Lieber Lutz Lippke,…

so beginnt Theresa Bruckmann eine Beitrag, den sie mir so ankündigte:

„Guten Abend Herr Dr. Kurch,
Fragen zu unserem Recht und zur Rechtsentwicklung verfolge ich immer noch mit Interesse. Aus diesem Grund habe ich eine lange Erwiderung auf verschiedene Texte von Lutz Lippke geschrieben.
Weil Sie einmal die Möglichkeit anboten, einen langen Text per E-Mail-Anlage an Sie zur Eingabe auf den Blog zu schicken, dachte ich mir, ich sollte es erst gar nicht selbst versuchen….“

Ich danke Frau Bruckmann für ihre große Arbeit und für die Möglichkeit, sie hier zu veröffentlichen.

Hier also ihr Text:

Blättert man zurück zum 14. März 2018, findet man dieses und unter der Überschrift „2. Volkssouveränität – Demokratisches Recht vs. demokratiefeindliche Rechtstheorie“ folgendes:

„Eine wesentliche Grundlage der Ertüchtigung von Recht und Demokratie stellt die geistige Befreiung von den manipulativen Beschränkungen durch die bürgerliche Rechtstheorie und deren Praxis dar. Zusammenfassend lässt sich dies durch das Konzept der

echten Volkssouveränität

ausdrücken, die eben nicht durch ein übergeordnetes Recht oder einen institutionellen Status Quo beschränkt werden kann, wie es die herrschende bürgerliche Rechtstheorie in der Tradition von Carl Schmitt postuliert…

Ausgehend vom verfassungsrechtlichen Postulat „demokratisch“ (Art. 20 I GG) und „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“ (Art.20 II Satz 1), was nur als eine echte Volkssouveränität gedacht werden kann, gibt es keinen Rückgriff auf ein dem demokratisch bestimmten Gesetz übergeordnetes Recht…“

Als ein solches auch nicht auf ein ‚Naturrecht‘.

Am 24. 09. 21:04 h schreiben Sie, die Abwesenheit von Transparenz im Rechtsstaat habe eine historische Kontinuität. Sie zitieren aus justiz-und-recht.de

Wenn ich dies richtig verstanden habe, war es so, dass die gesamte Rechtsordnung im nationalsozialistischen Sinne umgedeutet und die positivistische Bindung der Staatsgewalt an die geltenden Gesetze aufgehoben wurde. Das ist schon finster genug, aber dass die meisten Juristen, die nach 1945 ausgebildet wurden, dem Mythos erlagen, „dass es der Gesetzespositivismus war, der die Gräueljustiz der NS-Zeit ermöglichte“, ist schon abenteuerlich und noch mehr, dass mit diesem Nachkriegsmythos eine Renaissance des Naturrechts einherging, mit der Begründung, dass Unrechtssystemen übergesetzliche Grenzen gesetzt und damit einer künftigen Perversion der Rechtsordnung ein Riegel vorgeschoben würde. Diese „objektive“ oder auch „objektiv-teleologische Auslegung“ von Gesetzen durch die Nachkriegsjuristen sei konsequent genutzt worden, um die nationalsozialistische Ideologie in die überkommenen Gesetze hineinzulesen. Nicht Ziel und Zweck der Norm sondern ein objektiver, vernünftiger Wille des Gesetzes im Zeitpunkt seiner Anwendung gab der Juristenzunft im Nationalsozialismus die Richtung vor.

Parallelen dazu lassen sich erkennen, wenn Prof. Mausfeld heute davon spricht, dass die Herrschenden keine Ideologien mehr sehen wollen (man könnte auch sagen, keine Vielfalt von Haltungen mehr), sondern ein einziges vernünftiges und damit alternativloses Handeln behauptet wird.

Oder im Völkerrecht, wenn Norman Peach hier zeigt, wie das Gewaltverbot und das Gebot der Souveränität und Integrität von Staaten der UN-Charta aufgebrochen wurden, um situativ nach Interessenlage intervenieren zu können.

Nach Rüthers habe naturrechtlich-inspiriertes Wertedenken und die Entgrenzung der Auslegung durch die Methode der ‚objektiven Gesetzesauslegung‘ dazu geführt, dass das Bundesverfassungsgericht weniger Rechtsfindung als Normsetzung betreibt. Dem methodischen Vorbild des Bundesverfassungsgerichts seien die übrigen Obergerichte bereitwillig gefolgt. Wer oder was kontrolliert oder diszipliniert das Bundesverfassungsgericht?

Vorgaben des Grundgesetzes für die Methodik der Rechtsanwendung – schreiben Sie – fände Rüthers in den Grundsätzen der Rechtsbindung des Richters und der Gewaltenteilung sowie im Demokratieprinzip.

Hierzu wünschte ich mir genauere Angaben, also welche Paragrafen das sind.

Bei der Suche nach solchen Grundsätzen fiel mir lediglich ein interessanter

§ 82 (4) BVerfGG auf, nach dem das Bundesverfassungsgericht oberste Gerichtshöfe

des Bundes oder oberste Landesgerichte um Mitteilung ersuchen kann, wie und auf Grund welcher Erwägungen sie das Grundgesetz in der streitigen Frage bisher ausgelegt haben, ob und wie … usf.

„Am Ende steht zu dieser rechtspolitischen Historie also der Gegenentwurf „echte Rechtsbindung und echte Demokratie“, keineswegs nur eines von Beiden“, schreiben Sie.

Dem kann ich nur zustimmen.

Hier habe ich lediglich das Beispiel verstanden, also dass man wenn man in halbwegs demokratischen Zeiten die ‚Einhaltung von Recht und Ordnung‘ dem Belieben unterworfen hat, sich nicht wundern muss, wenn in totalitären Zeiten so ein Standgericht von Greisen den alternativlosen Strafbefehl gibt.

Also dieses verstehe ich nicht:

„Im Wesentlichen erfüllen diese Widersprüche und Unklarheiten vielmehr die Funktion des Eliminierens jedes Wandels zugunsten der überwiegenden Mehrheit und dienen damit dem Stabilisieren des Status Quo als verfestigtes System der Herrschenden. Wie historisch nachgewiesen, ist methodisch und personell auch sehr schnell das Einschwören der Juristen auf totalitäre Regime und aggressive Kriegsagenden möglich.“

Im einzelnen zu Ihren Themen vom 23. Sept. 17.15:

Sie schreiben zum Dilemma jeder Absicht auf Veränderung: „So ziemlich jede berechtigte Regung aus dem Volk, jede Bewegung und humanitäre Aktion kann heute missbraucht, gekapert oder sogar inszeniert werden, um den Boden für eine ganz andere Agenda zu bereiten.“

Dieses Thema behandelt Prof. Mausfeld eigentlich in allen seinen Video-Vorträgen, so z.B. auch hier. 

Macht, die Deutungshoheit über Zustände in der Gesellschaft, die Verhinderung von Veränderungen sind die Dinge, um die es geht. Spaltung ist eines der üblen Werkzeuge zur Zielerreichung. Die Spaltung in arm und reich ist ja so weit vorangetrieben worden, wie dies noch vor 40 Jahren undenkbar war.

