Heiner Bücker wurde gestern frei gesprochen

Ich hatte mich in dem weitläufigen Gerichtsgebäude verlaufen und fand den Raum B129, in dem die Verhandlung stattfand, erst 30 min nach Beginn. Ich bekam den letzten freien Platz in dem 65 Zuhörer fassenden Raum.

Bücker bekannte sich entschieden zu seiner Position/Meinungsäußerung, die ihm als Straftat ausgelegt worden war. (Hier ist seine Erklärung vor Gericht im Wortlaut dokumentiert.)
Grundsätzlich stellt er darin die deutsche, sich aus der Geschichte ergebende, Verantwortung für Frieden und friedliche Kooperation auch mit Russland in den Vordergrund.
Konkret zum Einmarsch Russlands am 24.2.2022 formuliert er so:

Wenn jetzt hier vor Gericht auf der Grundlage einer einseitigen
Schuldzuweisung auf Russland festgeschrieben werden könnte, seine
Einmischung in den seit 2014 andauernden Krieg sei ein völkerrechtswidriger,
gar mit imperialistischen Motiven geführter Angriffskrieg gewesen, hätten wir
alle verloren, auch vor diesem Gericht“

Ich schätze, dass das die „kühnste Formulierung“ ist, die heute in der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit noch möglich ist, ohne sofortige Verfolgung nach sich zu ziehen. Mindestnorm ist es, vom „russischen Angriffkrieg“ zu reden, besser noch vom „verbrecherischen, völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Putins“.

Im weiteren Verlauf der Verhandlung stand die Einschätzung der „russischen Spezialoperation“ (selbst die Verwendung dieser Worte legte die Staatsanwältin als belastend aus) nicht im Mittelpunkt. Die Verteidigung verlegte sich darauf, diese Frage als sehr komplex, umstritten und nicht endgültig beantwortet, zu bezeichnen und somit möglichst auszuklammern.
Umso mehr schätze ich, dass Heiner Bücker in seinem Schlusswort vor der Urteilsverkündung in aller Schärfe noch einmal die aggressive, wortbrüchige NATO-Politik anprangerte, einschließlich der von der NATO-Seite eingestandene Betrugsabsicht bezüglich der Minsker Vereinbarungen.

Natürlich hatte die Staatsanwältin (der einzige Mensch im Verhandlungsraum mit Maulkorb… äh, … Maske) beantragt, den Strafbefehl zu bestätigen.

Der Freispruch mit der Begründung Bückers Rede sei nur „in seiner Blase“ wahrgenommen worden, stellt einen „Pyrrhussieg“ dar. Das hat die „junge Welt“ in ihrem Prozessbericht klar herausgearbeitet.
Die Richterin ließ ihrem Freispruch unmittelbar eine Philippika folgen des Inhalts, dass Putin natürlich einer der allerschlimmsten Verbrecher und sein Krieg jenseits aller Zweifel das allergrößte Verbrechen sei.

Meine Einschätzung:
Das Gericht hat mit diesem „lahmen Freispruch“ weitere öffentliche Debatten über „das hohe Gut der Meinungsfreiheit“ in unserer Musterdemokratie erst einmal abgebogen. Zugleich hat es mit schier hysterischer Entschiedenheit bestätigt, dass es zum „russischen Angriffskrieg“ nur eine erlaubte Position gibt. Paragraf 126 des StGB „Störung des öffentlichen Friedens“, insbesondere Absatz 3, kann jederzeit jeden öffentlich wahrnehmbaren Kritiker treffen.

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Eine Antwort zu Heiner Bücker wurde gestern frei gesprochen

  1. Theresa Bruckmann schreibt:

    Ich weiß nicht warum, aber irgendwie gefällt mir dazu Trini Lopez Interpretation des
    Songs ‚If I Had a Hammer‘ der Songwriter: Lee Hays / Pete Seeger

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