Ein Massaker, kein Coup: Eine Antwort auf Fehlinformationen über Nicaragua

Ein Beitrag am 3.8.2018 von Mary Ellsberg auf „Impuls“, einer Webseite, die unter dem bedenkenswerten Slogan steht:

„Die Pressefreiheit ist nur denjenigen garantiert, die die Presse besitzen“.

Dr. Mary Ellsberg, jahrzehntelang Aktivistin der Nicaragua-Solidarität, ist heute Professorin für Globale Gesundheit und Internationale Studien und Gründungsdirektorin des Global Women’s Institute der George Washington University in Washington, DC.

Willi Übelherr hat den Beitrag von Ellsberg gefunden, mit deepl aus dem englischen übersetzt und den Text so gut es ihm möglich war korrigiert.

Obwohl dieses Blog nicht besonders auf Lateinamerika konzentriert ist, stelle ich hiermit erneut (nach dem Posting vom 19.7.2018) einen längeren Artikel über Nicaragua ein, weil ich ihn für informativ und für geeignet halte, unser Verständnis für das, was in Nicaragua tatsächlich geschieht, zu vertiefen:

In den letzten drei Monaten haben progressive Websites und Zeitschriften
Artikel veröffentlicht, die ein Bild der Krise in Nicaragua zeichnen,
das gefährlich irreführend ist. Viele dieser Artikel wurden unter den
Linken verbreitet, die in den 70er und 80er Jahren mit Nicaragua und der
FSLN solidarisch waren, aber nicht mit den Geschehnissen der letzten 30
Jahre Schritt gehalten haben – besonders seit 2007, als Daniel Ortega
zum Präsidenten zurückkehrte und seitdem dort ist. Ich möchte etwas Zeit
nehmen, um einige Missverständnisse über die aktuelle Krise in Nicaragua
zu korrigieren.

Zunächst möchte ich sagen, dass ich mich wie viele meiner Freunde und
Kollegen, die sich derzeit dem Ortega/Murillo-Regime widersetzen, als
Sandinista betrachte, und ich habe den größten Teil meines Lebens für
Frieden und soziale Gerechtigkeit in Nicaragua gearbeitet.

Ich ging 1979 nach Nicaragua und lebte dort 20 Jahre nach dem Sieg der
Sandinisten. Ich habe am Alphabetisierungskreuzzug in den Muttersprachen
teilgenommen. Während des Krieges arbeitete ich für das nicaraguanische
Gesundheitsministerium an der Karibikküste. Ich beschäftige mich seit
fast 30 Jahren mit der Frauenbewegung in Nicaragua und begann mit der
Erforschung häuslicher Gewalt, die 1996 zur Verabschiedung des ersten
Gesetzes über häusliche Gewalt genutzt wurde. Ich habe die Intervention
der USA in Mittelamerika und andere ungerechte Politiken im In- und
Ausland kritisiert.

Viele Artikel über die aktuelle Krise, die auf linken Webseiten
veröffentlicht wurden, wie z.B. www.popularresistance.org oder Grayzone
Project reproduzieren die Gesprächsthemen der Ortega/Murillo-Regierung:
Sie bestehen darauf, dass die Opposition fast schon besiegt ist; sie
sind alle „Putschisten“ (golpistas), die aus von den USA finanzierten
Oligarchen bestehen und keine populäre Unterstützung haben; die Mehrheit
der Gewalt wird von Oppositionellen ausgeübt; und die Dutzende junger
Männer wurden von Scharfschützen getötet, die entweder mysteriöse
„dritte Provokateure“ (third party provocateurs“) oder
„Nachbarschafts-Selbstverteidigungsgruppen“ waren – ohne Verbindung zur
Polizei oder der Armee. Sie haben die aktuelle Krise als „auf den Kopf
gestellten Klassenkampf“ bezeichnet.

Tatsächlich ist das, was in Nicaragua geschieht, ein Massaker.

Die erste Behauptung, die Opposition sei besiegt und bestehe
ausschließlich aus rechten Oligarchen, ist offensichtlich falsch. Dieses
Foto zeigt gigantische friedliche Demonstrationen in Managua, die die
FSLN-Demonstration zwei Tage zuvor (die von den Staatsbediensteten
besucht werden musste) im Vergleich zu der von Obama wie Trump aussehen
lassen. Am nächsten Tag wurde Managua zur Unterstützung des von der
Opposition ausgerufenen nationalen Streiks ausgeräumt. Das sieht kaum
wie die Arbeit einer winzigen Gruppe blutsaugender Parasiten aus, wie
Rosario Murillo sie genannt hat. In der Tat würde es viel mehr als
700.000 Dollar kosten, was, so Grayzone, der Betrag ist, den die NED in
nicaraguanische Nichtregierungsorganisationen gelenkt hat, um
Hunderttausende von Demonstranten auf die Straße zu bringen und sie dazu
zu bringen, ihre wirtschaftlichen Aktivitäten zu stoppen und am nächsten
Tag zu Hause zu bleiben. Es gibt kein anderes plausibles Motiv als ihre
Überzeugung, dass Ortega und Murillo hinter der Repression stehen und
gehen müssen.

Die nächste von der Regierung ausgegebene Idee, dass maskierte Männer
und Scharfschützen, die im ganzen Land auftauchen, und nach allen
Berichten, die für einen großen Teil der Morde verantwortlich sind, eine
mysteriöse dritte Partei sind, ist lächerlich. Es wäre vielleicht
plausibel gewesen, wenn nicht alle Nicaraguaner Handys hätten, nicht
alles gefilmt und auf Social Media veröffentlicht hätten (die Regierung
besteht darauf, dass die Fotos gefälscht sind).

Letzte Woche hat Social Media riesige Karawanen mit Dutzenden von
staatlichen und polizeilichen Lastwagen mit maskierten Männern gefilmt,
darunter Polizei mit winkenden Waffen und Schüsse in die Luft. Jacinto
Suarez, der Außenminister der FSLN, räumte ein, dass viele dieser Männer
pensionierte Sandinisten sind, die rekrutiert wurden, um die
Demonstration zu unterdrücken. Sogar Daniel Ortega hat nach unzähligen
Leugnungen der Existenz von Parapolizeikräften kürzlich zugegeben, dass
sie „freiwillige Polizisten“ seien.

Der Popular Resistance Article verlinkt auf einen Videoclip, der
angeblich ein Waffenlager in einer Kirche zeigt. Tatsächlich ist es Teil
einer Univision-Nachrichtengeschichte, in der die maskierten Schläger
den Kardinal und die Bischöfe von Managua schlagen, einschließlich des
päpstlichen Nuntius in der Basilika von Diriamba, außerhalb von Managua.
Da dies möglicherweise zu einem internationalen Zwischenfall führen
könnte, stahlen sie auch viele der Kameras von Journalisten, die
filmten. Zum Glück sind noch einige durchgekommen.

Die Polizei war ausserhalb der Kirche und Hunderte weitere maskierte
Männer drängten sich draußen: Obwohl keine Waffen gefunden wurden, wurde
die Kirche entweiht und Erste-Hilfe-Material und Kirchenbänke verbrannt.

Auf Drängen der nicaraguanischen Zivilgesellschaft ließ die Regierung
die Interamerikanische Menschenrechtskommission (IACHR) die Situation in
Nicaragua untersuchen. Der Bericht wurde auf der OAS-Versammlung am 30.
Juni vorgestellt. Es lohnt sich, einen Moment dem IACHR-Bericht zu
widmen, denn er ist ein wirklich außergewöhnliches Dokument. Die
Kommission befragte über 1000 Personen, darunter Familienangehörige der
Getöteten, entlassene Gefangene, Regierungsbeamte und andere Zeugen, und
sie prüfte Hunderte von Stunden Videoaufzeichnungen und Dokumente sowie
forensische Berichte. Der Bericht stellt fest:

„Die Repression der Regierung von Nicaragua als Reaktion auf die
Proteste hat zu einer schweren Menschenrechtskrise geführt. Insbesondere
stellt die IACHR fest, dass die Polizei, Parapolizeikräfte und Gruppen
bewaffneter Dritter übermäßig viel Gewalt anwenden. Dies spiegelt sich
in mehr als 212 Todesopfern zum 20. Juni sowie in der Zahl der
Verletzten und willkürlich Inhaftierten wider, die sich nach den
Aufzeichnungen der IACHR zum 6. Juni auf 1.337 bzw. 507 Personen belief.
Trotz der Forderung der Kommission nach einer sofortigen Einstellung der
staatlichen Repression hat sie nicht aufgehört. Im Gegenteil, die
repressive Reaktion hat in den letzten Wochen zugenommen und die Krise
weiter verschärft.“

Der Vorwurf der Ortega-Regierung, die Ermittler hätten keine
regierungsfreundlichen Kräfte befragt, ist einfach falsch. Die Regierung
erhielt einen Entwurf des Berichts, bevor er vorgelegt wurde, und alle
ihre Kommentare und Ablehnungen wurden berücksichtigt. Darin werden alle
Gewaltvorwürfe der Regierung gegenüber staatlichen Akteuren detailliert
dargestellt:

„Der IACHR ist bekannt geworden, dass Privatpersonen und Gruppen von
Zivilisten die öffentlichen Sicherheitskräfte, Streikgruppen und
Einzelpersonen und Medien, die mit der Regierung sympathisieren,
angegriffen haben. Nach Angaben des Staates sind vom 18. April bis 6.
Juni 2018 mindestens 5 Polizisten ums Leben gekommen und 65 verletzt
worden.“

Er bestätigte auch den Bericht der Regierung über 100 Gewalttaten
nichtstaatlicher Akteure, darunter 40 brennende Zwischenfälle oder
Sachbeschädigungen, 29 Entführungen, 33 Raubüberfälle auf Staatseigentum
(meist Fahrzeuge), 17 gewaltsame Todesfälle von Personen, die mit der
Regierung und der FSLN in Verbindung stehen, und 13 Angriffe auf Beamte.

Das Problem ist, dass diese Behauptungen der Regierung, die versucht,
sich als Opfer darzustellen, neben den Hunderten von Beschwerden, die
von der IACHR eingereicht und untersucht wurden, die einen übermäßigen
Einsatz von Gewalt durch die Polizei und paramilitärische Kräfte
beinhalten, verblassen. In den ersten vier Tagen der Demonstrationen
wurden 49 junge Männer durch Schusswunden getötet. Davon wurden 32 in
die Augen, Köpfe, Hals und Brust geschossen, alles tödliche Zeichen, die
auf eine Mordabsicht hindeuten. Die Abwärtsbewegung der Schusswunden
deutete auf den Einsatz von Scharfschützen hin. Im gleichen Zeitraum
wurden 9 junge Männer durch Gummigeschosse direkt in die Augen
geschossen. Im gleichen Zeitraum starben 2 Polizisten an den Folgen von
Angriffen mit Schusswaffen.

Es gab auch reichlich Beweise für die Weigerung, medizinische Hilfe zu
leisten, indem die in den Krankenhäusern stationierte Polizei entweder
die Verwundeten am Betreten hinderte oder Ärzte bedrohte, die
versuchten, die Verwundeten zu behandeln. Der erste dokumentierte Fall
war ein 15-jähriger Junge namens Álvaro Manuel Conrado Dávila, der in
den Hals geschossen wurde, während er Wasser trug, um den Studenten zu
helfen. Ihm wurde die medizinische Versorgung im öffentlichen
Krankenhaus von Cruz Azul verweigert und er wurde in ein zweites
Krankenhaus gebracht, wo er unmittelbar danach starb. Im Krankenhaus von
Leon wurden Medizinstudenten, die versuchten, verwundete Demonstranten
zu behandeln, aus dem Krankenhaus vertrieben; sie errichteten
provisorische Feldlazarette in Privathäusern. Daher ist die tatsächliche
Zahl der Verwundeten wahrscheinlich viel höher; die Zahlen in dem
Bericht wurden nach Krankenhausaufzeichnungen zusammengestellt und
beinhalten nicht diejenigen, denen die Behandlung verweigert wurde oder
die Angst hatten, ins Krankenhaus zu gehen.

