Nachricht von der Trauminsel

Mein Zimmernachbar Heinz ist Islamwissenschaftler, sieht sich aber mehr als Politologen. Jetzt ist er Pensionär. Er hat einmal ein Studienprojekt für die Deutsche Bischofskonferenz geleitet. Während seiner Berufsjahre war er viel im Ausland.

Seit November 2017 wird er in Krankenhäusern wegen einer Entzündung im Herzen behandelt. Jetzt, nach erfolgreicher Herzklappenoperation, stehen ihm  weitere sechs Wochen Krankenhaus bevor. „Mit Stumpf und Stiel ausrotten!“, sagt Heinz von den Entzündungserregern. Seine Frau Gerda umsorgt ihn.

Beide haben ein Haus auf Mallorca. Von dort kommen beunruhigende Nachrichten. Obdachlose besetzen leer stehende Häuser. Ihr Eigentumshaus wird zwar in ihrer Abwesenheit bewacht, ein befreundeter Steuerberater erlebte jedoch bei seiner Ankunft, dass sein Schlüssel nicht mehr passte. „Eine Furie, vier, fünf Kinder am Rockzipfel, öffnete ihm und sagte, dass sei jetzt ihr Haus.“

Heinz ist entsetzt: „Der Staat muss doch für Recht und Ordnung sorgen!“ Wenn nicht anders, müsse die Frau ins Gefängnis.

Ich frage Gerda, ob die Romafamilie dann auf der Straße landet. „Ja“, sagt sie im Brustton von Heinzens Entrüstung… und horcht etwas verwirrt dem eben Gesagten hinterher.

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73 Antworten zu Nachricht von der Trauminsel

  1. willi uebelherr schreibt:

    Lieber Klaus-Peter, grandios. Dein klassenstandpunkt kommt wieder durch. Ja, nehmt euch die haeuser, wenn ihr sie braucht. So einfach ist es doch.
    mit lieben gruessen, willi

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  2. Lutz Lippke schreibt:

    Den einen Klassenstandpunkt als durchgreifenden, allesregelnden WERT zu verstehen, spiegelt eben nur den Anspruch des elitären Vorrechts. Was wer wann braucht, lässt sich eben nicht spontan allgemeingültig, verlässlich und gerecht entscheiden. Auch die „Natur der Sache“ bringt es als durchgreifendes Prinzip nicht. Man kommt um ordnende Strukturen und Interessen ausgleichende Prozeduren eben nicht herum.

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    • kranich05 schreibt:

      Ich will nicht zu viel auf Herrn Übelherr schimpfen, trotzdem muss ich zwei Randbemerkungen machen:
      – Es geht hier überhaupt nicht um Klassen. Roma sind keine Klasse, deutsche Steuerberater sind keine Klasse, Patienten, die von Patienten Bedenkliches erfahren, sind keine und opablogger ist sowieso einzigartig, also keine Klasse.
      – ein „Klassenstandpunkt“, der ohne Sinn und Verstand in persönliches Eigentum eingreift, ist ein Spott auf dem marxistischen Klassenbegriff. Wahrscheinlich wird hier ein Standpunkt der „Klasse der Wirrköpfe“ vertreten.
      – Klassenstandpunkt im marxistisch-leninistischen Sinne hat einen konkreten Inhalt und kann im Rahmen dieses Inhalts sehr wohl wertend angewandt werden – aber ganz bestimmt nicht „durchgreifend(en), allesregelnd(en)“.
      – Allerdings möchte ich über L. L. hinausgehen bzw. eine Schlussfolgerung ziehen, die er vielleicht ohnehin nicht ablehnt: Es kann nicht nur um Ausgleich von vorhandenen (widerstreitenden) Interessen gehen. Ebenso gut geht es um die Ausprägung von Interessen, die nicht gegensätzlich sind, sondern sich ergänzen, fördern usw. Das verlangt gesellschaftliche Planmäßigkeit, für die es sogar im Realsozialismus bei all seiner Deformiertheit, Beispiele schöner Erfolge gab.

      Und letzte Bermerkung: Man muss den vorgelegten Text nicht „grandios“ nennen aber man darf wahrnehmen, dass ich den Heinz selbst als hilfebedürftig geschildert habe und dass Frau Gerda doch so etwas wie erschrocken war über die selbst vertretene Härte.