Rudolf Hickel sagt in seinem aktuellen Papier „Zehn Jahre nach dem Crash: Trotz vieler Aktivitäten bleiben die Risiken einer neuen Finanzmarktkrise hoch!“, dass das Volumen des im weltweiten Finanzsektor angelegten Reichtums nach einer Berechnung der ALLIANZ SE in den letzten zehn Jahren von 100 auf über 170 Billionen US-Dollar gestiegen sei. Nicht nur reiche Privatleute, sondern auch Unternehmen trügen zu dieser Geldflut im Kasino bei.

„Die Vermögensakkumulation durch Unternehmen auf den Finanzmärkten widerlegt die neoliberale Rechtfertigung der Gewinne der Unternehmen als Finanzierungsbasis der Sachinvestitionen. So schlagen sich am Ende gewinnsteigernde Kostensenkungen im Bereich der Arbeitseinkommen in einer Ausweitung der spekulativen Finanzinvestitionen nieder. Die gegenüber der Realwirtschaft überschüssige Vermögensbildung auf den Finanzmärkten ist Folge eines gesamtwirtschaftlich schädlichen Übersparens.“

Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen, niedrigste Arbeitseinkommen einerseits und Gewinne, die das Kasino befeuern – beides neben einander. Und beides: die Folgen eines möglichen Crashs und die Niedriglöhne, trifft die Schutzbedürftigsten in der Gesellschaft am meisten.

Er ist der Überzeugung, dass nur eine Umverteilung von Einkommen und Vermögen den Druck aus dem Kessel Finanzmarkt herausnimmt und einen drohenden Crash weniger wahrscheinlich macht.

Dieser Zusammenhang ist gut belegt und müsste doch eigentlich jedem unmittelbar einleuchten. Er nimmt Hegels Spott auf: „Schade um die Wirklichkeit, dass sie nicht mit dem Modell (der neoliberalen Mainstream-Ökonomen) übereinstimmt.“ Erneut würde die Entfesselung der Marktkräfte propagiert.

Das Problem ist wohl, dass beim größten Elend einige immer noch prächtig „verdienen“.

Dieses Beispiel habe ich angeführt, um zu zeigen, dass ganz offensichtliche Zusammenhänge geleugnet werden. Hier liegt eine „konkrete und überprüfbare“ Analyse der Finanzkrise vor.

Andere Ereignisse haben komplexere Ursachen und die offiziellen Erklärungen leugnen nicht selten ihr Zustandekommen.

Norbert Häring und Dirk Pohlmann gehen solchen Phänomenen mit journalistischem Spürsinn nach. Sie zweifeln an der offiziellen Verlautbarung (zur Bargeldabschaffung der eine, zum Auftauchen russischer U-Boote vor ein paar Jahren in Schweden der andere). Sie gehen der Sache nach, finden Indizien für eine ganz andere Vermutung, prüfen, ob diese notwendig und hinreichend sind, suchen ggf. weiter, bis ihr Puzzle vollständig ist. Das sind dann konkrete und überprüfbare Analysen (egal ob sie von irgendwelchen Medien oder Politikern geteilt werden).

Demokratie?

Die Idee der Schwarmintelligenz, die – wie Sie schreiben – mit Toleranz im Denken und Handeln untrennbar verbunden ist, gefällt mir.

Mausfeld sprich hier ab 1:34 Std. davon, dass wir uns den öffentlichen Debattenraum zurückholen müssen, und dass es eine hohe gesellschaftliche Intelligenz (auch kollektive Intelligenz genannt) gibt.

(Nebenbei: ab Min. 12:20 erwähnt er die Bedeutung von Prof. Ingeborg Maus für die Erkenntnisse im Zusammenhang mit Pluralität, Frieden, Demokratie. Wir bräuchten prozessuale Sicherungsbalken, die es einzuziehen gilt.)

Damit sind Sie auch schon beim Begriff Demokratie. Auch mit Ihrer Ansicht von der zugrundeliegenden Idee eines tendenziell lernfähigen Systems zum Nutzen Aller, stimme ich überein.

Dass aus der Perspektive des Einzelnen ein (freiwilliger) Verzicht auf mögliche persönliche Vorteile verbunden sein kann, wenn der absehbare gemeinschaftliche Vorteil überwiegt, akzeptiere ich. Ja, natürlich, mit klaren Regeln

Dagegen bin ich entschieden gegen ein Nudging, das uns mittels psychologischer Tricks, von uns nicht wahrgenommen, in die Spur bringen soll.

Verbindliche Regeln?

Die Verbindlichkeit von Regeln, die unsere Sicherheit garantieren, Chancengerechtigkeit und Handlungsfreiheit versprechen, ist etwas, das sich die meisten von uns wünschen. Stimme ich voll zu.

Wer sich mit dem Grundgesetz befasst, wird feststellen, dass es uns Schutz und Halt, aber auch Verpflichtung ist.

Allerdings sind Tendenzen, sich darüber hinwegzusetzen regierungsseitig akut  (Bundeswehreinsatz im Rahmen der Kriegskoalition für den Fall, dass in Syrien Giftgas … unter Umständen ohne vorherigen Parlamentsentscheid).

Willy Wimmer ist der Meinung, dass im Fall Skripal angelsächsisches Recht unser röm-europ. Recht dann verdrängt, wenn unsere Politiker den Briten recht geben, wo doch nach unsren Gesetzen die Anklage die Beweise beibringen muss und nicht die beschuldigte Seite.

Wenn eine Firma ein neues Produkt auf den Markt bringt, hat sie nach unserem Rechtsverständnis auszuschließen, dass von diesem eine Gefährdung ausgeht. In anderen Ländern wird dieses Vorsorgeprinzip, anders gewichtet.

Recht und Gerechtigkeit

Natürlich sollen Regeln klar und verständlich sein. Nur so kann man wissen, was geht und was nicht geht.

Wer sich auf sein Recht zum zivilen Ungehorsam beruft (dem müssen verschiedene legale Versuche, zu seinem Recht zu kommen, vorausgegangen sein, damit die Voraussetzungen erfüllt sind) hat in der Regel nichts gegen eine Vorschrift als solcher, aber hält sie in dieser Situation für nicht angemessen oder stellt ein höheres Gut in den Vordergrund (Hambacher Wald, Umwelt, Gesundheit von bloßem Renditedenken).

Gerechtigkeits-Politik?

Dem Link „Die Strategien der Rechtsunsicherheit“ bin ich gefolgt. Ein sehr interessanter Text. Daraus: „Die Rechtsunsicherheit soll das Vertrauen der Bürger und Staatsorgane in die rechtsstaatliche Unzuverlässlichkeit der Rechtsordnung bestärken und dieselbe hierdurch befördern.“ Was für ein Satz!!

Natürlich sind mir auch schon allerlei unklare Regeln und solche, bei der man sich fragt: „Ja, was will man da von mir?“ oder die Erschwerung einer Rechtsausübung begegnet; aber dass dies Strategien sein könnten, das war mir nicht in den Sinn gekommen.

„Dass einst sicheres Recht unsicher wird und die Rechtssicherheit demnach in jeder Epoche wieder hergestellt und abgesichert werden muss, ist also der schon von Pomponius mitgeteilte Sinn der Rechtsgeschichte…“

Auch darunter kann ich mir nichts Konkretes vorstellen, vielleicht, dass mit der Gleichberechtigung der Frauen, die viele Paragraphen auch auf sie ausgedehnt werden mussten oder vielleicht die Steuergesetze, dass durch das Hinzukommen neuer Abschnitte

Steuerschlupflöcher gestopft werden mussten???