Eine der schändlicheren Handlungen, die nicht viel Aufmerksamkeit erregt
hat, ist, dass Familienangehörige der Opfer ein Dokument unterschreiben
mussten, das einen Verzicht auf ihr Recht erklaert, eine Beschwerde
einzureichen, um die Leiche zurückzubekommen oder eine Sterbeurkunde zu
erhalten. Einige der Dokumente wurden tatsächlich auf Polizeistationen
verfasst und besagen insbesondere, dass die Angehörigen die Polizei von
jeglicher Verantwortung im Todesfall befreien. In den meisten Fällen
wurde keine Autopsie durchgeführt, und die Sterbeurkunden wurden auf der
Grundlage von Dokumenten ohne persönliche Inspektion durch das Institut
für Rechtsmedizin unterzeichnet. Bei anderen Beschwerden wurden die
ärztlichen Zeugnisse gefälscht, wobei Todesursachen wie Selbstmord,
Herzinfarkt oder Verkehrsunfall, auch bei Schussverletzungen,
festgestellt wurden. Diese falschen Dokumente wurden später von der
Regierung benutzt, um die IACHR zu beschuldigen, ihre Zahl zu erhöhen,
indem sie Todesfälle einbezieht, die nichts mit dem Konflikt zu tun hatten.

Waehrend sie keinen vollen Zugang zu vielen Orten, einschließlich der
Gefängnisse, erhielten, geschah ein Großteil der Gewalt während die
Kommission und die von der OAS gesponserte Interdisziplinäre Gruppe
unabhängiger Experten (GIEI) in Nicaragua waren und dies aus erster Hand
miterlebt hatten.

GIEI-Mitglieder sind angesehene Menschenrechtsexperten, darunter Claudia
Paz y Paz, die Generalstaatsanwältin von Guatemala, die Efraín Rios
Montt verfolgt hat und kaum als imperialistisches Instrument betrachtet
werden kann.

Bei den OAS-Sondersitzungen, die letzte Woche stattfanden, um den
zweiten Bericht der IACHR vorzustellen, stellte Exekutivsekretär Paulo
Abrao fest, dass die Gewalt im Monat seit der Vorlage des ersten
Berichts im Juni eskaliert ist, gibt es jetzt fast 300 verifizierte
Todesfälle, die meisten von ihnen Zivilisten, die durch staatlich
geförderte Gewalt durch die Polizei oder paramilitärische Kräfte getötet
wurden. Der nicaraguanische Kanzler Denis Moncada verurteilte die
Ergebnisse des Berichts, und obwohl er zugab, dass „es schwer zu sagen
ist, wie viele Tote es gab“, wies er darauf hin, dass viele der
getöteten Zivilisten Sandinisten waren – darunter Angel Gahona, der
Journalist, der von einem Scharfschützen in Bluefields erschossen wurde,
während er über die Proteste berichtete. Das mag stimmen, aber es
bedeutet nicht, dass sie von der Opposition getötet wurden. Eine große
Zahl der Demonstranten sind Menschen, die sich historisch mit der FSLN
identifiziert haben und über die brutale Reaktion der Regierung entsetzt
waren. Obwohl zwei junge Männer für den Mord verhaftet wurden, ist
Gahonas Familie überzeugt, dass er von der Polizei getötet wurde. Es
scheint sogar, dass einige Polizisten unter den Toten Zweifel an der
Teilnahme an der Repression hatten. Die Mutter des Polizisten Faber
Lopez sagte, ihr Sohn habe versucht, die Polizei zu verlassen und es
wurde ihm gesagt, dass die ganze Familie getötet würde. Eine Woche
später wurde er bei einem Angriff auf Demonstranten getötet.

Die Regierung hat versucht, den Demonstranten einige der schrecklichsten
Verbrechen anzulasten, wie zum Beispiel eine ganze Familie, die in
Managua lebendig verbrannte. Mehrere Zeugen und die einzigen
überlebenden Familienmitglieder sagen, dass bewaffnete maskierte Männer,
die mit der Polizei verbunden waren, versuchten, auf das Dach des
dreistöckigen Gebäudes zu gelangen, um ein Scharfschützennest
einzurichten. Als die Familie sich weigerte, sie hereinzulassen, setzten
sie das Haus in Brand.

Der wirtschaftliche und soziale Fortschritt der letzten Jahre durch das
Ortega-Regime wird gelobt, muss aber noch einmal geklärt werden. Obwohl
die Armut insgesamt verringert wurde, zeigte eine Studie, dass die
Einkommensungleichheit von 2009 bis 2014 tatsächlich zugenommen hat, was
darauf hindeutet, dass die reichen Oligarchen am meisten von der
Wirtschaftspolitik der Regierung profitiert haben. Die meisten der
Mittel für Sozialprogramme (der Teil, der nicht in die Finanzierung der
FSLN-Wahlkampagnen ging und nicht in die Bankkonten der Parteimitglieder
floss) wurde durch mehr als 3,5 Milliarden Dollar an zinsgünstigen
Darlehen aus Venezuela mit Erdölgeldern finanziert. Obwohl die Kredite
an ein gemischtes Unternehmen namens Albanisa vergeben wurden und nie im
Staatshaushalt verbucht wurden, bedeutete die Wirtschaftskrise in
Venezuela das Ende der Subventionen für die Sozialprogramme in Nicaragua.

Diese Artikel implizieren auch, dass die USA ein wichtiger Geldgeber der
Frauenbewegung sind, was falsch ist. Tatsächlich verbietet die Global
Gag Regel die US-Finanzierung internationaler Organisationen, die sich
für sichere Abtreibungen einsetzen. Und während das von den Sandinisten
geführte Parlament 2006 die therapeutischen Abtreibungen abgeschafft
hat, selbst im Falle einer Vergewaltigung oder eines Risikos für das
Leben der Mutter, hat die Frauenbewegung weiterhin die Wiederherstellung
sicherer Verfahren gefordert.

Nicaragua hat die größte und vielfältigste Frauenbewegung der Welt.
Obwohl es von Sandinista-Frauen gegründet wurde, ist es seit den 1990er
Jahren mit keiner politischen Partei mehr verbunden, insbesondere
nachdem Daniel Ortegas Stieftochter Zoilamerica Narvaez offenbarte, dass
er sie seit ihrer Kindheit vergewaltigt hatte. Ihr Fall wurde im Land
ignoriert, weil Ortega als Ex-Präsident und Mitglied des Parlaments
Immunität vor Strafverfolgung hatte – obwohl er im Jahr 2000 von der
Interamerikanischen Menschenrechtskommission geprüft wurde (der Fall
wurde schließlich 2002 abgeschlossen, als die nicaraguanische Regierung
die Empfehlung der IACHR akzeptierte, eine gütliche Einigung mit Narvaez
zu erzielen). Sie hatte eine sehr glaubwürdige Behauptung, das ein
offenes Geheimnis unter den hochrangigen Sandinisten war, die die
Anschuldigungen unter den Teppich kehrten, um wieder an die Macht zu
kommen. Kein Wunder, dass Ortega die IACHR nicht mag. Viele Experten
sind der Meinung, dass eine Kombination aus Straffreiheit für
Sexualstraftäter (beginnend mit Ortega) und dem Abtreibungsverbot dazu
beigetragen hat, dass Nicaragua eine der höchsten Schwangerschaftsraten
bei Jugendlichen in Lateinamerika aufweist.

Die Verbesserung des Zugangs von Frauen zur Justiz und zu
Dienstleistungen für geschlechtsspezifische Gewalt ist seit langem ein
zentrales Ziel der Frauenbewegung in Nicaragua. Ich habe 1995 eine
Prävalenzstudie über häusliche Gewalt in Nicaragua durchgeführt, die
1996 als Grundlage für das erste Gesetz über häusliche Gewalt diente.
Wir haben festgestellt, dass 50% der Frauen von ihrem Partner geschlagen
oder vergewaltigt wurden, eine der höchsten Zahlen in Lateinamerika,
trotz des scheinbar progressiven Diskurses der sandinistischen
Revolution. In den 90er und Anfang der 2000er Jahre hat die
Frauenbewegung enorme Fortschritte bei der Sensibilisierung für
häusliche Gewalt und der Verbesserung von Gesetzen und Dienstleistungen
für Überlebende von Gewalt erzielt. Als Ortega und Murillo die Regierung
übernahmen, wurden Programme wie die spezialisierten Polizeistationen
für Frauen und Kinder systematisch abgebaut. Rosario Murillo hat sich
explizit für „Familienwerte“ über Frauenrechte eingesetzt und neue
Prozesse eingeführt, die es Überlebenden erschweren, über Gewalt zu
berichten oder Gerechtigkeit zu erlangen. Die kürzlich abgeschlossene
Folgestudie in Nicaragua zeigt, dass es zwar einen Rückgang der
häuslichen Gewalt über einen Zeitraum von zwanzig Jahren gab, aber von
den ursprünglichen Programmen, die durch die Bemühungen der
Frauenbewegung ins Leben gerufen wurden, fast nichts mehr übrig ist.
Daher waren FrauenrechtsverteidigerInnen bereits vor der aktuellen Krise
besorgt, dass häusliche Gewalt und Feminizide wieder zunehmen.

Das bringt uns zur Frage der Unterstützung der Opposition durch die USA.
Der einzige Beweis für die Unterstützung von Oppositionsgruppen durch
die USA war das Grayzone-Projekt, das davon ausgeht, dass 700.000 Dollar
im Jahr 2017 über die National Endowment for Democracy an eine Handvoll
nicaraguanischer Nichtregierungsorganisationen, insgesamt 4,4 Millionen
Dollar über vier Jahre, vergeben wurde. Da diese relativ dürftige Summe
nicht in die Erzählung der Ortega-Propagandamaschine von massiven
US-Finanzierungen für einen rechten Staatsstreich passt, wurde der
Betrag auf 500 Millionen Dollar angehoben, ohne dass es dafuer Beweise gab.

Es stimmt, dass die Opposition äußerst vielfältig ist, was viele
verschiedene programme widerspiegelt – einschließlich der Geschäftswelt.
Aber das ist nicht einzigartig in der Geschichte Nicaraguas. Als die
FSLN 1979 Somoza stürzte, profitierten sie von einer breit angelegten
Koalition, die Geschäftsinteressen und Oligarchen in die Regierung des
Wiederaufbaus einbezog, eine Strategie, die Ortegas Tercerista-Zweig der
Partei bestätigte. Die Tatsache, dass die heutige Opposition so
vielfältig ist und soziale Bewegungen aus allen politischen Ideologien
umfasst, sollte uns über Ortegas und Murillos mangelnde Unterstützung
informieren: Eine kürzlich durchgeführte Umfrage von Cid Gallup ergab,
dass fast 70% der Nicaraguaner glauben, dass Ortega und Murillo gehen
sollten. Nach der Unterdrückung der letzten drei Monate hat das
derzeitige Regime keine Glaubwürdigkeit mehr.

Am 13. Juli griffen Polizei und paramilitärische Kräfte die nationale
öffentliche Universität UNAN an, die seit einigen Monaten von Studenten
besetzt ist. Als einige die Universität verließen, um in einer
nahegelegenen Kirche Zuflucht zu finden, umzingelten die
Regierungstruppen sie und schossen in einer 15-stündigen Belagerung auf
sie. Die Polizei schloss alle Straßen zu UNAN und weigerte sich, die
Verwundeten von Krankenwagen evakuieren zu lassen. Während dieser Zeit
schickten die Studenten Nachrichten über Facebook, baten um Hilfe und
verabschiedeten sich von ihren Eltern. Hunderte von Menschen kamen zu
Fuß und mit dem Auto mitten in der Nacht, um eine friedliche Mahnwache
für die Studenten vor den Straßensperren der Polizei abzuhalten.
Zufällig war Joshua Partlow, ein Reporter der Washington Post, mit den
verwundeten Studenten in der Kirche gefangen und schrieb einen
erschütternden Bericht über diese Erfahrung.

Infolge der UNAN-Angriffe und mehrerer brutaler „Säuberungsaktionen“ von
Polizei und Paramilitärs, um die Straßensperren rechtzeitig zum 39.
Jahrestag des Befreiungstages zu beseitigen, wird das Ortega-Regime
zunehmend international isoliert.

Derzeit haben 49 Länder, darunter die Europäische Union und die
Organisation Amerikanischer Staaten, die staatlich unterstützte Gewalt
in Nicaragua verurteilt. Rupert Colville, Sprecher des Hohen Kommissars
der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR), kritisierte das neue
Antiterrorgesetz, das am 9. Juli vom Parlament verabschiedet wurde, weil
es „eine sehr weit gefasste Definition des Terrorismus verwendet, die
Bedenken aufwirft, dass er gegen Personen verwendet werden könnte, die
an Protesten teilnehmen“. Genau das geschieht jetzt, da die Krise in
eine neue Phase eintritt, in der Demonstranten aufgespürt und unter dem
Vorwurf des Terrorismus verhaftet werden.

