Widerruf!

Mein Gastautor Joachim Bode sieht sich (anders als große Vorgänger) leider

zum Widerruf genötigt:

Ich widerrufe (lat.: „Revoco!“). Das sollte Luther auf dem Reichstag zu Augsburg im Jahre 1518 verkünden. Er tat es nicht. Mit entsprechend weit reichenden Folgen, die ich als bekannt unterstelle. Ich bin nicht Luther, nicht in Augsburg, und schon gar nicht 1518. Also auch ohne entsprechende Folgen.

Ich widerrufe aber heute, dass eine Laienspielschar die bayerische Justiz beherrscht – zumindest soweit die juristische Seite der Angelegenheit des Gustl Mollath betroffen ist.

Meine Behauptung (hier), ein paar Dutzend Schauspieler hätten sich wichtiger Stellen in der bayerischen Justiz bis hin zum Ministerium bemächtigt, war ganz voreilig und falsch.

Bereits ein kurzer Blick auf die aktuellen Besoldungsgruppen der beteiligten Staatsjuristen hätte genügt, durchschlagenden Beweis zu liefern: Sie werden nämlich ausnahmslos (von der noch weitaus besser vergüteten Ministerin abgesehen) nach Besoldungsgruppe R bezahlt, in welche die Beförderung durch entsprechende regelmäßige Gehaltssteigerungen automatisch eingebaut ist. Demgegenüber nimmt sich die jämmerliche Bezahlung eines durchschnittlichen Schauspielers – noch dazu eines Laienschauspielers – geradezu als lächerlich gering aus.

Ich gehe davon aus, dass die bayerischen Kollegen mit der von mir voreilig vorgenommenen vorübergehenden Einstufung als Laienschauspieler – bei weiterhin hohen Bezügen – (über)leben konnten. Als Richter oder Staatsanwälte stehen sie oft im Rampenlicht öffentlichen Interesses, und mancher Strafprozess hat biblischen (Jesus!) oder anderen literarischen Niederschlag als Schauspiel (Kaufmann von Venedig: Shylock) gefunden – wobei die Darsteller beileibe nicht immer den Anforderungen juristischer und schauspielerischer Art standhalten konnten. Also besteht schon eine gewisse Verwandtschaft zwischen beiden Berufsgruppen, zumal die Literaturkritik das Gerichtsverfahren als eine „Urform des Theaters“  bezeichnet.

Jetzt sind wir also wieder bei der Ausgangsfrage:

Was treibt rund zwei Dutzend bayerischer Richter und Staatsanwälte um, sich bei der Anwendung von Gesetz und Recht so schwer zu tun, dass dabei regelmäßig das Gegenteil desselben herauskommt?

Mir fällt dazu nur noch eine Erklärung ein:

Es handelt sich um ein breit angelegtes Fortbildungsprogramm des bayerischen Ministeriums der Justiz.

In einem umfangreichen Feldversuch sind die beteiligten Staatsjuristen dazu aufgerufen, durch Einsatz und sogar Überschreitung der tollsten und gewagtesten Denk-Konstrukte dem akademischen Nachwuchs und den sonstigen Interessierten Recht und Gesetz nahe zu bríngen.

Und wie macht man das am Besten?

Richtig! Indem man alles falsch macht, was überhaupt falsch zu machen ist. So kann selbst der Unbedarfteste (um den Begriff „Dümmste“ zu vermeiden) erkennen, wie etwas richtig zu machen ist, nämlich indem man das Gegenteil von dem macht, was da – fortbildungsbedingt –  falsch gemacht wurde.

Dies alles wird bestätigt durch ein persönliches Anschreiben, das die bayerische Staatsministerin für Justiz und Verbraucherschutz, Frau Dr. Beate Merk, den an der Fortbildung beteiligten Staatsjuristen hat zugehen lassen (das Schreiben wird aus Urheberrechtsgründen nur auszugsweise zitiert):

„ …. erlaube ich mir, Ihnen den besonderen Dank der Staatsregierung für Ihr Engagement bei der – zumindest vorübergehenden – bayernspezifischen Auslegung von Recht und Gesetz auszusprechen.

Ich stelle in Aussicht, dass dieses professionelle Rechtsverständnis und seine konsequente Anwendung sich in besonderen Chancen bei Ihrer zukünftigen beruflichen Entwicklung niederschlagen werden.

Ihre Bereitschaft, sich durch von Gesetz und Recht völlig losgelöste Entscheidungen der Kritik nicht nur innerhalb von Fachkreisen, sondern auch der nationalen und sogar der internationalen Kritik in der Öffentlichkeit auszusetzen, ist gar nicht hoch genug zu würdigen. Dieses in der Geschichte des Freistaates, ja sogar in der gesamtdeutschen Geschichte einmalige Vorhaben wird sicherlich zu einem längst überfälligen, nicht unerheblich verbesserten Ausbildungsstand des juristischen Nachwuchses sowie zu einer weit höheren Sensibilität im öffentlichen Rechts- und Gerechtigkeitsbewusstsein beitragen.

Das nur vorübergehend beeinträchtigte Ansehen der beteiligten Juristen in der Öffentlichkeit wird nach Abschluss des Fortbildungsprojekts durch besondere, oben bereits angedeutete Maßnahmen der bayerischen Staatsregierung mehr als ausgeglichen werden.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die Staatsregierung derzeit versucht, die zuständigen Richter des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe für die Fortbildung zu begeistern, sie eventuell auf geeignete Weise sogar einzubinden. Eine Stellungnahme von dieser Seite liegt bisher leider noch nicht vor ….… 

Ich darf auch an dieser Stelle auf meine nach wie vor höchst bedeutsame Regierungserklärung vom 17.10.2012 verweisen, in der ich betont habe:

“Wir erliegen nicht dem Bild des Bundesverfassungsgerichtes, dass wirklich jeder Täter geläutert, wieder gut werden kann! Das ist gerade nicht die Realität! ….Diese Konsequenz aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist unseren Bürgerinnen und Bürgern nicht zu vermitteln, …”.

Die Einbeziehung des Bundesverfassungsgerichts in unsere bahnbrechenden Fortbildungsmaßnahmen wäre ein entscheidender Schritt, dem auch von CSU-Innenminister Friedrich in die politische Waagschale geworfenen Super-Grundrecht des Sicherheitsanspruchs der Bürger im Vorrang zu allen anderen Grundrechten zum Durchbruch zu verhelfen…“

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2 Antworten zu Widerruf!

  1. Reinhold Schell schreibt:

    Bode: „Und wie macht man das am Besten? Richtig! Indem man alles falsch macht….“
    oder einfach „Schlafen“ denn den Seinen gibt es der Herr im Schlaf.

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  2. Pingback: News zu Mollath – Stand 5.08.2013 | VEREINIGUNG 17. JUNI 1953 e.V.

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