Agora

Morgen startet die Sammlungsbewegung „aufstehen“ offiziell.

Die Erwartungen sind hoch. Die frontale Kritik ist deutlich, obwohl sie doch eigentlich, da ja „noch nichts gestartet ist“, gar keinen Gegenstand hat. (Sobald die Sammlungsbewegung Erfolge erzielt, wird sie unter gewaltigen Druck kommen.) Auch die Versuche, das Baby in der Umarmung zu ersticken, werden nicht lange auf sich warten lassen.

Zweifellos darf die Sammlungsbewegung nicht bloßer Debattierclub sein. Obwohl ich betone, dass mir gerade dieser Aspekt: Die Entwicklung einer wirklich freien aber nicht selbstzerstörerischen Diskussion besonders am Herzen liegt. Wirkliche Freiheit, wie Friedrich Engels hervorhob, zeichnet sich durch inhaltliche Bestimmtheit aus. Klar, die ist nicht am Anfang gegeben. Deshalb ist es so wichtig, Wege zu finden, die zu ihr hinführen.

Das Internet stellt die für Massengesellschaften adäquate, erstmals prinzipiell geschaffene, kommunikationstechnische Basis für diesen demokratischen Fortschritt dar. Ich sage: „prinzipiell geschaffen“ denn wirklich geschaffen, also „im täglichen Leben wirkend vorhanden“ ist diese unmittelbare gesellschaftliche Informations- und Kommunikationsform noch nicht.

Natürlich haben wir private Mailinglisten, persönliche Blogs usw., die neues Informations- und Kommunikationsverhalten fördern. Doch es ist Wunschdenken, diese Formen für die neue Qualität zu halten. Sie sind nicht die Organisationsbasis der neuen gesellschaftlichen  Informations- und Kommunikationskultur und sie werden es (ohne je ihre eigene Berechtigung zu verlieren) nie werden.

Vielleicht können wir uns von der alten griechischen Gegebenheit oder Einrichtung der Agora inspirieren lassen.

Dieser Beitrag wurde unter ökologisch, Bewußtheit, Blödmaschine, bloggen, Demokratie, Kunst, Leben, Machtmedien, Materialismus, Mensch, Musik, Realkapitalismus, Revolution, Widerstand abgelegt und mit , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

22 Antworten zu Agora

  1. fidelpoludo schreibt:

    „Agora“ – allerdings mit der Betonung auf der zweiten, statt auf der ersten Silbe – heißt auf Portugiesisch (auch nicht ganz unpassend): „Jetzt“.

    Like

    • kranich05 schreibt:

      Hallo fidelp,
      ich mit meiner mangelhaften klassischen Bildung habe „Agora“ spontan auf der 2. Silbe betont. Erst durch Deinen Hinweis – danke! – kriege ich mit, dass im Griechischen die Betonung auf der 3. Silbe liegt.

      Like

      • fidelpoludo schreibt:

        Dein Hinweis auf Deine „mangelhafte klassische Bildung“ übergeht dezent einen entsprechenden Mangel auf meiner Seite – war ich doch von der Betonung auf der ersten Silbe ausgegangen.

        Like

  2. willi uebelherr schreibt:

    Klaus-Peter, da wuerde mich mal interessieren, was fuer dich die „Organisationsbasis der neuen gesellschaftlichen Informations- und Kommunikationskultur“ wirklich ist.

    Meinen standpunkt dazu habe ich ja schon deutlich gemacht. Wier muessen uns die „kommunikationsinstrumente“ schaffen, um sie nutzen zu koennen. „Organisationsbasis“ ist fuer mich etwas ganz anderes und liegt weit ausserhalb der telekommunikation.

    Um der begrifflichen verwirrung hier einhalt zu gebieten: Telekommunikation ist nur ein instrument, um geografische und zeitliche distanzen zu ueberwinden. Auch telefon ist telekommunikation. Generell: in einer zeitsynchronen kommunikation koennen wir so tun, als saessen wir alle in einem raum und benutzen die luft und das licht als medium.

    Was wir damit machen, ist davon unabhaengig und haengt nur von uns selbst ab. Und klar, die objekte des austausches sind immateriell.