Bezeichnenderweise haben sich auch einige der engsten Verbündeten
Ortegas, wie z.B. José Mujica, der ehemalige Präsident von Uruguay, von
ihm abgewandt. Erst vor drei Wochen, am 5. Juli, rief Mujica
internationale Linke dazu auf, sich mit Ortega gegen rechte Kräfte zu
stellen. Eine Woche später gab er zu, dass er sich geirrt hatte und dass
es nun Zeit für Ortega sei, zu gehen. Ebenso hat Noam Chomsky, der bis
vor kurzem geschwiegen hatte, Ortega geraten, zu vorgezogenen Wahlen
aufzurufen.

Ortegas Behauptungen, die Opposition besiegt zu haben, sind noch lange
nicht überwunden. Letztlich bedeutet Ortegas Beharren auf Machterhalt,
auch wenn die Wahlen auf das nächste Jahr verschoben wurden (was er
ablehnt), mehr Blutvergießen für die NicaraguanerInnen. Deshalb müssen
sich die Progressiven mit der authentischen Widerstandsbewegung
solidarisch zeigen, zu der die Frauenbewegung, die meisten
Studentengruppen, UmweltschützerInnen und die Anti-Kanal-Bauernbewegung
gehören.

Es ist ungeheuerlich und herzzerreißend zu denken, dass Ortega und
Murillo ihre eigenen Leute ermorden könnten, nur um an der Macht zu
bleiben. Nachdem ich in den 80er Jahren für das Gesundheitsministerium
gearbeitet hatte, hätte ich vor einigen Monaten nie geglaubt, dass
Demonstranten sterben könnten, weil die öffentlichen Krankenhäuser sich
weigerten, sie aufzunehmen, oder dass Ärzte wegen ihrer Behandlung
entlassen oder inhaftiert werden könnten. Aber genau das ist der Punkt.

Was jetzt gerade passiert, ist ungeheuerlich.

Ortega und Murillo könnten das Massaker sofort beenden, indem sie die
paramilitärischen Kräfte entwaffnen, die Schuldigen der Verbrechen gegen
die Menschlichkeit vor Gericht bringen und einen nationalen Dialog in
gutem Glauben führen. Die Linken sollten in der Lage sein, sich an
veränderte Realitäten anzupassen: Keiner von uns will eine Rückkehr zu
einer rechten Regierung in Nicaragua, und wir sollten uns weiterhin der
Intervention der USA widersetzen. Aber das bedeutet nicht, dass wir den
Status quo oder den rücksichtslosen Machtmissbrauch akzeptieren müssen.
Unsere Solidarität sollte mit dem nicaraguanischen Volk, das getötet
wird, und nicht mit einer politischen Partei sein. Sonst kann dieses
Blutbad nur noch schlimmer werden.

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60 Antworten zu Ein Massaker, kein Coup: Eine Antwort auf Fehlinformationen über Nicaragua

  1. Joachim Bode schreibt:

    Wie wird man /frau
    Gründungsdirektorin des Global Women’s Institute der George Washington University in Washington, DC?

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    • Joachim Bode schreibt:

      Die richtige Antwort auf diese „Frage“ setzt natürlich ausreichende Kenntnisse über die Machtverhältnisse innerhalb und über us-amerikanische(r) Institutionen voraus.

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    • fidelpoludo schreibt:

      Eine wohl gutbezahlte „As-a“-, d.h. biologisch ausgerichtete identitätspolitische akademische Position! (Vgl. Gilad Atzmon)

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  2. Joachim Bode schreibt:

    Kraniche fliegen naturgemäß zwischen nördlichen (Washington) und südlichen (Managua) Gefilden hin und her.
    Dementsprechend erwarte ich jetzt die Stellungnahme eines Wissenschaftlers der Universität Managua zu den aktuellen Vorgängen in Nicaragua. Dann kann man weitersehen.

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  3. Joachim Bode schreibt:

    Frau Prof. Ellsberg:
    „… möchte ich sagen, dass ich mich wie viele meiner Freunde und Kollegen, die sich derzeit dem Ortega/Murillo-Regime widersetzen, als Sandinista betrachte, und ich habe den größten Teil meines Lebens für Frieden und soziale Gerechtigkeit in Nicaragua gearbeitet.“

    Ich glaube ihr, dass sie sich als Sandinista betrachtet. Ich weiß aber, dass eine wirkliche Sandinista keinerlei Chance hätte, eine wie auch immer geartete Anstellung im Zentrum der US-Macht – in Washington – zu bekommen.

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    • Joachim Bode schreibt:

      … immerhin findet derzeit (d.h. seit 1-2 Jahren) in Washington eine beispiellose Hexenjagd auf Jeden statt, der in seinem Leben mal scheinbar oder tatsächlich einen Russen auch nur von Ferne angeguckt hat.

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    • willi uebelherr schreibt:

      Lieber Joachim, was hat das eine mit dem anderen zu tun? Dass Mary Ellsberg sich eindeitig auf die seite der bevoelkerung stellt, ist doch eindeutig? Und dass sie deren lage und deren wuensche, beduerfnisse und visionen und traeume zu ihrem ausgangspunkt erklaert, ist doch auch eindeutig?

      Sie kennt Nicaragua und spricht/schreibt auf dieser basis. Sie unterstuetzt die menschen dort, ein fuer sie und ihren prinzipien gemaesses leben fuehren zu koennen. Ein freund hat mir geschrieben, dass sein juengster sohn jetzt fluechtling in Costa Rica ist. Er war auch an der UNA und hat alles mitgekriegt. Viele seiner freunde sind schon gegangen und viele wollen folgen. Irgendwann vielleicht ist der Ortega/Murillo clan allein und vielleicht wollen sie das auch. Dann koennen sie alles verkaufen. Ein Saudi-Nicaragua, davon traeumen sie wohl.

      Ich habe den text von Aram Aharonian aus Uruguay, den auch Klaus-Peter hier verlinkt hat, auch in unserem kreis weitergegeben. Der autor ist mitglied der parasitaeren staatsapparate. Den interessieren die menschen in Nicaragua einen dreck. So schreibt er dann diesen schwachsinn. Und im deutschen sprachraum sagen dann so manche: Eh, richtig gute geostrategische analyse.

      Ihr habt ja alle euren verstand verloren und rennt immer nur den polit-schwaetzern hinterher.

      Wenn das jetzt zu hart war, bitte ich schon im voraus um entschuldung. Mea Culpa.

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      • kranich05 schreibt:

        „Wenn das jetzt zu hart war, bitte ich schon im voraus um entschuldung. Mea Culpa.“
        Ich habe eine große Abneigung gegen Entschuldigungsrituale.
        Imperialistische Regierungen sind Meister darin, sich Jahrzehnte nach ihren Verbrechen folgenlos zu entschuldigen. (Haben sich die USA nicht sogar für Hiroshima entschuldigt? Oder steht das noch aus?) Solches Entschuldigen ist in Wahrheit eine Bekräftigung der Beleidigung! In meinem Blog hat das NICHTS, GAR NICHTS zu suchen.
        Verwarnung für Willi!

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      • fidelpoludo schreibt:

        Lieber Willi,
        ein weiterer Regime-Change-Versuch (von wem wohl intendiert?) ist also völlig undenkbar? Und schon den Verdacht zu äußern ist „dummes Polit-Geschwätz“?

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      • Joachim Bode schreibt:

        Was das eine mit dem anderen zu tun hat?
        Offensichtlich liegen in Washington die Nerven blank alles aufzuspüren und auszumerzen, was auch nur im Entferntesten den vermeintlichen oder auch tatsächlichen Interessen der US-Eliten zuwiderlaufen könnte…..

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      • willi uebelherr schreibt:

        Lieber fidelp, nein, diese einwirkungen von aussen haben wir immer. Aber das ist nicht der kern. Diese einwirkungen basieren auf „offenen Venen“, auf „angebotene Betten“.

        Der einzige weg ist die resistenz gegen solche einwirkungen. Das Geschimpfe und Gelaber hilft nicht. Die Unabhaengigkeit ist das ziel, die notwendig auf einer unabhaengigen regionalen oekonomie ruht. Und das tangiert immer auch das spekulative geldsystem.

        Fuer die akteure aus NordAmerika und Europa ist es ja einfach, weil ihre bevoelkerungen alles zulassen. Sie kuemmern sich nicht darum. Es ist ihnen egal, solange es ihnen im globalen vergleich relativ gut geht. Sie beteiligen sich ja auch in den militaerischen infrastrukturen wie ruestungs-produktion und -forschung.

        Gestern habe ich in unserem kreis einen text weiter gegeben, der von unseren freunden der Luftpost Kaiserslautern uebersetzt wurde:

        Zur Politökonomie der US-Rüstungsindustrie
        Joan Roelofs, uebers.: Luftpost Kl

        Klicke, um auf LP11318_100818.pdf zuzugreifen

        Wenn die menschen einer region sich gegen aeussere einwirkung wie „Regime Change“ ihre widerstandskraft entfalten wollen, dann geht es nur ueber die innere Resitenz-Kraft. Moralisches geschwaetz, gerichtet an die dortige bevoelkerung, ist voellig sinnlos, weil die nicht mal in der lage sind, ihr eigenes ausgeliefertsein zu verstehen.

        Die schwaeche in allen regionen auf unserem planeten gegen aeussere einwirkungen sind ihre inneren zerrissenheiten. Und bei Nicaragua koennten wir das gut sehen, wenn wir es sehen wollen. Wenn wir allerdings dieser primitiven „Erfolgsgeschichte“ „linker“ regierungen folgen wollen, dann funktioniert das nicht, weil uns die wirklichkeit der luegen straft.

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        • fidelpoludo schreibt:

          Willi, Du schreibst:
          „Wenn die menschen einer region sich gegen aeussere einwirkung wie „Regime Change“ ihre widerstandskraft entfalten wollen, dann geht es nur ueber die innere Resitenz-Kraft. Moralisches geschwaetz, gerichtet an die dortige bevoelkerung, ist voellig sinnlos, weil die nicht mal in der lage sind, ihr eigenes ausgeliefertsein zu verstehen.“
          1. Wer „schwätzt“ denn hier „moralisch“?
          2. Wer „richtet“ denn sein „moralisches Geschwätz“ „an die dortige Bevölkerung“?
          3. Wie sinnvoll ist es denn, von der „dortigen bevoelkerung“ „die innere Resistenz-Kraft“ zu verlangen, der man unterstellt, dass „die nicht mal in der lage sind, ihr eigenes ausgeliefertsein zu verstehen“?

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      • fidelpoludo schreibt:

        „Ein Saudi-Nicaragua, davon traeumen sie wohl.“
        Mit den Saudis kennen sich andere mit viel besseren Mitteln viel besser aus. Weshalb sie nicht viel Zeit mit Träumen verplempern, sondern einfach Fakten schaffen.

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    • willi uebelherr schreibt:

      Meine antwort an dich und deinen kommentar wurde wohl zensiert. Das muss dann Klaus-Peter selbst erklaeren. Meinetwegen streicht er den teil, den er nicht mag. Ich habe keine kopie mehr. Es geht hier um „political correctness“, und wie es scheint sind wir hier auch davon betroffen. Die „fuehrer-mentalitaeten lassen gruessen“.

      Im kern geht es darum, was wir als unsere ausgangsbasis verwenden: die Menschen oder die Apparate. Das ist nicht neu, sondern schon uralt.

      So kommen wir (vielleicht) zu dem schluss:
      Entweder: wenn die Menschen in ihrem lebensraum meinen, dass sie parasitaere, sich zur verselbstaendigung neigenden staatlichen konstrukte brauchen, dann sollten sie sie sich schaffen. Sie muessen sie ja auch selbst unterhalten, weil diese apparate sich selbst nicht unterhalten.
      Oder: die menschen lassen diese nutzlosen instanzen und wenden sich dem notwendigen zu. Das hat den vorteil, dass sowohl ihr zeitbedarf als auch ihr ressourcenbedarf massiv sinkt. Und deren schaedliche wirkungen sind auch dahin.