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10 Antworten zu Lieber Lutz Lippke,…

  1. Lutz Lippke schreibt:

    Hallo liebe Theresa Bruckmann,

    Danke, dass Sie das Thema erneut aufgreifen und ergänzen. Gerade im Zusammenhang mit „aufstehen.de“ kam ich selbst wieder stärker darauf zurück. Ihre Erweiterungen u.a. zu Fragen der Volkswirtschaft zeigen die wesentlichen Zusammenhänge auf und verweisen auch zugleich auch das lückenhafte Aufstehen von aufstehen.de. Soziale Forderungen müssen volkswirtschaftlich durchdacht und rechtlich effektiv abgesichert werden. Wir können schon nur für Deutschland die Beispiele von Scheinregulierungen kaum noch aufzählen (Mietpreisbremse usw.)
    Es fehlt also in wesentlichen Bereichen wie Recht, Machtorganisation und Wirtschaft immer noch vertieftes Nachdenken über die Strukturen und Prozeduren, mit denen ausgehend vom Jetztzustand tatsächlich ein Blumentopf in Richtung Gerechtigkeit zu gewinnen ist. Als groben Beleg für diese Behauptung möchte ich die Tatsache angeben, dass in linken Agenden und auch bei alternativen Medien Themenbereichen wie Demokratietheorie und Recht, aber auch Betriebs- und Volkswirtschaft keine eigene Bedeutung beigemessen wird. Das kann man leicht nachprüfen, in dem man die entsprechenden Rubriken oder Schlagworte in den Angeboten sucht. Man wird selten fündig (so auch bei aufstehen.de nicht). Opablog ist natürlich eine rühmliche Ausnahme, zur Rechtswirklichkeit spätestens seit dem Mollathfall . Danke dafür!

    Ich möchte hier nur auf einige Ihrer Anmerkungen und Fragen eingehen, weil ich aus zeitlichen Gründen unsicher bin, wann ich sonst dazu komme. Ich muss aus Zeitgründen vorerst auch auf Quellenangaben verzichten. Ich hole das aber nach.

    Sie schreiben:
    „Wenn ich dies richtig verstanden habe, war es so, dass die gesamte Rechtsordnung im nationalsozialistischen Sinne umgedeutet und die positivistische Bindung der Staatsgewalt an die geltenden Gesetze aufgehoben wurde.“

    Grob könnte man das so stehen lassen, aber es könnte zu Missverständnissen führen. Ich versuche daher die Entwicklung ohne Anspruch auf Vollständigkeit und absolute Richtigkeit klarer zu formulieren und muss dafür doch etwas ausholen:

    Bis wohl in die 20ziger des 19.Jh. war der Gesetzespositivismus in der Rechtstheorie und Gerichtspraxis stark verankert. Schon wenn der Kaiser befahl oder verordnete, hatte sich der Untertan, also auch der Richter, an das Vorgegebene zu halten. Die Entwicklung der parlamentarischen Demokratie und Verfassungsgesetzgebung gab dann prinzipiell dem Volk bzw. den gewählten Repräsentanten die Legitimität die allgemeine Verfassung durch bindende Gesetze auszugestalten. Dies hätte bei den politischen Machtverhältnissen in der Weimarer Republik zu einer „kalten Revolution“, also zur sozialstaatlichen Umgestaltung der Gesellschaft bis hin zur Vergesellschaftung von Produktionsmitteln und Zuwendung zu genossenschaftlichen und sozialistischen Wirtschaftsweisen führen können. In diesen politisch, wirtschaftlich und sozial sehr bewegten Zeiten hätte dies allerdings mit einer sorgfältigen und effektiven Gesetzgebung umgesetzt werden müssen. Es lag bereits vor 1933 vor allem im Interesse des Großbürgertums, die Verbindlichkeit des Gesetzes (-positivismus) aufzuheben und damit die Legislative faktisch zu entmachten. Die politischen Turbulenzen dieser Zeit machte diese Wendung sicherlich leichter. Der von der bürgerlichen Rechtstheorie als „objektive Auslegung“ dargestellte juristische Umgang mit Gesetzen verlagerte die rechtliche Deutungshoheit von der Exekutive (Kaiserzeit) nicht verfassungsgemäß auf die Legislative, sondern vielmehr auf die Judikative, die sich in wesentlichen Teilen den alten Machtverhältnissen verpflichtet sah. Denn die Methode der „objektiven Auslegung“ des Gesetzes beruft sich nicht auf den Willen des verfassungsgemäßen Gesetzgebers, sondern auf den Zweck, den ein Gesetz nach dieser Theorie objektiv haben „muss“, quasi den objektiven „Willen des Gesetzes“. Dieser „Wille des Gesetzes“ kann sich sogar als Negierung des Gesetzestextes ergeben.

    Diese Unverbindlichkeit des Gesetzes ermöglichte es der Exekutive, zunächst insbesondere aber der Judikative, die Rechtsanwendung unabhängig von Mehrheitsverhältnissen und gesetzlichen Bindungen zu gestalten. Der Machtergreifung der Nazis gingen unter diesen Bedingungen politisch motivierte Rechtsbrüche zur Stigmatisierung und Ausschaltung progressiver, demokratischer Kräfte voraus, die nicht oder jedenfalls nicht wirksam geahndet wurden. Es war also gerade nicht der Gesetzespositivismus, der die Nazis an die Macht brachte. Im Gegenteil.
    Während der NS-Zeit änderte sich dann eigentlich „nur“ der Zweck der Gesetze, so dass die NS-Justiz unliebsame Gesetzbücher nicht einmal verbrennen musste. Was man verbiegen konnte, wurde verbogen. Was man ignorieren wollte, ignorierte man. Was in bestehende Gesetze nicht hineinzudeuten war, wurde per Führerbefehl und / oder vorauseilendem Gehorsam im Sinne der großen Sache als rechtmäßig bestimmt. Demokratische Institutionen, die Verfassung und die bestehenden Rechtsnormen wurden damit zur Makulatur und dienten eine Zeitlang allenfalls noch als Feigenblatt der NS-Diktatur. Diese diktatorische Rechtswillkür mit dem Prinzip des Gesetzespositivismus zu verbinden, erweist sich damit als perfider Trick.

    Ihre Bezüge zur heutigen Umdeutung von Völkerrecht und Zweckmäßigkeit des Rechts durch Herrschende sollte daher auch den Linken ernsthaft zu Denken geben und eine sorgfältige Analyse der eigenen Agenda und Vorgehensweise zu Rechtsfragen auf die Tagesordnung rufen. Auch wenn die an anderer Stelle schon erhobenen Einwände ihre Berechtigung haben, will ich ein funktionierendes Rechtssystem erneut mit einem Spielregelsystem vergleichen. Spieler verständigen und unterwerfen sich verbindlichen Spielregeln, obwohl sie davon keinen einseitigen Vorteil haben. Ein funktionierendes Rechtssystem ist daran angelehnt nicht zuvorderst als Richtigkeits- oder Gerechtigkeitsgarantie für das Ergebnis da, sondern dient im Wesentlichen als universelles Sicherheitsnetz gegen Willkür, also als Fairplay-Garantie. Das Spiel-Ergebnis muss einem nicht immer gefallen, aber nur so kann ein Regelsystem bei vielschichtigen Interessenkonflikten funktionieren.

