Was ist? Was wird? (1)

Die erste Frage beantwortet die manchmal etwas unfeine deutsche Sprache knapp mit: „Tote Hose!“. Vier Tage lang, von gestern, Karfreitag, bis Ostermontag ist hier in der REHA nichts los. Oder anders gesagt: Die Selbstheilungskräfte können sich ungestört entfalten.

Die vier Tage, die nur durch zwei kurze, erwünschte Besuche unterbrochen sein werden, liegen vor mir wie eine durchsichtige Blase. Ich schwebe mitten darin, beschwerdefrei, genährt und gewärmt, wie ein Säugling. Würde ich 18 Stunden am Tag schlafen, wie jener, wäre es auch recht.

Doch ich bin munter. Meine Operation liegt gut drei Wochen zurück, und alles um mich herum ist auf Gesundung gerichtet. Brav und erfolgreich beteiligte ich mich am Betrieb. Doch nun: Vier Tage Stillstand.

Was ist eigentlich mit mir? Und was sollte werden?

Meine Operation bleibt mir gegenwärtig. Und der Rückbezug auf meine elf Jahre zurückliegende Bypass-Operation ist lebendiger als ich erwartet hatte.

Meine jüngste Operation ist mir nicht wegen Belastungen gegenwärtig. Es geht kontinuierlich voran, wohl sogar bestens. Gestern wurde der letzte Verband abgenommen, alles 1a verheilt. Heute habe ich zum ersten Mal seit vier Wochen wieder von Kopf bis Fuß geduscht. Ein Herzflimmern, dass mich seit der Operation 2x ereilt hatte, hatte sich beim zweiten Mal nach knapp zwei Stunden von selbst beruhigt und ist nun seit einer Woche nicht mehr aufgetreten. Die Blutgerinnungswerte sind gleichbleibend gut, so dass ich mit wenig Marcumar auskomme. Die allgemeine Kräftigung, die ich beim Treppensteigen oder bei Waldspaziergängen teste, ist feststellbar. Allerdings geht sie nicht so rasant voran, wie ich das von meiner Bypassoperation vor elf Jahren in Erinnerung habe. Da mag die Schwere der Operation und auch das Mehr an Jahren auf meinem Buckel eine Rolle spielen.

Alles das ist nicht nur beruhigend, sondern markiert sogar einen überdurchschnittlich positiven Trend. Das sollte zusätzliche Worte überflüssig machen. Doch es gibt einige Momente, die meinen Denkapparat in Bewegung setzen.

Da ist zuerst einmal der Charakter der Operation selbst. Maßstab war für mich meine Bypassoperation, an die meine Erinnerung wahrscheinlich etwas geschönt ist. Erst im Nachhinein habe ich begriffen, dass diesmal ja, gleichsam drei gleichgewichtige Felder „beackert“ wurden – Aortenklappe, Aortenwurzel und Aorta ascendens. Dazu kam noch die „Herauslösung“ mehrerer versorgender Blutgefäße, einschließlich eines Bypasses, aus ihren zu operierenden „Betätigungsfeldern“, ihre zeitweilige „Mobilisierung“ und schließlich ihre „Reimplantierung“ in die nun erneuerten „Betätigungfelder“. Der Operationsbericht, obwohl gespickt mit Mediziner-Latein, liest sich ziemlich spannend. Dazu kommt noch die Randbemerkung, dass das Herz „komplett verwachsen“ war und „freipräpariert“ wurde. Aber auch die Feststellung, dass der Aortenbogen sich „etwas erweitert“ zeigte und „teilweise massiv verkalkt“ war. Hier noch schnell ein viertes Operationsfeld aufzumachen, bemerkt der Laie, hatte wohl niemand Lust. Meine Kardiologin wird mir sicher erklären, wie ich mit diesem “teilweise massiv verkalkten“ Teil in Zukunft umgehen soll. Eine weitere Operation schließe ich erst einmal aus. Vielleicht handelt es sich ja um einen schlicht altersgemäßen Zustand, und damit bin ich wieder beim Ausgangspunkt, einem der „Momente“, die mich nachdenklich machen.

Ein anderes solches „Moment“ sind die Zeiträume, um die es geht. Elf gesunde Jahre sind seit den Bypässen vergangen. Jetzt lasse ich mich auf die optimistische Überlegung ein (ohne unverschämt zu sein, nur der Einfachheit halber), dass die gelungene Operation mir noch einmal etwa diesen Zeitraum mit einem quasi gesunden Herzen schenkt. Was will ich mit diesen Jahren anfangen? Genau dasselbe wie mit den letzten elfen? Möchte mir doch bewusst machen, dass ich mich jetzt allmählich meinem 80. Lebensjahr nähere.…

Da kommen langsam Fragen auf zur Lebensabschnittsgestaltung, die zur Endabschnittsgestaltung wird, die über die medizinischen Fragen hinausgehen….

Als der verdiente Kommunist Kurt Gossweiler, hervorgetreten mit Arbeiten zum deutschen Faschismus, wenige Monate vor seinem 100. Geburtstag starb, grüßte er die Genossen, die ihn wenige Tage vor seinem Tod besuchten, da er bereits nicht mehr sprechen konnte, mit der erhobenen Faust der Roten Frontkämpfer. Das mag man rührend finden oder bewundernswert.

Ich habe das Licht der Welt zweifellos nicht mit erhobener Faust erblickt, und ich möchte es auch nicht mit erhobener Faust verlassen.

Goethe faszinierte der Regenbogen über den tosenden Wassern des Lebens

„Allein wie herrlich, diesem Sturm ersprießend,

Wölbt sich des bunten Bogen Wechseldauer,

Bald rein gezeichnet, bald in Luft zerfließend,

Umher verbreitend duftig kühle Schauer.

DER spiegelt ab das menschliche Bestreben.

Ihm sinne nach, und du begreifst genauer:

Am farbigen Abglanz haben wir das Leben.“

(Faust II, Erster Akt, Anmutige Gegend)

Wird fortgesetzt.

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28 Antworten zu Was ist? Was wird? (1)

  1. Clara S. schreibt:

    Geschenkte Zeit – das ist auch meine Erfahrung. Mein Empfinden: Dankbarkeit und Bescheidenheit. Ich weiß, dass ich diese Lebenszeit der modernen Medizin und meinem Leben hier in Deutschland verdanke, wo ich persönlich mein gutes Auskommen habe, und meine nicht unbeträchtlichen medizinischen Kosten bezahlt werden. Ohne dies wäre ich entweder nicht mehr am Leben oder selbiges wäre im Wesentlichen durch Siechtum geprägt. Es ist mir mehr als bewusst wie privilegiert ich damit im Vergleich zu vielen anderen Menschen bin.
    Mein Vater sagte einmal zu mir, dass er keine Angst vor dem Sterben hätte aber nicht wüsste, was seine Pflicht auf dem Weg dorthin sei. Ich war jung und habe ihn nicht ernst genommen. Dabei wusste er als Arzt zu dem Zeitpunkt wohl schon, dass seine Zeit fast abgelaufen war.
    Ich würde jetzt gerne mit ihm darüber reden. Haben wir eine Pflicht auf dem Weg zum Sterben? Welche sollte das denn sein und wem gegenüber hätten wir sie?

    Brechts Herr Keuner sagt:
    ‚Es wäre ja für andere nicht wichtig, wenn ich Hunger
    hätte, aber es ist wichtig, daß ich dagegen bin, daß Hunger herrscht.‘

    Damit bin ich einverstanden. Aber auch mit dieser Aussage aus Brechts ‚An die Nachgeborenen‘?

    ‚Gingen wir doch, öfter als die Schuhe die Länder wechselnd
    Durch die Kriege der Klassen, verzweifelt
    Wenn da nur Unrecht war und keine Empörung.
    Dabei wissen wir ja:
    Auch der Haß gegen die Niedrigkeit
    Verzerrt die Züge.
    Auch der Zorn über das Unrecht
    Macht die Stimme heiser. Ach, wir
    Die wir den Boden bereiten wollten für Freundlichkeit
    Konnten selber nicht freundlich sein‘.

