Das klapprige Wasserrad bin ich am Ufer deiner Kanäle,
das Lied, das Jahrhunderte lang aus Not und Erschöpfung sich wob,
die Grubenlampe an der rußigen Stirne des Bergmanns,
ausleuchtend den Schacht der Geschichte, den du tastend entlangkriechst,
die schrumplige Reisähre bin ich, die löchrige Straße,
der Schleppkahn, im Schlamm der Küste sich quälend,
deine vom Treidelseil tief zerkerbte, zerschundene Schulter
O Vaterland!
.
Die Armut bin ich,
die Trauer,
die Hoffnung, weitervererbt von Geschlecht zu Geschlecht,
die Blumen bin ich, die aus ihren Ärmeln Apsaras
streun seit Jahrhunderten schon –
und die nie noch erreichten die Erde
O Vaterland!
.
Dein allerneuestes Wunschbild bin ich,
das herauszuwinden sich müht
aus dem Spinnwebenwust mythischer Zeit,
auch der Spr0ß jenes uralten Lotos bin ich,
der lange ans Licht sich schon sehnt unter deiner Decke aus Schnee,
die Träne bin ich, hangend an deiner Wange,
in dem Grübchen versteckt, das dein Lächeln sich schuf,
die frischgeweißte Startlinie bin ich,
die Morgensonne, feuerrot
auflodernd am Himmel
O Vaterland!
.
Ein Milliardstel deiner selbst bin ich
und die Gesamtsumme deiner neun Millionen sechshunderttausend Quadratkilometer.
Genährt hat mich deine narbenbedeckte Brust,
mich, Wirre, Nachdenkliche, Heißblütige.
So nimm dir denn auch vom Fleisch und Blut meines Leibs
deine Fruchtbarkeit, deinen Ruhmesglanz, deine Freiheit
Vaterland
O geliebtes Vaterland!
(1979-1980)
Schu Ting (geb. 1952 im Kreis Dschin Dschjang,
in: „Poesiealbum 247“, übertragen von Ernst Schwarz, Verlag Neues Leben, Berlin, 1988)