    Zu Ihrer Frage:
    Wer oder was kontrolliert oder diszipliniert das Bundesverfassungsgericht?

    Es sollte dem demokratischen Prinzip nach wohl der Souverän sein, nämlich über die Bindung der Richter an die verfassungsgemäßen Gesetze. Damit sind insbesondere diese prozessualen Normen (Spielregeln) angesprochen, die eine effektive Absicherung der Rechtsstaatsgarantie bewirken sollen. Tun diese das? Ein sehr schwieriges Thema, das hochbrisant und auch politisch ambivalent ist. Als ein Nebenthema würde ich das hier nicht abhandeln wollen.

    Sie schreiben:
    Also dieses verstehe ich nicht:
    „Im Wesentlichen erfüllen diese Widersprüche und Unklarheiten vielmehr die Funktion des Eliminierens jedes Wandels zugunsten der überwiegenden Mehrheit und dienen damit dem Stabilisieren des Status Quo als verfestigtes System der Herrschenden. Wie historisch nachgewiesen, ist methodisch und personell auch sehr schnell das Einschwören der Juristen auf totalitäre Regime und aggressive Kriegsagenden möglich.“

    Das Zitat bezieht sich auf das Argument, dass die gesellschaftliche Entwicklung (zum Guten) mehr oder weniger zwangsläufig zu Widersprüchen und Unklarheiten im Recht führt, die durch eine zeitgemäße Auslegung von Rechtsgrundsätzen und Normen immer wieder reflektiert und angepasst werden müssen. Das BVerfG adressiert dies auf der Ebene des Grundgesetzes z.B. mit einem „Wertewandel“, zuletzt wohl bei der Abkehr vom bisherigen binären Geschlechterrecht und der Einführung eines 3. Geschlechts. Das mag sich für „linke Ohren“ gut anhören, aber eben nur mit einem kurzsichtigen Blick auf das Ergebnis für die Betroffenen. Diese wurden nun nach langem Leiden unter den „bisherigen Werten“ (eben gerade den Werten des BVerfG) erhört. Der Zeitpunkt des „Erhörens“ ist einerseits durch die Vorlage einer zu prüfenden Entscheidung, insbesondere aber durch den Willen oder das einsichtige Interesse des BVerfG bestimmt, nunmehr „Erhören“ zu wollen oder auf Druck zu müssen. Mit dem konstatierten „Wertewandel“ wird dabei aber eine Rückwirkung auf die bisherige Rechtslage ausgeschlossen. Die war bisher richtig und ist nun anders richtig, argumentiert schlafwandlerisch der „Wertewandler“ in roter Robe. Bis zu welchem Zeitpunkt auch eine Rückwirkung, wenn der „Wertewandel“ schleichend bis zum Entscheidungszeitpunkt des BVerfG reift? Ich denke zum schleichenden, aber auch plötzlichen „Wertewandel“ muss man auch für eine fiktive negative Entwicklung nicht allzu viel Phantasie bemühen, um die prozessuale Anschlussfähigkeit an die NS-Vorzeit und deren Folgen zu erkennen.
    Wie wäre dem zu begegnen? Bei echter Demokratie und echter Rechtsstaatlichkeit wäre jedenfalls die Bearbeitung des „Wertewandels“ allein Sache des Souveräns, des Gesetzgebers. Die Rechtsprechung könnte allenfalls wegen Verfassungswidrigkeit die Anwendung von bisher geltenden Gesetzen aussetzen und befristete Übergangslösungen bis zu einer Neuordnung durch den Gesetzgeber ausgeben. Dafür gibt es auch einige Beispiele. Das Thema ist aber schwierig und nicht nebenher zu bewältigen.

    Die zunehmende Spaltung in arm und reich ist im Wesentlichen eine Folge von Rechtsverhältnissen. Boah! Also nicht die Folge politischer Machtverhältnisse, der Verteilung von Produktionsmitteln, des sozio-ökonomischen Verteilungsschlüssels, von Markt- oder Planwirtschaft?
    Ich bleibe dabei – es sind tatsächlich Rechtsverhältnisse, die die Spaltung in arm und reich festschreiben und verschärfen. Es zeigt sich doch die Doppelfunktion des Rechts nach großbürgerlichen Lesart. Einerseits wird ein gesetzlicher Zugriff des demokratischen Souveräns auf die ungerechten Rechtsverhältnisse durch Unbestimmtheiten und Auslegungen in der Rechtspraxis unterlaufen, andererseits ist der politische Zugriff durch Verweis auf verfassungsrechtliche und gesetzliche Zwänge ausgeschlossen und jede Zuwiderhandlung wird repressiv durch Anwendung von Gesetzen bestraft. So wird das Landeigentum des Einzelnen am Hambacher Forst notfalls durch Enteignung zur Nutzung im Allgemeinwohlinteresse frei gemacht, aber die Inanspruchnahme des profitorientierten Energiekonzerns für Umweltschäden ist durch Gesetzesvorbehalt weitgehend ausgeschlossen.

    Zur Spekulationsneigung von produktiven Unternehmen, die für ihre angeblichen Real-Investitionen massiv entlastet werden, fällt mir die schon lange existierende Wendung ein, dass Siemens eine Geschäftsbank mit angeschlossener Werkstatt sei. Oder so ähnlich.

    Sie schreiben:
    „Er ist der Überzeugung, dass nur eine Umverteilung von Einkommen und Vermögen den Druck aus dem Kessel Finanzmarkt herausnimmt und einen drohenden Crash weniger wahrscheinlich macht.
    Dieser Zusammenhang ist gut belegt und müsste doch eigentlich jedem unmittelbar einleuchten.“

    Aber selbst wenn das den Wirtschaftsmächtigen einleuchten würde, bewirkt das ja noch keine entsprechende Handlung. Angesichts der wahnwitzigen Zuspitzungen scheint mir das Hoffen auf Realismus, Einsicht und Korrektur dieser Kreise verfehlt. Die Korrektur muss schon zwingend durchgesetzt werden. Meine Sicht darauf: Das formale bereits Errungene (Demokratie, Rechtsstaat und Völkerrecht) sollten wir wertschätzen und konsequent anwenden und damit auf einem möglichst hohen Level der entsprechenden Deutungsmacht im wiedergewonnenen „öffentlichen Debattenraum“ (Mausfeld) die kritische Auseinandersetzung führen. Kritische Auseinandersetzung meine ich nicht im Sinne von „Kritik an …“ sondern wegen der immer drohenden Gefahr von massiven Grenzüberschreitungen durch Gegner. Im günstigsten Fall sind repressive Mittel dann für die Herrschenden nicht mehr erreichbar und erfolgversprechend, sogar für sie selbst gefährlich. Vielleicht war eine solche Situation 1989 für die DDR-Führung eingetreten, was wohl auch mit dem gestärkten (Selbst-)Bewusstsein der DDR-Bürger zu erklären ist. Es gab für die Führer mit Gewalt nichts Entscheidendes mehr zu gewinnen, aber Alles zu verlieren.