    Da wäre ich doch lieber, um in Wallersteins Bild zu bleiben, einer von vielen Schmetterlingen. Nicht nur der Gedanke, dass mein Flügelschlag zu Veränderungen beiträgt, erfreut mich, nein, er strahlt beim Flügelschlagen auch noch vor Schönheit (und, so möchte ich hoffen, erfreut sich an ihr und der der anderen Schmetterlinge).
    Slavoj Zizek sagt in einem Vortrag ‚A New Kind of Communism‘, dass man vielleicht nicht von einer guten Idee sprechen sollte, die leider bei der Umsetzung in falsche Bahnen geraten sei. Vielmehr sollte man sich die Idee selbst anschauen und herausfinden, ob das Schieflaufen schon in der Idee selbst angelegt war.
    Könnte das auch für die Freundlichkeit in finsteren Zeiten zutreffen?

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  2. fidelpoludo schreibt:

    Hegelsche Brechung der Brechtschen Dialektik:

    ‚Es wäre ja für andere nicht wichtig, wenn ich Hunger
    hätte, aber es ist wichtig, daß ich dagegen bin, daß Hunger herrscht.‘

    Also kurz gesagt – ganz gegen einen „anderen“ Brecht:
    „Erst kommt die Moral (die Rettung meiner schönen Seele), dann erst das Fressen!“

    „Dabei wissen wir ja:
    Auch der Haß gegen die Niedrigkeit
    Verzerrt die Züge.
    Auch der Zorn über das Unrecht
    Macht die Stimme heiser. Ach, wir
    Die wir den Boden bereiten wollten für Freundlichkeit
    Konnten selber nicht freundlich sein‘.“

    Mit nur ein wenig Phantasie in den Begriff des „Nicht-freundlich-Seins“ investiert und einer Begnadigung Stalins und des Stalinismus stünde nichts mehr im Wege.

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    • Clara S. schreibt:

      Warum nicht gleich die Begnadigung Hitlers?
      Also ist alles was ich geschrieben habe nur schöngeistiges Gesülze? Damit ich mich besser fühlen kann?

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      • fidelpoludo schreibt:

        Nein, Hitler gerade nicht! Denn seine Absicht war es nie, „den Boden für Freundlichkeit“ zu bereiten. Bei Stalin gehe ich – trotz allem Späteren und eventuell sogar bis hin zum Späteren – von dieser Absicht aus. Er hatte das Zeug und die Begabung, auch anders als als subversiver Kommunist Karriere zu machen, hätte seine zweimalige und mehrjährige Verbannung nach Sibirien wegen seines Widerstands im Zarenreich durchaus vermeiden können.

        Das mit dem „schöngeistigen Gesülze“ sage ich nicht, sondern ergäbe sich, wenn wir uns an den Brecht des Satzes „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“ aus der „Dreigroschenoper“ halten, wo es heißt:
        „Ihr Herrn, die ihr uns lehrt, wie man brav leben
        Und Sünd und Missetat vermeiden kann
        Zuerst müßt ihr uns schon zu fressen geben
        Dann könnt ihr reden: damit fängt es an.
        Ihr, die ihr euren Wanst und unsere Bravheit liebt
        Das Eine wisset ein für allemal:
        Wie ihr es immer dreht und immer schiebt
        Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.
        Erst muß es möglich sein, auch armen Leuten
        Vom großen Brotlaib sich ihr Teil zu schneiden.“
        Auf eine ähnliche Problematik sind wir schon bei der Erörterung des Roma-Problems gestoßen, wo ja im Grunde ähnlich argumentiert wurde: „Seid ‚mal schön brav und haltet euch an Recht und Ordnung, wie ihr gerade hausen müßt, geht uns nichts an!“
        Dass die Güter dieser Welt ungleich verteilt sind, sind wir (hier jedenfalls) alle schnell bereit zuzugeben, aber sind wir deshalb – und ich schließe mich ausdrücklich mit ein – „Gesülze“ absondernde „Schöngeister“, wenn wir den Hungernden und Armen dieser Welt nicht gleich unser Geld, Haus und Hof und Garten überlassen oder uns bei der Orientierung an einem universalistischen Prinzip („dagegen zu sein, dass Hunger herrscht“), solange wir von diesem Hunger nicht betroffen sind – dadurch Mut zum Durchhalten an diesem Prinzip machen, dass wir uns einreden, für die Geltung des Prinzip auch im Falle festzuhalten, wenn wir deswegen hungern müßten. Solche „Idioten“ hat es in extremen Ausnahmefällen immer gegeben und wird es wohl immer geben
        Ich gebe es glatt zu: „Ich fühle mich besser, weil ich Zeit meines Bundeswehr-, Studien- und Arbeitslebens nie jemanden herumkommandiert habe und bin hin und wieder versucht, mir das als Verdienst anzurechnen, was möglicherweise zu einem nicht geringen Teil bloß auch Mangel an Talent und Durchsetzungswillen war, zwei Mängel, die mir die Gnade der verpassten Machtposition erwiesen, die ich ihretwegen zu ergreifen nie in Versuchung kam.

        Auch hier wieder bestätigt sich Kranichs wiederholter Hinweis auf die Kunst bzw. die Literatur, der es irgendwie gelingt, das Problem umfassender und präziser darzustellen, selbst wenn es keine Quellen zum Nachprüfen und -schlagen gibt, die uns bestätigen oder widerlegen, dass es „hier eben stimmt“. Neben Brecht gebührt hier Georg Büchners „Woyzeck“ besondere Beachtung. Nehmen wir hier nur die 1. Szene (Zimmer):
        Zimmer.
        Der Hauptmann. Woyzeck
        Hauptmann auf einem Stuhl. Woyzeck rasirt ihn.

        Hauptmann. Langsam, Woyzeck, langsam; eins nach dem Andern. Er macht mir ganz schwindlich. Was soll ich denn mit den zehn Minuten anfangen, die Er heut’ zu früh fertig wird? Woyzeck! bedenk’ Er, Er hat noch seine schönen dreißig Jahre zu leben! Dreißig Jahr! macht dreihundert und sechzig Monate und erst wie viel Tage, Stunden, Minuten! Was will Er denn mit der ungeheueren Zeit all anfangen? Theil Er sich ein, Woyzeck!

        Woyzeck Ja wohl, Herr Hauptmann!

        Hauptmann. Es wird mir ganz Angst um die Welt, wenn ich an die Ewigkeit denke. Beschäftigung, Woyzeck, Beschäftigung! Ewig, das ist ewig! – Das sieht Er ein. Nun ist es aber wieder nicht ewig, und das ist ein Augenblick, ja ein Augenblick! – Woyzeck, es schaudert mich, wenn ich denke, daß sich die Welt in einem Tage herumdreht. Was für eine Zeitverschwendung! – wo soll das hinaus? So geschwind geht Alles! – Woyzeck, ich kann kein Mühlrad mehr sehen, oder ich werd’ melancholisch!

        Woyzeck Ja wohl, Herr Hauptmann!

        Hauptmann. Woyzeck, Er sieht immer so verhetzt aus! Ein guter Mensch thut das nicht, ein guter Mensch, der sein gutes Gewissen hat, thut Alles langsam … Red’ Er doch was, Woyzeck Was ist heut für Wetter?

        Woyzeck Schlimm, Herr Hauptmann, schlimm. Wind!

        Hauptmann. Ich spür’s schon, ’s ist so was Geschwindes draußen; so ein Wind macht mir den Effect, wie eine Maus. (Pfiffig.) Ich glaub’, wir haben so was aus Süd-Nord?

        Woyzeck Ja wohl, Herr Hauptmann.