      Ich spreche hier von all jenen menschen, die selbst nicht in diesem parasitaeren umfeld existieren oder nicht existieren wollen.

      Aber was machen nun jene, die diese parasitaere existenzform toll finden? Sie muessen sich etwas ausdenken, was deren notwendigkeit irgendwie generiert. In frueheren zeiten war das relativ einfach: Scheiterhaufen oder der dunkle, feuchte turm. Das war auch immer eine biologische loesung.

      In Nicaragua geht es mit dem neuen „Terrorismus-Gesetz“ gerade los. Erinnert an „stalinistische Saeuberungswellen“ oder entsprechende der NSDAP. KPD-Verbot und „Schauprozesse“ gegen Walter Janka, Aufbauverlag und Wolfgang Harich waren das gleiche. In der BRD kamen dann spaeter die berufsverbote dazu. In der DDR war es wohl immer vorhanden.

      Diese debatte um Nicaragua hier im deutsch-sprachigen raum zeigt, wo die „linken“ leute stehen. Es ist die Querfront der „Rechten“ mit den „Linken“, wenn es um parasitaere staatsapparate geht. Da sind sie sich sofort einig.

      Nur, diese motivlage wird nicht thematisiert. Stattdessen werden „Schau-Veranstaltungen“ zelebriert mit irgendwelchen „geostrategischen“ argumenten. Diese geostrategischen motive sind natuerlich da, ohne zweifel. Aber solange die aeusseren akteure nur indirekt agieren, brauchen sie die „offenen Venen“, das fuer sie bereitete bett. Sonst geht es nicht.

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      • willi uebelherr schreibt:

        Ich sehe gerade, dass meine vorltzte antwort an Joachim doch wieder wartet. Ich muss wohl mehr geduld entwickeln „Good ding braucht Weile“. Fuer Nicht-Bayern: „Gute Dinge brauchen Zeit“. Daran haenge ich meistens: „Nur die Schlechten gehen schnell“.

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        • willi uebelherr schreibt:

          Lieber Klaus-Peter, ich war voreilig, vorlaut. Ich erinnere mich, dass du dies schon mal erklaertest. So bleiben nur technische ursachen, die sich wohl irgendwie von selbst aufloesen.
          Der schock vom KenFm blog sitzt mir noch in den gliedern. Eigentlich gewohnt aber in diesem falle doch unerwartet.
          Verwarnung hoert sich so komisch an.

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          • fidelpoludo schreibt:

            Der Schock vom KenFM-Blog? Interessiert mich sehr. Habe dort auch einschlägige Erfahrungen gemacht. Ist Deine Kritik an Susan Bonath unterdrückt worden?

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          • willi uebelherr schreibt:

            Nachdem Susan Bonath sofort mich aus ihrer fb-gruppe rauswarf, hat das KenFm team meinen account im blog und die kommentare zum text von Susan Bonath geloescht. In anderen themen wie „Demokrit“ sind die kommentare noch erhalten.

            Attac-de gingen damals viel weiter. Sie hatten die ganze datenbasis „gesaeubert“.

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          • kranich05 schreibt:

            Klingt vielleicht „gelbe Karte“ lieblicher? 😉

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      • kranich05 schreibt:

        Zur Transparenz:
        Meinen obigen Kommentar (12.8. 9:22 Uhr) schrieb ich, bevor ich Willis vorstehenden Kommentar las, den er so beginnt:
        „Meine antwort an dich und deinen kommentar wurde wohl zensiert. Das muss dann Klaus-Peter selbst erklaeren. Meinetwegen streicht er den teil, den er nicht mag. Ich habe keine kopie mehr. Es geht hier um „political correctness“, und wie es scheint sind wir hier auch davon betroffen. Die „fuehrer-mentalitaeten lassen gruessen“.

        Darauf möchte ich antworten, und dass soll Willi durchaus als zweite Verwarnung verstehen:
        * Hier im Blog gibt es keine Zensur. Das habe ich wiederholt erklärt, ich habe jedoch keine Lust, diese Selbstverständlichkeit Willi persönlich als goldgerahmtes Zertifikat zu überreichen.
        * Ich muss überhaupt nichts „selbst erklären“/rechtfertigen; schon gar nicht meine nur in Willis Kopf stattfindenden Phantomaktivitäten.
        * Dass Willi mir gnädig erlaubt, einen Teil zu streichen, ist Nonsens.
        * Es geht in keiner Weise um „political correctness“. Diese Annahme/Vermutung ist abwegig. (Statt „abwegig“ würde mir leicht ein böseres Wort einfallen.)
        * Und Willis Behauptung zum Schluss, was hier grüßen lasse, die stinkt mir einfach!

        Die etlichen Minuten, die ich soeben aufbringen musste, um Willi etwas Nachhilfe zu geben, hätte ich gerne für etwas Besseres, inhaltlich Anspruchsvolleres verwendet.

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  4. Joachim Bode schreibt:

    Weit entfernt, den Anspruch auf die „richtige“ Einschätzung (!) der Vorgänge in Nicaragua erheben zu wollen, gebe ich nach wie vor zu bedenken, ob nicht die Haltung von „bewährten“ bzw. üblichen Verdächtigen zumindest dringliche Anhaltspunkte liefern. Schwierig ist bei der Suche nach harten Fakten der Umstand, dass die meisten Veröffentlichungen auf Spanisch vorliegen, welches ich aufgrund meiner Schul-Latein-Kenntnisse nur rudimentär verstehe.
    Nach kurzer Suche bin ich aber auch auf „alte Bekannte“ gestoßen: Die Deutsche Welle, auf die bisher fast immer Verlaß war und ist, wenn es um die Darstellung der im westlichen Werte-Sinn richtigen Sichtweise geht. Ferner fielen – um nicht zu sagen: stießen – mir auf die ins selbe Horn stoßende US-Presseagentur AP, sowie Gallup, ebenfalls „vertraute“ Bekannte.
    Da es sich bei unserem Thema nicht um den Wetterbericht handelt, messe ich den zugegebenermaßen zu wenigen Fundstellen nicht unbedingt eine entscheidende Bedeutung zu, obwohl mich bei diesen Quellen wieder mal Erinnerungen an die ganz ähnlich strukturierte Berichterstattung zum Ausgangspunkt des Syrienkrieges plagten.
    Ortega ein Vergewaltiger seiner Stieftochter? Auch hier Bedenken, die sich einem Kenner z.B. der Kachelmann- und Arnold-Verfahren geradezu aufdrängen.

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    • fidelpoludo schreibt:

      Besonders dieser Vorwurf kommt mir höchst verdächtig vor. Wann und in welcher politischen Situation ist er aufgegebracht worden? Gibt es Beweise für die Anklage – außer der Aussage der Stieftochter?
      Vielleicht auch nicht ununteressant in diesem Zusammenhang:
      https://amerika21.de/blog/2018/07/207732/nicaragua-definitionssache

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      • Joachim Bode schreibt:

        Ebenso interessant der folgende Beitrag:
        https://www.rubikon.news/artikel/die-gekaufte-revolution

        Irgendwie vermittelt mir mein Gefühl, mit meinen anfänglichen Einschätzungen nicht falsch gelegen zu sein – vorsichtig ausgedrückt -, auch wenn die USA versucht, u.a. mit Kreidefresserei ihr Ziel der Destabilisierung zu vertuschen. Wie man sieht, fallen immer noch genug Leute darauf herein, überall auf der Welt.

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        • fidelpoludo schreibt:

          Danke Joachim für den Hinweis. Ich zitiere nur die folgende Passage, die Willi wohl wieder als linkes Geschwätz bezeichnen wird:

          „Wie das Tricontinental Institute for Social Research (Institut für soziale Forschung) kürzlich berichtete, führen die USA einen „unkonventionellen“ Krieg gegen Venezuela und in der ganzen Region – mit wirtschaftlichen Sanktionen, der Manipulation der öffentlichen Meinung und anderen Intrigen, um unter dem Deckmantel des Humanitarismus eine neoliberale Agenda zu implantieren. Sie „führen also einen Krieg, der zuweilen den Anschein hatte, als würde er für Staatsbürgerrechte mobilisieren. (…)
          Der Westen hat gezeigt, dass die Behauptung Venezuelas und Nicaraguas, sie hätten das Recht, unabhängig von den Interessen der USA und des Westens zu handeln, nicht toleriert wird – vor allem insofern, als sie es wagen, die Rohstoffe ihres Landes zum Wohle der eigenen Bevölkerung und nicht der multinationalen Konzerne einzusetzen. Die USA haben verdeutlicht, dass jede Regierung Konsequenzen zu erwarten hat, die es wagt, die US-Autorität anzuzweifeln. Zu diesem Zweck versuchen die USA, den Nicaraguan Investment Conditionality Actvon 2017 (auch als NICA Act bekannt) durchzusetzen, der zum Ziel hat, dem Land den Zugang zu internationalen Krediten zu sperren – natürlich unter dem Vorwand der Demokratie und der humanitären Gesinnung, obwohl diese Kredite größtenteils für Gesundheitsversorgung, Bildung und Soziales bestimmt sind.“

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        • Joachim Bode schreibt:

          Noch besser als Rubikon gefällt mir die amerikanische greanvillepost, welcher der Rubikon-Beitrag entnommen ist:
          https://www.greanvillepost.com/2018/07/08/understanding-the-conflict-in-nicaragua-the-long-battle-against-us-imperialism/

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      • willi uebelherr schreibt:

        Celina Stien-Della Croce (ich weiss nichts um sie), schreibt als ersten satz:
        „Im Kampf um Nicaragua geht es um den US-Imperialismus“.

        Da wird es mir schlecht, wenn ich soetwas lese. Es geht in jeder region immer um die menschen bei unseren debatten, also um die moeglichkeiten und ihre faehigkeiten, ihre lebensweise autonom zu gestalten. Wenn das nicht unser ausgangspunkt ist, dann sind wir als autorInnen teil der orientierungslosen schreiberlinge.

        Auf diesem weg suchen wir nach den begrenzungen und einschraenkenden bedingungen. Die begruendung hierfuer ist das thema „Volkssouveraenitaet“, das Lutz, meinen allergroessten dank dafuer, stetig aufwirft.

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        • Joachim Bode schreibt:

          Natürlich geht es um den US-Imperialismus, seitdem die USA auf Eroberungskurs ist. Der dauert inzwischen schon einige Zeit, sehr schön nachzulesen in „Der Moloch“ von Karl-Heinz Deschner (kann man im Netz frei herunterladen).

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        • fidelpoludo schreibt:

          Ach Willi, Willi! Langsam tust Du mir leid!
          Du siehst keinen Zusammenhang zwischen dem US-Imperialismus und den massiven Einschränkungen, Be- und Verhinderungen der Möglichkeiten der in der jeweils betroffenen Region lebenden Menschen, „ihre Lebensweise autonom zu gestalten“, der „Volkssouveraenitaet“ früher oder später eine Perspektive zu eröffnen?

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        • Joachim Bode schreibt:

          Natürlich hast Du recht, Willi, wenn Du zentral darauf hinweist:
          „Es geht in jeder region immer um die menschen bei unseren debatten, also um die moeglichkeiten und ihre faehigkeiten, ihre lebensweise autonom zu gestalten.“
          Und genau darum geht es auch bei dem von Dir so heftig vermiedenen Begriff US-Imperialismus, dem Inbegriff aller Bestrebungen, genau das, was Dir und anderen Menschen wichtig ist zu verhindern, um den Menschen eine nicht autonome, nicht selbstbestimmte Lebensweise aufzudrücken – um eigene Interessen durchsetzen zu können.

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    • fidelpoludo schreibt:

      Was sagt Willi zu den „alten Bekannten“ in der Berichterstattung über Nicaragua? Die „verläßliche“ Deutsche Welle, die ins selbe Horn stoßende US-Presseagentur AP, sowie Gallup? Haben die plötzlich sich der „Wahrheit“ verschrieben?
      Lieber Joachim! Ich teile alle Deine Bedenken wie auch das Eingeständnis, keineswegs einen Anspruch auf die endgültig „richtige“ Einschätzung der Vorgänge in Nicaragua erheben zu können. Und selbst wenn die spanisch-sprachlichen Quellen für uns auswertbar wären – die Situation der Mainstreammedien in ganz Lateinamerika (das Globo-Medien-Netz in Brasilien und seine Rolle bei der Propaganda gegen Lula oder Dilma Rousseff) ist keineswegs unserem überlegen. Eher noch schlimmer! Und auch zunächst als „alternativ“ erscheinende Kanälen gegenüber ist durchaus mit einigem Mißtrauen zu begegnen.

