Mit fällt auf, wie beschränkt die Erinnerung und erinnernde Reflexion über die DDR ist.
Über das offizielle Erinnerungswesen viel Worte zu verlieren, erübrigt sich. Das kommt mit drei Begriffen Stempeln aus: „Mauer“, „Stasi“, „Unrechtsstaat“.
Ich meine viel mehr eine Abstraktheit, einen gewissen Schematismus, der sich auch in Äußerungen findet, denen es nicht darum geht, die DDR zum tausendsten Male zu vernichten.
Wenn ich zurückdenke, so habe ich in mindestens vier verschiedenen DDRen gelebt:
Es gab die Periode eines (teilweise) leidenschaftlichen antifaschistischen Aufbruchs. Sie mag in den Jahren 1949 (ab 1947) bis ca 1953 (1956?) liegen.
Zugleich war dies eine „andere“, eine zweite Periode, nämlich die stalinistischer Zurichtung mit manchmal grotesken Zügen.
Als Jahrgang 1940 habe ich diese DDR-Perioden nur teilweise direkt selbst aktiv erlebt. Jedoch habe ich Dank einer sechs Jahre älteren aktiven Schwester Vieles hautnah mitbekommen.
Eine dritte Periode begann allmählich nach 1956 („Tauwetter“ in der Sowjetunion) , beschleunigte sich ab 1961 mit dem Mauerbau und gipfelte in den befreienden Reformanstrengungen unter Ulbricht bis etwa 1971.
Mit Honecker begann ab 1971 eine widersprüchliche Stagnations- und Niedergangsperiode, die aber ab 1985 (Gorbatschow) weitere unterscheidende Merkmale ausbildete.
Das sind ganz persönliche, empirische, wissenschaftlich anspruchslose Einteilungen. Wie sehr es sich lohnt darüber nachzudenken, spürt man immer, wenn sich Ex-DDRler über ihre Erfahrungen austauschen und es offensichtlich wird, dass sie von ganz verschiedenen DDRen sprechen.
Irgendwann 1989 oder 1990, als klar war, dass die DDR untergeht, hatte ich ein besinnliches Gespräch mit einem sehr jungen Freund. Ich dachte zurück und zog bedächtig ein Resümee meines damals 50-jährigen Lebens und sagte: „Im Ganzen habe ich in der DDR (mit der DDR) ein gutes Leben gelebt.“
Den Satz unterschreibe ich auch heute noch.
Jetzt, nach dieser – sicher nicht nur von mir so – empfundenen „Einleitung“, fehlt noch die „Butter bei die Fisch“.
Als Wessi denke ich u.a. an das, was sich die meisten Wessis als Merkmal westlicher Überlegenheit eingebildet haben: Konsumzwang/terror, angeblich freie Medien, US-Politik-, Wirtschafts- und Sprachdominanz, freie Wahl zwischen Ballermann- und Amazonas-Reisen, usw.
Der DDRler könnte sich vielleicht an Alternativen erinnern…..
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Ja, ich möchte es als Einleitung oder Einladung zur Reflexion verstanden wissen.
Heute nach vier, fünf Tagen zeichnet sich ab, dass diese Einladung nur wenig angenommen wird. Immer noch wenig. Obwohl ich einige Ossis kenne, die darüber schreiben. Dies oft in literarischer oder autobiografischer Form.
Der Aufforderung, selbst mehr „Butter bei die Fische“ zu liefern, werde ich nach Möglichkeit nachkommen.
Ums eins zu sagen: Die DDR hat den Deutschen, ihren Bürgern die Möglichkeit gegeben, den Blick nach Osten zu öffnen. Es gab viel Grund und Material und konkrete Möglichkeit, den „Kulturkontinent“ Osteuropa bzw. Slawentum kennen zu lernen.
Da ist auch viel entstanden. Es bestätigt sich aber auch wieder der nationale Charakterzug der Deutschen, das, was ihnen zum Heil sein könnte besonders gründlich zu verdrängen.
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Das glaube ich Dir gerne, dass Du dich in allen Diktaturperioden wohl gefühlt hast, nur die Mauertoten und politisch Inhaftierten hatten in der 1-Parteiendiktatur es nicht so gemütlich: STASI-Diktatur-Comeback? Nein Danke!
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Bravo! Trefferquote dreifach 100%!
Du hast brav in die Kästchen „Mauer“ und „Stasi“ einsortiert. Wie ich es angekündigt hatte. Statt „Unrechtsstaat“ hast Du zwar „Diktaturperiode“ gesagt. Doch ich will nicht kleinlich sein. Mit Hilfspunkt soll auch das als Treffer gelten. Glückwunsch!