        Hauptmann. Ha! ha! ha! Süd-Nord! Ha! ha! ha! O Er ist dumm, ganz abscheulich dumm! (Gerührt.) Woyzeck, Er ist ein guter Mensch, aber (mit Würde), Woyzeck, Er hat keine Moral! Moral, das ist, wenn man moralisch ist, versteht Er? Es ist ein gutes Wort. Er hat ein Kind ohne den Segen der Kirche, wie unser hochwürdiger Herr Garnisonsprediger sagt, „ohne den Segen der Kirche“ – das Wort ist nicht von mir.

        Woyzeck Herr Hauptmann! Der liebe Gott wird den armen Wurm nicht d’rum ansehen, ob das Amen darüber gesagt ist, eh’ er gemacht wurde. Der Herr sprach: Lasset die Kleinen zu mir kommen!

        Hauptmann. Was sagt Er da? Was ist das für eine kuriose Antwort? Er macht mich ganz confus mit seiner Antwort. Wenn ich sage: Er, so meine ich Ihn, Ihn …

        Woyzeck Wir arme Leut! Sehen Sie, Herr Hauptmann, Geld, Geld! Wer kein Geld hat! – Da setz’ einmal einer Seinesgleichen auf die moralische Art in die Welt! Man hat auch sein Fleisch und Blut! Unsereins ist doch einmal unselig in dieser und der anderen Welt! Ich glaub’, wenn wir in den Himmel kämen, so müßten wir donnern helfen.

        Hauptmann. Woyzeck! Er hat keine Tugend, Er ist kein tugendhafter Mensch! Fleisch und Blut? Wenn ich am Fenster lieg’, wenn’s geregnet hat, und den weißen Strümpfen so nachseh’, wie sie über die Gasse springen — verdammt! Woyzeck, da kommt mir die Liebe! Ich hab’ auch Fleisch und Blut! Aber Woyzeck, die Tugend! die Tugend! Wie sollte ich dann die Zeit herumbringen? — ich sag’ mir immer: du bist ein tugendhafter Mensch, (gerührt) ein guter Mensch, ein guter Mensch!

        Woyzeck Ja, Herr Hauptmann, die Tugend — ich hab’s noch nicht so aus. Seh’n Sie, wir gemeine Leut’ — das hat keine Tugend; es kommt einem nur so die Natur. Aber wenn ich ein Herr wär und hätt’ einen Hut und eine Uhr und ein Augenglas und könnt’ vornehm reden, ich wollt’ schon tugendhaft sein. Es muß was Schönes sein um die Tugend, Herr Hauptmann, aber ich bin ein armer Kerl.

        Hauptmann. Gut, Woyzeck, Er ist ein guter Mensch, ein guter Mensch. Aber Er denkt zu viel, das zehrt; Er sieht immer so verhetzt aus. Der Diskurs hat mich angegriffen. Geh’ Er jetzt, und renn Er nicht so, geh’ Er langsam, hübsch langsam die Straße hinunter, genau in der Mitte!“

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    • willi uebelherr schreibt:

      Lieber Fidelpolido, du irrst.
      „Nein, Hitler gerade nicht! Denn seine Absicht war es nie, „den Boden für Freundlichkeit“ zu bereiten. Bei Stalin gehe ich .. von dieser Absicht aus.“

      Es gilt fuer beide. Adolf Hitler hat ueber Wien geschrieben, wo die tausenden im schlamm und unter bruecken hausten, um etwas zum leben zu erwirken. Dort, wo sie her kamen, gab es nichts.

      Jede „Revolution“ als organisierte aktion frisst ihre kinder. Es ist ein immanentes gesetz, oder wie Lutz sagt, „die Natur der Sache“. Revolution als prozess der oeffnung der evolutionaeren raeume kann nur us der vielfalt von unten entstehen.

      Und deine scheinbar reflektive kritik an B.Brecht? Das „Fressen“, wir koennen es auch unsere materiellen lebensgrundlagen nennen, steht immer am anfang, ist der ausgangspunkt. Nicht irgendwelche philistren kopfgeburten der kunst und literatur. Wenn sie nicht dazu dient, das geschehen zu reflektieren, ist sie nichts wert. Dann koennen sie auch in die kirche gehen und ihrem nicht existierenden gott zujubeln.

      Ich weiss ja nicht, wie du gelebt hast. Andre Gorz hat es mal treffend so formuliert:
      Jede person muss im laufe ihres lebens eine zumindest ausgeglichene bilanz von dem, was sie gebraucht und verbraucht zu dem, was sie zu seiner herstellung beitraegt, herstellen. Frage dich selbst, wie deine lebensbilanz aussieht. JedE von uns muss sich dieser frage stellen. Der rueckzug auf billige geldmengen gilt da nicht. Die koennen wr auch in der garage mit einer druckmaschine erzeugen, wenn wir uns etwas mit technologie beschaeftigen.

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      • fidelpoludo schreibt:

        Wenn du davon ausgehen willst, dass das sozialistische Projekt von den gleichen Intentionen getragen wird wie das faschistische, dann kannst du das tun. Mir kannst du damit nicht kommen.

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        • fidelpoludo schreibt:

          Und wenn du davon absehen willst, dass bei Hitler von Anfang an die Juden an allem Schuld waren und du so ein Konzept mit dem Vorsatz, „den Boden für Freundlichkeit“ zu bereiten, in Einklang bringen wilist, dann kannst du das ebenfalls tun. In meinen Ohren klingt das wirr.

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          • fidelpoludo schreibt:

            „Und deine scheinbar reflektive kritik an B.Brecht? Das „Fressen“, wir koennen es auch unsere materiellen lebensgrundlagen nennen, steht immer am anfang, ist der ausgangspunkt.“
            Gerade dass das bei Brecht sehr wichtig ist und immer wieder betont wird, begrüße ich und zeige mir bitte, wo ich das kritisiert hätte. Ich habe nur angedeutet, gar nicht ausgeführt, dass zwischen diesem Ausschnitt aus der von Clara zitierten „Geschichten vom Herrn Keuner“ mit dem Titel „Hunger“ und der entsprechenden von mir dann herangebrachten Passage aus der „Dreigroschenoper“ ein gewisser Widerspruch bemerkbar ist. Das war als Diskussionspunkt gemeint. Clara ist auch gleich darauf angesprungen und hat das auf sich bezogen, obwohl der herrliche Ausdruck vom „Schöngeistigen Gesülze“ ja dann eher Brecht treffen müßte, der das ja geschrieben hat.

            Dass aber etwa Literatur wie der Ausschnitt aus „Faust II“, der ganz am Ausgangspunkt dieser Kommentaransammlung steht und der vom Kranich zitiert wird, in dem ganz offensichtlich weder das „Fressen“, noch „unsere materiellen Lebensgrundlagen“ thematisiert werden, sondern über die Wahrnehmung einer besonderen Naturerscheinung, des Regensbogens, ein Bezug zum Leben des Menschen hergestellt wird, deshalb als „irgendwelche philistre kopfgeburten der kunst und literatur“ zu identifizieren seien, möchte ich doch gleichfalls dezidiert in Abrede stellen.