    Like

  3. Jens schreibt:

    „Agora“, hoch interessant – ziemlich genau hierauf bezieht sich Gilad Atzmon in seinem Buch „Being in Time“, wenn er Regelhaftigkeit und politischer „Korrektheit“ das Konzept von „Athen“ entgegen setzt, das zunehmend aus dem öffentlichen Diskurs verbannt wird.

    Like

    • Lutz Lippke schreibt:

      Ich weiß, dass war hier schon einmal Thema. War das Athen vs. Jerusalem? Der Metapher konnte ich etwas abgewinnen. Aber ich denke nicht, dass Regelhaftigkeit und Korrektheit das richtig beschreibt. Diese Begriffe wirken sicherlich bieder und steif. Setzt man stattdessen Willkürfreiheit und Substanz ein, wird wohl offensichtlich, dass das keine Gegensätze zu basisdemokratischem, freiheitlichen Denken sind. Es wäre eine Trugschluss, wenn Dogmatismus als regelhaft und korrekt verstanden wird. Das genaue Gegenteil ist offensichtlich. Verfälschte Sprache ist kein Problem der political correctness, sondern ein Mittel zur Tabuisierung und Verfälschung des Denkens. Das erinnert an den sogenannten Sophismus und die „beweglichen“ Qualitäten eines Juristen, frei nach OStA Meindl.

      Aufstehen! Die Webseite ist wohl derzeit überlastet, so dass ich etwas drumrum gesurft habe. Focus wittert Gefahr. Ein guter Fakt 🙂 Die taz kalauert: Sahra Wagenknecht steht mittags auf. Guter Einstieg, den Rest habe ich schon wieder vergessen. Der Spiegel fürchtet seine Spaltung, weil Sahra Wagenknecht sich verstolpert habe. Gemeldet wird die Verwendung von pol.is zur Meinungssammlung, ein open-source-Projekt. Wer weiß was dazu? Opablog hat ja hier das Projekt Human Connection vorgestellt und das Logo oben. Ist da jemand dabei?

      Like

  4. willi uebelherr schreibt:

    pol.is? Ich hoerte den namen zum ersten mal (https://pol.is/company).
    In GeekWire (17.4.2014) lese ich einiges.
    https://www.geekwire.com/2014/startup-spotlight-polis/
    Noch habe ich keinen ein/ueber-blick, was das nun soll. HumanConnection (https://human-connection.org) ist zumindest Open Source. Warum „deutsche“ englische titel benoetigen, ist mir allerdings unverstaendlich.

    Das verbindende scheint die zentralisierung zu sein. So koennen wir uns auch einen tierischen aufwand und hohe instabilitaet schaffen, Uli Gellermann hat sich anders genaehert:
    #Bescherung
    http://www.rationalgalerie.de/kritik/bescherung.html

    Wenn wir politisch/soziale inhalte auf methoden und instrumente auslagern, dann deutet es auf eigene Unfaehigkeit oder Unwollen hin. Nur, ich vermute, dass die ueber 100.000 inzwischen dieses interesse mehrheitlich nicht haben.

    Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Klaus-Peter dies nun zur „Organisationsbasis der neuen gesellschaftlichen Informations- und Kommunikationskultur“ erklaeren wird. Weil das ist „Geschaeftle machen“ im umfeld „Markt“-orientierter Demokratie-Vernichtung. Wir koennen es auch „Sozialismus-Vernichtung“ bezeichnen.

    Like

    • fidelpoludo schreibt:

      „Warum „deutsche“ englische titel benoetigen, ist mir allerdings unverstaendlich.“

      Lieber Lutz,
      vielleicht weil von Corbyn damit schon gute Erfahrungen gemacht worden sind?
      Wie dem auch sei, ob „pol.is“ nur ein Vorschlag ist oder schon fest beschlossene und uns also vorgesetzte Sache, gälte es zu überprüfen und zu hinterfragen. Geht es damit schon los – mit der endlosen Diskutiererei?
      Mit dem Hinweis auf das „Englische“ machst Du Dich allerdings lächerlich, weil – wenn Lutz und Du, vielleicht auch Jens – Euch über IT-Probleme auslasst, fallen unendlich viele englische (nicht ins Deutsche übersetzte) „Fachbegriffe“.
      Und ob „pol.is“ nun ein „englischer Titel“ ist, scheint mir auch nicht so eindeutig: Immerhin steht der Begriff (wenn auch ohne trennenden Punkt) für den hellenischen Stadtstaat, den es in Griechenland dezentral verteilt in mehreren Ausführungen zwischen 800 und 500 v.Chr gab und einiges mit der „Agora“ auf dem Hut hatte.

