Nachricht von den armen Tröpfen

Das sind natürlich „MÄNNER“; solche, denen unsere besonders sensiblen Frauen gerne mal sagen: „Krieg Du erstmal ’nen Kind, bevor Du mitreden kannst.“ (Meistens sagen sie es nicht, sondern denken es nur.)

Die Zeit nach etwas größerer Operation ist ja wirklich ein Scharfrichter. Das sei nicht weggeredet. Und selbst wenn es nach der OP bald bergauf geht, müssen doch kleinere oder größere Komplikationen überwunden werden.

Wie dünn ist doch der Firnis der Selbstkontrolle und -sicherheit. Besonders diejenigen, die immer „alles im Griff“ hatten, sind von einer Stunde zur anderen hilflos. Das Management der Lebenslügen funktioniert plötzlich nicht mehr. Und der Beobachter staunt, wie ausgefeilt es war: Alkohol, Tabak, (andere Drogen in der beobachteten Altersgruppe eher nicht), Fressen, Sex oder eher (wieder altersgruppenspezifisch) allgemein das Ausbeuten von Frauen, Fernsehexzess.

Alkohol geht nicht, Rauchen geht nicht. Die Freundinnen lassen sich nicht blicken. Die gedrillten Frauen kommen, helfen, aber so, dass sie sich zugleich rächen. Fernsehexzess geht aber irgendwann wird diese Droge taub. Oh, wie tut sich der arme Teufel Leid! Aufbegehren hilft nicht. „Auf den Tisch hauen“ vergrößert nur das Dilemma. Verschiedene Tricks, um Zuwendung zu erzwingen. Manches müssen die Schwestern aushalten, kennen sich damit aber aus.

Ich, nahe dran, erlebe alles mit aus erster Hand. Mein Mitgefühl hält sich in Grenzen: „Der lässt sich aber wirklich gehen!“ „Tu doch mal SELBER ’nen Schritt und sei es ein Minischritt.“

Doch in den langen schlaflosen Nächten merkst Du, dass Dein Nachbar, das arme Schwein, jetzt wirklich am Ende ist. Einzelne Bemerkungen deuten auf alte, tiefe Trauer, tragische Ereignisse, die oft viele Jahre zurück liegen. Eigentlich ist er jetzt ein Hosenmatz, der die Mutter braucht. Hilflos in der Einsamkeit.

Ich, der etwas besser klar kommt. stecke meinen Hochmut weg. In tiefer Nacht fangen wir an, miteinander zu sprechen. Es gibt auch Tränen. Vielleicht aber, zum Morgen hin (obwohl die physischen Schmerzen nicht geringer geworden sind) gibt es ein, zwei Stunden beruhigten Schlaf.

Und als sich unsere Wege trennen einen erstaunlich festen Händedruck.

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3 Antworten zu Nachricht von den armen Tröpfen

  1. Detlev Matthias Daniel schreibt:

    Männern sagt man ja gemeinhin nach, daß sie alles mit sich selbst ausmachen – im Gegensatz zu Frauen, die in alles und jedes zumindest ihre beste Freundin mit einbinden (die es angeblich immer gibt – Klischee, Klischee…). Nun, im Austeilen sind die Männer oft groß, aber Einstecken, gar Hingabe, Vertrauen, Sich-Selbst-Anvertrauen, – das sind dann schon wirkliche Herausforderungen. Zu dem Panoptikum, was die Männer alles alleine bewältigen, gehört die eigene Angst und der Schmerz nicht unbedingt dazu.

    Wann immer wir meinen, unsere Angst zu beherrschen,
    ist es in Wirklichkeit sie, die uns beherrscht.
    Wann immer wir meinen, die Dinge zu kontrollieren,
    sind sie es, die uns bestimmen – unser Handeln, Denken und Wahrnehmen.

    Wenn wir uns aber herablassen, nicht mehr über den Dingen zu stehen,
    wenn wir unserer Angst, auch der Gefahr ungeschützt ins Auge sehen,
    erheben wir uns in Wirklichkeit, wachsen wir, unser Mut* auf ihre Größe,
    werden wir ihnen ebenbürtig, – gleichgebürtig, – Geschwister.

    *) „Mut“ bezeichnet nach Jacob und Wilhelm Grimm das komplexe (immaterielle) Innere eines Menschen, „im gegensatz zum bloszen walten des verstandes oder der erinnerung.“

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  2. Joachim Bode schreibt:

    Katostrophen, egal welche, wirken schmerzlich und (auf)klärend (z.B. „nie wieder Krieg“). Oft genug zeitlich begrenzt. Und, je nach Interessenlage, zu gern verdrängt.

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  3. Lutz Lippke schreibt:

    Weiter Geduld und gute Ablenkung bei den Tippelschritten in den Frühling. Der wartet noch, bis der kranich05 im Garten sitzt. Gute Genesungswünsche auch an das „arme Schwein“ nebenan.
    Lutz Lippke

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