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      • Theresa Bruckmann schreibt:

        Danke Willi Uebelherr,
        Sie geben mir das Stichwort.
        Wenn eine/r nichts oder nichts mehr zu sagen hat, soll er schweigen.
        Was mir wichtig war zu den Themen Weltfrieden und Ökonomie
        habe ich gesagt. Mehr ist halt nicht.
        Geklärt hat sich bei mir ganz eindeutig, dass Revolution kein Thema
        für mich ist. (Am Ostermarsch gab’s so ca. 40 Fahnen und Transparente.
        Hinter 39 hätte ich hergehen können, aber nicht und auf gar keinen Fall
        hinter dem mit der Aufforderung zur Revolution).
        An Reformen glaube ich allerdings auch nicht mehr; die sind spätestens
        seit Gerhard Schröder zu etwas verkommen, was bei mir nicht mehr
        ‚zieht‘.
        Transformation ja, auf jeden Fall in Richtung Demokratisierung, Mitbestimmung,
        Mitgestaltung, wobei mir dieses Anerkennung der Gleichwertigkeit von Menschen und ihre verschiedenen Lebensentwürfe wichtig ist.
        Zur Klärung meiner Haltung hat dieser Block entscheidend beigetragen und ich
        bedanke mich bei ALLEN.
        Der Zeitpunkt hat NUR damit zu tun, dass ich an dem Punkt der Diskussion wirklich
        NICHTS weiß und zu etwas beitragen kann.
        Dann wollte ich mich sowieso zurücknehmen für die Gartenarbeit und das Gartenjahr, das bald beginnt (das habe ich Kranich05 schon gesagt, als mit Lutz Lippkes Auftakt-Reihe ein intensives Einbringen nötig war. So ein Projekt kann man doch nur unterstützen, so gut es geht!)
        Ein paar Antworten, die ich noch ’schuldig bin‘ liegen hier. Die will ich noch abschließend
        einbringen, weil man nichts ohne ordentlichen Abschluss machen sollte, so mein Anspruch an mich selbst.
        Damit grüße ich Alle und sage danke!
        Kranich05, dem Rekonvaleszenten, gilt ein Extragruß verbunden mit allen guten Wünschen zur Wiederherstellung seiner Gesundheit und Lebenskraft!
        Theresa Bruckmann
        Ostern 2018

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        • kranich05 schreibt:

          Liebe Theresa,
          das Leben geht weiter, Geben und Nehmen, Welle und Tal, Reden und Schweigen, Säen und Ernten.
          In unsereem Garten, in dem ich bald wieder herumkrauche, hat Mrs. Tapir zwei Kamtschatkabeeren gepflanzt, die sibirische Blaubeere. Ich bin gespannt.

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          • Theresa Bruckmann schreibt:

            Danke Kranich05,
            ganz genau so. Ich fühle mich verstanden.
            Mehr habe ich einfach nicht zu sagen und zu geben.
            Sie erinnern sich jetzt an den Wunsch nach mehr Zeit
            für den Garten und daran, dass wir ursprünglich beim
            Friedensthema auf Ihrem Blog zusammentrafen (Babylon –
            und die Friedensbewegten, 10. August 2015, Gastbeitrag von
            Friedensstreiter. Damals hatte ich keine Ahnung,
            dass es ein Babylon-Kino in Berlin gibt).
            Mehr sollte es gar nicht sein, das hätte es gewesen sein können!
            Ich meine es wirklich ernst, wenn ich meine, dass man
            bei zu vielen Vorträgen und Predigten (deren Inhalt man
            vorher nicht ahnen konnte, denn sonst bliebe man zuhause)
            am besten nur interessiert guckt und seine Fantasie und
            Gedanken spazieren gehen lässt.
            Ich bin keine Intellektuelle, sondern in erster Linie Ökonomin.
            Man sagt so schön: „Ich krieg‘ die Krise“, aber die hatte ich
            tatsächlich so um 1999, weil ich es nicht fassen konnte, dass
            wir als ‚linke‘ Ökonomen die Massenentlassungen, die diese
            freundlichen/feindlichen Übernahmen mit anschließender
            Restrukturierung im Gefolge des Shareholder Value – Denkens
            einfach hinnahmen (oder womöglich noch begrüßten? als
            Produktivitätsfortschritt, der eintritt aufgrund der Synergieeffekte,
            die durch die Zusammenlegung gleichartiger Funktionen in den
            zusammengeführten Unternehmen bzw. Unternehmensteilen erwartet wurden).
            Befeuert wurde das Feuerwerk noch durch die Steuerbefreiung
            dieser Verkaufsgewinne an Unternehmensteilen oder ganzen
            Unternehmen.

            Zur Erinnerung:
            Siemens z.B. hatte eine eigene Restrukturierungsabteilung, die Ausschau danach
            hielt, wen und was könnten wir übernehmen und wie gewinnbringend
            uns einverleiben oder weiterverkaufen?
            Die exorbitant hohen Gewinne hießen dann Gewinne aus dem ‚Nicht-
            operativen Geschäft‘ oder auch außerordentliche Gewinne.
            Das allermindeste wäre doch gewesen, für die so freigesetzten
            Mitarbeiter Ausgleichszahlungen an deren Rentenversicherung
            abzuführen. Wenn ich daran denke, wie ’scheidende‘ Manager sich
            ‚abfinden‘ lassen…
            Auch zur Erinnerung.
            http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/a-242161.html

            Ein Marxist sagte damals zu mir: „Es ist halt schwer, Ökonom und
            Linker zu sein“. Damit meinte er, den Produktivitätsfortschritt un-
            hinterfragt zu bejubeln, und dennoch ‚links‘ zu ticken.

            Ich ticke also weiter links, bleibe Ökonomin und denke, dass wir
            die Transformation zu menschengerechten Produktions- und
            Lebensverhältnissen hinkriegen müssen.

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        • fidelpoludo schreibt:

          Hallo Theresa,
          das klingt nach Abschied. Das würde ich sehr bedauern. Wenn mein Auftreten etwas damit zu tun haben sollte, bin ich gern bereit, für Sie zurückzutreten. Ich denke wie ich denke und werde es weiter so machen, ob hier oder anderswo.
          Ich halte mich an das, was mir zu denken gibt. Zustimmen ist nicht denken. Denken heißt, das Gegebene zu überschreiten, Anstoß zu nehmen an dem, was bloß ist und sich auf ewig breit zu machen gedenkt, wenn es nicht aufgestört wird.
          Zu denken gibt mir hier, was Sie über „Revolution“, „Reform“ und „Transformation“ sagen. Revolution und Reform sind für Sie uninteressant. „Transformation ja, auf jeden Fall in Richtung Demokratisierung, Mitbestimmung, Mitgestaltung, wobei mir dieses Anerkennung der Gleichwertigkeit von Menschen und ihre verschiedenen Lebensentwürfe wichtig ist.“
          Nun ist für mich Transformation (in seiner Doppeldeutigkeit als „Veränderung“ und „Übergang“) der technische allgemeine Metabegriff, der auf Gesellschaft und Politik angewandt, nicht viel anderes zuläßt als eben Revolution oder Reform – jedenfalls wenn ein besserer Zustand (humaner – nicht bloß technologischer Fortschritt) für alle angestrebt wird. Wird der Rückgang zum Früheren (was nicht automatisch schlechter bedeuten muss) mit einbezogen, können wir auch Reaktion, Regression und Restauration noch in Betracht ziehen.
          Erlauben Sie mir in aller Vorsicht, darauf hinzu weisen, dass, wenn Sie für „Transformation (…) auf jeden Fall in Richtung Demokratisierung, Mitbestimmung, Mitgestaltung“ plädieren kaum eine andere Wahl haben, als sich zwischen Revolution und Reform zu entscheiden. Sie sollten Reform als Begriff nicht deshalb verwerfen, weil er von Gerhard Schröder (und noch ganz anderen Leuten) nicht nur seines Bedeutungsgehaltes entleert, sondern geradezu in sein Gegenteil verkehrt wurde. Den Gefallen sollten Sie diesen Leuten und den Kräften, die hinter ihnen stehen, nicht tun.
          Ich nehme nun an, dass Sie Revolution ablehnen, weil Sie damit den Gebrauch von Gewalt ablehnen, den alle bekannten Revolutionen bisher in der Geschichte, oft bis in Gewaltexzesse, an den Tag gelegt haben. Das stimmt wohl. Aber genauso stimmt eben, dass die Zeiten ohne evidente Gewalt bisher in der Geschichte immer mindestens mit „struktureller Gewalt“ (dem „stummen Zwang der Verhältnisse“) aufgeladen waren und bis heute sind. Und wenn wir – hier, an diesem privilegierten Ort der Welt – hergehen und feststellen: „Strukturelle Gewalt. Stimmt. Aber für mich hinnehm- und aushaltbar. Dagegen etwas ernsthaft zu unternehmen, könnte das auch in Gefahr bringen.“ Wenn wir so denken – und so denken sehr, sehr viele -, dann haben wir den Boden einer universalistischen Denkweise verlassen, die wir sonst doch eigentlich begrüßen (etwa bei Gilad Atzmon).

