Seit rund dreißig Jahren lebe ich auf dem Lande. Zuerst wohnte ich in der uckermärkischen Kleinstadt Lychen, Perle landschaftlicher Reize und historischer Bezüge, und nun seit zwanzig Jahren direkt auf’m Dorfe; wenn auch nur 30 Kilometer von Berlin. Die Verbindungen nach Berlin sind immer lockerer und schließlich spärlich geworden.
Am vergangenen WE besuchten wir Hamburg – ganz privat und ohne Bestreben, den Duft der großen Welt zu erjagen.
Wir besuchten ein verwandtes junges Paar, das viel arbeitet, gut verdient und dessen Welt EINEN Mittelpunkt hat – das muntere, vergötterte dreijährige Töchterchen.
Um uns die Kalamitäten des Parkens zu ersparen (oder 25,-€ Gebühr pro Tag), legten wir das Auto drei Tage fest und genossen umso öfter den 20 min-Fußmarsch zwischen unserem Hotel und dem Wohnkietz. Unserem alten Hund zuliebe (ebenfalls Landei) vermieden wir sorgfältig U-Bahnen und Busse; ortskundigen Hinweisen folgend nächtlich-unsichere Grünzonen, und so trotteten wir regelmäßig brave Wohnzeilen entlang mit ihren peinlich sauberen Müllstellplätzen am Eingang und überraschend liebevoll mit Frühjahrsblühern umpflanzten Straßenbäumen.
Heile Wohngebiete, in denen dir nur im Ausnahmefall ein Drogenabhängiger, einer dieser völlig zerstörten Menschen, begegnet.
Obligatorisch waren lange Spielplatzbesuche. (Hunde (und ihre Menschen) müssen draußen bleiben. Aber wo sollen sie hin?) Die lieben Kleinen entern die verschiedenen Geräte, assistierende Väter und Mütter, überall Elternsmartphones in Aktion, die die mehr oder weniger spektakulären Leistungen der kleinen Helden für alle Zeiten dokumentieren. Niemals das „Cheese!“ vergessen!
Frühstücken gerne in öffentlichen Einrichtungen, für 15 ,-€ pauschal oder das Brötchen für einen Euro, den Pott Kaffee für sechs, sieben. „Was wunderst Du Dich? Ist eben Inflation.“
Unser Hotel nennt sich „trendig und außergewöhnlich“ und heißt Moxy. Oder doch Monkey? Jedenfalls fragt mich das Kind am Tresen herzerfrischend trendig: „Hast Du reserviert?“, was ich nicht umhin kann zu bejahen. Für 120 Euronen pro Nacht sind wir dabei. Es gibt weder Tisch noch Stuhl noch Schrank im kleinen Doppelzimmer, dafür Accessoires, darunter eine Unter-dem-Bett-Beleuchtung.
Als wir nach drei Übernachtungen den pieksauberen Ort verlassen, rege ich an, die Bedienungsanleitung des Fahrstuhls vielleicht auch in deutscher Sprache zu verfassen, was große Freude beim Officer auslöst – „Du bist ein echter mitdenkender Teilnehmer unserer Moxy-Familie.“
Einmal nachmittags fahren wir an einem repräsentativem Gebäude vorbei. Davor, in der Grünanlage, hat sich eine beträchtliche Menschenmenge versammelt, vielleicht 200 Leute. „Eine große Rabattaktion?“ – vermute ich. Aber niemand schleppt eine sichtbare Beute. „Beginn eines großes Events?“ – aber nirgends sind Bässe aufgebaut, und es ist auch noch zu früh dafür. „Soll es hier vielleicht eine Antikriegskundgebung geben?“ – Doch nein, die Menge ist zu groß und völlig plakatfrei.
Für Kenner war die Lösung des Rätsels einfach. Sie hat den trendigen Namen „Drob Inn“. „Nix besitzen und glücklich sein“, sagte doch schon Klaus Schwab.

Drei Tage ohne Computer.
Die Einen treffen auf die Welt überall.
Die Anderen haben sich undurchdringlich abgeschirmt.