Mythos „Islamistischer Terrorismus“: Produktion, Vermarktung und Handhabung (Teil III)

von Elias Davidsson

Dritter und letzter Teil des Vortrags von Elias Davidsson auf der Freidenkerkonferenz vom 12. September 2015. Zu den Teilen eins und zwei hier. 

Dritter Teil:

Das Produkt (der Mythos) muss „verkauft“ werden – die fünf wichtigsten Propagandamethoden.

Die Zwecke, denen der Mythos des islamistischen Terrorismus dient.

Ein Fazit.

„4. Ein Produkt muss auch verkauft werden.

Zur Vermarktung des Mythos gehören nicht nur Nachrichten über konkrete Anschläge und von der Polizei gezüchtete Terrorverschwörungen, sondern auch pure Propaganda. Ich will hier die fünf wichtigsten Propagandamethoden erläutern:

(a) Öffentliche Ankündigungen
Erstens genügen für die Mehrheit der Bevölkerung Verkündigungen aus offiziellen Stellen als Beweis für die Existenz einer Gefahr. Dazu zählen behördliche Warnungen vor vermuteten Anschläge, Erklärungen und Beschlüsse von internationalen und nationalen Instanzen über die Notwendigkeit der Terrorbekämpfung, Gedenktage an den 11. September und Gerichtsurteile gegen mutmaßliche Terroristen.

(b) Massenmedien
Zweitens spielen Massenmedien eine Schlüsselrolle in der Verbreitung und Befestigung des Mythos des islamistischen Terrorismus, weil nur sie eine politische Äußerung oder Erkenntnisse über eine begrenzte Straftat in eine nationale Tragödie umdeuten können. Dass Medien den Mythos der terroristischen Bedrohung absichtlich verbreiten, kann aus ihrer systematischem Unterschlagung von Gegeninformationen abgeleitet werden. Hier nur ein Beispiel: Als im Jahre 2006 beim FBI angefragt wurde, warum bin Laden nicht wegen 9/11 angeklagt sei, gab der Sprecher des FBI zu, die Behörde besitze keine stichhaltigen Beweise für bin Ladens Beziehung zu 9/11. Der Nachrichtenwert dieser verblüffenden Antwort hätte normalerweise weltweit für Schlagzeilen sorgen müssen. Die Medien aber haben diese Nachricht nicht nur unterschlagen, sondern verbreiteten weiter die Legende, dass Osama bin Laden für 9/11 verantwortlich gewesen sei.
Während die mediale Verbreitung von Lügen durch die Pressefreiheit geschützt ist, gilt diese Freiheit allerdings nicht für den Tatbestand der Strafvereitelung, darunter Versuche der Medien die Aufklärung von Massenmorden, sei es 9/11 oder Charlie-Hebdo, zu verhindern. Hier müssten Redakteure und Journalisten zur Rechenschaft gezogen werden.

(c) Guantanámo, heimliche Gefängnisse und Gefangenenflüge
Drittens haben die CIA und das Pentagon nach dem 9/11 ein weltweites Netz von Gefängnissen für angebliche Terroristen aufgebaut. Mutmaßlicher Zweck dieser Maßnahmen war Helfer und Helfershelfer der Anschläge zu verhaften und vor Gericht zu stellen. Doch keiner der Tausende Gefangenen wurde wegen irgendeines Terroranschlags verurteilt, geschweige denn wegen 9/11. Daraus ergibt sich, dass die Gefängnisse für andere Zwecke errichtet worden sind. Warum haben die Medien aber über die Behandlung der Gefangenen so umfassend und kritisch berichtet, während sie über die eigentlichen Anschläge keine kritischen Fragen stellten und duldeten? Hier treffen wir auf eine bewährte Propagandamethode. Es handelt sich um die diskrete Einbettung einer propagandistischen Lüge in den Kontext einer inszenierter Debatte. Durch wiederholte Berichte über die mutmaßliche Misshandlung von Gefangenen in Guantánamo wurde eine Debatte über die Zweckmässigkeit und Rechtmässigkeit der Folter in der Bekämpfung des Terrorismus inszeniert. Damit wurde die implizite Annahme transportiert, die Gefangenen hätten etwas mit Terrorismus oder mit 9/11 zu tun. Menschenrechtsorganisationen konnten sich damit als Kritiker der US-Regierung zur Schau stellen, ohne jedoch die offizielle Legende des 9/11 in Frage zu stellen.