      Like

    • Lutz Lippke schreibt:

      Also meine Fragen zu pol.is und Human Connection waren echtes Interesse und kein Mittel der Bewertung.
      Bisher konnte ich über das Mobilnetz die Seite aufstehen.de nicht erreichen. Nun bin ich über Festnetz drauf und kann den Fragen auch selbst etwas nachgehen. Zusammengefasst: Es geht mit pol.is zunächst um Debatten über vorgegebene und frei formulierbare Statements und dem Bilden von Meinungsgruppen.

      aufstehen.de dazu:
      „Pol.is ist ein Tech-Unternehmen aus den USA, dessen Mission es ist, Menschen dabei zu helfen, einander zu verstehen. Mit künstlicher Intelligenz/maschinellem Lernen hilft die Software Mehrheitsmeinungen und Kompromisse zu finden. Das klappt in einigen Ländern schon sehr gut: Die Regierungen von Taiwan, Kanada, Singapur und Neuseeland nutzen die Software bereits!
      In Deutschland wird diese Form der Umfrage, unseres Wissens nach, noch nicht eingesetzt. Es gibt aber schon tolle Erfolgsgeschichten aus Kanada, Singapur und Taiwan. Dort hat sogar schon die Regierung verstanden, dass das Volk viel schlauer ist, als einzelne Politiker und nutzt diese Umfragemethode, um Kompromisse und Lösungen für kontroverse Diskussionen zu finden.
      Wir nutzen die Ergebnisse um unseren Einsatz und unsere Politik auf das abzustimmen, was ihr wirklich wollt! Es gibt für uns keine Ausflüchte oder einfachen Wege mehr – ihr gebt uns eine Marschrichtung und der wollen wir folgen!

      Wie schreibe ich Statements?
      Schreib’ sie einfach in das Kommentarfeld – entweder anonym oder verknüpft mit deinem Social Media-Account. Unser Team überprüft es auf Dopplungen und Hassrede und fügt es dann zu den Statements hinzu. Ab dem Zeitpunkt können alle anderen Teilnehmer über dein Statement abstimmen – und vielleicht ist dein Vorschlag ja die Lösung, die alle vereint!“

      Like

    • willi uebelherr schreibt:

      WÜb,
      Du hast hoffentlich Deinen ausgedehnten Sermon sorgfältig gespeichert
      und beglückst damit auf anderen Wegen die Welt.
      Viel Spaß dabei.

      Like

  5. kranich05 schreibt:

    Ich bin ziemlich sicher, dass die endlosen Diskutierer und Zerredner Hochkonjunktur wittern.
    Mein allererster Eindruck war, dass da eine profilierte Politikerin der Linkspartei und eine profilierte Politikerin der SPD und ein (etwas zurückliegend) profilierter Politiker der Grünen gemeinsam vorne saßen und dazu auch noch menschenverständlich sprachen.
    Und dieser Eindruck ist enorm.
    Auch Rom wurde nicht an einem Tag erbaut.

    Like

    • Lutz Lippke schreibt:

      Ich vermute, dass es noch viel härter zugehen wird. Weder Sarah W. noch ein Team wird alles mit dem nötigen Mut und zugleich richtig machen können. Es wird erheblichen äußeren Druck geben, sich zu positionieren und/oder zu distanzieren. Gleichzeitig werden „Mitstreiter“ mit allen Mitteln von innen eine Richtung durchdrücken wollen.
      Ich unterstütze die Idee und interessiere mich auch gerade deshalb für die Umsetzungsmittel und deren Manipulationsmöglichkeiten. So ist das bei Technikern, wenn „Ideen realisieren“ eigentlich immer auch mit einer Materialisierung verbunden ist.