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    • Lutz Lippke schreibt:

      Heiner Flassbeck formuliert aus dem Jetzt die sozio-ökonomische Seite in einfachen, überzeugenden Worten. https://makroskop.eu/2018/03/die-marktwirtschaft-leistungsgerechtigkeit-und-die-armut-in-einem-reichen-land/
      Damit haben wir ein Angebot wirtschaftlicher Vernunft zum jetzigen Status Quo. Es wird andere, vielleicht bessere geben. Für diese Alternativen soll das Angebot beispielhaft stehen.

      Die rechtliche Seite dazu besteht in den Gesetzen, Verordnungen und tatsächlichen Vorgehensweisen der Akteure. Entsprechen die Vorgehensweisen den Normen?
      A) Wenn nicht, liegt darin die oder eine Ursache von Verwerfungen? Warum werden die Normen verletzt? Versehentlich oder absichtlich? Gibt es Verantwortliche? Gibt es Regresspflichtige? Welche allgemeinen Prozeduren rechtlicher Fehlerkorrektur funktionieren nicht?
      B) Wenn ja, ist das Vorgehen normativ gesehen alternativlos?
      b1) Wenn nicht, woran scheitert die alternative Normanwendung im Interesse wirtschaftlicher Vernunft?
      b2) Was hindert an der Veränderung der Norm?

      Die politische Seite hierzu besteht in den Machtverhältnissen, wie sie sich aus realen, aber auch diversen fiktiven Kriterien ergeben. Fiktiv meine ich die Kriterien, die auf Vermutungen, Glauben und Überzeugungen beruhen und nur aufgrund dieser Vorstellungen eine Wirkung im Realen haben.
      In obiger Sache ist nun zu klären, woran die Anwendung wirtschaftlicher Vernunft tatsächlich scheitert und an welchen Stellen für die Abänderung angesetzt werden kann. Klar ist, dass es zunächst überhaupt eine realistische, erreichbare Alternative geben muss und diese ausreichend bekannt ist. Wer hat echtes Interesse an der Bekanntmachung, wer an der Verleugnung? Welche Methoden werden für die Verleugnung angewandt? Welche echt geeigneten Methoden haben die Unterstützer zur Bekanntmachung real zur Verfügung und sind ihnen diese bekannt?
      Ist die Alternative bekannt gemacht, dann stellt sich die Frage des Rechts.
      Entspricht die Realität nicht den Normen, aber die vernünftige Alternative, dann muss (schlicht) das Recht durchgesetzt werden. Dafür gibt es rechtliche Prozeduren, es braucht also keine politischen Aktionen, es sei denn, diese Prozeduren versagen.
      Sind beide Varianten normativ zulässig, muss auf dieser rechtlichen Grundlage mit den Vernunftargumenten politisch für die Alternative gerungen werden. Eine normative Absicherung des Ergebnisses ist ggf. ebenfalls anzustreben.
      Ist die Alternative bisher nicht normenkonform, muss politisch einerseits für die normlogische Vernunft einer konformen Norm, andererseits für die wirtschaftliche Vernunft der Alternative gerungen werden. Das ist nicht das Gleiche. Das wirtschaftliche Argument kann zwar auch ein normatives Argument sein, aber es wird nie das strukturell Entscheidende für die Norm sein. Denn Wirtschaft ist nicht Recht oder umgekehrt.
      Es ist also entscheidend für die tatsächliche Durchsetzung der vernünftigen Alternative, dass die andersgeartete rechtliche Vernunft mit gleicher Aufmerksamkeit bedacht wird, wie das eigentliche wirtschaftliche Ziel.

