Er sagt offen, was ihm Angst macht, und auch seine Hilfskonstruktion liegt offen zutage.
„Es wandelt, was wir schauen,
Tag sinkt ins Abendrot,
die Lust hat eignes Grauen,
Und alles hat den Tod.“
Das (ziemlich) schöne Leben wandelt sich, geht vorüber, endet.
„Ins Leben schleicht das Leiden
Sich heimlich wie ein Dieb,
Wir alle müssen scheiden
Von allem, was uns lieb.“
Noch einmal: Es geht alles zu Ende, selbst das Liebste und mehr noch: Bereits lange vor dem Ende, ist das zufriedene Leben mit Leid gemischt.
„Was gäb es doch auf Erden,
Wer hielt‘ den Jammer aus,
Wer möcht geboren werden,
Hieltst du nicht droben Haus!“
Unvermittelter Wechsel. Anfangs hatte er nur den Wandel konstatiert, noch das Abendrot wahrgenommen, jetzt aber ist alles ein einziger schrecklicher, sinnloser, kopfloser Jammer. Panikmodus. Unerträglich. Ich bastel‘ mir einen Strohhalm.
„Du bist’s, der, was wir bauen,
Mild über uns zerbricht,
Dass wir den Himmel schauen –
Darum so klag ich nicht.“
Her mit dem Strohhalm, du mein allerpersönlichstes „DU“ und als Sklavenseele den Jammer geliebt.
Kant, der zu Eichendorffs Jugendzeit noch in Königsberg wirkte, hatte verlangt, sich aus der „selbstverschuldeten Unmündigkeit“ zu lösen. Einen „guten Lebenswandel“, so Kant, mag man gottgefällig nennen, alles darüber hinaus ist Religionswahn und Götzendient.
Das hat richtig gut getan.
Als ich dergleichen noch in Seminaren zur gefälligen Ansicht feilbot, hieß man mich einen Punk, ordnete mich unter „…ein Bayer halt…“ ein, schickte mir Benediktinermönche auf den Hals…und ich weiß, daß sich das seither nicht geändert hat.
Drum: Das hat richtig gut getan, Du alter Sympath.
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Aus unerfindlichem Grund wurde obiges Posting heute – 25.3.2023 – unter „Top Beiträge & Seiten“ angezeigt.
Da habe ich es nochmal gelesen und stieß auf den schönen Kommentar von „klotzchrist“.
Da ist auch ein Link, doch er führt nur auf sein Blog, das bereits im April 2010 geschlossen wurde.
Mein Blog schreibe ich seit fast 20 Jahren.
Was werde ich alles entdecken( oder treffender gesagt: erleben), wenn ich einmal Lust und Muße finde zurückzuschauen?
Zumindest einige Spuren damaliger Gefährten oder Fast-Gefährten (weibliche, wie etwa „Die alte Eule“ sind mit gemeint).
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War eine nette Erinnerung. Wir haben uns halt auseinanderentwickelt.
Werde aber mal wieder reinschauen, um zu überprüfen, ob Du inzwischen deine Irrtümer zurückgenommen hast. Tihihihiii!
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Dazu paßt, daß er dem zu seiner Zeit euphorisch begrüßten Gesellschafts w a n d e l mit einer gesunden Portion Realismus statt mit der zeittypisch-grassierenden unkritischen Fortschrittsgläubigkeit begegnete, die man einem Marx und vielleicht sogar noch einem Lenin zugute halten muß, und auch seine folgenden »unpoetischen« oder regelrecht »materialistisch« anmutenden Zeilen erscheinen ebenso überlieferns- wie auch bedenkenswert:
»In seiner frischen Jugend daher, da er [i. e. der noch keine >retrograde Bewegung gemachtBürgerstand<; id.] noch mit dem Rittertum um die Weltherrschaft gerungen, atmete er wesentlich einen republikanischen Geist. Die Städte regierten und verteidigten sich selbst, ihre streng gegliederten Handwerkerinnungen waren zugleich eine kriegerische Verbrüderung zu Schutz und Trutz, und die Handelsfahrten in die ferne Fremde erweiterten ihr geistiges Gebiet weit über den beschränkten Gesichtskreis der einsam lebenden Ritter hinaus. Da war überall ein rüstiges Treiben, Erfinden und Wagen, Bauen und Bilden, wovon ihre Münster sowie ihre welthistorische Hansa ein ewig denkwürdiges Zeugnis geben. […] ihre Stärke war die Korporation. […] In ihrer schönen Jugendzeit hatten sie die Buchdruckerkunst um der Wissenschaft willen ersonnen und um Gottes Willen Kirchen gebaut […]. Jetzt bauten sie Fabriken und Arbeiterkasernen, erfanden klappernde Maschinen zum Spinnen und Weben, und es ist offenbar, die Industrie wuchs zusehends weit und breit. Die Industrie ist an sich eine ganz gleichgültige Sache, sie erhält nur durch die Art ihrer Verwendung und Beziehung auf höhere Lebenszwecke Wert und Bedeutung.
So hatte also der Bürgerstand – dessen Seele die geistige Bewegung, oder wie wir es jetzt nennen würden, das Prinzip des beständigen Fortschritts war – sich kampfesmüde auf den goldenen Boden des Handwerks gelegt, und die Städte waren allmählich aus einer W e l t macht in eine G e l d macht geworden …« (J. v. Eichendorff, »Der Adel und die Revolution«, 1857).
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Danke Breitenbach, habe den Text, aus dem Sie zitieren gesucht,
gefunden und viel Zeit für die Lektüre der 21 Seiten aufgebracht.
Zunächst schreckte mich der lange Text ab, dann so ab der Hälfte
war mein Interesse geweckt, denn so habe ich Gartenkunst noch
nie gesehen, nämlich nicht nur als Mode, sondern ebenso als
Ausdruck des Denkens, der Weltanschauung.
Und was Sie zitieren, die Rolle des Bürgertums, des stolzen Handwerks,
großartig, wie Eichendorff das deutet.
Das passt perfekt zu meiner derzeitigen allabendlichen Beschäftigung mit der
Deutschen Literaturgeschichte. Mein Schulbuch „Dichtung und Deutung“ Bayr. Schulbuchverlag aus den 1960er Jahren,
arbeitet nur das Wesentliche der Epochen und ihren Dichtern und Literaten,
heraus, stellt es den Weltanschauungen anderer gegenüber und ist
ebenso eine wahre Fundgrube zum besseren Verständnis heutiger
Entwicklungen.
http://www.zeno.org/Literatur/M/Eichendorff,+Joseph+von/Autobiographisches/Erlebtes/I.+Der+Adel+und+die+Revolution
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