alltäglich

Ich könnte missmutig sein, gedrückter Stimmung.

Die Operation liegt fast drei Monate zurück. Sie ist gut verlaufen. Ich bin „postoperativ“. Das ist anders als vorher. Anscheinend bleibt es anders. Was Kraft erfordert, egal ob physische oder psychische, wird zur Last. Manchmal nach zwei Stunden. Manchmal schon beim bloßen Gedanken an nötige Aktivität.

Damals hatte ich überlegt, dass sich Einiges gründlich ändern würde. Summa Summarum erwartete ich, in die Zielgerade einzubiegen. Heute erfahre ich anscheinend, dass ich in die Zielgerade eingebogen bin. Erwartung und Erfahrung sind ganz verschiedene Dinge.

Mein Herz hatte viele Jahrzehnte unbemerkt gearbeitet. Jetzt ist es ein Partner, mit dem ich täglich rede. Oder er mit mir.

So stehe ich irgendwo in meinem Garten und entdecke, dass unbemerkt das Pflänzchen „Missmut“ gekeimt ist. In meinem/unserem Garten – wer es noch nicht weiss – haben die Unkräuter („Wildkräuter“) eine gewisse Chance, eine begrenzte. Tolerant gegen das Kraut „Missmut“ bin ich trotzdem nicht. Aber dass es gekeimt hat, macht mich wacher. Wenn denn tägliches Gespräch mit dem Herzen, dann bitte ein ruhiges, unaufgeregtes.

Über dem Garten liegt hell und warm die Sonne. Alles leuchtet.

Auch Schattenstellen gibt es genug. Der Wind ist lebhaft. Die Luft in diesem Frühling, der schon viel Sommer vorwegnimmt, ist klar und leicht.

Den Ruf des Gartens: „Tu das! Tu jenes!“ habe ich immer gehört und bin ihm oft gefolgt. Jetzt höre ich, wie der Garten sagt: „Schau mal, wie schön ich bin. Hier und da und erst da hinten. Nimm Dir die viele Zeit zum Schauen und Lauschen“.

Ich bin jetzt nicht immer der Macher und werde mehr Gast. Ich lasse mich vom Garten beschenken.

Auch Mrs. Tapir hält manchmal inne. 

Plötzlich kriegen wir den verrücktesten Einfall: Beseitigung des Werkstätten-Chaos. Wir machen uns an eine Arbeit, die wir seit wenigstens sechs Jahren vor uns herschieben. 

Von nichts und niemand getrieben, machen wir uns an das Langwierigste. Paradox. Doch uns gefällt es so. Kein Problem, wenn es drei und mehr Wochen dauert. Erfrischung muss sein.

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2 Antworten zu alltäglich

  1. Beat Wick schreibt:

    Lieber Klaus-Peter

    Erstaunlich, dass mich manchmal Dinge beruhigen, die mich eigentlich beunruhigen sollten.
    Gerade las ich in den Notizen «Wegzeichen» des von mir geschätzten bosnischen Schriftstellers Ivo Andrić, dass ihn ein Spruch eines gewissen Joubert nervte: Le soir de la vie apporte avec soi sa lampe, was nach meinen schlechten Französischkenntnissen etwa heisst: Der Lebensabend trägt sein Licht in sich (selbst).

    Ivo Andrić dazu:
    «Der Mann, der das geschrieben hat, gehört zu jenen Geistern, die bei allen Dingen, für jedes Übel und für jeden Verlust, eine Entschädigung suchen und sich einbilden, das Leben gewähre sie wirklich. Kurz: Ausgleich und Gleichgewicht, immer, überall und um jeden Preis“

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  2. Johannes S. schreibt:

    Lieber Herr Dr. Kurch,
    zu Ihrer gegenwärtigen Situation, die Sie so offen und freimütig darstellen, eine vielleicht passende Weisheit:
    „Der Weise ruht, wenn er arbeitet und arbeitet, wenn er ruht“!
    Gerade Hobbygärtner, zu denen auch ich gehöre, ist es eigen, dass sie vor lauter gärtnerischer Aktivität und Gestaltungsdrang die Beschaulichkeit und das Genießen vielfach hinten an stellen.
    So ist auch auch beim Drang gesellschaftspolitisch aufzuklären und zu wirken……
    Zu Ihrem Eintauchen in Ihren Gartenteich habe ich eine Wassertaufe assoziert……
    Die Zeit nach einer Op kann wie ein Neuanfang, ein Geschenk sein.
    Dazu noch ein passender Reim von Christian Morgenstern :
    „Sei eingedenk,
    dass ein Geschenk,
    Du selber bist!“

    Weiterhin alles Gute!

    P.S. Ich hoffe, dass die Kerne der selteneren Tomatensorten aufgegangen sind, die ich Ihrer Frau übersandt habe.

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