(d) Hassprediger
Viertens erfüllen sogenannte Hassprediger zwei Funktionen zur Pflege des Terrormythos. Erstens dienen sie als Anziehungsmagnet für junge frustrierte Muslime. Die Prediger spielen damit eine ähnliche Rolle wie die schon erwähnten V-Männer des FBI. Ihre zweite Funktion besteht darin, das öffentliche Gesicht des gewalttätigen Islam zu präsentieren. Deshalb werden sie von zuständigen Behörden toleriert und eifrig von Massenmedien interviewt. Man kann davon ausgehen, dass bekannte Hassprediger enge Beziehungen zu Sicherheitsbehörden unterhalten. Nehmen wir zum Beispiel Dr. Yahia Yousif, einen Hassprediger, der in Neu-Ulm tätig war und bei der angeblichen Radikalisierung der Mitglieder der Sauerlandgruppe mithalf. Yousif war aber gleichzeitig ein Mitarbeiter des baden-württembergischen Verfassungsschutzes und soll sogar das Amt in einer internationalen Tagung vertreten haben.

(e) Terrorvideos
Eine der neueren Methoden zur Pflege des Mythos ist die kolportierte Behauptung Al Qaeda oder der Islamische Staat hätten ein Medienimperium aufgebaut. Sie sollen weltweit Zeitschriften und Gräuelvideos verbreiten, um junge Muslime zum Dschihadismus zu verführen. Es ist allerdings merkwürdig wie wenig über die Logistik dieses Medienimperiums berichtet wird, als wären CIA und NSA nicht in der Lage die Druckereien und Studios der Terroristen aufzuspüren. Ich möchte daher den amerikanischen Schnüfflern und ihren deutschen Helfern hiermit die Adresse des Hauptvertriebes des terroristischen Medienimperiums verraten: Es handelt sich um SITE Intelligence Group, 4938 Hampden Lane in Bethesda, Maryland. Das Büro von SITE liegt daher nur 11 Meilen entfernt vom Hauptquartier der CIA. SITE wurde von der Israelin Rita Katz gegründet und ist von ihr geleitet. Diese winzige Firma soll über die Fähigkeit verfügen, islamistische Webseiten und Foren weltweit 7 Tage in der Woche zu überwachen. SITE dient als Hauptvertrieb von dschihadistischen Videos aber verrät nicht die Adressen der Lieferanten, denn diese gelten als Geschäftsgeheimnisse. Rita Katz wird oft von herrschenden Medien, von der Bild Zeitung bis zur New York Times, als Kennerin der dschihadistischen Szene zitiert. Etwas peinlich war es daher vor einigen Monaten als CNN darüber berichtete, SITE hätte ein Gräuelvideo des Islamischen Staates früher veröffentlicht als die Terroristen selbst. Da stellt sich eben die Frage ob der Islamische Staat seine Gräuelvideos bei Rita Katz bestellt oder ob diese Partner nur ein Koordinationsproblem hatten.

