Mordserien

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Die Serie politischer Morde und Selbstmorde in der Ukraine (aktuelle Information auch hier), die seit knapp zwei Monaten mehr als ein Dutzend Opfer forderte, wird nun auch von den antirussischen deutschen Medien registriert (und verdunkelt und entschuldigt). Faschisten ermorden jetzt nicht nur, wie üblich, russische JournalistInnen oder „selbstmorden“ Exponenten des alten Systems, sie morden nun auch, wie im Falle von Oles Busina, ukrainische Patrioten. (Das letzte Interview von Oles Busina, Video mit deutschen Untertiteln.)

Alle Morde (auch zukünftige) werden praktisch sofort und endgültig aufgeklärt, mit dem immer gleichen Ergebnis: Der Russe ist schuld! Ohne Ironie: Das ist der offene Verzicht auf Rechtsstaatlichkeit. Diese Verfahrensweise ist identisch mit derjenigen, die bei allen bisher bekannt gewordenen Kapitalverbrechen der Junta praktiziert wurde, bei den Todesschüssen auf dem Maidan (damals die Junta noch auf dem Sprung ins Amt), dem Massaker von Korsun, dem Massaker von Odessa und dem Abschuss MH17.

Die Morde sollen das Regime stabilisieren durch physische Liquidation seiner Gegner und durch die Erzeugung von Angst für Leib und Leben bei allen Oppositionellen. Die Morde sind unmittelbar Instrument und Erscheinungsform der terroristischen Machtausübung. Seitdem die Faschisten in Kiew auf Vorsitzenden- und Präsidentenstühlen sitzen (und erst recht an Schreibtischen der zweiten Reihe), haben sie verstärkt „Strukturen der zuverlässigen Auftragserfüllung“ aufgebaut. Da sind keine zufällig vorbeikommenden Killerkommandos am Werk, sondern in die Tiefe reichende Strukturen, wie sie in allen entwickelten Rechtsstaaten des Westens (un)sichtbar sind. Auch ihre Erscheinungsform als eine „dritte Kraft“ ist die Beachtung wert.

Nebenher: all dies fällt zeitlich mit dem Abkommen „Minsk II“ zusammen, der Vereinbarung, garantiert auch von Merkel/Steinmeier, die Kiew zur konstruktiven Zusammenarbeit mit den Aufständischen im Donbass verpflichtet mit dem Ziel der Wahrung der legitimen Interessen aller ukrainischen Bevölkerungsgruppen.

Ich schätze, dass mit dem Anwachsen des Widerstands und der Vertiefung der Krise des Regimes seine von Anfang an bedeutenden faschistischen Komponenten an Einfluss gewinnen, sich verstärken und komplexer wirken, mit der Möglichkeit, dass sie künftig den Charakter des Regimes voll und ganz bestimmen. Die Stärke der Faschisten gründet nicht zuletzt darin (neben historischen Wurzeln), perspektivlosen jungen Menschen eine Aussicht auf eigene Lebensgestaltung und ein persönliches Kampfziel anzubieten. Dazu ermächtigt der Westen sein Statthalterregime durch massive und allseitige, d. h. finanzielle, militärische, diplomatische, personelle und propagandistische Unterstützung. Kanzlerin Merkel empfing kürzlich Jatz, dankte ihm und gewährte 500 Mio Euro Soforthilfe.

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Wenn die Logik des anhaltenden Kampfes in der Ukraine nicht nur auf offenen, sondern auch allumfassenden Faschismus hinausläuft und wenn die BRD-Regierung ihre Kooperation der ersten Stunde mit den Faschisten der Ukraine fortführt und vertieft, mit dem Ziel des eisernen Schulterschlusses und endlich der Waffenbrüderschaft, dann kommt es im „Innenbereich“, also innerhalb der BRD, zwingend, mit absoluter Notwendigkeit! und sicherlich in großer Erscheinungsvielfalt, zum Wiedererblühen des faschistischen Sumpfes. In diese Phase sind wir eingetreten. Von vielen Etablierten der Friedensbewegung und linken Bewegung wird das nicht bemerkt oder gewaltsam ignoriert, von vielen Hellwachen aber mit größter Sorge laut warnend signalisiert. Die Zeit der Morddrohungen und des beginnenden physischen Terrors ist auch in der BRD wieder angebrochen; herrschaftstechnisch der Übergang vom allgemeinen Verunsichern zum Angsterzeugen.

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„Unser“ NSU-Prozess dümpelt als unerfreuliche, vor allem aber unübersichtliche Begleiterscheinung unserer Alltage seit zwei Jahren auf den weniger wichtigen Zeitungsseiten dahin. Das Medienurteil über die beiden Uwes und Beate ist längst gesprochen und von rund 80 Mio Bundesligaexperten akzeptiert (soweit es überhaupt wahrgenommen wurde). Einzelne Journalisten (auch hier, hier) behalten aber das Ganze im Blick.

Auch unser selbstgepriesener Rechtsstaat hat also seine Mordserien. Auch hier funktioniert die „sofortige und endgültige Aufklärung“, nicht zuletzt dank „mustergültiger polizeilicher Ermittlungsarbeit“. Im Unterschied zu ukrainischen Schlagetot-Verfahren gibt es jedoch bei uns eine rechtsstaatliche Spielwiese beträchtlichen Ausmaßes, auf der sich polizeiliche und juristische Figuren tummeln. Und weil sie es z. T. öffentlich tun müssen, treten zahlreiche Widersprüche ans Licht. Die Eingriffe von dritter Seite in die Aufarbeitung der Killerszenarien sind unübersehbar und werfen die Frage nach den Tiefeninteressen auf. Warum das alles?