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Der „gute“ Teil Deutschlands hat zwar keine Mauertoten direkt zu verantworten, kann aber auf seine Beteiligungen an Chemie- und anderen Waffeneinsätzen durchaus stolz sein: Tausende Tote und über Millionen Vergiftete in Vietnam – mal ganz abgesehen von den zahlreichen Opfern in Böehringers Produktionsstätten (von Agent Orange-Bausteinen) und bei den Einsatzkräften der US-Army -, ferner die zahllosen Toten und Verletzten in Nahost durch deutsche Munition, die rechtswidrig dorthin geliefert wurde, natürlich alles unter den Augen und mit wohlwollender Duldung und Förderung durch bundesdeutsche Regierungen, zuverlässig berichtet und nachgewiesen nicht zuletzt auch in BND-Meldungen. Ach ja, die Bundesregierung duldet und hilft u.a. auch bei den Drohnenmorden, die von der eng befreundeten US-Regierung über Ramstein abgewickelt werden.
Da spielt die Verfolgung und jahrelange Inhaftierung von Kommunisten in den 50ern fast keine Rolle mehr – im Westen, wohlgemerkt.
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Es ging im Beitrag um die Sehnsucht eines „Ossis“ nach der SBZ =DDR-Diktatur mit Einparteienherrschaft, Kommunismus als Staatsdoktrin bis 1989. Mein Beitrag sollte diese Sehnsucht in diesen geschichtlichen Kontext stellen, den ich persönlich als geborene „Wessi“ ablehne. Was Du da beschreibst sind Kriegsopfer der USA und der NATO: in Vietnam war kein deutscher Soldat, auch nicht aus Westdeutschland, der direkt wie bei den Mauertoten Zivile hingerichtet hätte.
Die Japaner sind auch keine Kriegsmörder per Soldaterie, wenn sie weltweit ihre Toyota-Lader verkaufen, mit denen auch der aktuelle „Rebellengruppen“ in Somalia, Syrien oder im Jemen herumfahren und die Zivilbevölkerung hinrichten. Die Deutschen nach 1989 sind erst seit Jugoslawien wieder personell als NATO-Soldaten weltweit an der Tötung von Menschen beteiligt, was uns der grüne Joschka Fischer eingebrockt hat. Diese Auslandseinsätze verurteile ich natürlich auch, eine unhistorische, undifferenzierte Sichtweise auf die BRD lehne ich aber weiterhin ab: Romantisierung von Mauertoten und Stasidiktatur im kommunistisch-sozialistischen Diktaturdeutschland bis 1989 Nein Danke!
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Die „Diktatursehnsucht“ und „Romantisierung von Mauertoten“ halte ich für eine unbegründete Unterstellung, ebenso wie die Annahme, die Produktion und Lieferung von dioxinhaltiger Chemie zu Kriegseinsatzzwecken habe nichts mit dem Versprühen von Agent Orange zu tun. Und wenn die Saudis mit deutscher Munition Somalier umbringen, ist das natürlich nicht unsere Verantwortung, ebensowenig wie das, was die USA unter unseren Augen auf deutschem Boden in Ramstein treiben.
Richtig, der kriegsverbrecherische Bundeswehreinsatz gegen Jugoslawien ging ebenfalls von uns „Guten“ – nein, es war ja nur Joschka Fischer – aus, angeblich wegen der Vermeidung eines neuen Auschwitz…..
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Ich muss Jo Bode noch ergänzen: Welcher überwiegende Teil der Bevölkerung hat denn den Krieg der USA in Vietnam begrüßt und gefeiert. Es ging doch um den Kampf von Freiheit und Demokratie gegen ein lausiges kommunistisches Regime. Und der Teil, der es sich herausnahm, dagegen zu protestieren, wurde wütend aufgefordert, „doch rüber zu gehen“. Berufsverbote warteten auf nicht wenige der Protestierenden. Wer völkerrechtswidrige Kriege feiert oder auch nur schulterzuckend hinnimmt („Wir sind ja die Guten!“), darf sich nicht so leicht von Mitschuld freisprechen.
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Der „Gute“ Teil Deutschlands hat, wie ich inzwischen erfahren habe, in den Nachkriegsjahren recht bedenkenlos auf Schmuggler an seiner Westgrenze geschossen. Das hat mich sehr verblüfft. Anscheinend war er nicht ganz so unschuldig, wie er sich gern darstellt.