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    • willi uebelherr schreibt:

      Lieber Joachim, es geht hier nicht nur um die sprachkenntnisse. Zunaechst um den blick, wohin er gerichtet wird. Und um ein gefuehl des „Normalen“, des alltaeglichen. Wie interagieren die menschen so selbstverstaendlich.

      Den kontakt zu den menschen in doerfern, klein- und mittelstaedten und in den bezirken, nachbarschaften in den groesseren staedten finden wir nicht und nie in den sogenannten „medien“. Wenn, dann nur in den „Sozialen Netzwerken“.

      Erinnere dich an Gioconda Belli, deren erklaerung auch hier im Opablog lesbar war. All die vielen erklaerungen seit jahren von wirklich guten freunden koennen wir nur schwer lesen. Und Mary Ellsberg schreibt ueber ihre erfahrungen mit der haeuslichen gewalt.

      Ein wichtiges thema fuer Nicaragua ist die telekommunikation. Eigentlich einfach, wenn wir es wollen. Beim suchen in meinem archiv fand ich einen text von CirleID:
      Internet as Non-Kinetic WMD
      Anthony Rutkowski, 4.8.2018
      http://www.circleid.com/posts/20180804_internet_as_non_kinetic_wmd/

      „Perhaps Lukasik’s most significant part of the conclusion — and one he has made
      many times in U.S. national security settings — is that „_architectural thinking
      about networks must abandon the paradigm that everything is best connected to
      everything. There is a need for an antinetworking discipline to better clarify
      the tradeoffs_.“ Can Washington, however, ever understand this critical change
      of direction?“

      „_architectural thinking about networks must abandon the paradigm that everything is best connected to everything“.

      Vielleicht erinnerst du dich oder ihr euch an das grundprinzip bei der entstehung des Internet. Es geht nur darum, dass jedes device (geraet), das an dieses netz kontaktiert ist, mit jedem anderen device in diesem netz daten austauschen kann, wenn beide es wollen.

      Das ist aber nicht neu, wie Anthony Rutkowski meint, Es ist seit jahrzehnten fakt. Es ist das entwicklungsprinzip in diesem feld. Ich habe bisher noch keine antwort von Wolfgang Kleinwaechter aus Dresden gelesen. Er ist ein starker kaempfer fuer ein offenes und freies Internet, bewegt sich allerdings nur in diesen sphaeren.

      Die privaten server-konzentrationen, staatlich massiv gefoerdert, wie google, facebook und twitter und aehnliches, schaffen eine vorstellung von etwas, wie es sein „muss“. Die folge ist, dass wir uns nicht verbinden koennen mit den menschen ueberall. Die konstruktionsprinzipien der telekommunikation in Latein Amerika sind die der USA. Bei TelCor in Nicaragua, die staatliche TelCom instanz in Nicaragua, und CanTV in Venezuela habe ich es selbst erlebt.

      Hoechst interessant war in Quito in Ecuador, als Quiliro, mein freund, und ich mit vertretern von etwa 20 gemeinden beim ministerium fuer transport ein gespraech ueber ein offenes und freies Internet in Ecuador mit seinem zustaendigen Sekretaer fuer telekommunikation hatten. Sie waren voellig irritiert und verunsichert darueber, dass bauern, handwerker und techniker nun eine diskussion darueber gefordert haben. Das kannten sie nicht und hatten es nie erlebt.

      Wenn wir texte lesen, dann sollten wir uns nicht nur auf die worte konzentrieren, sondern versuchen, die position der autorIn und ihren blicktrichter zu erkennen hinter dem, was sie schreiben. In uns bekannten sphaeren tun wir dies meistens.

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    • willi uebelherr schreibt:

      Ich trenne diesen 2. teil meiner antwort ab um ein spezifisches thema in diesem zusammenhang anzusprechen.

      IoT, „Internet of Things“. Der kern ist das, was ich vorher ansprach. Jedes device am netz kann mit jedem beliebigen device daten austauschen. Technisch kein problem. Das problem liegt ausschliesslich in den intentionen und den daraus geschaffenen strukturen.

      Es geht nur um das adressierungsverfahren. Seit jahren finden wir riesige kampagnen, kongresse, konferenzen, „issenschaftliche“ analysen um, NICHTS. Wir sollten uns diesem dilemma, in denen die privaten und staatlichen instanen stecken, selbst verdeutlichen. Sie brauchen es, aber so einfach soll es nicht sein. Sie suchen haenderingend nach loesungen und finden keine, weil jene, die existieren und offen herum liegen, sie nicht wollen. IoT muss verwaltet werden. Es darf nicht dem, was es eigentlich enthaelt, folgen.

      Wir finden diesen mechanismus praktisch in allen sphaeren unseres lebens. Schulen als kommunale instanzen, die sich miteinander vernetzen und so ihre ideen und erfahrungen austauschen, Universitaeten als kommunale/regionale instanzen, die das gleiche tun. Das ganze „Gesundheitssystem“ ebenfalls.

      Aber einfach und den anforderungen direkt zugewandt darf es nicht sein, weil von aussen eingebrachte anforderungen, die mit der sache selbst nichts zu tun haben, muessen beruecksichtigt werden. Versuch mal, die bereiche wassersysteme, thermische und elektrische energie, materielle transportsysteme, architektur und baukonstruktion nach diesen mechanismen zu untersuchen.

      Du wirst notwendig feststellen, dass alles ueberladen ist mit sachfremden zwaengen.

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  5. willi uebelherr schreibt:

    Liebe freunde, mir ist es wirklich schleierhaft verdeckt, nach welchen kriterien und prinzipien ihr euch eigentlich orientiert, wenn es um etwas geht, worin ihr selbst nicht direkt einbezogen seid.

    Versucht doch mal, in euch bekannten sphaeren dieser frage nachzugehen. Folgt der stetig weiteren distanz, um eure eigenen suchkriterien zu verfolgen. Ich bin sicher, es wird fuer euch selbst immer nebuloeser.

    Aber was spricht dagegen, klare kriterien zu entwickeln, die sowohl zuhause als auch in fernen gestaden zuverlaessige resultate liefern? In eurer euch bekannten umgebung seid ihr bestimmt resistent gegenueber „Polit-Geschwaetz“, oder? Dann fragt euch mal selbst, warum.

    Diese phrasereien „geostratigischer Analysen“ wuerden euch in eurer eigenen umgebung maechtig „am Arsch“ vorbei gehen. Auch jede Selbsterklaerung politischer Parteien laesst euch voellig kalt, weil ihr wisst, dass alles „dummes geschwaetz oder Luegen“ sind. Gegenueber der sogenannten „vierten Gewalt‘, den privaten Medien konstrukten mit ihrem Berufstand „Jounalisten“ seid ihr hoch resistent.

    Aber ihr verhaltet euch zu den schwaetzern und luegnern aus FSLN, PSUV, PCC und Foro Sao Paulo wie kleine kinder. Euch fehlt jede ernsthaftigkeit, mal kritisch zu reflektieren, woran ihr euch eigentlich orientiert. Die frage ist ja immer, warum gelingt es euch nicht, einen kuehlen kopf zu behalten. Wir wissen um die wirkung, wenn uns unsere symbole gestohlen werden. Wie sehr wir enttaescht sind, wenn uns die zuletzt noch verblieben rettungsanker verlustig gehen.

    Aber die wirklichkeit ist grausam, weil intolerant.

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    • fidelpoludo schreibt:

      Lieber Willi!
      Wo bleibt denn Dein „kühler Kopf“, wenn Deine Sicht der Dinge mit der der „Deutschen Welle“ oder der der US-Presseagentur oder Gallup oder auch spiegel.de so evident überein stimmt, was Nicaragua betrifft?

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  6. fidelpoludo schreibt:

    Noch einmal Willi!
    Also die Planung eines „Regime-Changes“ in Nicaragua durch Einmischung von US-Interessen (Konzernen und Geheimdiensten und NGS) ist völlig aus der Luft gegriffen und hat mit der Realität in Lateinamerika und in Nicaragua, Venezuela, Brasilien etc. nichts zu tun? Butter bei die Fische! Lieber Willi!!

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  7. kranich05 schreibt:

    Ich bedanke mich bei allen, die hier streitend um Aufklärung ringen.
    Dass es Kräfte gibt, die in Nicaragua am Regimesturz arbeiten, ist offensichtlich. Dafür sind viele Fakten und Indizien genannt worden. Es streitet auch kaum jemand ab. Übrigens bestreiten die Gegner Ortegas, die ich gelesen habe, nicht, dass es auch Gewalttaten von Seiten des Volkes gibt. Einzelne Gewalttaten, noch so dramatisch geschildert, beweisen NICHTS.

    Die Schwierigkeit beginnt, wenn der Schluss gezogen wird: Weil vom Imperialismus bekämpft, darum unsere uneingeschränkte Solidarität mit den Angegriffenen. Revolutionäre, die ein revolutionäres Regime errichteten, die Macht ausübten UND AM ENDE DIE REVOLUTION ZERSTÖRTEN, gab und gibt es in der Geschichte zuhauf.
    Das Volk, die Masse der Ausgebeuteten und Machtlosen (die dieses auch unter dem formal revolutionärem Regime geblieben sind) müssen unser alles entscheidender Bezugspunkt sein.
    Das ist schwierig genug.
    Mein Eindruck ist, dass die nikaraguanischen Machthaber exzessiv Gewalt gegen die Proteste eingesetzt haben und zwar auch Gewalt in illegitimen Formen (nichtstaatliche Milizen). Bis heute, nach vier Monaten der Krise, sehe ich keine initiative der Ortega-Regierung den zugespitzten Konflikt zu entschärfen, sondern eher die Strategie des Erstickens.
    Der Souverän muss Garantien haben, seine Interessen uneingeschränkt zu artikulieren und politisch zu vertreten – der Souverän gesamt, nicht privilegierte Einzelne oder Schichten. Die Repräsentanten des Souveräns sind primär ihm verpflichtet, nicht umgekehrt.

    Ich versuche nicht blauäugig zu sein, und ich habe nur wenige persönliche Bekannte, die Nicaragua aus eigener Anschauung kennen, doch mein Eindruck besteht, dass die Hauptverantwortung für die eingetretene Situation bei den Führern und Führerinnen liegt. Sie haben es zugelassen, dass der revolutionäre Prozess seit Längerem beschädigt wird oder schon entgleist ist. Und sie lassen nicht erkennen, dass sie demokratisch-sozialistische Auswege finden.