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          • Theresa Bruckmann schreibt:

            Meine Entscheidung mich zurückzunehmen, hat mit keiner Person hier auf dem Blog zu tun, schon eher mit der Bauerntochter, die säen, hegen und pflegen muss. Zu Lasten der Musik darf es auch nicht gehen. Es ist wirklich wahr, dass ich 2015 lediglich die Gelegenheit wahrnahm, die mir Kranich05 für meinen Gastbeitrag zum Friedensthema bot. Dass es mehr wurde, ist doch genug und mehr habe ich einfach nicht zu sagen. Übrigens habe ich regelmäßig fast nur zitiert und Gefundenes weitergegeben.
            Wenn man öffentlich etwas sagt, will man dass Menschen den Gedanken aufnehmen, weiterentwickeln und so bekommt man immer etwas zurück.
            Nun sind Menschen ganz verschieden, haben ganz verschiedene Hintergründe und unterschiedliches (Erfahrungs)-Wissen. Es liegt also in der Natur der Sache, dass der eine mehr aufnimmt oder ablehnt als ein anderer. Das ist ja auch gemeint mit dem böse missbrauchten Begriff ‚anschlussfähig‘. Was anschlussfähig ist an mein Denken, kann nur ich selber beurteilen. Entsprechend bin ich auch nicht verantwortlich dafür, was meine geäußerten Gedanken in einem anderen Kopf auslösen. (Allerdings gibt es da eigene Anstands-, Moral- und Ethik-Barrieren, denen man sich selbst unterwirft. Insofern ist, denke ich, bei mir kein Volksverhetzungsvorwurf auszumachen.
            Und was die Vielfalt der Äußerungen auf einem Blog angeht, kann ich mir kaum vorstellen, dass es davon zu viele gibt. Insofern braucht es keinen Rückzug des einen für einen anderen.
            Die noch unbeantworteten Fragen betreffen ausnahmslos Ihre Fragen.
            Deshalb muss ich dem noch nachkommen, und zwar an der durch Sie geäußerten Stelle.
            Hier aber sprechen Sie Reformen an.
            Zu Reformen und Transformation:
            Wir haben so viele Reformen zugelassen. Wenn wir die alle auf einmal rückgängig machen könnten. (unzählige Derivate-Kreationen und -handel, Aufhebung des Trennbankensystems, Spekulation mit Nahrungsmitteln, mit seltenen Rohstoffen, die Nichtbesteuerung von Gewinnen durch Verkauf von Unternehmensteilen und ganzen Unternehmen, die Herabsetzung des ESt-Höchstsatzes von 53 auf 42 % und einiges mehr), dann wäre schon viel gewonnen und von da an könnte man die Demokratisierung der Wirtschaft in Angriff nehmen (meinetwegen in Reformschritten)! Aber das alles zusammengenommen, was weggebrochen ist, da würde man sich dumm und dämlich reformieren, würde alt und grau aber, mehr wäre nicht. Ich glaube, dass wir mit diesem verdammt zähen Ringen um Reformen nicht zum Ziel einer demokratischen Wirtschaft kommen. Aber was wir haben, ist schon eine
            Vorstellung vom Ziel und von Wegen der Zielerreichung.
            Was anderes wäre, wenn eine neue Partei aufkäme, die das auf ihre Fahnen schreiben würde und die Bevölkerung mehrheitlich daran glauben und darauf vertrauen könnte, sie deshalb unterstützte und ihr Programm guthieße. Das würde ich dann aber Transformation nennen; denn es braucht eine Trendumkehr.

            Wenn wir aber davon ausgehen, was schon ist, dann
            gibt es auf der Mikro-Ebene eine ganze Menge (wie die Genossenschaften, wovon Clara S. ein Lied singen kann, dazu viele andere Initiativen (in der Schweiz schon eine Bank, die zum Vollgeld zurückkehren will). Das sind auf jeden Fall die Schmetterlinge oder mehr, die an der Umkehr in die demokratische Richtung arbeiten.
            Heinz-J. Bontrup will das ganze System in Richtung Demokratie voranbringen.
            Dafür ist im Überbau das Primat Politik vor Wirtschaft, also das jetzige Primat vom
            Kopfstand auf die Füße zu stellen, so dass eine Politik, die den Menschen dient,
            der Wirtschaft den Rahmen absteckt, sie quasi einhegt.

            Der Sinn der Meso-Ebene ist eine Umsetzungsebene, die koordinierend und kontrollierend im positiv verstandenen Sinne wirkt. Hier handeln Arbeitnehmer-Gewerkschaften mit den Unternehmervertretungen Flächentarifverträge aus, die dann für alle gelten. Sie helfen der Mikro-Ebene zum Durchbruch auf breiter Front. Sie ist auch die Ebene auf denen sich die Unternehmen am Markt ‚begegnen‘ einander herausfordern (Wettbewerb im positiven Sinne, nämlich um die Entwicklung besserer Produkte, nachhaltigere usf.), so dass auf allen 3 Ebenen eine Vorwärtsbewegung stattfinden kann, also vorwärts in die Richtung, die demokratische Willensprozesse vorgeben und die auch immer wieder korrigiert und neu ausgerichtet werden können. Das ist ja die Stärke demokratischer Verfahren, dass sie prozesshaft immer wieder Korrekturen und Neuausrichtungen zulassen, wenn die bisherigen Erfahrungen anzeigen, dass Verbesserungen notwendig werden.
            Ich finde das Video mit Prof. Wallerstein so großartig, dass ich es fast komplett für meinen Eigengebrauch verschriftet habe. Mein Bauchgefühl sagt mir aber, dass ich dieses Video-Protokoll nicht einfach komplett veröffentlichen darf. Ich denke, dass das Einverständnis
            beider, also Fabian Scheidler und Prof. Wallerstein vorliegen müsste (einzelne Sätze oder
            Abschnitte, nehme ich an, darf ich zitieren).

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            • willi uebelherr schreibt:

              Liebe Theresa, mit Fabian Scheidler habe ich schon meine erfahrungen gemacht. ich habe ihm aus unserem kreis geschrieben, fuer alle lesbar, warum er die texte seines buches nicht frei im „Internet“ zur verfuegung stellt. Weil ich sage, wenn eine person schreibt, was nach seiner selbsterklaerung fuer die gemeinschaft gedacht ist, dann wird er auch ihr sein geschriebens so einfach zur verfuegung stellen.

              Bei auf papier gedrucktes und gebundenes entsteht dann ein materieller herstellungsaufwand, der bei uns mit geld gedeckt wird. Egal, wo es herkommt.

              Ganz anders der schnoede Fabian. Ihm geht es nur um seine individuellen interessen. Das wird dann umrankt, als „Marktnische“, mit einem beitrag fuer alle. Zu billig, um es ernst zu nehmen.

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              • Theresa Bruckmann schreibt:

                Ich meine das Video von dem Gespräch, das er mit Prof. Wallerstein führt.
                Es geht mir um das was Prof. Wallerstein, Begründer der Welt-System-Analyse sagt,
                also zu den Themen Davos, Porto Alegre und über seine ‚Theorie des Schmetterlings‘.

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        • willi uebelherr schreibt:

          Liebe Theresa, in deinem abschied lese ich einen neuanfang. Vielleicht nicht in diesem blog. Deine urspruengliche erklaerung habe ich so verstanden, dass fuer dich dein wirken keine fortsetzung mehr findet. Gewissermassen ausgeleert.

          In deinem letzten kommentar unter „Recht und Demokratie“ sehe ich die neuen keimlinge, die reifen wollen. Allerdings bleibt das „man“ immer noch dominant. Ist es eine abstraktion der eigenen person? Hinein in das anonyme?