    Das „Recht zum zivilen Ungehorsam“ ist dem Wesen nach ein Grundrecht, allerdings schwierig zu definieren. Das trifft insbesondere auf das unbeschränkte Widerstandsrecht zum Schutz der Verfassung (wenn andere Abhilfe nicht möglich ist) zu, dass wohl nur bei erfolgreicher Durchsetzung anerkannt werden wird. Abgesehen davon wird der Bürger eigentlich nur durch strafbewehrte Verbote und Gebote zum echten Gehorsam verpflichtet. Gegen diese strafbewehrten Regeln zu verstoßen, zieht ggf. die vorgesehene Strafe nach sich. Die Angemessenheit der Gründe und die Entscheidung zum Ungehorsam gegenüber strafbewehrten Ver- und Geboten sollte also die mögliche Bestrafung mit einrechnen. Das ist eine individuelle Entscheidung, die von Anderen nicht eingefordert und auch nicht leichtfertig als ein vorrangiges Mittel eingesetzt werden sollte. Andere Normen erzwingen eigentlich keinen Gehorsam, können aber zu nachteiligen Rechtsverhältnissen führen, die dann einer Bestrafung gleichkommen.

    Sie fragen zu:
    „„Dass einst sicheres Recht unsicher wird und die Rechtssicherheit demnach in jeder Epoche wieder hergestellt und abgesichert werden muss, ist also der schon von Pomponius mitgeteilte Sinn der Rechtsgeschichte…“

    Mit der Entwicklung der Frauenrechte hat das wohl weniger zu tun. Ihre Vermutung zielt in die Richtung, dass Widersprüche und Unklarheiten im Recht vor allem der Offenheit des Rechts für gesellschaftliche Entwicklungen geschuldet sind. Solche Effekte gibt es zwar und sie sind sicherlich nicht vollständig zu vermeiden. Aber diese Effekte sind auch Ausdruck einer wenig fundierten gesellschaftspolitischen und juristischen Methodik (siehe z.B. oben Wertewandel und BVerfG).
    Viel entscheidender ist aber die stabile Absicht beherrschender Kreise, die eigenen Vorteile und Interessen verborgen hinter der Fassade der Rechtsstaatlichkeit willkürlich zu bedienen und abzusichern. Ich weiß allerdings über Pomponius nichts Konkretes.

    Ingeborg Maus im Mausfeld
    Ich bin auf Ingeborg Maus vor einiger Zeit durch einen anderen Vortrag von Mausfeld erstmals aufmerksam geworden. Obwohl ich aus persönlicher Betroffenheit mich zuvor bereits jahrelang zu Rechtsgrundlagen und Rechtstheorien insbesondere bei Juristen umgesehen hatte, war mir nie der Name Ingeborg Maus begegnet. Juristen kennen sie nicht. Joachim Bode ist die Ausnahme von dieser Regel. Für mich ergaben sich durch ihre Kritik an der bürgerlichen Rechtstheorie neben neuen Einsichten vor allem schlüssige Erklärungen für die eigenen sehr ambivalenten Erfahrungen mit der Rechtsprechung.

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    • Theresa Bruckmann schreibt:

      Danke an Kranich 05 für das Einstellen in den Blog.
      Dank an Lutz Lippke für Ihre Auseinandersetzung mit dem Text.
      Ihren Ausführungen stimme ich vollkommen zu.

      Zu dem Einwand von fidelpoludo, dass der Primat Politik über
      die Wirtschaft nicht vorkäme:
      Ob ich sage: Die Politik muss wieder das Primat über die Wirtschaft
      zurückgewinnen – oder ich sage: Die Finanzmärkte müssen reguliert
      werden – ist eigentlich dasselbe. Ersteres ist eine Allgemeinaussage,
      das zweite eine konkrete Einzelfallbetrachtung.
      Im ersten Fall ist es eine verallgemeinernde Aussage, im zweiten
      ein konkretes Beispiel eines regulierenden Eingriffs, dem natürlich
      andere folgen sollen.

      Die Bedeutung von Rechtsverhältnissen in der Politik kann man
      nicht hoch genug einschätzen.
      Bsp. sind die Assoziierungsabkommen der EU mit Beitrittskandidaten
      bzw. solchen mit denen nur eine Priviligierte Partnerschaft angestrebt wird.
      Sie sind Vorarbeiten für Unternehmen, die gesicherte Rechtsverhältnisse
      voraussetzen, bevor sie in die Märkte dort vorstoßen, damit ihre Investitionen
      dort zu guten Ergebnissen führen.
      Dann natürlich die ganzen sog. Freihandelsverträge wie CETA, TISA, TTIP,
      dazu die bilateralen Handelsverträge mit afrikanischen Staaten.
      Die ganzen Gesetze und Regeln, die das Verhältnis der EU-Mitgliedstaaten
      zum EU-Recht regeln.
      Zum Bsp. Grundgesetz §1, Abs. 2, § 87a, §115a – UN-Charta – Bündnisfall-Klausel des
      Eu-Vertrag §42, Abs. 7, §42 Abs.2, Unterabsatz 1
      wie sie z.B. hier thematisiert werden
      https://videogold.de/recht-und-gesetz-fuer-den-frieden-nutzen-%E2%80%A2-volker-reusing-im-gespraech/ und

      https://sites.google.com/site/buergerrechtemenschenrechte/stoppt-den-grundrechtsboykott

      Willy Wimmer kommt fast allen Gesprächen auf die Unterschiede: Bonner Republik –
      Berliner Republik und Brüssel, zurück,
      .B. auch hier:

      und natürlich Norbert Häring auf seinem Blog.
      http://norberthaering.de/de/

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  2. fidelpoludo schreibt:

    Abdrift der Demokratie von der Gewaltenteilung über Rechtsverschränkung und Rechtsunsicherheit bis zum Rechtsdiktat

    Einige provokative – eher „positivistische“ – „Auslegungen“ herrschender Rechtspraxis, ausgehend von einer „interessiert“ (ökonomisch) ausgerichteten „Rechtsverschränkung“ (um nicht von einseitiger „Dominanz“ zu reden), die sich tendenziell auf eine Parodie von Gewaltenteilung zu bewegt, in der Big Business die Gesetze schreibt, das Parlament (Funktionselite 1) sie abnickt und die Gerichte (Funktionselite 2) und ihre untergeordneten Instanzen, Bürokratien und Institutionen (Funktonselite 3) sie „durchknüppeln“ (um den vornehmeren Ausdruck „vollziehen“ zu umgehen). Die Knüppel haben Paragraphenform, sind oft kaum erkennbar kleingedruckt und verweisen auf weit entfernte, kaum mehr wahrnehmbare Anmerkungen und Sonder- und Ausnahmeregelungen, die in ihrer Wirksamkeit Zilles Feststellung, man könne einen Menschen auch mit einer Wohnung erschlagen, in seiner Konkretheit in den Bereich der Romantik rücken. Schön wär’s, wenn’s so noch wäre! Das so verschränkte Gebräu wird in den Mixern der Medien noch einmal ohne weitere Zutaten noch einmal aufgeschäumt und den Bürgern in Mund, Augen, Ohren und Gehirn gestopft: „So isses! Und so soll es gefälligst bleiben! Und anders kann und darf es nicht werden!“

    Das Primat der Wirtschaft über die Politik wird in Eurer Diskussion nicht mit einem Satz erwähnt – Ausnahmen bestätigen Eure Regel: „Siemens eine Geschäftsbank mit angeschlossener Werkstatt“. (Bei Mausfeld findet sich dazu einiges. Aber auch bei Frau Maus?) Wo es doch zuallererst darum gehen müßte, der Politik das Primat vor der Wirtschaft (wieder?) abzuringen. „Zurück zu gewinnen“ wollte behaupten, dass es dort in vergangenen Zeiten schon einmal gesichtet worden wäre, was ich bezweifle.