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    • fidelpoludo schreibt:

      Lieber Klaus-Peter,
      Deinen Eindruck, „dass die nikaraguanischen Machthaber exzessiv Gewalt gegen die Proteste eingesetzt haben und zwar auch Gewalt in illegitimen Formen (nichtstaatliche Milizen). Bis heute, nach vier Monaten der Krise, sehe ich keine initiative der Ortega-Regierung den zugespitzten Konflikt zu entschärfen, sondern eher die Strategie des Erstickens“ teile ich. Für mich ist die Frage jedoch, inwieweit und in welchem Maße die Proteste vom Volk ausgehen und inwieweit sie von externen Kräften angestachelt, bewaffnet, finanziert und benutzt werden, um ganz andere Ziele zu verfolgen, die mit denen der wohl zu Recht Protestierenden dann nichts mehr (von einigen elitären Kräften abgesehen) zu tun haben:
      (Das US-Narrativ: „Ortega muss gehen, und die USA müssen ihn bei seinem Rücktritt unterstützen, im Namen der Demokratie.“) („Entgegen dem geltenden Narrativ stammen die Pläne zu Rentenänderungen nicht aus Ortegas Regierung. In Reaktion auf das Defizit in Nicaraguas Sozialversicherungsfonds INSS schlug der IWF unter anderem eine Kürzung der Rentenleistungen um 20 Prozent sowie eine Heraufsetzung des Rentenalters von 60 auf 63 (oder gar 65) Jahre vor.
      Ortegas Regierung lehnte die harten Sparmaßnahmen des IWF ab und empfahl Rentenkürzungen um 5 Prozent und eine Erhöhung der INSS-Beiträge von 3,5 Prozent für Arbeitgeber und 0,75 Prozent für Arbeitnehmer. Ortegas Rentenkürzungen sind viel sanfter ausgefallen als die, die der IWF vorgeschlagen hatte, aber letzterem scheint man im Narrativ zu den Protesten keine Schuld zuzuweisen. Lassen Sie sich aber nicht täuschen: Der IWF und die neoliberale Agenda haben eine lange Tradition, politische Richtlinien zu entwerfen, durch die überall im globalen Süden Menschen wie du und ich verarmt werden und die Ungleichheit vergrößert wird. Nicaragua ist da keine Ausnahme. (…) Der Konflikt in Nicaragua ist nicht einfach schwarz-weiß: Es ist durchaus möglich, dass das nicaraguanische Volk Kritik an Ortega übt, und auch, dass andere Faktoren im Spiel sind, die größere Entwicklungen einer imperialistischen Intervention und neoliberalen Agenda in ganz Lateinamerika spiegeln, die von den USA ausgehen, zuletzt in Brasilien und in Venezuela.“)

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      • kranich05 schreibt:

        Nachzuweisen, dass der IWF imperialistische Politik betreibt (mit seinen spezifischen Mitteln) rennt doch offene Türen ein.
        Wenn Nicaragua eine souveräne Regierung hat, dann verantwortet natürlich diese Regierung die Rentenpläne und zwar alle Variationen von Rentenplänen. Und es ist die Pflicht jeder revolutionären Regierung, Pläne zu entwickeln, die das Volk mit trägt. Das macht naturgemäß bei geplanten Belastungen einen längeren Diskussionsprozess nötig.
        Ich sehe manche Ähnlichkeiten mit den Ereignissen, die zum 17. Juni 1953 in der DDR führten. Natürlich war da die Rolle des RIAS, natürlich gab es sowjetische und internationale Faktoren (heute würde man „geostrategische“ sagen) nach Stalins Tod im März 1953 – aber die „Grundsuppe“ der Proteste hatte die SED-Führung/Walter Ulbricht mit dem diktierten Übergang zum „Aufbau des Sozialismus“ 1951/52 gekocht.
        Und keiner soll sich wundern, wenn nach schneller Rücknahme einer diktatorischen Regierungsentscheidung (Rentenpläne heute, Normerhöhungen damals) das in Aktion teils geratene, teils gebrachte Volk nicht brav wieder nach Hause geht.

        Natürlich ist Schwarz-/Weiß-Denken falsch. Deshalb sollten wir die materialistische Dialektik pflegen, die uns erlaubt, mehrsträngige widersprüchliche Zusammenhänge zu entwirren. Die Dialektik verlangt aber auch, die dominierenden Tendenzen im Ringen der Klassenkräfte zu bestimmen und speziell die Verantwortung der Revolutionäre auf den Punkt zu bringen.
        Für den Untergang einer siegreichen Revolution tragen die Revolutionäre die Hauptschuld. – Wir haben die Pflicht, die Lehren aus 60 Jahren stalinistischen Realsozialismus (ca 1928-1989) schonungslos zu ziehen. – Genauso, wie die Lehren aus 10 Jahren siegreicher russischer Rvolution (1917 bis ca 1928).

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        • fidelpoludo schreibt:

          Macht es vielleicht Sinn, zwischen „Revolutionären“ und „Verwaltern der Revolution“ zu unterscheiden? Und – mit Sicherheit – auch zwischen „revolutionären Führern“ und den ihnen vertrauenden bzw. mißtrauenden „Geführten“, wobei Transparenz und Diskussion (wie ihr Mangel) eine entscheidende Rolle beim Übergang von Vertrauen in Mißtrauen eine erhebliche Rolle spielen – auch dann wenn Mangel an Transparenz und Diskussion von Seiten der Führung damit begründet werden, das sie eingeschränkt werden müsse, weil der Feind (der Revolution – innen und außen) ja mithört, was angeblich – und vielleicht nicht ganz an den Haaren herbeugezogen – die „revolutionären Errungenschaften“ gefährde. Welche aber gerade durch den Mangel an Transparenz und Diskussion vielleicht letztenendes gerade noch mehr gefährdet werden?

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          • kranich05 schreibt:

            Wenn die „Verwalter der Revolution“ von den „Revolutionären“ unterschieden werden können und müssen, gerät die Revolution bereits auf die schiefe Bahn.
            In der Tat ist dabei „Transparenz“ bzw. ihr Fehlen ein ganz feiner Anzeiger. Eine der „kleinsten“, „unscheinbarsten“ Formen von Machtmissbrauch („Kavaliersdelikt“) ist Informationsmissbrauch. Einschränkung der Information im „Interesse der Sache“ ist der Anfang des tödlichen Krebses.

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        • willi uebelherr schreibt:

          Lieber Fidelp, dieses argument fuer „Geheimnisse“ ist und war immer schon betrug. Repraesentative, abgetrennte, aufgesetzte konstruktionen brauchen diesen betrug. Sie tun es nicht zufaellig.

          Transformationen, auch revolutionaere, finden immer im oeffentlichen raum statt. Da gibt es nichts privates, persoenliches, was einen entzug rechtfertigt. Die forderung nach Transparenz, ich nenne es „wir machen alles oeffentlich, was oeffentlich ist“, ruht auf dieser grundlage.

          Ich bin Klaus-Peter sehr dankbar fuer seine strikte und strenge argumentation.

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  8. willi uebelherr schreibt:

    Liebe freunde, hier ein hinweis zu Humberto Ortega, dem bruder von Daniel.

    Bruder des nicaraguanischen Präsidenten fordert Entwaffnung der Paramilitärs
    https://deutsch.rt.com/newsticker/73654-bruder-des-nicaraguanischen-praesidenten-fordert-entwaffnung-der-paramilitaers/

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  9. Joachim Bode schreibt:

    Offensichtlich gibt es mehrere Parteien die (Mit-)Verantwortung an der gewaltbestimmten Situation tragen.
    Ganz klar rechtswidrig, u.a. auch völkerrechtlich verbrecherisch, sehe ich die seit Jahrzehnten kaum veränderte Haltung der USA, die es darauf anlegt, sich in die Angelegenheiten Nicaraguas einzumischen, letztlich den Regime-Change zu erreichen. Mit den Contras hat das nicht geklappt, also sucht man geschmeidigere Wege, die nicht so offen zu Tage liegen. Natürlich ist die Auseinandersetzung zwischen Regierung und Gegnern in Nicaragua dadurch nicht unwesentlich bestimmt, wahrscheinlich sogar ganz entscheidend. Anderes würde mich sehr wundern…
    Die Konflikt-Anteile oder auch Verantwortlichkeiten der einheimischen Parteien sehe ich noch nicht so deutlich verteilt wie in der letzten Stellungnahme von kranich05 geschehen. Da fehlen noch ganz viele verläßliche Anhaltspunkte. Und wie will man die Einmischung der USA (es gibt übrigens auch noch andere ausländische Mächte, die da Einfluß nehmen!) sauber trennen können von all den anderen Verursachungen?

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    • kranich05 schreibt:

      „Und wie will man die Einmischung … sauber trennen können von all den anderen Verursachungen?“
      Genau das ist die Verantwortung der Revolutionäre dort, nicht unsere Verantwortung hier. Verantwortung für eine offene allumfassende rechtzeitige Kommunikation.
      Wenn sie das nicht tun, macht genau das „Die Konflikt-Anteile oder auch Verantwortlichkeiten der einheimischen Parteien“ aus.
      Den – völlig inakzeptablen (und von den Verteidigern Ortegas meist unter den Teppich gekehrten) – Einsatz terroristischer Paramilitärs sehe ich nur als den blutigen Endpunkt einer offenbar langen Versagenskette.

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      • fidelpoludo schreibt:

        Es mag eine lange Versagenskette geben. Ob sie sich aber so eindeutig bestimmen läßt, wie Du sie hier definierst (beachte den Anteil, den die Massenmedien an ihrer Beschreibung haben), ist doch einigermaßen zweifelhaft oder zumindest umstritten. Es soll auch Teile der Bevölkerung gegeben haben, die das lange Zögern Ortegas zum Schutze von Leib und Leben heftig beklagt haben:
        https://www.rubikon.news/artikel/contras-2-0

        Die Medien haben in vielerlei Hinsicht als Filter für das funktioniert, was Abraham Brumberg, ehemaliger Herausgeber des USIA-Journals „Problems of Communism“ als „Flut von Verzerrungen, Übertreibungen und glatte unverschleierte Lügen über die Sandinisten“ beschrieben hat, „die fast täglich aus der Regierung herausquellen“…

        In vielerlei Hinsicht ist das Narrativ, das uns die Mainstream-Medien und die OAS liefern, also das genaue Gegenteil dessen, was in Nicaragua wirklich passiert. Im Gegensatz zu dem Märchen, das uns die Mainstream-Medien über friedliche Demonstranten auftischen, die von einem brutalen Regime niedergemäht wurden, stimmt das, was wir auf unserer Reise nach Nicaragua gehört haben, eher mit der Analyse von Atilio Boron überein. (…)
        „Als die Anhänger des rechten Flügels Mitte April nach Bekanntgabe sanfter Sozialversicherungsreformen eine Schwächung der Sandinisten-Regierung wahrnahmen, gingen sie mit aller Wucht auf die Straße, um Ortega zu stürzen. Sie holten viele der Söldner, die die „guarimbas“ in Venezuela inszeniert hatten, nach Nicaragua und wenden nun dasselbe Rezept für Gewalt und Tod an, das in den CIA-Handbüchern (für die Contras) gelehrt wurde.“

        Dies sollte uns natürlich nicht allzu sehr überraschen – hat doch das National Endowment for Democracy, der Nachfolger der CIA für Regime-Change-Operationen, jene Gruppen in Nicaragua mit Millionen von US-Dollars versorgt, die die Anti-Regierungs-Operationen in Nicaragua anführen. Zudem hat das NED tatsächlich zugegeben, „die Grundlagen für einen Aufstand zu legen“.

        Was die Einwohner berichten

        Der Fall Monimbo – ein historisches Viertel in Masaya, Nicaragua, und der letzte Bereich, der von Oppositions-Straßenbarrikaden (oder tranques) geräumt wurde, ist recht aufschlussreich. Während die Mainstream-Medien die Barrikaden in solchen Gebieten einheitlich so dargestellt haben, als seien sie von mutigen Jugendlichen aufgebaut und besetzt worden, die verzweifelt versuchten, ihre Viertel vor einem bevorstehenden Polizeiangriff zu schützen, erzählen die Bewohner ganz andere Geschichte.

        Wir sprachen eine Stunde mit einer Bewohnerin von Monimbo, einer ehemaligen lokalen Sandinisten-Beamtin, die gerade nach Managua gekommen war, um an den Festlichkeiten zum Sandinista-Triumph von 1979 teilzunehmen.

        Sie bat um Anonymität, da sie Repressalien durch die Oppositionskräfte in ihrer Stadt fürchtet, die Sandinista-Anhänger schikaniert, überfallen und sogar ermordet haben. Diese Frau, nennen wir sie Maria, weinte hemmungslos, als sie uns erzählte, wie ihr Viertel von den Menschen auf den Barrikaden terrorisiert wurde, die die örtliche Wirtschaft lahmlegten, die Bewegungsfreiheit einschränkten, öffentliche Gebäude niederbrannten, Geschäfte plünderten und Häuser von Einheimischen zerstörten.

        Täglich wurde die Ehefrau und zweifache Mutter schikaniert, eingeschüchtert und in Angst um ihr Leben und ihre körperliche Unversehrtheit versetzt, als sie ihren Besorgungen nachging und die Barrikaden passierte.

        „Ich hatte keine Angst, dass sie mich umbringen würden. Ich habe keine Angst vor dem Sterben. Wovor ich Angst hatte war, dass sie mich vergewaltigen würden.“

        Hier bezog sie sich auf andere Fälle von Vergewaltigungen durch diejenigen auf den Barrikaden. Zum Beispiel hörten wir von einer Polizistin, die entführt und drei Tage lang von diesen Truppen vergewaltigt wurde.

        Maria bezeichnete jene auf den Barrikaden als kriminelle Elemente, die gut mit Wasser, Nahrungsmitteln, Waffen und sogar Drogen versorgt wurden. Sie erzählte, wie sie Freudentränen weinte, als sie am 17. Juli sah, wie sich Regierungstruppen näherten, um die Barrikaden zu entfernen. Tatsächlich nannte sie diese Aktion eine „Befreiung“, die ihrem Viertel nach drei Monaten praktischer Gefangenschaft Erleichterung brachte.