Ich finde die Amnesie betreffs der eigenen Flecken auf der weißen Weste und die gleichzeitig übergenaue Erinnerung an jeden Fliegenschiss der DDR immer wieder beeindruckend.
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Gruss aus Thüringen von der Bleilochtalsperre. Leider wollte meine Frau unser Traumhäuschen in Sonneberg nicht…..
https://n0by.blogspot.com/2019/07/mit-57000-euro-hauskauf-in-sonneberg.html
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Da muss ich mal erwähnen (oder ist das bekannt?), dass ich „eigentlich“ Thüringer bin; Raum Ilmenau. („Das grüne Herz Deutschlands“, wie ich in meiner Kindheit lernte.)
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Thüringen, noby, ist, wie Du weisst, nicht nur ein Ort, sondern ein Landschaft, sogar eine Landschaft des Herzens. Mann und Frau wohnen dort nicht nur an der Bleilochtalsperre, sondern z. B. auch in:
Abteroda,
Berteroda,
Craula,
Drescha,
Eula,
Freien Orla,
Geisa,
Hockehoda,
Kanada,
Leutra,
Milda,
Nieder Bösa
bis Zumroda.
Und dazwischen liegen noch rund 250 Ortschaften, die alle auf „a“ enden.
Mann und Frau möchte ich gemeinsam Offenheit mit Geduld wünschen.
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Lieber Kranich,
interessante Feststellung. Wie läßt sich die Tatsache erklären? Liegen da schon Erkenntnisse vor? Beschränkt sich das Phänomen auf Ortsnamen oder greift es über auf andere sprachliche Verwendungsgebiete? Wurde hier eine Lautverschiebung verpasst bzw. war es zur Gründungszeit der Orte noch zu früh dafür? Von einer „Lateinisierung“ der Sprache (das „a“ ist in allen romanischen Sprachen bezeichnend für weiblich) darf man wohl kaum ausgehen. Eher vielleicht von einem slawischen Einfluß, denn dort läßt sich ja ein ähnliches Phänomen beobachten. Wo sind die sprachhistorisch Bewanderten?
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Es ist eine bezeichnende Ironie, dass sich auf mein Posting, das sich ganz entschieden in erster Linie an Ossis wendete, nämlich als Appell an sie, sich viel differenzierter zu erinnern (was ich für eine Voraussetzung dafür halte, dass man ihnen ihre Geschichte nicht auf Dauer wegnehmen kann), dass sich dazu bisher nur Wessis äußern.
Wobei Sumsally geradezu klassisch den Phantomkampf zelebriert hat. Als wollte er den Pawlowschen Hund imitieren, dessen Speichel bei jedem Klingeltton fließt.
Dabei ist bemerkenswert, dass der gute Sumsally, wie sein zweiter Kommentar andeutet, in gewissen Grenzen zur Differenzierung fähig ist. In welchen Grenzen? Jo Bode hat einige aufgezeigt.
Diffenrezierung bezüglich DDR ist offenbar außerhalb des Denkbaren.
Differenzierung bezüglich Kriegsaktionen der BRD scheint möglich. Doch auch dabei gehorcht er sehr eng gezogenen Grenzen: Es geht nicht um Krieg, sondern „Auslandserinsätze“. Es war nicht die BRD, sondern Fischer. Die Kriegshandlung SANKTIONEN kommt bei ihm überhaupt nicht vor. Ich könnte zusätzlich zu dem von Bode Gesagtem noch viel aufführen.
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Wenn wir schon bei Personen sind, dürfen wir Scharping auf keinen Fall – und wenn wir bei Parteien sind – dürfen wir weder die SPD, noch irgendeine andere Partei vergessen. Überhaupt war der „kalte Krieg“, wie der Ausdruck kaum verschweigt, eben ein Krieg, der mit finanzkapitalistischen Mitteln geführt wurde, mit Wettrüsten, mit Verschuldung und mit der Aufrechterhaltung und Verstärkung von Druck, dem der „reale Sozialismus“ glaubte, nur mit parteidiktatorischen und Meinungs-, Presse- und Reisefreiheit beschneidenden Mitteln glaubte begegnen zu können. Ich darf einmal ganz am Rande daran erinnern, dass es den Menschen in der DDR materiell um einiges besser ging als den Menschen in fast allen kapitalistischen Ländern Südamerikas. Nicht der Kapitalismus hat letztlich gesiegt, sondern der ausbeuterische Imperialismus einiger westlicher Länder mit den USA an der Spitze.
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