5. Zwecke.
Welchen Zwecken dient der Mythos des islamistischen Terrorismus? Ich habe zumindest sechs erhebliche Zwecke festgestellt.
(a) Überwachung der Bevölkerung
Zuallererst können Regierungen sich auf den Mythos berufen, um ihre massive Überwachung der Bevölkerung zu begründen. Durch den Verweis auf die vermeintliche Gefahr des Terrorismus werden die wahren Ziele der Massenüberwachung getarnt, nämlich die Überwachung und Unterwanderung von Kampagnen gegen den Kapitalismus und den Imperialismus, aber auch die Sammlung von kompromittierenden Informationen über Schlüsselpersonen, die es dem Staat und seinen Kunden ermöglichen, diese Personen zu vereinnahmen oder zu erpressen.
(b) Abbau der öffentlichen Transparenz
Zweitens erhalten Regierungen durch dem Hinweis auf die angebliche Verwundbarkeit des Staates einen willkommenen Vorwand zum Abbau der öffentlichen Transparenz. Folglich werden immer mehr öffentliche Sachverhalte als Verschlusssachen behandelt. Als Beispiel sei erwähnt, dass Strafurteile über vermeintlichen Terroristen in Deutschland als Verschlusssache gelten.
(c) Militarisierung der öffentlichen Gewalt.
Drittens werden Bundeswehrsoldaten und Polizei zur Bekämpfung der städtischen Bevölkerung geschult, um den erwarteten antikapitalistischen Aufruhr vorzugreifen. So sollen z. B. rund 100 Bundeswehrsoldaten im Herbst in Israel für Kämpfe in urbanem Gelände trainiert werden, um gegen vermeintlichen Terroristen vorzugehen.
(d) Förderung von imperialen Interessen.
Viertens trägt der Mythos zur Durchsetzung imperialer Zwecke bei. Dazu zählt die Rechtfertigung von Angriffskriegen und militärischen Einsätzen überall auf der Welt, wo die besagten islamistischen Söldner sich angeblich tummeln. Aber auch Wirtschaftsspionage wird unter dem Vorwand der Bekämpfung von Terrorfinanzierung geführt. Und letztlich wird die Schaffung einer Europäischen Armee, wie es kürzlich EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, mit der Zustimmung der Bundeskanzlerin, forderte. Diese Armee soll auch Terroristen bekämpfen.
(e) Schwächung der demokratischen Kräfte.
Fünftens schürt der Mythos des islamistischen Terrorismus zwangsläufig Feindseligkeit gegenüber bei uns lebenden Muslimen. Rassismus ist ein zuverlässiges Werkzeug, um die Mehrheit der Bevölkerung gegen eine Minderheit zu hetzen und dadurch die Solidarität der Menschen untereinander zu schwächen. Mit der Instrumentalisierung des Rassismus hat die deutsche Elite eine lange und üble Erfahrung.
Der Mythos hat aber auch progressive Kräfte geschwächt. Große Teile der Friedensbewegung, Menschenrechtsorganisationen und Gegner des Rassismus haben den Mythos des islamistischen Terrorismus verinnerlicht. Zwar beanstanden sie Ausschreitungen im Krieg gegen den Terrorismus, bezweifeln aber nicht die Existenz der terroristischen Gefahr. Die Friedensbewegung ist daher nicht in der Lage, Politiker als Lügner zu entblößen, wenn sie den Krieg gegen Afghanistan als eine Antwort auf 9/11 darstellen. Menschenrechtsorganisationen, die den Mythos verinnerlicht haben, akzeptieren damit die Notwendigkeit der Terrorbekämpfung und die Notwendigkeit der staatlichen Überwachung. Gegner des Rassismus können nicht Islamophobie erfolgreich bekämpfen, solange sie den Mythos des islamistischen Terrorismus akzeptieren. Diese Selbstverstümmelung beruht weitgehend auf der Verinnerlichung des Mythos.
(f) Eine neue Industrie.
Parallel zu politischen Zwecken hat der Mythos des internationalen Terrorismus erheblich zur Entstehung der neuen Sicherheitsindustrie beigetragen. Diese Industrie besteht aus Produzenten und Lieferanten von Produkten und Dienstleistungen zur Überwachung von Bevölkerungen, zur Identifikation und Lokalisierung von Menschen, Fahrzeugen und Geräten, zur massiven Speicherung und Bearbeitung von persönlichen Daten, und zur räumlichen Abgrenzung von Gebäuden, Geländen und Gebieten. Diese Industrie profitiert unmittelbar von Terroranschlägen und Drohszenarien. Ihr Umsatz betrug im Jahre 2013 schon $415 Milliarden. Israel kommt bei der globalen Entwicklung der sogenannten Antiterrortechnologie eine zentrale Rolle zu, weil Israel seine Technologie an der eingezäunten palästinensischen Bevölkerung ausprobieren kann. Der israelische Filmmacher Yotam Feldman bezeichnete die palästinensische Gebiete als ein Labor für die israelische Sicherheitsindustrie und dokumentierte diese makabre Machenschaft in seinem Film, den er zutreffend “das Labor” nannte. Das Film kann übrigens auf Youtube gesichtet werden.

