stupid german men? (1)

„Die Demokratie in Deutschland 2013 ist die Sache einer kleinen radikalen Minderheit.“ (Georg Seeßlen)

Der Mollathskandal ist vorüber. Er macht sich aus wie ein kleiner Wirbel im vorübergleitenden Wasser des dunklen Stroms. An der Oberfläche des  Stroms zeichnen sich weitere Wirbel ab, kleinere (Ulvi Kulac), größere (hessische Steuerfahnder), abgelegene (die mutmaßlichen NSU-Morde). Der Strom fließt ruhig durch die deutschen Lande, bewässert grünende Auen, kühlt Atomkraftwerke, trägt dort, wo er „meerbreit ausgeht“ stolze Schiffe, mit Exportgut beladen.

Der Mollathskandal, wie kein anderer, hatte das Potential, ein Röntgenbild der BRD-Gesellschaft zu Anfang des 21. Jahrthunderts zu liefern. Er (in der Zusammenschau mit den genannten anderen „Wirbeln“) war zugleich Prüfstein der Selbsterkenntnis dieser Gesellschaft. Das hing mit seiner Vielgestaltigkeit und Tiefenverwurzelung zusammen.

1- An der Oberfläche lieferte er ein geradezu exhibitionistisches Schauspiel der über ein Jahrzehnt währenden Rechtsbeugung und des Psychiatriemißbrauchs (Vergl. u.a.: Strate, Weinberger) vornehmlich (aber nicht nur) in Bayern. Korruption der Judikative und, darf ich so sagen?, der Medikative im Rechtsstaat BRD.

2- Die tieferen oder, um das Wort „Tiefe“ zu vermeiden, die weniger vordergründigen Schichten des Skandals betreffen die Exekutive, vornehmlich (aber nicht nur) bayerische Landesregierungen – Beckstein, Stoiber, Faltlhauser, Seehofer, Merk, Haderthauer, Söder, Leutheusser-Schnarrenberger usw. usf.

3- Die eigentliche Tiefenschicht des Skandals ist, dass Interessen der deutschen und internationalen Finanzindustrie berührt waren, repräsentiert vor allem durch die Institute HVB, HRE und Bayern LB und geschmückt am Ende mit illustren Namen, wie Merkel, Ackermann, Steinbrück. Dazu konnte es nur kommen, weil Mollath sich Insiderwissen verschaffen konnte, mit dem er tapsig umging. Das Ganze wurde nur dadurch ein öffentliches Ereignis, dass der Himmel ein vertrauliches Papier, ein einziges!, regnen ließ (den Sonderrevisionsbericht der Bank).

4- Bestandteil des Skandals und seine ständige Begleiterscheinung war die Beeinflussung der Öffentlichkeit durch die Medien (Massenmedien im herkömmlichen Sinne und weitere Machtmedien) – Verschweigen, Leugnen, Fälschen, Verwirren, Kanalisieren, bis hin zu punktueller, gleichwohl in mehrfacher Hinsicht bedeutsamer Aufklärung.

Die Aspekte 1 bis 4 in ihrem Zusammenhang genommen, bildeten eine „Steilvorlage“ für eine radikaldemokratische Kritik der gegenwärtigen Verfasstheit und Entwicklungstendenz der BRD-Gesellschaft.

Heute ist der Gesellschaftsskandal „Mollath“ ausgestanden. Sein gesellschaftliches Erkenntnis- und Veränderungs/Reformpotential ist fast vollständig zerstört oder zumindest unwirksam gemacht worden. Geblieben ist eine vorsichtige Diskussion über einige (keineswegs belanglose) Fragen der Zwangspsychiatrie sowie bestimmte mögliche Verbesserungen in der Rechtspflege.

Es dürfte sich lohnen, über das Was, Wie und Warum des Geschehens einige Beobachtungen festzuhalten; doch auch, sich von manchen Einzelheiten abzuwenden und erste Verallgemeinerungen zu versuchen.

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18 Antworten zu stupid german men? (1)

  1. Andreas Wittmann schreibt:

    Lieber Herr Seeßlen,

    Sie schreiben so pessimistisch „Heute ist der Gesellschaftsskandal „Mollath“ ausgestanden.“ und machen gleichzeitig deutlich, dass er es nicht ist!

    Rilke kommt mir in den Sinn:

    Der Panther

    Im Jardin des Plantes, Paris

    Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
    so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
    Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
    und hinter tausend Stäben keine Welt.

    Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
    der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
    ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
    in der betäubt ein großer Wille steht.

    Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
    sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
    geht durch der Glieder angespannte Stille –
    und hört im Herzen auf zu sein.