        Belagerte Polizei

        Und weit davon entfernt, Polizeiaktivitäten in ihrem Viertel zu fürchten, waren sie und ihr Mann, der auch nicht namentlich genannt werden möchte, frustriert darüber, dass die Polizei nicht schneller und entschiedener gegen die Besatzer vorgegangen war. Sie erklärten jedoch, dass auf Befehl von Präsident Ortega die Polizei in den Kasernen geblieben war und die Bürger die Sache nicht in die eigenen Hände genommen hatten, um unnötiges Blutvergießen zu vermeiden. Und so waren die Polizeikräfte über drei Monate in ihren Kasernen eingesperrt, umringt von rechten Oppositionskräften, die weder Wasser noch Nahrungsmittel zu ihnen passieren ließen.

        Wie Maria wieder unter heftigem Weinen erklärte, war also die Polizei belagert worden und nicht die gut versorgten Protestierenden. Obwohl Maria und viele ihrer Freunde bereit waren, die Protestler zu bekämpfen, die ihre Stadt zerstörten, hielten sie sich an die Befehle Ortegas. Letztendlich glauben sie, dass Ortega richtig damit lag, eine solche Zurückhaltung einzufordern; in der Tat rettete diese von den disziplinierten Sandinisten angeführte Zurückhaltung viele Leben und verhinderte, dass aus den geschätzten 300 Toten möglicherweise Tausende Tote wurden. Dies wird man jedoch niemals in der Mainstream-Presse lesen.

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    • Joachim Bode schreibt:

      Könnte es sein, dass, fern am Horizont, die Problematik des „Sozialismus in einem Land“ aufscheint?

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    • willi uebelherr schreibt:

      Lieber fidelp, es reicht, den link anzugeben. Bestimmt viele haben diesen text schon gelesen.

      Zur quantitativen berurteilung von einmischung.
      Venezuela: Vorraussetzung fuer soziale abfederung einer katastrophalen polit-oekonomischer struktur.
      China: Vorrausetzung fuer finanzielle planung der naechsten 99 jahre in Dollars. Spaeter vielleicht andere waehrungen. Der kanal was nie fuer Nicaragua.
      Russland: Vorrausetzung fuer die ausruestung und manchmal ausbildung der paramilitaers.
      Deutschland, Europa: Vorrausetzung fuer die versklavung der Menschen von Nicaragua in den freihandelszonen und damit auch vorrausetzung zur militarisierung der staatlichen konstrukte, um gewerkschaftliche aktionen zu unterbinden.

      Ich frage mich ernsthaft, welchem zweck dient die frage nach quantitativer zuschreibung oder aufteilung von verantwortung von destruktiver gestaltung und deren macht. Liegt es nicht nahe, danach zu fragen, wie Nicaragua eine wirkliche Autonomie, oder eingeschraenkt Souveraenitaet, erreichen kann, damit die menschen selbst ihre lebensweise gestalten koennen.

      Und danach zu fragen, was wirkt im inneren dagegen.

      Iran setzt jetzt auch auf tourismus, um devisen herein fliessen zu lassen. Kuba praktisch ausschliesslich. Fuer Venezuela geht es nicht, weil ausser Isla Margarita kein profittraechtiger massentourismus moeglich ist.

      Wir koennen sofort fragen, wozu organisierter tourismus. Welche bedingungen existieren dafuer. Was bringt das?

      Freihandelszonen. Jetzt auch in Venezuela. Wozu? Wofuer? Der ganze sueden von Mexico soll in eine riesige Freihandelszone umgebaut werden. Und wofuer?

      Was sind unsere eigenen alternativen zum transfer von spekulativen geldmengen? Ich vermute, dass in dem mangel der sicht praktikabler alternativen notwendig das ausweichen auf andere felder folgt.

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  10. fidelpoludo schreibt:

    Auf einige Kommentare läßt sich nicht mehr direkt antworten, weil die Antwortsoption fehlt.
    Wie ist das nun wieder zu erklären?

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    • kranich05 schreibt:

      Das erklärt sich daraus, dass ich (im Interesse der Übersichtlichkeit) nur 5 Verschachtelungsbenen der Kommentare zugelassen hatte. Ich habe jetzt auf 8 Ebenen erhöht.

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  11. fidelpoludo schreibt:

    Lieber Kranich! Und alle, die in der Verhandlung der „Sachen“ (Nicaragua, Sammlungsbewegung und Revolution – ihre Theoretiker, ihre Macher und Verwalter wie die Rolle der richtigen Auffassung von Demokratie und ihrer rechtlichen Verankerung) sich angesprochen fühlen!
    Ich bilde mir ein, wir könnten und sollten den ergriffenen Faden weiterspinnen, indem wir die Begriffsarbeit weitertreiben und auch historische wie aktuelle Erfahrungen mit einbeziehen.
    Ich beginne mal mit einer Rekapitulation (dabei fällt mir zum ersten Mal die Merkwürdigkeit dieses Begriffes auf: als ob das damit Gemeinte etwas mit Kapitulation zu tun haben müsse…):

    Dein Hinweis auf die „Verantwortung des Revolutionärs“ (Nicaragua) brachte mich auf die Unterscheidung der „Revolutionäre“ von den „Verwaltern der Revolution“, die – wie Du anmerktest -, wenn sie gemacht werden könne oder müsse, die Revolution bereits auf die schiefe Bahn bringe. Die weitere Unterscheidung zwischen den „Führern“ und den „Geführten“, brachte Dich dazu den hier absolut notwendigen Begriff der (legitimierten) Macht bzw. den ihres (nicht mehr legitimierbaren) Mißbrauchs ins Spiel zu bringen, unter deren „kleinsten“, „unscheinbarsten“ Formen Du den Informationsmissbrauch (Mangel an Transparenz) ausmachtest. Du betontest ausdrücklich, dass das Fehlen von Transparenz „ein ganz feiner Anzeiger“ für das Hinübergeleiten auf die schiefe Bahn sei, dem – jetzt interpretiere ich Deine Absichten hoffentlich nicht falsch – sowohl in der Geschichte wie in der Gegenwart wesentlich zu wenig Aufmerksamkeit geschuldet wurde und wird („Kavaliersdelikt“). „Kleine“ Ursache, große Wirkung! Ich hatte bereits vorher bereits in eine ähnliche Richtung gedacht, indem ich die „Geführten“ unterschied in die, die den „Führeren“ vertrauten (sie also legitimierten – ob „blind“ oder nicht) und die ihnen mißtrauten (aus welchen Gründen auch immer) und dabei den Übergang von Vertrauen in Mißtrauen als Prozess thematisiert, der mit einem Mangel an Transparenz und Breite der Diskussion (Information) fast notwendig in Zusammenhang gebracht werden könne. Meinen Hinweis auf die mögliche Motivation der Führung, sich von den Geführten abzukapseln mit der Begründung, dass der (innere und äußere) Feind Transparenz und offene Diskussion ja mithöre (hier sehe ich auch den Hinweis von Joachim angebracht, dass es sein könne, „dass, fern am Horizont, die Problematik des „Sozialismus in einem Land“ aufscheint“) – viele andere Gründe der Abkapselung der Eliten wären noch denkbar -, brachtest Du dann auf den Punkt: „Einschränkung der Information im „Interesse der Sache“ ist der Anfang des tödlichen Krebses.“ Der Verrat der Sache wird mit dem Interesse an ihr bemäntelt.
    Ich hoffe, Du bist mit dieser Rekapitulation einverstanden.

    Ich finde, damit läßt sich doch einiges anfangen. Weit davon entfernt, ein Nicaragua-Experte zu sein, will ich es doch wagen, mit dem Erarbeiteten zu versuchen, einige Fragen zu stellen:
    1. War die Sandinistische Revolution wirklich eine Revolution, wenn man in Betracht zieht, dass sie das Privateigentum an den Produktionsmitteln nicht in Frage stellte?
    2. Hätte sie wirklich Aussicht gehabt, sich in eine Revolution zu verwandeln, wenn sie die Vergesellschaftung der Produktionsmittel beabsichtigt und durchgeführt hätte? Selbst eine Verstaatlichung hätte die SU (nach den Erfahrungen mit Kuba) wohl kaum mehr unterstützt.
    3. War sie also von Anfang an nicht „ein totgeborenes Kind“ trotz einiger Teilerfolge?
    4. Hat die FSLN also das Prädikat „revolutionär“ wirklich verdient und kann man hier wirklich von der „Verantwortung des Revolutionärs“ sprechen?
    5. Müssen wir uns nach den historischen Erfahrungen nicht bis auf Weiteres von der Vorstellung einer „Revolution oder des Sozialismus in einem Lande“ verabschieden?
    6. Müssen wir nicht deshalb nach anderen Formen eines Übergangs („Transformation“) suchen, die aus der vollen Erfüllung des Demokratiebegriffs erst erwachsen könnte (Mitbestimmung auf allen Ebenen – „Mehr Demokratie wagen!“ – die Auslegung und Anwendung des Grundgesetzes und seine Veränderung nicht den (selbsternannten) „Experten“ überlassen – Entmächtigung und Entmündigung des Volkes durch eine klare Trennung von Legislative und Exekutive entgegen zu arbeiten – einem „wahren Rechtsstaat“ so nahe wie möglich kommen?

    Das sollte erst einmal reichen. Zum Zerreißen dürften sich jede Menge Ansatzpunkte bieten.

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    • willi uebelherr schreibt:

      Lieber fidelp, ich bin wirklich erstaunt ueber diesen text von dir. Ich beziehe mich auf deinen text, weil du alle eingeladen hast.

      Zunaechst zu meiner sicht von Revolution. Der bruder der Evolution, das dialektische geschwisterpaar. Es geht um die aufloesung der blockaden auf dem evolutionaeren weg, der selbst feminin, integrativ ist. Die Blockaden-Aufloesung ist maskulin, destruktiv.

      Alle menschen in einer region streben nach stabilen materiellen lebensgrundlagen. Hier haben wir 2 gruppen, die ich als 2 systeme bezeichne: die „Fuehrer“ und die „Gefuehrten“. Das ruht auf ihrem realen materiellen Sein.

      Die „Gefuehrten“ bezeichne ich als die kreativ produktive gruppe, die „Fuehrer“ als die parasitaere gruppe, die sich ihren politischen ueberbau schafft.

      Klar, hier gibt es viele grauwerte und ueberlagerungen. Deshalb als eine polare darstellung.

      Der ausgangspunkt ist eine spezifische soziale zerrissenheit mit all den existierenden perspektiven und visionen fuer ein „Gutes Leben“ und den transportierten traditionen in bezug auf soziale gemeinschaften.

      Es ist nicht moeglich, all das geschehen auf einzelne figuren zu reduzieren. Tatsaechlich finden wir ein geflecht von gegenseitiger nutzung oder nutzungsverbaenden. Die FSLN existiert als staatlich finanzierter parasitaerer apparat. Die fuehrung der FSLN kapselt sich in einem streng abgeschirmten bereich in Managua ab und verlaesst diesen raum mit Blaulicht und Sirenen und polizeilich-militaerischem kolonnenschutz. Wir koennen sagen, die FSLN-fuehrung lebt in feindesland.

      Aehnlich sieht es in den ministerien und staatlichen planungsinstituten aus. Das dominante ist die abschirmung, ghetto strukturen.

      Ich beschreibe dies so, weil es fuer mich anfangs erstmal schockierend und gleichzeitig sehr aufschlussreich war. Alle planungen zu Nicaragua werden dort heimlich getroffen unter zuhilfenahme meist auslaendischer experten. Eine diskussion ueber ziel- und transformationsbestimmungen existiert nirgendwo. Was wir finden sind spekulationen, interpretationen und so manche leaks, die auch oft bewusst verteilt werden.

      Diese mafiosen strukturen sind vollstaendig anders wie in Venezuela, Ecuador und Bolivien. Sie erinnern mich mehr an Kolumbien, Peru und Mexico.

      Die indigenen gemeinden und deren sozialen gemeinschaften liegen komplett ausserhalb. Das ist auch die grundlage fuer den identitaetsmangel der LatinAs. Sie koennen sich nur auf die europaeische raubkultur stuetzen. Edurdo Galeano aus Uruguay hat sich viel mit dieser ausgangsbedingung beschaeftigt. Er kennt das aus Uruguay und Paraguay.