    Bisher ist – da hat Lutz recht – von #aufstehen zu dieser Problematik noch wenig zu hören. Aber nicht nichts. Denn wer bereit ist, bei Frau Wagenknecht oder Herrn Streeck zwischen den Zeilen zu lesen, dem dürfte kaum entgangen sein, dass ein Problembewußtsein durchaus vorhanden ist.

    Ich will auch auf Daniela Dahn verweisen, um zu widerlegen, dass die Linke sich überhaupt nicht damit beschäftige. Ihre Website führt vor Augen, dass sie der Aufstehensbewegung durchaus nahe steht. Lest doch einmal von ihr >b>“Wir sind der Staat“ (Untertitel: „Warum Volk sein nicht genügt“). Das stimmt zwar nicht. Umso schlimmer für die Realität! Bornierter Idealismus? Keineswegs! Denn wie heißt es nicht so schön im Grundgesetz Artikel 20 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland:
    (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.
    Bleibt zu fragen: Wo ist sie dann hin? Ja, wo läuft sie denn? Wollte sie nur eine Schachtel Zigarretten ziehen und ward dann nicht mehr gesehen?
    Daniela Dahn formuliert es – Antwort inklusive – so:

    „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus, heißt es im Grundgesetz – aber sie kehrt nie zu ihm zurück. Wie auch, sie ist ja längst in den Händen des Big Business.“

    Man könnte es auch noch anders formulieren:
    „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“ Aber wo bleibt sie dann? Wenn sie überhaupt einmal geruht, zu ihm zurück zu kehren, ist sie nicht wieder zu erkennen. „Bist Du aber groß geworden!“ Aber leider: weder ganz der Pappa, noch die Mamma (wir können die Reihenfolge problemlos ändern). Ein souveränes Volk sollte Wiedererkennung und „Annahme verweigern“. Das hatte es nicht bestellt. Vieleicht war aber auch die Bestellung nicht klar genug – oder sie ist auf dem Transportweg verwechselt worden oder abhanden gekommen. Dann sollten Bestellungsroutine, Adressaten, Transportmittel und -wege besser kontrolliert werden.

    Daniela Dahn wird wird mir wohl keine Copy-Right-Klage ins Haus schicken, wenn ich ihr sprechendes Inhaltsverzeichnis hier wiedergebe, samt zweier Motti, die ihr erstes Kapitel zieren, zur politischen Erbauung – und nicht bloß, um zu demonstrieren wie hegelianisch Goethes politische Gedanken einerseits waren, die er in seiner kurzen politischen Praxis dann andererseits aber wieder verriet:

    1. Der Staat als Herrschaftsinstrument (Haben wir die Freiheit, die wir verdienen?)
    2. Wer herrscht? (Vom Phantom der Volkssouveränität)
    3. Worüber wird geherrscht? (Der Staat sichert die Eigentumsordnung)
    4. Wie wird geherrscht? (Die Bereicherungsmaschine der unsichtbaren Clans)
    5. Über die Selbstermächtigung der Bürger (Alle Macht den Räten – Occupy the law)
    6. Wer souverän sein will, muss souverän sein (Eigentum und Recht und Freiheit: eine Lektion Volkshochschule)
    7. Wer souverän ist, überschreitet Grenzen (Schritt für Schritt in eine unverfälschte Demokratie)
    8. Warum Staat sein? (Von der Freiheit zur Umkehr)

    Hegel:

    „Man muß, wenn von Freiheit gesprochen wird, immer wohl achtgeben, ob es nicht eigentlich Privatinteressen sind, von denen gesprochen wird.“

    Goethe:

    „In der Gesellschaft sind alle gleich. Es kann keine Gesellschaft anders als auf den Begriff der Gleichheit gegründet sein, keineswegs auf den Begriff der Freiheit. Die Gleichheit will ich in der Gesellschaft finden; die Freiheit, nämlich die sittliche, dass ich mich subordinieren mag, bringe ich mit.“

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    • Lutz Lippke schreibt:

      Danke Fidelp für Deine satt formulierte Kritik und Hinweisgaben vor allem auf Daniela Dahn. Einigkeit besteht wohl darin, dass immer offensichtlicher aus der wohlklingenden Fassade Demokratie und Rechtsstaat hässliche Praktiken der Machtausübung hervorquellen und wir uns fragen müssen, wie mit der Fassade und dem Hässlichen umzugehen ist.
      Sollte man die Fassade abreißen? Aber was passiert dann mit den an der Fassade abgestützten Hütten, in denen tatsächlich gelebt wird? Du verweist auf Zille, der sich mit „Man kann auch einen Menschen mit einer Wohnung erschlagen wie mit einer Axt.“ auf das Elend in den Mietskasernen und Hinterhöfen bezog. Das ganze Leben beherrscht vom Schindern für die Miete einer Bruchbude im letzten Hinterhof, war der Bezug zur Realität. Wäre im Vergleich dazu ein Abriss der Fassade die erschlagende Axt? Fassade weg = Hütte weg?
      Zum Zille-Zitat habe ich einen Artikel in der Zeit gefunden, der die Ausweglosigkeit der Betroffenen aufzeigt https://www.zeit.de/1950/19/wohnungselend-forderte-menschenleben
      Auch heute ist der Zuzug in die Städte aus dem ländlichen Raum und der Bedarf für Flüchtlinge ein wesentlicher Grund für die Zuspitzung. Ein anderer Grund ist die auf Profit geeichte Wohnungswirtschaft, insbesondere durch Luxussanierung und Umwidmung von Mietwohnungen in Eigentum seit 1990. In der Mieterstadt Berlin wurde der kommunale Wohnungsbestand unter wechselnder Regierungsbeteiligung von SPD und Linke zwischen 1990 und 2005 fast halbiert. (Quelle Berliner Mietergemeinschaft https://www.bmgev.de/politik/archiv/privatisierung/konferenz-dokumentation/praesentationen.html).
      Nun richten sich die Hoffnungen wieder auf einen rot-rot-grünen Senat, der mit dieser Hypothek der jüngeren Vergangenheit arbeiten muss. Es gibt wohl keine einfachen und schnellen Lösungen mit befriedigenden Ergebnis. Aber die nächsten Wahlen wollen gewonnen werden. Würden Runde Tische und Räte zu besseren Lösungen kommen?

      Ich meine, dass wir dem Konkreten mehr Aufmerksamkeit schenken müssen, statt die Abrissbirne zu schwingen oder ungewollt Andere dazu einzuladen. Welche Teile der Fassade haben Substanz? Warum versteckt sich das Hässliche hinter der Fassade? Wie kann man konkret wirksam werden? Welche Fehler führen immer wieder zu falschen Ergebnissen? Wer profitiert davon und wer ist nur der dumme und scheinbar machtlose Gehilfe?

