„Gesellschaftsrat“ – scheindemokratische Mogelpackung der Letzten Generation

Die Blockade von 100 Autofahrern durch fünf „Klima-Kämpfer“, die sich auf die Straße geklebt haben, gibt ein anschauliches Bild der Missachtung des Willens einer Mehrheit durch eine kleine Gruppe.
Ausdrücklich vertrat diese Haltung auch die Sprecherin der Letzten Generation (LG) Aimée van Baalen als sie während einer Pressekonferenz gefragt wurde, wie sich LG zum Ergebnis des Berliner Klima-Volksentscheids stelle.

Bekanntlich hatten am 26.3.2023 beim Berliner Volksentscheid über den Gesetzesvorschlag, dass die Stadt Berlin bis zum Jahr 2030 klimaneutral werden sollte, nur 442.028 Bürger von 2.430.073 Stimmberechtigten, also knapp über 18%, mit „Ja“ gestimmt. Damit wurde dieser Vorschlag durch eine basisdemokratische Entscheidung abgelehnt. (Und dass trotz massiver Spenden an die Initiative Berliner Klimaneustart vor allem aus den USA und von geschäftlich interessierten Unternehmen.)

Sprecherin Aimée van Baalen hebt in der erwähnten Pressekonferenz hervor, dass gegenüber dem Volksentscheid, „bei dem man nur ein Kreuz setzt“ LG einen „komplett anderen Ansatz“ vertritt, den des Gesellschaftsrats. Kein Wort darüber, dass der Volksentscheid über einen „Klima-Bürger*innenrat“ vorbereitet wurde, dass umfangreiche Diskussions- und Werbemaßnahmen dem Entscheid vorausgingen.
Im Ausblenden unerwünschter Fakten scheint es Frau v. Baalen mit jedem gestandenen Politiker aufzunehmen.

Betrachten wir näher die zentrale LG-Forderung des Gesellschaftsrates.

  1. Der Gesellschaftsrat ist kein Gremium, das basisdemokratische Entscheidungen trifft, sondern eine „geloste Notfallsitzung„, die Empfehlungen an Regierung und Bundestag, die gewählten Organe der repräsentativen Demokratie, erarbeitet.
    Das Neue ist, „dass die Regierung öffentlich zusagt, die mit den erarbeiteten Maßnahmen verbundenen Gesetzesvorhaben in das Parlament einzubringen. Wir fordern außerdem, dass die Regierung die für die Maßnahmen und Gesetzesvorhaben nötige Überzeugungsarbeit im Parlament leistet und dass sie öffentlich zusagt, nach Verabschiedung der Gesetze diese in einer beispiellosen Geschwindigkeit und Entschlossenheit umzusetzen.“ (Quelle aller folgenden Zitate (kursiv) zum Gesellschaftsrat hier.)

Welche Garantien hat LG dafür, dass Regierung und Parlament in der empfohlenen Weise agieren? Keine. Enttäuschung ist vorprogrammiert.
LG ist entweder so naiv zu glauben, dass Forderungen nur „ganz doll entschlossen“ vertreten werden müssen, um erfüllt zu werden oder viel mehr beabsichtigt sie so viel öffentlichen Druck und Blockaden aufzubauen, dass dies schließlich zu einer Notstandsituation führt, in der dann ein Retter für Klima und die Menschheit erscheinen muss.

2. Der Gesellschaftsrat ist in seiner Themen- und Aufgabenstellung nicht frei. Die „physikalische Realität“ (aus dem Munde von LG) gibt ihm vor, in wenigen Monaten einen „Transformationsplan Deutschland 2030“ zu erarbeiten, „Das Ziel ist ein Ende fossiler Rohstoffe bis 2030 um zudem der völkerrechtlich verbindlichen Vereinbarung von Paris und dem Versprechen, das 1,5 Grad einzuhalten, zu folgen.“
Die Möglichkeit z. B., dass der Gesellschaftsrat aus gegebenem Anlass etwa Empfehlungen zu Krieg und Frieden erarbeiten will oder zu einem anderen relevanten Thema, liegt außerhalb des Horizonts von LG.

3. Der Gesellschaftsrat, „die Gesellschaftsrät:innen”, werden durch Los ermittelt. Für den gemeinen Menschenverstand scheint der Losentscheid etwas zutiefst Gleichberechtigtes oder gar Egalitäres zu garantieren. Wahrscheinlich unterliegen auch manche junge Leute von LG der Illusion, dass man durch Losentscheid ganz unparteiisch ein „Mini-Deutschland“ ermitteln könne.
In Wahrheit aber wird das Problem des souveränen Willensausdrucks der Gesamtheit der Staatsbürger ersetzt durch die Problematik einer irgendwie gearteten repräsentativen Stichprobe.
Zur Konstruktion dieser Stichprobe bringt LG einige, wenig präzise Bemerkungen vor. Begriffe wie „Schichtung“ und „Staffelung“ werden benutzt. Unausgesprochen bleibt, WER mit welchen Kriterien welche Repräsentativität herstellt. Um in Jargon von LG zu bleiben: Erzählt wird, wie ausgeloste Arbeitsbienen zusammen kommen und vor aller Augen fleißig sind. Was aber vorher der Imker bzw. der Eigentümer der Honigproduktion zu dem ganzen Vorgang entschieden hat, bleibt völlig außen vor.

4. Eine entscheidende Rolle für die Qualität der Arbeit der Gesellschaftsrät:innen sollen Expert:innen spielen. (Möglicherweise ist LG begeistert von der Rolle, die „Expert:innen“ wie Drosten, Wieler, Lauterbach in der Corona-Plandemie gespielt haben?) Dank des „wissenschaftlichen Expertenwissens“ und zusammen mit professionellen „Moderator:innen“ wird so in wenigen Monaten „Mini-Deutschland“ den rettenden Transformationsplan 2030 erstellen.

5. Erwähnt werden muss noch der wenig beachtete Beirat, der aus etwa 10 Personen bestehen soll. Er bestimmt die Experten und Moderatoren. Er gestaltet somit die gesamte Arbeit des Gesellschaftsrates aus dem Hintergrund. Kraft welcher „Wassersuppe“, kraft welcher juristisch definierten Position? Fehlanzeige. Dunkelheit.

Vorläufiges Fazit:
LG ist eine radikal auftretende „Initiative“, die mit einer Forderung wie „Gesellschaftsrat“ demokratische Versatzstücke in den Vordergrund rückt, sich aber zugleich alle Möglichkeiten offen lässt bzw. sichert, um steuernd einzugreifen. Wer die Steuerung ausübt, ob es ein steuerndes Zentrum gibt oder eine Hierarchie von Steuerungsinstanzen wird nicht offen gelegt oder aktiv verdeckt. Manche der Gepflogenheiten von LG grenzen an Konspiration. Zugleich ist reichlich Geld im Spiel.
Ich bemühe mich daher, die kritische Analyse weiterzuführen.

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