      Ich will hier nicht auf deine fragenliste eingehen. Ich denke, dass mit diesen fragen die inneren zerwuerfnisse nicht erklaert werden koennen. Wir muessen uns mehr den treibenden kraeften zuwenden und dem raum, in dem diese wirken.

      Latein Amerika ist in sich tief zerrissen zwischen dem europaeischen krebs der privaten aneignung gemeinschaftlicher ressourcen und der existenz der indigenen gemeinschaftlichen kultur, die kein privateigentum als solches kennt, wie wir es kennen. Sie haben einen selbstverstaendlichen respekt vor dem, was einzelne oder gruppen entstehen lassen. Aber niemals akzeptieren sie die private aneignung gemeinschaftlicher ressourcen wie land, wasser, saatgut, wissen.

      Die ausdehnung des kapitalistischen Agrobuisness in noch geschuetzte, weil indigene zonen, trifft auf deren widerstand auf der basis ihrer selbstorganisation. Das feuer im suedlichen naturpark war die methode, zerstoerte landschaften zu organisieren, wie wir es in den suedlichen gebieten in Europa auch kennen.

      In den staedten dominiert der informelle „oekonomische“ sektor. Es ist klar, dass er diesen parasitaeren staatsapparat nicht unterhalten kann. So wird alles gefoerdert und unterstuetzt, was die geldfluesse steigert: der Extraktivismus.

      Wenn wir uns diese treibenden kraefte, das allgemeine streben nach stabilen materiellen lebensgrundlagen fuer alle und die extremen konsumanforderungen der eliten und ihrer apparate, eingebettet in den tiefen konflikt von privat und gemeinsam, auf der basis des mangels an technischen infrastrukturen und wissens- und informationsfluessen, etwas uns vor augen fuehren, dann werden uns auch die merkwuerdigkeiten so mancher geschehnisse etwas verstaendlich, weil sie so merkwuerdig nicht sind.

      Auch wenn das ringen in nicaragua fuer eine zukunft und existenzerhaltung doch sehr Nicaragua spezifisch ist, so ist es in seiner allgemeinheit ein zutiefst lateinamerikanisches problem. Weil wir das, was wir in Nicaragua finden, ueberall finden koennen.

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    • kranich05 schreibt:

      Lieber fidelp,
      ich fühle mich korrekt (und ziemlich detailgenau) „rekapituliert“.
      Zur weiteren Diskussion auch von mir zur Einleitung die Erwähnung, kein Nicaragua-Experte zu sein.
      So sehr viel zum Zerreißen finde ich nicht.
      Zu 1) Wie revolutionär die Sandinistas am Anfang waren oder zumindest sein wollten, weiß ich nicht. ich gebe zu bedenken, dass Revolutionen auch „nur“ politische sein können, müssen nicht auch soziale sein. Dass sie das Privateigentum nicht „abschafften“, spricht also nicht dagegen, dennoch von Revolution zu reden.
      Zu 2) „Vergesellschaftung der Pm“ ist hier ein zu allgemeines Theorem. Was vermutlich aber wohl möglich, notwendig und dringlich ist, dürfte die Landreform sein, die denen, die Land bebauen wollen und können (Selbstversorgung UND Marktproduktion) gesetzlich gesichert ausreichend Land gibt.
      Der nächste Schritt könnten Genossenschaftern sein. (Gehört insgesamt gesehen (nicht auf die Zwangskollektivierung fixiert) zu den Erfolgsgeschichten des Realsozialismus.)
      Ich fürchte in beiden Richtungen ist wenig passiert.
      Zu 3) Frech gesagt: Der Leninsche Genossenschaftsplan kann den Weg weisen, dass Revolutionen auch heute nicht totgeboren sein müssen.
      Zu 6) Sehr einverstanden! Hier liegen unendliche Aufgaben und MÖGLICHKEITEN, die den revolutionären Ansatz laufend verbreitern und verwurzeln können.
      Ob das Gelaber von christlicher Liebe + Zwangsgebären dazugehört, bezweifle ich.

      Willi gibt unten aus seiner Kenntnis der lateinamerikanischen Verhältnisse interessante Anregungen. Das Problem der Indigenen haben wir in Mitteleuropa nicht, das bringt Sezifisches. Meiner A. n. ist jedoch das einer materialistischen Klassenanalyse durchaus zugänglich.
      Was die Bezeichnung Evolution/Revolution als feminin und maskulin bringen soll, erschließt sich mir nicht.
      Willi hat einen Horror vorm Allgemeinen. Er kennt zwar Bäume aber nicht den Wald. Deshalb – garantiert – verläuft er sich, sobald er in den Wald oder in den Imperialismus kommt.
      Dass er auf die Bäume, also das Lokale, pocht, schätze ich trotzdem. In meinem Garten habe ich weder Wald, noch Hain, muss und darf mich aber sehr ausgiebig mit einigen Bäumen befassen.

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  12. fidelpoludo schreibt:

    Lieber Willi, (Teil 1)
    selbstverständlich braucht es keinerlei Rechtfertigung für niemanden, um sich bei allen Beiträgen zu Wort zu melden. Insofern war auch meine Einladung an alle eher überflüssig.

    Einiges ist sehr erhellend, was Du hier ausführst. Deine Revolutionstheorie mit maskulin und feminin scheint mir allerdings etwas zu schablonenhaft und randständig, wenn auch einiges daran sein mag. Dass das „Feminine“ an der Aufrechterhaltung der „Blockaden“ (psychologische) nicht beteiligt sein soll, will ich zunächst einmal nicht einsehen. Bedenke etwa speziell die Begeisterung vieler Frauen für Hitler und den NS und beider „Destruktivität“. Wenn sie „integrativ“ waren, dann für die destruktiven Strukturen und Intentionen des Systems. Im „real gewesenen“ Sozialismus wird es im wesentlichen nicht anders gewesen sein. Die überwiegende „Klammer“ fast jeder sozialen Struktur – individualistisch zur Auflösung tendierend im kapitalistisch-konsumistischen Westen – dürfte in Lateinamerika immer noch die Familie ((„Familienbande“ mit allen Vor- und Nachteilen bis hin zur Anfälligkeit für bedenkenlose Korruption sein – bis hin zu maffiösen (der Familie nachgebildeten) Strukturen)) sein. Das scheint mir besonders in Lateinamerika immer noch klassenübergreifend zu sein. Der „Clan“ (!). Aber zu denken wäre auch an die Bush-, die Clinton-, die Kennedy-, die Rothschild-Dynastien etc.
    Deine Unterteilung in „Führer“ und „Geführte“ bleibt einerseits zu sehr – ich übertreibe und spitze zu, um klarer zu machen, was ich meine – am Hier und Jetzt (am „realen materiellen Sein“) kleben, wenn sie da auch Entscheidendes, aber zu Veränderndes und Veränderbares, beschreibt: Einen Klassengegensatz zweier gegensätzlicher Systeme (Gruppen, wie Du auch sagst): Die kreativ produktive Gruppe der Geführten und die die parasitäre Gruppe der Führer. Mit der verschiedenen („moralisierenden“) Bewertung beider Gruppen weichst Du andererseits (irgendwie „marxistisch“) vom Hier und Jetzt ab und betrittst futuristisches („utopisches“) Gelände, näherst Dich dem Veränderbaren und dem zu Verändernden an mit der impliziten Frage: Wieso sind eigentlich die „Kreativ-Produktiven“ die Geführten (Beherrschten, Unterdrückten, Ausgebeuteten) und die „Parasitären“ die Führer (Herrscher, Mächtigen, Ausbeuter, Unterdrücker)? Verkehrte, auf den Kopf gestellte Welt!

    Ich sage dazu
    1. Das ist das Gesamtsystem, das zu seinem Weiterbestehen die Unterteilung in die zwei Subsysteme braucht, ohne die es sich auflösen müßte und könnte. Und jetzt der Hammer für Dich, weil es Deiner Bewertung der beiden Subsysteme widerspricht: „Produktiv“ (im technologischen Sinn – nicht im Mehrwert schaffenden, aber im Mehrwert sich aneignenden Sinn) und „kreativ“ im Sinne der Absicherung und im Ausbau ihrer parasitären Führerschaft und des Zweiklassensystems ist überwiegend nur genau die parasitäre Führerklasse. Indem sie einerseits der Überbau ist und sich andererseits den Überbau schafft, indem sie Teile der Geführten für ihn rekrutiert und für ihre Interessen produktiv und kreativ macht, schwächt sie die zahlenmäßig weit überlegenen Klasse der Geführten mit der meist leeren Aussicht, zu den Führern aufzusteigen, indem sie an sie „Führerarbeit“ delegiert, für die sie sich zu schade ist, weil sie Besseres zu tun und vor hat. So verstärkt sie den Frame des Systems. Dass die Geführten das mit sich machen lassen, spricht also weder für ihre Produktivität noch für ihre Kreativität. (Ich zitiere Dich hier: „Klar, hier gibt es viele grauwerte und ueberlagerungen. Deshalb als eine polare darstellung.“) Die von Dir erwähnte „spezifische soziale Zerrissenheit mit all den existierenden Perspektiven und Visionen für ein „Gutes Leben“ und den transportierten Traditionen in bezug auf soziale Gemeinschaften“ sehe ich in diesen Mechanismen, Strategien und Taktiken begründet, die eben – nur systemimmanent – „produktiv“ und „kreativ“ sind. Wirklich produktiv und kreativ wäre allerdings die Auflösung und Neuinstallation des Systems, ohne Willkür und Chaos und Krieg herrschen zu lassen, wie es gewisse Teile der „Führer“ anzustreben scheinen, um mit der Schaffung des Problems (sie sehen, weil sie nicht blöd sind, das System an die Wand fahren) seine (faschistische) Lösung auftischen zu können, für die sie ihre „Experten“ (als Technokraten) schon heranbilden.

    2. Jetzt zu einem Punkt, in dem wir uns streiten werden. Deine Argumentation, was Führerschaft und Geführtwerden betrifft, scheint mir darauf hinauszulaufen, dass Du den Gegensatz schlicht und einfach abzuschaffen gedenkst, weil er der Ursprung allen Übels sei. Das sehe ich ganz anders. Was es abzuschaffen gilt, ist die Abschottung beider gegeneinander, die systemische Verhärtung, die Möglichkeit des Abhebens von den Anderen muß nicht verhindert, aber begrenzt werden und revidierbar bleiben. Durchlässigkeit muß gewährlristet bleiben. Begabungs- und Talentunterschiede wird es immer geben, aber schon ihre Aus- und Weiterbildung muß sich bewußt sein und Rechenschaft darüber ablegen, dass alle anderen diese Bildung erst ermöglichen und dass die Resultate als Dienst an allen begriffen werden, dem Gemeinwohl auf die eine oder andere Art verpflichtet bleiben muß; dass die Gemeinschaft die Möglichkeit und das Recht hat, zugeteilte Privilegien auch wieder zurückzuziehen. Transparenz- und Informationspflicht müssen gesetzlich geregelt werden. Alleingänge bedürfen – wenn überhaupt – einer Sondergenehmigung. Ein gewisses Maß an Bürokratie ist unvermeidbar, sollen gesicherte Lebensbedingungen gewährleistet, Willkür und das Recht des Stärkeren verhindert werden. Vieles vom Gesagten sollte schon bei Übergangsbemühungen („Sammelbewegungen“) eine wichtige Rolle spielen.

    Teil 2 zu Deinem Beitrag wird folgen.

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  13. Joachim Bode schreibt:

    Wie sich doch die Bilder gleichen:

    https://deutsch.rt.com/amerika/74830-nachste-regime-change-abby-martin-usa-venezuela/?utm_source=browser&utm_medium=push_notifications&utm_campaign=push_notifications

    Beim Anhören/Ansehen mußte ich einige Male überlegen: Geht es hier eigentlich um Nicaragua oder Venezuela? Nein, Nicaragua hat kein Öl, da liegt der Unterschied.

    Die beiden Interview-Partner des Senders haben übrigens ziemlich detailliert die Rolle nicht nur der USA bei der Herstellung von Schwierigkeiten für die Regierung Maduro beschrieben. Kann man da noch sagen, dass der Schwerpunkt eines möglichen Scheiterns dieser Regierung selbstverursacht ist?

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