Mein Freund im Alter

Horst Tomayer, „German Poems“, Nautilus, 1999

Mein Freund im Alter

In tiefstem körperlichen Frieden

Von Herz- und Hirnattacken frei 

Und mit als wie von Stauferfett geschmierten Knie- und Hüftgelenken

Ergreife eich schon heute fürs wie das Amen im Gebete kommende Partei

 

Mein Kamerad, der Körper, wird nicht immer spuren

Wie jedes Material gehorcht auch er dem nicht lang fackelnden Verschleiß

Selbst ein in Siegfriedsguterhoffnungshüttenstahl gebadeter wie Paul von Hinden

Burgs Körper wurde schließlich mürbe wie man weiß

 

Es kommt der Tag, da sagt der Körper

Dem wie vom unerwarteten Besuch der Schwiegermutter oder des Gerichtsvollziehers überraschten Geist

Ich kann nicht mehr wie früher, Freund, ich hoffe

Daß du mir meine hiermit eingetretene Schwerbeschädigtheit verzeihst.

 

Schlimm dies, wohl war! Doch ich? Bin eingerichtet

Der Horror trifft mich nicht als wie der Blitz

Aus wolkenlosem Himmel wenn ich eines Morgens 

Nicht hoch mehr kommend auf dem Abtritt sitz

 

Warum? Ich steck von jeder Honoraranweisung

Die meine Endreimproduktion begütigend betrifft

Seit vielen Jahren schon in Sparschweins Rückenschlitz mich selbst also auf weise Art bezehntend

Fünf Mark für meinen „Lifta“ Treppenlift

 

Der „Lifta“ Treppenlift, er soll mich tragen

In Zeiten ruinierten Körperbaus

Wie eine Sänfte aus Arabiens Märchen leise summend

Mit seinem 1-PS-Elektromotor durchs allein von mir bewohnte Einfamilienhaus

 

Der „Lifta“ Treppenlift, nach  TÜV-Vorschrift geklinkt in das Geländer, soll mich tragen

Mit knapp 1 kmh hinauf zum Schopenhauerandachtswinkel und zur Sternenluke unterm Dach

Und in den Keller mit der Marx-und-Engels-Hausbar

Wo ich, beim Schlehenschnaps, den Dialog mit den Gelegenheiten meiner Jugend, den verpaßten, nochmal, ein letztes Mal, entfach

 

Wer freilich seine Barschaft Zeit des Lebens

In die Bordelle trägt, vertrinkt, ja gar verkifft

Dem hilft im Alter, wenn er mit dem Arsche nicht mehr hochkommt

Kein „Lifta“ Treppenlift  

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3 Antworten zu Mein Freund im Alter

  1. fidelpoludo schreibt:

    Hallo Kranich,
    jetzt hast Du Dich geoutet – als „Konkret-Leser“.
    Denn dort dürfte das Gedicht zuerst und allererst erschienen sein.

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