          Reformen und Transformationen. Der kern, die „Totalitaet“, ist die verwendung der quantitaet von Geldfluessen als qualitaets-kriterium. Ich weiss, oder meine es zu wissen, dass dies sehr weit von dir entfernt ist. Du sprichst nie darueber, Obwohl du ja, wie ich inzwischen weiss, viel damit zu tun hast oder hattest.

          Auch in der „Frankfurter Schule“ existierte das Geldsystem nur am rande. Was ja sehr merkwuerdig ist, wenn wir diese selbsterklaerung aus Wikipedia lesen.

          In deinen konzepten sprichst du von wettbewerb fuer das Gute. Du willst also den alten marktschrott in dein neues gefuege mit uebernehmen? Da kannst du gleich aufhoeren, dich mit gesellschaftlichen fragen zu beschaeftigen und dich mehr dem garten widmen. Der vorteil, im garten gibt es eine klare referenz. Im denken nicht. (Ich hoffe sehr, dass dies dir jetzt nicht zu grobschlaechtig daherkommt).

          In der MMT (Modern Money Theorie) gibt es eine klare aussage, wie wir es bei Adam Smith auch finden. Wenn eine gemeinschaft in einer region, die z.b. Deutschland genannt wird, ihr geldmittel selbst organisiert, dann kann diese gemeinschaft nie geldmaessig bankrott gehen. Sie braucht auch keine steuern. Steuern dienen dann nur dazu, das zuviel der umlaufenden Geldmenge abzuschoepfen.

          Das entscheidende ist, dass die geldmenge im umlauf die menge produktiver prozesse abbildet. Und es ist klar, wenn 60-70% der erwerbstaetig erwachsenen ausschliesslich im parasitaeren umfeld existieren, dass dann die restlichen die dafuer notwendigen realen werte oder gueter schaffen muessen. Da aber diese 2/3 parasitaer existierenden ihren ressourcenaufwand stetig erhoehen, reicht die kraft der „nationalen oekonomie“ nicht mehr aus. Sie brauchen die sklaven aussen herum.

          Das war schon bei der schaffung des roemischen Imperiums so und ist heute immer noch so. An dieser verzerrung leiden alle gesellschaften. Insbesondere dann, wenn sie sich ueber einen „Staat“ definieren, den es nicht gibt. Das sind wir dann in der kirche.

          Fuer dich als Oekonomin sollte dies doch eigentlich selbstverstaendlich sein, oder? Auch die aussage von Adam Smith, dass die menge des umlaufenden geldes so gross und nur so gross sein muss, dass alles hergestellte seinen besitzer wechseln kann. Die geldmenge ist also an reale herstellungsprozesse geknuepft.

          Es gibt ja auch alternativen. Allerdings nicht bei der MMT. Stell dir vor, das geld ist direkt mit der zeit verknuepft, die zur herstellung materieller werte benoetigt wird. Dann wird es eigentlich einfach. Der haken daran ist nur, was machen dann all die vielen, die nicht herstellen oder zur herstellung beitragen?

          Das, was wir heute erleben, weil wir heute sind, zeigt uns, dass das denken der menschen alles zulaesst. Und ist es noch so ein daemlicher schrott. Das geht aber nur mit dem auf gewalt orientierten staatsapparat. Der staat ist so nichts anderes als ein gewaltsystem, das die sklaverei erhaelt.

          Das ist die Totalitaet.

          mit lieben gruessen, willi

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      • kranich05 schreibt:

        Hitler und Stalin, die Oktoberrevolution und Hitlers „Nationale Revolutuon“ in irgend einer Weise gleichzusetzen, geht nur, wenn die historischen Tatsachen restlos ignoriert werden.
        Das systematische Ausblenden der historischen Tatsachen (und ihre verschämte Wiedereinführung in die Diskussion in Form von Beispielen (nicht Beweisen)), wie es für Willis Argumentationsweise typisch ist, macht den Weg frei für „übergreifende Lösungen“, „große Entwürfe“, „atemberaubend einfache Lösungen“ usw. Dann greift Willis Standard: „Die Menschen müssen nur begreifen….“, „Die Menschen müssen nur anfangen…“
        Tun sie aber nicht.
        Hitler und Stalin historisch konkret sehr genau zu unterscheiden, verbietet nicht, sie – unter wohldefinierten Bedingungen (!) – zu vergleichen, bis dahin dass Berührungspunkte und partielle Übereinstimmungen festgestellt werden.
        Zwei können eben ganz verschieden sein und trotzdem sind sie beide – jeder auf seine Weise – überragende Verbrecher.

        Eine letzte Bemerkung zum Gegensatz von Faschismus/Kapitalismus und Kommunismus: Der Faschismus /Kapitalismus kennt Untermenschen, „lebensunwertes Leben“.
        Der Kommunismus basiert grundsätzlich auf der Gleichheit der Menschen, die allerdings unterschiedliche/gegensätzliche gesellschaftliche Funktionen haben.
        Den Untermenschen wird man los, indem man ihn physisch vernichtet.
        Dem Kapitalisten wird seine gesellschaftlicher Funktion genommen. Er als physischer Mensch mag danach mopsfidel weiterleben.
        (Bin gespannt, ob zu dem letzten Satz ein Aufschrei folgt.)

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        • fidelpoludo schreibt:

          Hallo Kranich,
          kein Aufschrei zum letzten Satz, eher fröhlich-fideler Beifall zu und bei der Vorstellung der „Mopsfidelität“ der Kapitalisten, die von ihrer Charaktermaske befreit wurden.
          Vielleicht leichte Vorbehalte zu Deiner Gleichsetzung von Faschismus und Kapitalismus, wie ich sie aus ihrer typographischen Kennzeichnung als Synonyme dargestellte und einander entsprechende, fast austauschbare Größen (Faschismus/Kapitalismus) ablesen zu können glaube. So unverkennbar wie die aktuelle historische Entwicklung sich dieser Identifizierung in mehrfacher Hinsicht anzunähern scheint, so unverkennbar auch, dass wir wichtige demokratische Prinzipien wie Gewaltenteilung, Meinungsfreiheit bisher fast gar nicht in „sozialistisch“ sich nennenden, wohl aber in „kapitalistischen“ sich haben entwickeln und in Verfassungen haben Aufnahme finden sehen. Wie beschränkt auch immer: Demokratie im Kapitalismus hat es quantitativ und qualitativ bisher in Gesellschaften mit Privateigentum an den Produktionsmitteln öfter gegeben als in denen, wo sie verstaatlicht waren oder ein Einparteiensystem herrschte. Das Perverse der aktuellen Situation ist, dass der „falsche“ Sozialismus in China mit seinen kapitalistischen Erfolgen den westlichen Eliten zum Vorbild und zur Legitimation des Abbaus demokratischer Rechte im Westen zu werden droht. Eine höchst seltsame Kollaboration, die keine der beiden Seiten so recht überzeugt wirklich anstrebt, nach der immernoch gültigen Regel:
          „Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorhandenen, gegebenen und überlieferten Umständen.“
          Zwar ist also der Satz Horkheimers immer noch gültig:
          „Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen.“
          Mir scheint aber auch bedenkenswert (kein Zitat, sondern selbst „verbrochen“): „Wer über Demokratie und ihre Prinzipien etwas erfahren will, kann an den negativen wie positiven Phasen ihrer Entwicklung nicht vorbei, die überwiegend im Kapitalismus stattfanden.“
          Ein „demokratischer Sozialismus“, der den Namen verdient, übereignet dem Volk nicht nur die Produktion der Waren, sondern auch die Kontrolle und Einhaltung der fortgeschrittensten demokratischen Prinzipien sowohl in Betrieb wie Behörde.
          Kurz: Vom Kapitalismus ist mehr zu erben als seine Produktivität und seine zwanghafte Tendenz gen Faschismus tendierenden Abbau demokratischer Errungenschaften, nämlich ihre Konsolidierung und Erweiterung, für die allerdings gegen ihn erst der politisch-ökonomische Raum geschaffen werden muss.

