In meiner Kindheit und Jugend in der DDR war der 8. Mai sozusagen der Heiligste der Feiertage. Denn zweifellos fing mit der Befreiungstat des „Großen Bruders“ alles an.
Daher war ich ziemlich überrascht, dass ab 1967 der 8. Mai als gesetzlicher Feiertag zwar nicht abgeschafft aber insofern zurückgestuft wurde, als er nun nicht mehr arbeitsfrei war. Das geschah im Zusammenhang mit dem Übergang zur Fünftagewoche. Gleichzeitig wurden vier kirchliche Feiertage gestrichen. Ob das Ganze auch mit Ulbrichts „nationaler Politik“ zusammenhing? (Man sprach damals von der DDR als dem „sozialistischen Staat deutscher Nation“.)
Der 8. Mai blieb der wohl bedeutendste Bekenntnistag der DDR. Zu Recht, wie ich meine.
Natürlich war all die Jahre unser Verhältnis zur Sowjetunion und zu „den Freunden“ nicht frei von Spannungen, doch immer war klar, zumindest schien es so, wieviel wir ihnen zu danken hatten.
Als „die Russen“ 1990 sang- und klanglos die nun so bezeichneten „fünf neuen Bundesländer“ verließen und zugleich „die Deutschen“ besoffen vom Einheitstaumel waren und als zugleich triumphale Dankparaden mit den NATO-Mächten gefeiert wurden (die gar nicht daran dachten ihre Truppen aus Deutschland abzuziehen), da wurde etwas zutiefst Falsches gemacht.
Und es ist nur eine schwache Entschuldigung, dass sich ja auch „die Russen“ auf dieses falsche Spiel einließen.
Es hat nur drei Jahrzehnte gedauert, historisch ein Wimpernschlag, dass wieder deutsche Panzer gegen Russland rollen. Mit allzu viel Erfolg haben die Mächtigen „den Deutschen“ wieder die Rolle des Kämpfers gegen den Erbfeind aus dem Osten verpasst.
Und „die Deutschen“ haben sich (ihrem nationalen Charakter folgend?) allzu leichtfertig darauf eingelassen. (Als Opa sich vor Jahr und Tag bei „Aufstehen“ engagierte war die Stellung zu Russland eine der Bruchlinien und dasselbe und noch krasser vor gut einem Jahr, als sich eine direktdemokratische „Basispartei“ formieren wollte.)
Mir ist es völlig klar, und mir wird es mit den Jahrzehnten nur immer tiefer bewusst, dass meine ganze Biografie, mein ganzes persönliches Dasein auch zutiefst geprägt ist von den Perspektiven auf das große slawische Osteuropa und die weite eurasische Welt darüber hinaus, die mit dem 8. Mai, dem Tag der Befreiung, eröffnet wurden.
Mein Dank gilt allen, die mir das ermöglicht haben.
Als wir heute gegen Mittag auf dem Ehrenfriedhof für die Soldaten der Roten Armee in Oranienburg unsere Blumen niederlegten, fanden wir dort vier Blumengebinde vor
Unter dem Titel „Gegen das Vergessen“ hat Mathilda Seithe Erzählungen über das Kriegsende in Oranienburg geschrieben. Im Blog sind sie hier zu finden.
Kranich05,
mir fiel nichts ein zum 8. Mai, wie wir den früher gefeiert hätten.
Also der 1. Mai (Gewerkschaftstag), dann Muttertag, dann der kirchliche Festtag ‚Christi Himmelfahrt‘ (immer an einem Donnerstag im Mai) und der Mai als ganzes mit Maiandachten zu Ehren der Mutter Gottes (im kath. Gegenden). Meinem Mann fiel auch nicht mehr dazu ein.
Dann aber erinnerten wir uns an das Ereignis, wie Richard von Weizsäcker am 8. Mai 1985 eine befreiende Rede hielt:
https://www.focus.de/politik/deutschland/historische-rede-vom-8-mai-1985-diese-rede-weizsaeckers-veraenderte-das-ansehen-deutschlands-in-der-welt_id_4443590.html
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Passend dazu vielleicht (links am Ende der Seite)
https://www.dr-schacht.com/#section14
Falls das nicht passt, halt enstprechend löschen.
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Thom, danke.
Mich interessieren solche Erfahrungen und Biografien, weil wir im Westen
zwar mal etwas davon gehört haben, dass die Lebensleistung der Menschen in der DDR Eingang finden muss in die gesamtdeutsche Rentenberechnung. Aber so einen konkreten Fall einer Biografie; hier also unermüdliche Forschung und Entwicklung im Sozialismus. Klar, dass es das gab, aber das muss auch mal gesagt und gezeigt werden.
Dass es einen Astronauten Jähn gab, erfuhr ich über den Umweg Kuba durch Arnaldo Tamayo Méndez. Einige meiner schönsten Dahlien sind Züchtungen genossenschaftlicher Pflanzenzüchterbetriebe der DDR. (aus dem Vogtland z.B. und aus Bad Köstritz kommen hochwertige und robuste Dahlienknollen).
Und welcher Staudengartenfreund kennt nicht Karl Foersters Blau seiner Rittersporne und seine Phlox-Züchtungen! Dann fällt mir noch ein Mathematikbuch „Analysis“ und ein Buch in Theoretischer Physik ein, die an der TU Braunschweig bevorzugt wurden. In den Ingenieurs- und anderen Fachwissenschaften kennt man die Entwicklungen, aber den Mitmenschen insgesamt wird das wohl nie so bewusst geworden sein. Mein Mann ergänzt noch: In der analytischen Biologie (hier: Limnologie) war Karl Liebmanns zweibändiges „Handbuch der Frischwasser- und Abwasserbiologie“ lange wegweisend.
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Zufällig haben wir Karl Foersters staudengarten in Potsdam-Bornim letzten Freitag besucht.
Kennen Sie Foersters weise Bücher, z. B. „Ferien vom Ach“?
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Danke Kranich05, Bornim und Sangerhausen (Rosarium) waren tatsächlich mal Urlaubsziele, doch ist es dazu nie gekommen. Dafür habe ich mir ab die schönsten Karl Foerster Züchtungen – wo immer ich sie entdeckte – in den Garten geholt.
Es ist ganz leicht seine Züchterhandschrift zu erkennen, wenn nicht, weisen seine Pflanzennamen auf seine Leidenschaft für Pflanzen und Gärten hin: Dorffreude, Jubelruf, Tempelgong. Ballkleid, Puderquaste, Landhochzeit, Augenweide, Bornimer Nachsommer, Düsterlohe.
Das ist Poesie und Karl Foester! Ausser diesen Gartenbüchern
Foersters ‚Gartenstauden Bilderbuch‘ von 1938 und ‚Der Blütengarten der Zukunft – anders als bisher‘ von 1942, ‚Blauer Schatz der Gärten‘, von 1990. also eine bearb. Auflage nach Foersters Tod und Marianne Foerster ‚Der Garten meines Vaters Karl Foerster – Bornimer Gartentagebuch für Neugierige‘ kenne ich keine Texte von ihm.
Jetzt habe ich eine 23-seitige Leseprobe von „Ferien vom Ach“ gefunden und gelesen. Ich werde es mir besorgen, denn es scheint jede Menge Heiterkeit zwischen den Buchdeckeln auf. Herzlichen Dank also für den Tipp.
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