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      • fidelpoludo schreibt:

        Meine „satt formulierte Kritik“ hätte ich an Deiner/Eurer Stelle „so“ nicht einfach akzeptiert. Es rächt sich nämlich, dass ich Wichtiges von Dir und Theresa einfach nicht mit bekommen habe, weil ich zu spät hier eingestiegen bin. Obwohl ich es hätte ahnen können. Dazu werde ich an dieser Stelle mich noch ins „selbstkritische“ Büßerkleid werfen oder in den Beichtstuhl klettern. Mit drei Ave-Marias wird es nicht getan sein. Eure Milde läßt sich vielleicht damit erklären, dass – wie provokant auch immer – endlich wieder der Boden beackert wird, dessen Vernachlässigung Euch Sorgen bereitet hat.

        Bis dahin gebe ich noch einen wohlfeilen Spruch, handgefertigt, mit auf den Weg:
        „Tafelfreuden und -silber in Obdachlosensiedlungen“

        „Wer zu spät kommt, den bestrafen – für seinen Mangel an Selbstoptimierung – mit ein wenig Glück in unseren neoliberalen Zeiten das Leben mit „Tafel“-freuden in „Obdachlosensiedlungen“, an und in denen das letzte Tafelsilber sozialstaatlich wie christlich inspirierter demokratischer Zeiten verscheuert und unter die Leute gebracht wird. „Von den Leiden“ könnte eine Pippi-Private-Partnership mit Win-Win-Charakter anzetteln, indem sie das Nützliche mit dem „Angenehmen“ verbindet. Das „arbeitslose Gesindel“ (rechtsüblich auch „Penner“ genannt) könnte in weiser Antizipation ihrer eigenen Niederschlagung ihre niedrige Niederlassung saisonweise als GÜZ (Gefechtsübungszentrum) à la Schnöggersburg zur Verfügung stellen und als Avantgarde ihrer noch nichtsahnenden Mitbürger in die Geschichte eingehen. Die unzivilisierte Anmutung wildwestlich verlassener „Geisterstädte“ könnte über Bord geschmissen werden, ohne ihren Zweck der Übungszentren zur Einübung für den Orts- und Häuserkampf zu den Akten legen zu müssen.
        Das Problem der Instandhaltung der Übungskasernen befreite das militärische Staatssäckel von überflüssigen Mehrausgaben. Während der einsatzlosen Zeit der Bundeswehr wäre durch eine als Almosen erscheinendes Zubrot zu Hartz IV das mörderische Gesicht nicht nur gewahrt, sondern sogar „humanistisch aufgeputzt“. Ob die Zugabe nach einer gewissen Latenzzeit und einem Warten mit Geduld und Spucke auf den Gewöhnungseffekt dann nicht doch noch vom Hartz-IV-Betrag abgezogen werden kann oder muß – weil gewisse rechtsextreme Gruppen gegen diese „Privilegien“ glauben aufmarschieren zu müssen -, steht noch in den kriegerisch ebenso nicht unumkämpften Sternen.

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  3. Theresa Bruckmann schreibt:

    Danke fidelpoludo,
    was haben Sie einen Heiterkeitsausbruch bei mir ausgelöst!
    Die Sache mit den 3 Ave Marias.
    Herrlich, habe ich doch als Kind regelmäßig abgewogen,
    ob mir der Spaß an dem Unfug, den iich zu machen vorhatte,
    diese 3 Ave Marias wert sind, die mir der Beichtvater pflichtschuldigst
    dafür aufgeben wird.
    Deshalb hoffe ich, dass mein Kommentar wegen der fehlenden
    Nennung von ‚Primat Politik vor Wirtschaft‘, von Ihnen ebenfalls
    sportlich genommen wird. (Dieser Kommentar ist noch nicht
    freigegeben).

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  4. Lutz Lippke schreibt:

    „Warum versteckt sich das Hässliche hinter der Fassade [Demokratie und Rechtsstaatlichkeit]?“
    hatte ich oben gefragt.

    Meine Antwort:
    Weil die mit der Fassade als bestehend vorgetäuschte Demokratie und Rechtsstaatlichkeit mehrheitsfähig ist und bei tatsächlicher Funktionsfähigkeit auch die Machtausübung bestimmen würde.

    Mit der Vortäuschung wird also dreierlei bewirkt:
    1. Die Mehrheit kümmert sich nicht darum, dass diese mehrheitsfähige Macht [D + R] zustande kommt, weil sie ja anscheinend schon da ist.
    2. Die Täuscher können ihre gundsätzlich nicht mehrheitsfähige Agenda weitgehend verbergen und über die nur fassadenhaft ausgebildete Machtstruktur gegen die Mehrheit durchsetzen.
    3. Negative Folgen der Täuschung und der verdeckten Machtausübung für die Mehrheit kann dem Prinzip „Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“ als Verursacher untergeschoben werden, damit sich die Mehrheit von den Prinzipien löst. Das Hässliche kann dann zunehmend offen durchgesetzt werden.

    Klar ergibt sich für mich daraus:
    A. Wer behauptet, dass wir in einer funktionierenden Demokratie und Rechtsstaatlichkeit leben, betreibt die Täuschung. So insbesondere auch dann, wenn er z.B. den Zusammenhalt „der Demokraten“ gegen „undemokratische“ Populisten und Extreme der „falschen“ Seite beschwört.
    B. Die Mehrheit muss sich aktiv um die demokratischen Machtstrukturen kümmern und muss deren Grundlagen über das gesamte bestehende politische Spektrum aushandeln und durchsetzen. Dem steht eine vorsorgliche Tabuisierung von abweichenden Haltungen und Interessen entgegen.
    C. Als echte Grundlagen dieser demokratischen und rechtsstaatlichen Struktur eignen sich zuvorderst die behaupteten und die von allen Seiten in Anspruch genommenen Prinzipien, auch wenn diese nur vorgetäuscht oder letzlich doch verschieden konotiert werden. So verbinden Rechte die Gesetzesbindung der Institutionen vor allem mit der Migrationsfrage (z.B. Abschiebungen), Linke dagegen eher mit sozialen Fragen (z.B. Bleiberecht). Das Unterschiedliche muss man nicht egalisieren. Aber dass Lösungen zur Migrationsfrage wie auch zu sozialen Fragen von den Institutionen eines Rechtsstaats gesetzeskonform gefunden werden müssen, ist im Begriff Rechtsstaat bereits definiert und darf nicht einer tagespolitischen Interessenlage geopfert werden. Davon ist also nicht abzuweichen, insbesondere wenn die Fassaden-Täuscher mit Spaltungsbemühungen gegen einen Konsens arbeiten. Zumindest derzeit ist auch in der Ablehnung von Kriegsbeteiligung und Militäreinsätzen eine übergreifende Grundlage für die Durchsetzung der Rechtsstaatlichkeit möglich. Man muss dazu weder gemeinsam politisch agitieren noch demonstrieren. Aber man muss bei institutionellen Verfassungsverstößen und Rechtsbeugungen von Amtspersonen eine gesetzestreue Klärung und Ahndung einfordern, ohne diese Forderung unter einen politisch motivierten Vorbehalt zu stellen.
    D. Die grundsätzliche Methodik für schlüssige und wirksame Gesetzgebung, entsprechende Amtshandlungen und Rechtsprechung muss für die breite Mehrheit greifbar und nachvollziehbar werden, damit Täuschungen mit Scheinfassaden von der Allgemeinheit erkannt und strikt zurückgewiesen werden können.