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      • kranich05 schreibt:

        Lieber Willi,
        käme ich Deine Kommune besuchen (oder wie Du es nennen willst) und käme mir der Spruch von den „philistren kopfgeburten der kunst und literatur“ entgegen, dann erlebte ich ein heftiges deja vu und würde nur noch meine Beine in die Hand nehmen. ;-))

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      • willi uebelherr schreibt:

        Na, lieber Klaus-Peter, jetzt haengst du dich aber maechtig weit aus dem fenster.

        Adolf Hitler wie Josef Stalin hatten ihre eigene biografie, die sie irgendwann dazu brachte, eine transformation anzustreben. Und beiden unterstelle ich eine praegung aus ihrer empathie zu dem elend um sie aussen herum. Ihre methoden entehen aus ihrer zeit und ihrer umgebung. Ihr theoretisches gebilde wird darueber aufgesetzt. Im nachhinein geschaffen.

        Du sprichst von „Untermenschen“, „lebensunwertes Leben“. Ich erinnere an die konferenz 1995 in einem hotel in der naehe San Franzisco, Kalifornien. Organisiert von Gorbatschow.

        Zbigniew Brzezinski hat dort sein konzept von 20/80 tittytainment vorgetragen. 20% der weltbevoelkerung werden gebraucht, 80% sind ueberfluessig. Dafuer „Brot und Spiele“. Heute sind es vielleicht 05/95.

        Jetzt willst du nun dies zu einem besonderen kriterium erklaeren, obwohl dies nun schon seit mindestens 2000 jahren so gehandhabt wird? Du solltest dich mal etwas gruendlicher mit der geschichte und deren treibenden grundlagen beschaeftigen, und nicht auf jede noch so billige theorienbildung reinfallen.

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  3. Lutz Lippke schreibt:

    Als „selbsternannter Para-Rechtler“ in dieser Runde möchte ich anmerken, dass unser Wunsch nach objektiver Verbindlichkeit, nach Richtigkeit des Denkens und Handelns nicht in jeglicher Weise erfüllbar ist. Dass mir dieser möglichst objektive Grundstock des regelhaft Richtigen wichtig ist, führt mich sogar dazu, ebenso rigoros unserer Hoffnung auf eine allseitig regelhaft bestätigte Unfehlbarkeit und Absolution am Ende zu widersprechen. Wer sich als Schmetterling wohl fühlt, sollte sich auf dessen Möglichkeiten einlassen und dem fiktiv vorweggenommenen Vorwurf „Schmetterlinge nützten uns [im Klassenkampf] nun rein gar nichts.“ widerstehen bzw. aushalten. Der Schmetterling wird nicht als Klassenkämpfer geboren, sondern kämpft wie jeder Schmetterling je nach Situation mit seinen Mitteln in und um seine Klasse. Der geborene, ewige,reine und richtige Klassenkämpfer würde mit dem Ziel der Abschaffung von Klassenunterschieden faktisch gegen seinen ganzen Lebenssinn „Klassenkampf“ ankämpfen. Das widerspräche jeder Denklogik.
    Insofern ist ein Kampf als Kampf um des Kampfes willen, der sich in Zuspitzungen und Notlagen wohl tatsächlich so verselbstständigen kann, außerhalb dieser Notlagen ein revolutionsideologisches Artefakt.
    Die von opablogger angerissenen Gedanken dazu, ob die reine Zahl der noch verbleibenden Jahre, der Zwang einer fortgeführten Konsistenz oder doch eher ein „Wie die Jahre und deren Abschluss ganz frei von Vorgaben gestalten?“ der eigenen Lebendigkeit entsprechen könnte, gehen ja in die gleiche Richtung. Ich bin zwar selbst noch weitgehend frei von diesen Gedanken, habe aber in der Familie mehrfach solche Phasen miterlebt und gerade im Zusammenhang mit Entscheidungen der „zwanghaften medizinischen Wiederherstellungsträume“ starkes Unverständnis empfunden. Gleichzeitig habe ich mir verboten, für die noch nicht erlebte Situation Wertungen abzugeben. In mir hat sich aber festgesetzt, dass es bisher verdrängt wurde, den Abschluss und somit notgedrungen auch ein Ziel des Lebens in Freiheit und bewusst bestimmen zu können, in der Gesellschaft ergebnisoffen zu diskutieren.

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    • kranich05 schreibt:

      Lieber LL,
      diese Sentenz: „Der geborene, ewige,reine und richtige Klassenkämpfer würde mit dem Ziel der Abschaffung von Klassenunterschieden faktisch gegen seinen ganzen Lebenssinn „Klassenkampf“ ankämpfen. Das widerspräche jeder Denklogik.“ ist ein klassisches Berispiel Ihrer – ich nenne es mal so – Abstraktionitis.
      Sie konstruieren sich einen widersinnigen Begriff von „Klassenkämpfer“, um dann festzustellen, dass der jeder Denklogik widespricht.
      Der Denklogik und nochmehr der Wirklichkeit widerspricht ein Klassenbegriff, der völlig LEER ist. Klasse hat positiven Inhalt und ihre Übwerwindung folglich auch.

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    • willi uebelherr schreibt:

      Lieber Klaus-Peter, Lutz zeigt uns auf etwas, was mehr der realitaet entspricht wie deine antwort. Die entleerung politischer programmatik und die hinwendung zur selbsterhaltung ist historisch dominant. Die fuer mich am besten konzentrierte form: „Die Revolution frisst ihre Kinder“.
      Pierre Victurnien Vergniaud (franzoesische Revolution)
      https://en.wikipedia.org/wiki/Pierre_Victurnien_Vergniaud

      Wenn wir uns die entwicklung der Bolschewikis, der SPD seit Ferdinand Lasalle, der „kommunistischen“ Parteien, des sogenannten „Real-Sozialismus“ usw. anschauen, koennen wir nur Lutz recht geben.

      Natuerlich auch dir in deiner idealisierten form, die erst noch einer kritischen reflektion unterzogen werden muss. Wir muessen uns dabei nicht einer vordefinierten geschichte bemuehen, sondern mehr danach fragen, unter welchen bedingungen „klassenkaempferische aktionen“ zum selbstzweck mutieren. Dann macht es sinn.

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  4. Steffen schreibt:

    Auch von mir die besten Genesungs- und Osterwünsche! 🙂 Gute Besserung!

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  5. Clara S. schreibt:

    Ich möchte an den Ausgangspunkt erinnern. Ging es nicht um die Frage, was einer persönlich mit der ihm – hoffentlich – noch verbleibenden Zeit anfangen mochte?
    Wer so eine Frage überhaupt stellen kann, hat im Vergleich zu den ‚Hungernden‘ dieser Welt ein Luxusproblem, durchaus. Viele derjenigen, die diese Frage stellen können, sind sich dessen bewusst. Ist es bloße Hybris sich zu wünschen, dass es in der Welt einen Unterschied macht, ob ich gelebt habe oder nicht? Dass ich mein ‚Fressen‘ habe, ist, wenn überhaupt, nur teilweise mein Verdienst. Welche Moral ich an den Tag lege, ist hingegen meine Entscheidung. Und so wird die Aussage, dass es nicht egal ist, wie ich mich in dieser HInsichf persönlich entscheide, für mich bedeutsam.