Fazit
(1) Die herrschende Klasse ist heute in der Lage einen globalen öffentlichen Mythos herzustellen, ohne eine sichtbare Weltdiktatur zu errichten;
(2) Die Pflege des Mythos des internationalen Terrorismus gehört heute zur Tagespolitik der Regierungen aller Schattierungen;
(3) Die Pflege des Mythos verlangt periodische Terroranschläge gegen die eigene Bevölkerung oder zumindest die Inszenierung von vereitelten Terrorversuchen, die Islamisten zugeschrieben werden;
(4) Der Mythos versorgt Regierungen mit der Rechtfertigung zur Errichtung eines Polizeistaates und zur Teilnahme an imperialistischen Kriegen.
Mythen können zwar sehr wirksam sein, aber da sie auf Betrug beruhen, kann der Mythos durch Aufklärung seine Wirksamkeit verlieren. Die Neigung der heutigen Regierungen, sich auf Betrug zu verlassen, verrät die strukturelle Schwäche des politischen Systems und bietet Demokraten eine historische Gelegenheit, die Verlogenheit der Institutionen zu entblößen und damit die Systemfrage auf der Tagesordnung zu stellen. Die entschlossene Aufhebung des Mythos des islamistischen Terrorismus bietet eine vielversprechende Strategie zur Verteidigung des Friedens, der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie. Wir sollten diese einmalige Gelegenheit nicht vergeuden.“

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4 Antworten zu Mythos „Islamistischer Terrorismus“: Produktion, Vermarktung und Handhabung (Teil III)

  1. rheinlaender schreibt:

    Einen der besten Beiträge, die ich je gelesen habe. Der ist so logisch, einfach verständlich, der erklärt Zusammenhänge mit Fakten, ohne sich in DUMME Details zu verrennen. Dieses Argumentationsmuster ist genau das richtige für die Strasse, Verein, „Stammtisch“; also für die tägliche Praxis.

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  2. Lutz Lippke schreibt:

    Zur Mythenproduktion gibt es langen Vorlauf. So schreibt DER SPIEGEL 32/1991 zum Mythos der Gefahr aus dem Osten in der Zeit des Kalten Krieges:
    „Der Angeklagte Alfred Spuhler hat sich ausführlich zu seinen Beweggründen erklärt. 1972 habe er sich entschlossen, zu einem „Revolutionär für den Frieden“ zu werden. Er arbeitete seit 1968 beim BND. Es stand für ihn fest, „daß es dem Westen nicht um die Herstellung des militärischen Gleichgewichts ging. Vielmehr galt der Ausspruch eines amerikanischen Präsidenten: ,Wir werden sie an die Wand rüsten, bis sie quietschen.'“ Im Westen sei „die Angst der Bevölkerung vor einer angeblichen östlichen militärischen Überlegenheit“ geschürt, den Menschen „ständig eine östliche Angriffsgefahr“ vorgegaukelt worden.“
    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13487456.html

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