Kein Kritiker verfügt über das dicke Zauberbuch, in dem alle konkreten Antworten stehen. Allenfalls ein Heftchen mit politischen Erfahrungen und Überlegungen steht mir zur Verfügung. In dem lese ich, dass

– die bürgerliche Herrschaft ein permanentes Unsicherheitsgefühl der Beherrschten braucht. Gut kann regieren, wer die diffusen Ängste kennt. Man kann sie erforschen, man kann sie berücksichtigen, gar mit ihnen „jonglieren“. Lassen sie sich auch verstärken oder dämpfen, vielleicht gar „komponieren“? Ob das nicht kluge Regierungsmenschen zusammen mit klugen Dienstmenschen und klugen Propagandamenschen mal besprechen sollten? „Alles längst geregelt!“ ruft eine Stimme aus dem Hintergrund. Der widerspreche ich nicht.

– die effektive Herrschaft „Strukturen der zuverlässigen Auftragserfüllung“ braucht. Gerne auch „dritte“, „vierte“ Kräfte? All das ist nicht unendlich weit von den Bedürfnissen der „jungen ukrainischen Demokratie“ entfernt. Nur das Holz dort ist härter, und die gröberen Keile fallen etwas mehr auf. Der tiefe Staat verweist auf die Tiefe. Ist es eigentlich eine Tatsache, dass neuzivilisierte Faschisten an den Fundamenten des BRD-Staats mitgebaut haben? Gerade auch auch an den Sicherheitsstrukturen? Oder ist das Verschwörungstheorie? Ach so, längst vorbei.

Vielleicht ist es ganz banal: Die sich über Jahre erstreckende Mordserie war nicht unnützlich als Verunsicherungsstimulanz. Irgendwann aber war ’ne Korrektur fällig. Und paar untere Chargen haben auch noch gepfuscht. Wer „banal“ sagt, dem fällt auch die „Banalität des Bösen“ ein. Und hinter der gefühlten deutschen Kriminalidylle mit immer mehr Toten erscheint eine schlimme Grimasse.

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Wer über Mordserien nachdenkt, wird nicht „god’s own country“ vergessen. Doch wenn in den USA (meist weiße) Polizisten (meist schwarze) Zivilisten ermorden, so verbietet sich ein schematischer Vergleich mit dem, was uns geografisch näher liegt. Mir scheint, dass die Spuren der staatlichen Steuerung sich dort eher verflüchtigt haben; nicht in dem Sinne, dass sie unwirksam sind, eher, dass sie „in den Alltag“ eingegangen sind. Wenn der verrückte Ausdruck erlaubt ist: Alltagskultur des Mordens, Mordkultur.

Muss die MordSERIE besonders betrachtet werden? Ich denke ja. Serie bedeutet den Übergang von der Einzelheit zur Vielheit, vielleicht schon zur Allgemeinheit. Das Einzelne riecht nach Zufall. Es kann sein oder auch wegbleiben. In der Serie steckt ein Durchgängiges, ein dominierender Wille. Vielleicht gar eine Notwendigkeit? Das schlimme Einzelne erschreckt aber es kann ein Anstoß sein. Die Serie kann Gewöhnung fördern oder gar ein Nicht-wissen-wollen.

Die Serie verlangt Auseinandersetzung, Deine Arbeit, Eure Zusammenarbeit. Damit wir sie beenden können.

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4 Antworten zu Mordserien

  1. mal wieder da schreibt:

    Lieber kranich05,
    warum sind nur so viele auf dem rechten Auge blind?
    Vielen Dank für dein stetes Mühen um Wachsamkeit.
    Schönes Wochenende

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  2. icke schreibt:

    Was du hier als Morde bezeichnest, wird in den seltensten Fällen offiziell so benannt. Vorzeitiges Ableben wird in der Regel zweifelsfrei als Unfall oder Selbstmord deklariert, wie bei Mundlos und Böhnhardt und drei toten Zeugen. Auch das Abgeordnetensterben in der Ukraine beruht meist zweifelsfrei auf Suizid. Im Fall Dutroux sind mindestens 27 Zeugen ungeklärt ums Leben gekommen, ein Staatsanwalt beging Suizid. Wo es um ganz viel Geld und ganz viel Macht geht, zählen Menschenleben nichts. Und da ist es nur eine Nuance, ob man noch Untersuchungsausschüsse einsetzt, wie hier, oder ganz frech eine Suizidlawine verkündet, wie in der Ukraine. „Mord durch Unbekannte“ ist noch ein wenig schamloser. Es ist natürlich eine Machtdemonstration und Warnung an alle lebenden Widersacher.

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  3. Joachim Bode schreibt:

    Manche der übelsten Verbrecher-Regimes haben es – zumindest in ihren Anfängen – aus Gründen der „Gesichtswahrung“ vorgezogen, ihre Gegner erst nach Durchführung mehr oder weniger simulierter Gerichtsverfahren zu liquidieren.
    Mit solchen Kinkerlitzchen halten sich die Oberen in Kiew offensichtlich erst gar nicht auf……
    Ein Zeichen dafür, in welchem Stadium des Kampfes sie sich wähnen?

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