    Mein Eindruck ist, dass insbesondere die Rechten das Pferd Rechtsstaatlichkeit erfolgreich reiten und in der Bevölkerung viel Symphatie ernten. Natürlich nutzen Rechte das Prinzip der Gesetzesbindung von Institutionen insbesondere für ihre Agenda gegen Zuwanderung.
    Die Linke ist dagegen zerstritten, ob der Schulterschluss mit A. Merkel zur „Willkommenskultur“ aus linker Sicht politisch richtig oder falsch ist. Die Frage dagegen, ob mit dieser „Von-oben-Kultur“ die Legitimität und Legalität des staatlichen Handelns berührt wird, interessiert die Linke offenbar nicht besonders.

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  5. Theresa Bruckmann schreibt:

    Lieber Lutz Lippke,
    auch hier stimme ich Ihnen in allem vollkommen zu.
    Dass ich jetzt erst antworte, hängt damit zusammen, dass mich Ihre Meinung zu
    „Französisch-deutsches Manifest: Die EU muss neu gegründet werden“ interessiert.
    http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/franzoesisch-deutsches-manifest-die-eu-muss-neu-gegruendet-werden-15800281.html?printPagedArticle=true#pageIndex_0
    Ich habe mich einige Tage damit herumgeschlagen, die Aussagen begrifflich so zu fassen, dass sie mit §§ im EuR Europa-Recht abgeglichen werden können.
    Das war noch leidlich möglich.
    Nicht möglich war mir, nachzuvollziehen wie entlang diesem geschichtlichen Abriss aus der EW Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und den später folgenden EU-Verträgen durch bloßes Hinzufügen von weiteren Werten, eine demokratische Europäische Union hätte werden können.
    Wörtlich: „Die nachträgliche juristische Inkraftsetzung weiterer Werte wie Demokratie,
    Menschenwürde und Solidarität habe bis heute nicht erreicht, die Wirtschaft in den Dienst der Gesellschaft zu stellen… Sind, so fragen die Autoren, die von der Charta (gemeint sind die §§
    der GR-Charta) und den Verträgen anerkannten Prinzipien lediglich eine juristische Maske, um den „unpersönlichen Kräften des Marktes“ ein menschliches Antlitz zu verleihen? Oder ist es noch möglich, diese Kräfte zu kanalisieren, also die Märkte in eine europäische Gesellschaft einzubetten und diesen Prinzipien unterzuordnen?“

    Das sei die Kernfrage, die in den bevorstehenden Europawahlen debattiert werden müsse.

    Weiter wörtlich: „Die Verfasser dieses Manifest möchten annehmen, dass die EU noch dadurch reanimiert werden könne, dass den von ihr proklamierten Idealen ein klarer Vorrang vor den wirtschaftlichen und finanziellen Postulaten, eingeräumt und gesichert wird.“
    Primat Politik also, wer wollte dem nicht zustimmen?
    Weiter meinen die Autoren, würde die EU ihre Glaubwürdigkeit und Legitimität wiedererlangen, wenn ein Europa der Kooperation, ein Europa der Vielfalt der in ihr beheimateten Sprachen und Kulturen, statt diese zu uniformieren; ein Europa der Projekte, in denen Solidarität bei DEN Aufgaben herrscht, die kein Staat isoliert bewältigen kann, entstünde. Diese Solidarität brauche es zugleich intern, zwischen den Mitgliedstaaten, und extern, durch Kooperationsvereinbarungen mit Ländern, die die gemeinschaftlichen Ziele teilten, sicherlich zunächst einmal mit den näheren Nachbarn.

    Es folgt eine Aufzählung von Aufgaben, die zu bewältigen nur diese europäische Solidarität in der Lage sei.
    Die Neugründung der EU auf Grundlage der von ihr proklamierten Prinzipien und der gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten habe zu allererst die Voraussetzung, dass Demokratie auf allen Niveaus politischer Deliberation – lokal, national und europäisch – (wieder)-hergestellt und vertieft würde.

    Im weiteren geht es um Formen der Demokratie, z.B. „doppelte Demokratie“ auf nationaler wie auf europäischer Ebene. Auch auf einen Rückgriff auf historische Quellen der repräsentativen Demokratie („no taxation without representation“) wird hingewiesen.

    Über allem steht das Friedensziel und die Warnung vor der Gefahr, Menschen nicht „eine Beute der Demagogen“ (Gefahren von rechts) werden zu lassen. 1) Hierzu LINK s. unten

    Bemerkenswert ist auch, woher die Verfasser des Manifests kommen und was ihre Arbeitsbereiche sind.

    Interessant im Text ist auch der Hinweis auf das Lissabon-Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2009, in dem dieses das Demokratiedefizit der EU beklagt:

    Im Lissabon-Urteil von 2009 geißelte das Bundesverfassungsgericht das Demokratiedefizit der EU, indem es an die Grundlagen demokratischen Regierens erinnerte: „In einer Demokratie muss das Volk Regierung und Gesetzgebung in freier und gleicher Wahl bestimmen können. Dieser Kernbestand kann ergänzt sein durch plebiszitäre Abstimmungen in Sachfragen. Im Zentrum politischer Machtbildung und Machtbehauptung steht in der Demokratie die Entscheidung des Volkes: Jede demokratische Regierung kennt die Furcht vor dem Machtverlust durch Abwahl.“
    Nichts davon existiere in der EU – keine Wahlen, die es einer Opposition erlaubten, sich zu strukturieren und auf Grundlage eines Regierungsprogramms die Macht zu erlangen. Dieter Grimm, ehemaliger Verfassungsrichter, führe dieses Defizit darauf zurück, dass in den Verträgen selbst, als eine Art „Hyperverfassung“, ökonomische Politikparameter festgeschrieben seien, die normalerweise im politischen Prozess erwogen und an Alternativen gemessen werden müssten.
    Gemeint ist wohl, was Ingeborg Maus meint, wenn sie sagt, dass der Wertepluralismus dann nicht gegeben ist, wenn vorfestgelegt ist, worüber der Volkssouverän erst im demokratischen Verfahren entscheiden soll.
    Im Gefolge dessen sei die EU …dem ausgeliefert, was Jürgen Habermas als „postdemokratischen Exekutivföderalismus“ brandmarke, den Friedrich Hayek bereits 1939 gefordert habe. Eine Föderation von Staaten, die sich auf die „unpersönlichen Kräfte des Marktes“ stütze, hielt er für die geeignetste Institution, um diese Marktkräfte abzuschirmen von den „legislatorischen Interferenzen“ der in den Mitgliedstaaten demokratisch gewählten Regierungen abzuschirmen und um Solidaritätsgefühle sozialer oder nationaler Art aufzulösen.

    1) Paul Schreyer thematisiert in diesem Textbeitrag zurecht
    „Gegen rechts zu sein, behandelt Symptome, keine Ursachen“.
    https://www.heise.de/tp/features/Warum-der-Kampf-gegen-rechts-die-Gesellschaft-weiter-spaltet-4183688.html

    2) Ich möchte zudem auf diesen LINK hinweisen:
    https://kenfm.de/die-entscheidung-kapitaldiktatur-oder-souveraenitaet-der-menschen-teil-1/

    Mit dieser Begrifflichkeit können wir hier auf dem Blog umgehen.
    Morgen, 11. Oktober soll ein Teil 2 (von Krause und Sosna) folgen.

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