Um die „res publica“, die öffentlichen Angelegenheiten, in unserem „besten Deutschland aller Zeiten“ steht es übel. Die Traditionsparteien sind von Korruption durchdrungen. Sie kennen nur einen Auftrag – die jeweiligen Interessen der Machthaber zu bedienen. Neugründungen, die Besserung versprechen, bleiben entweder dauerhaft marginal, oder sie folgen schon bald den alten Spielregeln.
Mit reicher Herrschaftserfahrung und bewährten aber auch neuen Manipulationstechniken und nicht zuletzt großer Medienmacht wird das Volk, obwohl es sich zunächst oft sträubt, gegen seine Interessen gesteuert. Es ist und bleibt immer wieder in konkurrierende Grüppchen und streitende, ohnmächtige Einzelkämpfer geteilt.
Dennoch besteht kein Grund zur Resignation. Die Spaltung der Gesellschaft hat sich zwar vertieft und steigert sich zusehends ins Unerträgliche, aber es wächst auch die Bereitschaft, sich zur Wehr zu setzen.
Einige volksverbundene Gesellschaftskritiker und -theoretiker haben die Dynamik der politischen Widersprüche in der Gesellschaft gründlich analysiert, in verständlicher Sprache erläutert und praktisch-politisch umsetzbare Vorschläge gemacht. Hier nenne ich nur die Namen Prof. Rainer Mausfeld, Prof. Ingeborg Maus, Dr. Werner Rügemer.
Ein weiterer positiver Faktor ist die in drei Jahrzehnten Internet entstandene breitgefächerte aktive Szene alternativer Medien und alternativer Kommunikation. Diese Stimmen kommen von der Basis. Der Herrschaft sind sie ein Graus und werden daher gern als „Schwurbler“ bezeichnet. Täglich erreichen sie mehr als hunderttausend Menschen.
Neben der internetbasierten alternativen Medienszene, mit ihr sich vielfältig überschneidend aber nicht mit ihr deckungsgleich, spielen die alternativen Akteure der Straße eine eigenständige und lokal oft erhebliche Rolle. Zu nennen sind die vielen Initiativen „XY steht auf“, Montagsdemos, Spaziergänge, ökologische Initiativen, Werbekampagnen für Petitionen, einst Pegida und viele mehr.
Schließlich sind auch verschiedene Organisationen der demokratisch-aufklärerischen und linken politischen Tradition in Deutschland nicht zu vergessen. Nicht alle sind den schmählichen Weg der SED-PDS-Linke gegangen. Einige vertreten eine prinzipielle, aus langer Erfahrung gespeiste Systemkritik. Ihre Mitgliederzahlen sind meist gering, die Mitgliedschaft oft überaltert, die öffentliche Wirksamkeit entsprechend begrenzt. Aber manche der vertretenen alten Einsichten sind gültig und wertvoll.
Das Gesamtbild zeigt somit eine Vielzahl basisdemokratischer Initiativen, in denen das Volk seinen Anspruch auf Souveränität zum Ausdruck bringt.
Die Auswirkungen und Ergebnisse all dieses geistigen und organisatorischen Aufwands auf der Ebene der Machtverhältnisse der Gesellschaft und damit letztlich für ihre Gesamtverfassung sind jedoch unbefriedigend, nicht selten gleich Null. Mit anderen Worten: Die gegebenen Möglichkeiten werden völlig ungenügend ausgeschöpft. Die Situation wird oft (deprimiert) „geschluckt“, manchmal auch schöngeredet oder – bis zur nächsten (wieder unbefriedigenden) Aktion – stoisch ignoriert.
Ich meine, dass es überfällig ist, die Stagnation im Kampf um echte Demokratie, um Basisdemokratie und Volkssouveränität zu analysieren und dabei vor allem die selbstgemachten Fehler und Versäumnisse schonungslos aufzudecken. Dann wird es möglich, eine erfolgversprechende Strategie zu entwickeln und mit systematischer praktischer Arbeit zu ihrer Umsetzung zu beginnen.
Hierzu einige Anregungen (die Numerierung dient nur der Orientierung, stellt keine Rangfolge dar):
1. Nicht am Anfang steht die Schaffung einer politischen Partei. Zweifellos ist eine machtvolle „Deutsche Partei der Volkssouveränität“ wünschenswert und notwendig. Sie kann aber nicht einfach gegründet werden. Sie muss eine besondere neue Partei sein und kann sich nur schrittweise entwickeln. Ich schätze, das wird fünf Jahre dauern, eher mehr.
