das ist gut so, findest du nicht, lieber Lutz Lippke?

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  5. Pingback: Politische Transparenz heute | opablog

  6. kranich05 schreibt:

    Ein Text auf einer Freidenkerseite zu obigem Beitrag:
    http://www.sachsen-anhalt.freidenker.org/cms/?p=206

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  7. Pingback: Deutscher Freidenker-Verband e.V. – Landesverband Berlin » Michel Chossudovsky zu Anti-Trumpism und gekauften NGO

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