      Like

  6. fidelpoludo schreibt:

    Am 04. September 2018 schrieb Peter Heyckendorf (auf „Rationalgalerie“)

    Die „Geburtsstunde“ brachte nichts Neues, ausser die „Joker-Info“ dass die Software Pol.is eingesetzt werden soll und diese hätte auch die Fähigkeit mittels künstlicher Inelligenz zwischen zwei Meinungsbildern austarierte Vorschläge einer Gemeinsamkeit zu machen.
    Oh jemine ! Ich glaube Sahra ist in diesem Themenbereich nicht gut aufgestellt. Ein Engagement-Tool wird gesunden Menschenverstand nicht ersetzen können. Online-Engagement wird niemals demografisch repräsentativ sein
    Das Tool ist Cloud-basiert, d.h. die Software ist nicht auf dem eigenen Rechner installiert, sondern auf Fremden und damit ist das Thema Datenschutz obsolet. Wer hat die Hoheit über die Daten ? => Der Inhaber/Hersteller der Software

    Like

  7. Lutz Lippke schreibt:

    Es ist zum Start sicher nicht die wichtigste Sache, aber die Frage sollte bald geklärt werden. Es gibt wohl neben der Cloud-Lösung auch eine Serverlösung. Wo diese dann gehostet wird, ggf. auf einem eigenen Serversystem in D, liegt dann in der Hand des Vereins. Ich bin derzeit fast nur im mobilen Internet unterwegs und kann auf die Webseite aufstehen.de nicht zugreifen. Geht nur mir das so?

    Like

  8. Lutz Lippke schreibt:

    Zur Sache selbst. Wir sind ja hier in halbwegs vertrauter Runde. Wie wäre es damit, sich über ein mögliches Statement auszutauschen. Mit allem drum und dran. Also Sinn, Relevanz, Popularität, Verständlichkeit, starke Argumente, Handlungsorientierung. Online-Marketing für Alle, aber eben mit Sinn und Verstand. Keine leichte Übung wohl.

    Like

    • fidelpoludo schreibt:

      Der Begriff des „Online-Marketing“ irritiert mich in diesem Zusammenhang sehr. Ich verstehe darunter – für den Fall eines „gemeinsamen Statesments des Opa-Blogs“ -, wie wir einige möglichst effiziente Strategie entwickeln, mit der wir möglichst kurz und bündig uns auf einige treffende Schlagworte einigen, die – nach genauerer Inspektion der Konkurrenz auf dem Meinungsmarkt – unser Statement möglichst hoch im Ranking der Beachtung und Berücksichtigung (mit einer gewieften Art von Alleinstellungsmerkmalen versehen) verankert. Die Gefahr, dass dann der Erfolg die Mittel zu rechtfertigen hätte, sehe ich bei der Überbetonung des Marketingaspekts dann doch eher kritisch. Der inhaltliche (vernünftige) Aspekt sollte doch dagegen im Vordergrund stehen, der auch einmal so ausfallen kann, dass er sich nicht so gut „verkaufen“ läßt

      Like

    • willi uebelherr schreibt:

      ich stimme in seiner andeutung fidelp sehr zu. Und von einem Opablog-statement halte ich nun gar nichts. Sehr wohl aber, diese gruppe als reflektionsraum fuer die einzelnen beitraege einzubeziehen. wir sollten nicht versuchen, uns hinter einer „gruppe“ zu verstecken. Wenn wir agieren, direkt oder indirekt, sind wir immer auf uns selbst erstmal angewiesen. und das sollten wir lernen. Auch die bewussten zuspitzungen als provokative aufwirbelungen.

      Like

    • Lutz Lippke schreibt:

      Meine Herren oder auch Aufstehenden, nicht so empfindlich! „Aber mit Sinn und Verstand“ bezog sich doch gerade auf Ziel, Inhalt und deren Argumentationskraft. „Marketing“ nur als zwingende Folge dessen, dass das Format des Statements für Alle keine komplexen Ausführungen und Nachträge ermöglicht, also Wirkung nicht unwichtiger ist als Absicht. Insofern ähnelt die Anforderung hier der an eine Werbebotschaft, eine Plakat(ive), Populäre Botschaft. Ihr habt recht und meine Botschaft kam nicht richtig rüber.
      Auch hatte ich kein Gruppenfoto, Vereinstreffen oder strenge Abstimmungsregeln vorgeschlagen, sondern nur einen Austausch über eine mögliche, akrive Beteiligung angeregt.

      Like

Hinterlasse einen Kommentar