Die ignorierte letzte Chance

Das Schweigen von USA und NATO auf Rußlands Briefe vom 17. Dezember 2021

30 Länder sind mittlerweile Mitglied der NATO. Die NATO hat im Programm, den Absatz 5 so zu ändern, daß auch Präventivschläge möglich sind. Nun ist Rußland diesem Ziel der NATO am 24. Februar 2022 zuvorgekommen. Vor genau einem Jahr formulierte Rußland unmißverständlich seine Sicherheitsinteressen. Die Reaktion des Westens: Fehlanzeige!

Was das direkte bilaterale Verhältnis zwischen Rußland und dem Westen angeht, so war letzterer, und hier in erster Linie USA und NATO, jahrzehntelang in Sachen Eskalation aktiv.

Das Sündenregister:
• Fünf NATO-Erweiterungen seit 1999 bis direkt an die Grenze Rußlands mit insgesamt 14 neuen Mitgliedern;
• Nichtratifizierung bzw. Kündigung fast aller Verträge zur Abrüstung und Rüstungskontrolle wie des A-KSE-Vertrages über die Abrüstung von Streitkräften und Waffensystemen in Europa, des ABM-Vertrages zur Begrenzung von Raketenabwehrsystemen (2001);
• Kündigung des INF-Vertrages, der die Herstellung und Stationierung landgestützter Raketen und Marschflugkörper mit einer Reichweite zwischen 500 und 5 500 Kilometern verbot (2019) und des Open-SkiesVertrag, der im Sinne vertrauensbildender Maßnahmen durch Überflugrechte beiden Seiten „Glasnost“ ermöglichen sollte (2020);
• völkerrechtswidrige Angriffskriege wie gegen die Bundesrepublik Jugoslawien (1999) und den Irak (2003);
• expansive Auslegung von UN-Mandaten wie im Falle Libyen 2011 oder höchst kreative Interpretationen der NATO-Rußland-Grundakte (2016), die die permanente Stationierung westlicher Truppen und Waffensysteme vor der russischen Haustüre untersagt;
• Aufbau des weltweiten Raketenabwehrsystems Aegis mit angriffsfähigen Modulen in Rumänien und Polen;
• Regime Change-Versuche im postsowjetischen Raum, am offensichtlichsten in der Ukraine (2013/2014).

Ende 2021, am 17. Dezember, ergriff Rußland dann die diplomatische Initiative und definierte gegenüber NATO und USA seine sicherheitspolitischen Interessen, inclusive Roter Linien, klar und unmißverständlich.

Was Rußland der NATO vorschlug …


• Beide Seiten sollten bestätigen, sich nicht als Gegner zu betrachten;
• Rückkehr zu den Prinzipien der „gleichen und unteilbaren Sicherheit“;
• Verzicht auf die Anwendung und Androhung von Gewalt;
• Verzicht, Situationen zu schaffen, die eine Seite als Bedrohung ihrer nationalen Sicherheit ansehen könnte;
• Zurückhaltung bei militärischen Planungen und Übungen zur Vermeidung von gefährlichen Zwischenfällen, insbesondere in der Ostseeregion und über dem Schwarzen Meer;
• Wiederbelebung des NATO-Rußland-Rates und anderer bi- und multilateraler Gesprächsformate;
• Transparenz bei militärischen Übungen und Manövern;
• Einrichtung von Hotlines für Notfallkontakte (Revitalisierung des „Roten Telefons“);
• Rückzug der westlichen Streitkräfte und Waffensysteme auf das Niveau vor der ersten NATO-Osterweiterung;
• Verzicht der Stationierung landgestützter Kurz- und Mittelstreckenraketen in Gebieten, von denen aus sie das Hoheitsgebiet der anderen Partei angreifen könnten;
• keine weitere Ausdehnung der NATO (insbesondere nicht um die Ukraine);
• Verzicht der NATO auf militärische Aktivitäten auf dem Gebiet der Ukraine, sowie anderer Staaten Osteuropas, des Südkaukasus und Zentralasiens;
• Einrichtung eines weitgehend entmilitarisierten Korridors zwischen NATO und Rußland.

… und den USA.
Der an die USA gerichtete Vertragsentwurf enthielt darüber hinaus folgende Vorschläge:

• Bekräftigung der Erklärung, daß ein Atomkrieg keinen Sieger haben kann und daß alle Anstrengungen unternommen werden müssen, diese Gefahr abzuwenden;
• Verzicht auf gegen die andere Seite gerichtete kriegsvorbereitende Maßnahmen auf dem Territorium von Drittstaaten;
• Verzicht der USA auf die Einrichtung von Militärstützpunkten und eine bilaterale militärische Zusammenarbeit in und mit den Staaten des postsowjetischen Raums, die keine NATO-Mitglieder sind;
• beidseitiger Verzicht auf die Stationierung von Streitkräften und Waffensystemen außerhalb ihrer Hoheitsgebiete, die die andere Seite als Bedrohung ihrer nationalen Sicherheit ansehen könnte;
• Verzicht auf Flüge schwerer Bomber und die Anwesenheit von Überwasserkampfschiffen in Regionen, von denen aus sie Ziele im Gebiet der anderen Vertragspartei treffen könnten;
• Verzicht auf die Stationierung von Atomwaffen außerhalb des eigenen Hoheitsgebietes sowie Rückführung entsprechender Waffensysteme und Zerstörung der entsprechenden Infrastruktur in Drittstaaten;
• keine Schulungen von Personal im Umgang mit Atomwaffen und keine Militärübungen für deren Einsatz in Ländern, die diese nicht besitzen.

NATO und USA wären dringend beraten gewesen, die beiden Vertragsentwürfe als klare Formulierung russischer Sicherheitsinteressen zu lesen, sie genauestens zu prüfen und als Ausgangspunkt für Verhandlungen zu nutzen, deren Ziel eine deutliche Verbesserung der Sicherheitslage sämtlicher Vertragsstaaten – und vor allem Europas! – auf möglichst niedrigem militärischen Niveau gewesen wäre.

Quelle: Leo Ensel im „Rotfuchs“, Februar 2023, Seite 6 (Hier „Aktuelle Ausgabe“ anklicken.)

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Ami go home!

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