    Aber reicht es denn, nur gegen den ‚Hunger‘ zu sein? Wir sind alle mit der Forderung aufgewachsen oder konfrontiert worden, sich bewusst einer Bewegung zur Veränderung dieser Welt anzuschließen. Im Hintergrund spielt irgendwo immer der Gedanke mit, dass man sich als Individuum irgendwo einzuordnen hat, um in der Welt bedeutsam zu sein. So stirbt der Revolutionär mit erhobener Faust in der Gewissheit, bewusster Teil eines notwendigen Geschichtsprozesses gewesen zu sein. Und Brecht sagt, dass man eben in solchen Zeiten nicht freundlich sein kann – auch wenn man möchte. Unter solchen Vorzeichen erscheint die Beschäftigung mit dem was mich interessiert – ohne Unterwerfung unter eine Moral oder Ideologie – als schöngeistige Zeitverschwendung.
    Es war nicht der Sinn meiner Frage, einem Stalinisten künftig mit Nachsicht zu begegnen. Vielmehr war es die Überlegung, ob die ‚Unfreundlichkeit‘, im Klartext: das Morden für die gute Sache, nicht schon in der Idee enthalten ist, dass ich mich auf der richtigen Seite der Geschichte befinde und dafür meine Lebenskraft einzusetzen und alles andere zurück zu stellen habe.
    Für den Stalinisten ist die ideologische ‚Säuberung‘ eine Notwendigkeit. Und hätte ich mich vielleicht sogar der RAF angeschlossen, wäre ich sicher davon überzeugt gewesen, dass ein Terrorakt für meine moralisch hochwertigen Ziele nötig ist. Aber vielleicht wäre dies ja nur ein Symptom einer nicht realitätsgerechten Ideologie und / oder die Rechtfertigungsstory für das ‚Böse‘, welches in mir ist. Welche Haltung hätte vielleicht wirklich dahinter gestanden? Etwa die, die Franz-Josef-Degenhardt in seiner Ballade ‚Bumser Paco‘ sehr schön entlarvt hat? https://www.youtube.com/watch?v=RVXZtSq8eoo

    Aber was ist die persönliche Alternative? Sich allen Hab und Guts zu entledigen und selbst zu ‚hungern‘? Dafür gab es in der Geschichte ja immer wieder Beispiele. Ein gesellschaftliches Problem kann man aber nicht auf der individuellen Ebene lösen, da kann man noch so viel Fair Trade kaufen.

    Etwas ganz anderes als mein Luxus-Handeln in Deutschland ist jedoch der – immer auch persönliche – Widerstand gegen einen Besatzer, sei es nun seitens eines bedrohten Staatswesens wie Syrien oder seitens eines unterdrückten Volkes, wie z.B. der Palästinenser. Während der israelische Scharfschütze Palästinenser im Sinne der guten Sache Israels erschießt, sich also zur ‚Unfreundlichkeit‘ zwingt (aber vielleicht im Grunde genommen gar nicht zwingen muss?), vom IS-Kämpfer will ich gar nicht sprechen, bedeutet Freundlichkeit dem Besatzer gegenüber für den Palästinenser oder Syrer Unterwerfung (die bisweilen lebensnotwendig ist). Aber nach einem eventuellen Sieg jeden Raub und jeden Mord dadurch zu begründen und zu rechtfertigen, dass man zuvor Opfer gewesen ist, und dies nie wieder sein möchte, wäre etwas Anderes. Die neue Ordnung kann keinen Bestand haben ohne schonungslose (Auf-)Klärung des Geschehenen und einen neuen ‚Gesellschaftsvertrag‘, sonst geht alles unter umgekehrten Vorzeichen genauso weiter wie bisher. Die Versöhnungsinitiativen in Syrien sind hier m.E. beispielhaft.

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  6. fidelpoludo schreibt:

    Lieber Lutz,
    Ich muss leider auch noch drauf hauen. Unfair: zwei gegen einen. Willi steht noch in der Reserve. Es hat wirklich etwas mit „Abstraktionitis“ zu tun. Den „Klassenkämpfer“ als jemanden sich zurecht zu legen, der im Klassenkampf den Sinn seines Lebens gefunden hat und der diesen Sinn dann verlöre, wenn der Klassenkampf erfolgreich war, diese Konstruktion ist einerseits schon logisch: Klassenkampf zuende – keine Klassen mehr – Sinn verloren – Selbstmord oder Dahindösen wegen Sinnleere …
    Was wird hier andererseits unterschlagen, dem mechanischen Klappern der Logik (Abstraktionitis) geopfert? Hier kommen wir zum „positiven Gehalt“ des Klassenbegriffs. Warum hat er denn den Klassenkampf begonnen? Weil ihm der bestehende Klassengegensatz daran hinderte, sinnvoll zu leben (die Tätigkeit aufzunehmen, die ihm gefiel, ohne sich bei „höheren“ Stellen und Personen anbiedern und schleimen zu müssen, Konkurrenten mit spitzen Ellenbögen beiseite zu stoßen usw. usf.; seine Arbeitskraft auf dem Markt nach höchstbietenden Käufern abzuklappern oder selbst als Käufer der Ware Arbeitskraft sich bei den Banken zu verschulden, um fortan sich zum Profit gezwungen zu sehen, ohne den er seine Schulden nicht begleichen könnte). Seine Irritation – wenn sie denn aus den bestehenden Zwängen noch einen Ausweg findet – führt ihn zur Analyse des Übels, das er in der Klassenstruktur der Gesellschaft ausmacht.
    „Das System ist an allem schuld!“ Hier geht der Streit mit denen los, für die die Klassengesellschaft der Ausdruck des menschlichen Wesens ist: „Es hat schon immer unten und oben gegeben! Wo kommen wir denn hin, wenn die Unteren sich noch bei der Regierung einmischen? Weil sie keine Ahnung haben, kann doch alles nur noch schlechter werden! Laßt uns – im Gegenteil – dankbar dafür sein, dass sich die Eliten unserer annehmen.“ (Auch „abstraktionistisch“ logisch) Die Perspektive des (idealen) Klassenkämpfers (den es als reinen und idealen nicht gibt und geben kann) ist die, dass er den Sinn darin sucht und findet, die Hindernisse zu beseitigen, die sich ihm (seiner zu- oder unzutreffenden Analyse zufolge) in den Weg stellen. Er bleibt (sinniger- und höchst sinnvollerweise!) der Sinnentleerungsinstanz auf der Spur und sucht sie zu beseitigen, um erst Raum und Perspektive für einen neuen Sinn zu eröffnen, der allerdings auch darin münden kann, dass die Frage nach dem Sinn sinnlos wird, weil sie sich nicht mehr stellt; weil der Sinn sich von selbst einstellt. Ich kann es nicht beweisen, aber mit dem Auflösen der Klassengegensätze wird ein Haufen von aktuellen Problemen sich in Luft auflösen, andere sich neu stellen. (Auch logisch.)
    Der idealtypische Klassenkämpfer ist der Akteur auf der Ebene des „Vorsinns“ oder „Vorscheins“, der „Vorgeschichte“ die es zu überwinden gilt, was sinnlos wäre, hätte Francis Fukuyama recht gehabt mit seiner großartigen Verkündigung des „Endes der Geschichte“, weil Marktwirtschaft und liberale Demokratie nach westlichem Vorbild als „final form of human government“ sich unabweisbar durchgesetzt hätten. Für Marx war die Geschichte nicht nur nicht am Ende, sondern noch gar nicht wirklich in ihren Anfang eingetreten, wenn er (im Vorwort zur „Kritik der Politischen Ökonomie“ (MEW 13, 9) davon sprach, dass die „bürgerlichen Produktionsverhältnisse die letzte antagonistische Form des gesellschaftlichen Produktionsprozesses“ sind und mit dem Ende dieser Formation die „Vorgeschichte der menschlichen Gesellschaft“ abgeschlossen sieht. Die Klassenkämpfer sind also – wenn es gut läuft – die Endkämpfer der Vorgeschichte.

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  7. Lutz Lippke schreibt:

    Irgendwie sind 3 Kommentare von mir nicht durchgekommen. Vielleicht schmoren sie in einem Resteordner. Nach dem Versuch der Wiederholung der Wiederholung ist mir nicht. Allen schöne Grüße und bald schöne Tage im Garten, Wald oder Straßencafe. Es wird Zeit, dass die wärmende Sonne unsere kämpferischen Winterfalten entspannt und (mehr) optimistische Gedanken fördert. Trotz allem wie auch wegen allem.

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