    Rainer Maria Rilke, 6.11.1902, Paris

    Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass sich der Vorhang der Pupille erneut aufschiebt, wir, die Gesellschaft im Käfig erneut Bilder aufnehmen und hoffentlich dann nicht mehr müd geworden an weiteren tausend Stäben vorübergehen, dass der Wille nicht mehr betäubt steht, sondern das der Tanz von Kraft sich entfalten kann.

    Ihr

    Andi Wittmann

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  2. Joachim Bode schreibt:

    Mit diesem hier beschriebenen Schicksal dürfte der Mollath-Skandal beileibe nicht allein stehen. Die Geschichte – auch und vor allem der BRD, wo doch der Anspruch so hoch gehängt ist, dass man ihn angesichts der gesellschaftlichen Realitäten immer wieder verfehlen muß – gibt unzählige Beispiele für derartiges Scheitern. Im vorliegenden Fall mag es auch daran liegen, dass die gefühlte Betroffenheit eher im Randbereich der Bevölkerung vorzufinden war.

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    • Joachim Bode schreibt:

      Kleine Ergänzung (weil es auch in Nürnberg angefangen hat…):
      Der KOMM-Skandal -http://de.wikipedia.org/wiki/Massenverhaftung_von_Nürnberg – nahm ähnlichen Verlauf und zeugte anschaulich von den damals schon entwickelten „Selbstheilungskräften“ dieser unserer ach so rechtsstaatlichen Gesellschaft.

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  3. Pingback: Zitat des Tages | Kommentare aus der AMAZONAS-Box

  4. Lutz Lippke schreibt:

    Viele haben undefiniert Angst. Es gibt wohl allen Grund dazu. Solange „Brot und Spiele“ die Auswirkungen von Rechtlosigkeit und Demokratieabbau noch als das Problem Einzelner, Sonderbarer oder Randgruppen erscheinen lassen, bleibt man lieber in der Menge und illusioniert sich mit Technik-Gimmicks, kleinen Besitzständen und persönlichen Freiheiten. Außerdem ist die Welt heute doch sehr komplex, so dass selbst einfachste Wahrheiten im Trubel untergehen.
    Aber auch „Oben“ sitzt die Angst im Nacken, die Verwirrung und das ungute Gefühl irgendwann fällig zu sein.
    Ich schocke manchmal moderat die nicht gedienten Kriegsveteranen (in der Welt aufräumen) und demnächst Rentenerwarter (meine Rente ist sicher) in meiner Umgebung mit dem Zweifel daran, dass meine Kinder deren Kriege führen werden und sich an deren Generationenvertrag halten. Warum sollten sie?

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  5. Franz-Xaver Gabler schreibt:

    Nicht nur Mollath selbst ging mit Insiderwissen tapsig um. Auch seinen Unterstützern mangelte es im Eifer des Engagements wohl oft an der Geschicklichkeit, den ohnehin schon skandalösen Fall nicht noch zu Lasten der Glaubwürdigkeit unnötig aufzubauschen:
    http://twitlonger.com/show/n_1rt8m38
    Man sollte das Essen nicht heißer servieren wollen, als es gekocht wurde.

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    • kranich05 schreibt:

      Ich habe den von Ihnen erwähnten Gernot Köpke-Kommentar im opablog, bei dem ihm nach seiner Auskunft ein Fehler unterlaufen war, korrigiert.

      Ihre Behauptung, dass Mollath-Unterstützer den Fall oft zu Lasten der Glaubwürdigkeit aufgebauscht haben, halte ich für unzutreffend. Vielleicht können Sie ja mal eine Anzahl Belege bringen?

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    • Joachim Bode schreibt:

      Herr Gabler macht sich selber mit seinem Beitrag so lächerlich, dass man erst gar nicht auf die ausbleibenden Belege für seine abstruse Behauptung warten muß.

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    • Joachim Bode schreibt:

      Es mit SICHERHEIT kein Beleg von Franz-Xaver Gabler kommen, ist er doch der fiktive Vater der ebenso fiktiven Erika Mustermann, deren Name zur Vorstellung u.a. der Personalausweise benutzt wurde:

      http://de.academic.ru/dic.nsf/dewiki/462470

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  6. Lutz Lippke schreibt:

    Allerdings ein schönes Beispiel für gelegentlich auch hier praktizierte Investigativ-Spielereien. Wobei ich von weitgehend Vergangenem spreche. Ich möchte mal kranich05 als „Steuermann“ loben, mir ist derzeit nur ein Link aufgefallen, den ich entfernen würde. Aber hier als Leichtmatrose an Bord, da will ich mich mal zurückhalten.

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  7. Lutz Lippke schreibt:

    Hat mich gelinkt der gemeine Link. Ich könnt schwören, er war rechts irgendwann. Alles gut.