2. Am Anfang sehe ich die Initiative Einzelner bzw. einer kleinen Gruppe, die ein strategisches Ziel und Eckpunkte einer Programmatik erarbeitet. Das mag weniger als ein halbes Jahr dauern.
3. Im nächsten Schritt sollte mit dieser Position und auf der Basis vorhandener Kontakte ein möglichst großes Netzwerk geschaffen werden, dessen Einzelinitiativen sich mehr oder weniger weitgehend mit der vorgelegten Position identifizieren, sie aktiv gesellschaftlich vertreten und zugleich zur weiteren Selbstverständigung und Selbstorganisation des ganzen Netzes beitragen. Für diese Arbeit kann ich mir eine Zeitraum von drei Jahren vorstellen.
(Wahrscheinlich ist es in diesem Zusammenhang nützlich, von den Techniken der Herrschaftsseite zur Entwicklung „zivilgesellschaftlicher Initiativen“ bis hin zu Farbrevolutionen zu lernen. Beispielhaft verweise ich auf die Entwicklung der „Omas gegen Rechts“. Diese Initiative hat in sechs Jahren (mit tatkräftiger Unterstützung des Systems!) viele tausend Mitglieder in mehr als 300 Regionalgruppen gewonnen und vernetzt.)
Wir sollten wirklich ernsthaft studieren und lernen, wie das System mit großem Erfolg Pseudo-Graswurzelbewegungen schafft, in Bewegung setzt und bis zur Größe politischer Machtfaktoren aufbaut.
Hauptmerkmal der Stufe 3 sollte Aktivierung, Verbreiterung und Selbstverständigung sein; noch nicht Verbindlichkeit bzw. organisatorische Einheitlichkeit.
4. In der nächsten Entwicklungsstufe sollte aus dem entstandenen Netz heraus (ohne es jemals komplett zu ersetzen) eine relativ verbindliche organisatorische Beziehung zwischen den Elementen, die das wünschen, geschaffen werden. Vielleicht bietet sich dafür die Form eines Vereins an. Es geht darum, dass die einzelnen Potentiale wirkungsvoller koordiniert werden, dass Integrationseffekte zur Wirkung kommen und generell die politische Handlungsfähigkeit erhöht wird.
Wie angedeutet, sollte dieser Schritt erst nach mehrjähriger Vorbereitung vollzogen werden und wird selbst zumindest ein, zwei Jahre dauern.
5. Erst nach all diesen Prozessen der Stufen 1 bis 4 scheint mir die Gründung der politischen Partei auf die Tagesordnung zu kommen.
Noch einmal zu Punkt 2, dem strategischen Ziel und den Eckpunkten einer Programmatik:
– Die gesamte Bewegung stellt sich direkt und offen in das Konzept einer multipolaren Welt.
– Deren Elemente sind souveräne (basisdemokratische) Nationalstaaten oder demokratisch verfasste Staatenverbünde.
– Konflikte zwischen den Staaten werden zunehmend gewaltfrei gelöst. Reduzierung der Rüstung auf breiter Front wird möglich.
– Die deutsche Souveränität und wirtschaftliche Perspektive wird entscheidend gesichert durch stabile Beziehungen mit Russland und darüber hinaus Eurasien.
– Jegliche Atomwaffen werden aus Deutschland abgezogen. Alle amerikanischen Truppen verlassen Deutschland.
– Deutschland strebt eine engere Koordinierung und Kooperation der deutschsprachigen Länder an und bemüht sich um eine soliden Staatenverbund in Mitteleuropa ohne bürokratische Auswüchse.
– In Deutschland wird eine langfristig orientierte Verfassungsbewegung gestartet mit dem Ziel, in fünf bis sieben Jahren gemäß Artikel 146 GG zu verfahren:
„Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“
– Dadurch, dass die neue Verfassung die Basisdemokratie erstmals in Deutschland als dauernden Prozess verwirklicht, wird die Verselbständigung von Macht gegen das Volk zuverlässig verhindert.
– Die neue Demokratiebewegung startet und geht einher mit einer umfassenden Förderung der politischen Volksaufklärung und -bildung.