Es geht um den kriminellen Untergrund der früheren Sowjetunion, wobei „normale“ Kriminalität und politische Kriminalisierung oftmals nur schwer zu trennen sind. Bereits zu Zeiten der NÖP, Anfang der 20er Jahre entstand aus der damaligen Gemengelage (mit dem Schmelztiegel Odessa) eine Musik der Gewinner und der Verlierer des Tages, Musik der Halbwelt, der Klein- und auch der organisierten Kriminellen. Im Laufe der Stalin-Zeit entstand ein eigenes Genre der Lieder der Gangster und der Gefängnis- und Lagerinsassen, die Blatnije Pesni, Blat-Lieder, oder auch verschämt als „Russisches Chanson“ bezeichnet.
I. Vaninski Port“
Das Lied „Vaninski Port“ habe ich hier bereits vorgestellt. Diese Ballade der Kolyma-Häftlinge ist heute in Russland populär und in schier unzähligen Textversionen sowie mehreren Melodieversionen verbreitet.
Eine deutsche Version gab es bisher offenbar nicht. Ich habe, gemeinsam mit der Shantycrew x-berg, eine deutsche Fassung gemacht. Hier ist der jetzt für uns gültige Text, „Einfachversion“ genannt:
Vaninski Port (Kolyma) – Singe-Fassung der Shantycrew x-berg,
Crewteil fett
Einfachversion
1
Я помню тот Ванинский порт
И крик парохода угрюмый,
Как шли мы по трапу на борт
В холодные мрачные трюмы.
Как шли мы по трапу на борт
В холодные мрачные трюмы.
2
Ich denk‘ an Vaninski Port,
im Hafen die klirrenden Winden.
Und Menschen, getrieben wie Vieh,
im eisernen Schiffsbauch verschwinden.
Und Menschen, getrieben wie Vieh,
im eisernen Schiffsbauch verschwinden.
3
Das Meer, eine Nebelwand.
Im Sturmwind Möwengekreisch.
Dort irgendwo liegt Magadan,
die Hauptstadt vom Kolyma-Kreis.
Dort irgendwo liegt Magadan,
die Hauptstadt vom Kolyma-Kreis.
4
In Kälte und Finsternis stumm.
Zu Klagen wäre vergebens.
Die Dampfersirene, sie brüllt,
reißt fort uns vom Ufer des Lebens.
Die Dampfersirene, sie brüllt,
reißt fort uns vom Ufer des Lebens.
5
Будь проклята ты, Колыма!
Что названа чудной планетой.
Сойдешь поневоле с ума,
Оттуда возврата уж нету. Aussprache:
Сойдешь поневоле с ума, Saidjosch ponewolje suma,
Оттуда возврата уж нету. Attuda waswrata usch njetu.
6
Verflucht sei‘st Du, Kolyma!
Planet der Irren und Affen!
Dort werden die Besten verrückt!
Den Rückweg wird keiner je schaffen.
Dort werden die Besten verrückt!
Den Rückweg wird keiner je schaffen.
7
Skorbut und Tod grinsen sich an.
Die Kranken liegen zuhauf.
Der Frühling kommt – irgendwann.
Doch Dein lieber Brief bleibt aus.
Der Frühling kommt, irgendwann.
Doch Dein lieber Brief bleibt aus.
8 Deutsch, nur zur Info:
Я знаю, меня ты не ждёшь Ich weiß, Du wartest nicht auf mich.
И писем моих не читаешь, Und meine Briefe liest Du nicht.
Встречать ты меня не придёшь, Du wirst nicht kommen, um mich zu treffen.
А если придёшь — не узнаешь. Wenn Du aber kommst – wirst Du mich nicht erkennen.
Встречать ты меня не придёшь
А если придёшь — не узнаешь.
9
Du wartest nicht mehr auf mich.
Meine Briefe willst Du nicht lesen.
Wir werden uns nicht wiedersehen.
Wir beide sind niemals gewesen.
Wir werden uns nicht wiedersehen.
Wir beide sind niemals gewesen.
10
Leb‘ wohl, Du Mutter! Du Frau!
Ade, liebe Kinder zu Haus!
Ich leere das Glas bis zum Grund.
Die bittere Welt trink‘ ich aus.
Ich leere das Glas bis zum Grund.
Die bittere Welt trink‘ ich aus.
11
Я помню тот Ванинский порт
И крик парохода угрюмый,
Как шли мы по трапу на борт
В холодные мрачные трюмы.
Как шли мы по трапу на борт
В холодные мрачные трюмы.
Wir proben fleißig, und wenn es die Muse will, wird irgendwann ein Mitschnitt unseren Vortrag auch im Blog hier dokumentieren. Dann aber wahrscheinlich in einer abgewandelten Form, „Zweitversion“ genannt, mit der wir uns teilweise an die folgende Aufnahme von Slawa Butusow anlehnen:
Der ernsten Hymne „Vaninski Port“ möchte ich ein komplettes
II. Blatnoe-Potpourri
an die Seite stellen, blatnye pesni („Lieder der Berufsverbrecher“) auch hier , auch hier. Vortragender ist das Schlitzohr Michail Ziruljow. Heute sind solch Veranstaltungen öffentlich und populär. Das Publikum amüsiert sich köstlich (von einigen versteinerten Minen abgesehen).
Einer der ganze Großen der Untergrund- und Protest-Musik ist der Leningrader Arkadi Sewerny (1939-1980). Hier sein Lied
III. „Belomorkanal“
Die Übersetzung des Textes werde ich nachreichen. (Ich trage mich ohnehin mit dem Gedanken, einige russische Lieder ins Deutsche zu übertragen, auch wenn meine sprachlich-dichterischen Fähigkeiten recht begrenzt sind.)
Heute nur noch ein wunderschönes Lied der großen Dina Vierny.
IV. „Не жди меня, мама“ – „Mama, warte nicht auf mich“
Auch die Übersetzung dieses Liedes werde ich nachreichen.