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    • kranich05 schreibt:

      Das stimmt sogar. Mir war solcher mal unterlaufen, den ich dann, als ichs bemerkte rausschmiss. Eiserne Regel für den Admin: JEDEN Link überprüfen! Ist aber manchmal schwer einzuhalten.

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  8. walterfriedmann schreibt:

    Hat dies auf Walter Friedmann rebloggt und kommentierte:
    Demokratie in Deutschland

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  9. freumich schreibt:

    Ich finde es zu oberflächlich, einfach zu sagen, Mollath sei mit seinen Infos tapsig umgegangen.Schließlich war er ja kein ausgebildeter Jurist oder abgwichster Banker. Außerdem kann man solche Bösartigkeiten, wie sie Mollath widerfahren sind, nicht voraussehen, wenn sie einem selber völlig wesensfremd sind, wie das hier der Fall war. Sicher, es ist erstaunlich, daß er den wahren Charakter seiner damaligen Frau so lange nicht gesehen hat, aber Liebe macht bekanntlich auch mitunter blind und er hat sie ja geliebt, wie er sagt. Nein, das Tragische und Aufschreckende an diesem Fall ist ja gerade, daß im Grunde jedem Mitglied dieser von Verbrechen durchwachsenen Gesellschaft so etwas passieren kann!

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    • tokchii schreibt:

      Und wenn es anders wäre, würde uns die Obrigkeit nicht einreden, Deutschland ginge es wirtschaftlich zunehmend besser. Zumindest für die Masse ist dies unzutreffend. Die die Wirtschaftsdaten pushenden Rüstungsexporte haben nur wenige Profiteure und zwingen den Rest, mit dem Gewissen leben zu müssen, dass der wirtschaftliche Erfolg ihrer Nation mit dem Blut unzähliger Zivilisten bezahlt wird, und damit, dass sie selbst leider am ehesten noch ausgebeutet und verblendet werden um weiterhin treu dieser dubiosen Obrigkeit, die außer ihren eigenen niederträchtigen wirtschaftlichen Interessen keinerlei humane Ziele hat, zu dienen. Kein Wunder, dass in einem solchen Land sich selbst die Sonne immer seltener Blicken läßt!!!

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      • freumich schreibt:

        Das will ich alles gern auch mit tragen, was Sie hier schreiben. Ja, unsere liebe Sonne wird ja leider auch zunehmend vernebelt. An einem dieser Tage im vorletzten Sommer bin ich zum ersten mal soz. auf offener Straße kollabiert, habe kurzzeitig das Bewußtsein verloren und konnte gerade noch abwenden, daß mich Sanis ins Krankenhaus transportierten, weil ich wieder zu Bewusstsein kam und unterschreiben konnte, daß ich das nicht will. Seitdem bin ich da vorsichtig geworden. Ich gehe bei derart starken Chemtrail- Ausbringungen im Sommer möglicht nicht mehr allein nach draußen. Danach hatte ich noch mal im Netz recherchiert und bin dann letztendlich auf diese Adresse gestoßen:www.pbme-online.org und auch Mitglied geworden. Die Hintergründe des „Wettermachens“ werden ja genauso vernebelt, wie unsere Sonne. Was dahintersteckt erfährt man erschreckend detailliert durch das Werk der kürzlich verstorbenen Rosalie Bertell: „Kriegswaffe Planet Erde“. Ich wage es immer noch kaum irgendwo zu sagen oder zu schreiben, daß wir heute in einer von Bosheit und Niedertracht regierten Welt leben. Die meisten Menschen finden das immer noch „zu unwissenschaftlich“ oder zu „religiös“ oder einfach nur „zu extrem“.
        Aber es ist ja nun auf allen Ebenen ganz offen sichtlich. Der Dreck schaut überall unter dem Teppich der Propaganda derer hervor, die tatsächlich zu glauben scheinen, sie könnten als Wenige von dem ganzen Dreck, den sie über den Rest der Welt ausschütten lassen, noch provitieren. Man kann es sich nicht vorstellen als klar denkender Mensch, was in deren Köpfen eigentlich vor sich geht. Aber ich glaube nicht, daß die sich wirklich noch wohl fühlen können. Sie sitzen in geistiger Unfreiheit zwischen einer alles vernichtenden Maschinerie als Schräubchen, aber wollen immer noch glauben, sie könnten alles zu ihrem Vorteil steuern. Das Geld wird irgendwann ganz plötzlich und unerwartet seinen Wert verlieren und dann rette sich, wer kann angesichts der zerstörten Lebensgrundlage für uns alle, unsere Mutter Erde!

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