      Diesen Algorithmus habe ich spontan ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder Richtigkeit aufgeschrieben, um das Verhältnis von Statischem und Prozeduralem und der dazwischen wechselnden Dynamik beispielhaft einzufangen. Ist ein statischer Zustand ausgeglichen, dann soll er durch Recht im notwendigen Maß geschützt werden. Ist der Zustand unbefriedigend, dann soll er sich verändern, also ein dynamischer, aber möglichst vertrauenswürdiger Änderungsprozess in Gang kommen. Hierfür sind nun geschützte Prozeduren erforderlich, die die Unsicherheiten der Zustandsänderung abfangen und den Erfolg bis zur neu gesicherten Statik des Zielzustands bewirken. Denn allein die Absicht zur Vernunft, kann zu allem Möglichen führen und sogar das Gegenteil dessen bewirken, was erhofft wird.
      Die Prozeduren/Normen der statischen Absicherung ausgeglichener Zustände sind nicht identisch mit denen, die den Veränderungsprozess absichern sollen. Sie müssen aber aufeinander abgestimmt sein und dürfen sich effektiv nicht gegenseitig blockieren.
      Da steckt soviel Planung und Absicht drin, so dass ich den Einwand einer Überplanung sehr gut verstehen kann. Deswegen sehe ich parallel auch das Konzept des Aussteigens aus dem Statischen und des dynamischen Neuformierens on the fly mit wenigen Vorgaben nicht als grundsätzlich falsch an. In der Software-Entwicklung wird z.B. gegen das Problem der Überplanung einerseits Modularisierung der Struktur und andererseits agile Methoden der Entwicklung eingesetzt. Damit lassen sich prinzipiell unvereinbare Methoden auch kombinieren und ergänzen sich. Analog zu den verschiedenen Vernunftbereichen oben, hat die Entwicklungsmethodik eine andere Logik als das Zielprodukt.

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  3. Theresa Bruckmann schreibt:

    Danke, Lutz Lippke,
    volle Zustimmung!

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  4. willi uebelherr schreibt:

    Liebe freunde, dass ich so kurz und klar, meinen kommentar formulierte, liegt daran, dass ich dies auch so kurz und klar sehe.

    Der klassenbegriff hat etwas reales in sich. Das Sein. Unter den bedingungen der verschiedenen Seins. Wir abstrahieren etwas. Besitzlose und Besitzende. Arbeitende und Nicht-Arbeitende.

    Menschen leben dort auf Mallorca und haben keine feste bleibe. Haeuser stehen rum, ungenutzt. Was folgt: Sie werden genutzt.

    Jetzt kommt Klaus-Peter mit dem privaten Eigentum. Eine fiktion auf der grundlage einer fiktion. Jetzt koennen wir fuer etwas getruebte geister einige fragen stellen.
    Wie entsteht das landnutzungsrecht, auf dem das haus steht? Wer gibt es?
    Wie entsteht das haus in Mallorca? Wer baut es?
    Wie entsteht das private Nutzungsrecht fuer einen Deutschen fuer ein haus in Mallorca?
    Wer garantiert dieses private und ausschliessliche Nutzungsrecht fuer einen Deutschen fuer ein haus in Mallorca?

    Immer noch fragen zur trennung von sozialen klassen? Eine ganz andere, eher fuer die Deutschen reale frage ist, wie kommt dieser Deutsche dazu, sich in Mallorca ein haus sein „Eigen“ nennen zu koennen? Wer agiert da und wie?

    Eine aehnliche debatte gibt es ueberall in Latein Amerika zu den Oligarchen, den Grossgrundbesitzern. Das wird manchmal Landreform genannt. Im Makroskop wird es Ruechverteilung genannt. Ich glaube auch bei Flassbeck.

    mit lieben gruessen, willi

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  5. fidelpoludo schreibt:

    Wieder nicht doppelt, wie WP behauptet

    Albtrauminsel

    »Heinz ist entsetzt: „Der Staat muss doch für Recht und Ordnung sorgen!“ Wenn nicht anders, müsse die Frau ins Gefängnis.
    Ich frage Gerda, ob die Romafamilie dann auf der Straße landet. „Ja“, sagt sie im Brustton von Heinzens Entrüstung… und horcht etwas verwirrt dem eben Gesagten hinterher.«

    Heinz will »ensetzt« für »Recht und Ordnung« die Staatsgewalt in Anspruch nehmen. Nicht nur die »Entzündungserreger« in seinem Herzen, sondern auch die phantasierten asozialen »Entzündungserreger« in seinem Haus (oder nicht vielleicht doch nur in einem seiner Häuser?), das ja eigentlich nicht unmittelbar bedroht ist, da er es sich leisten kann, es bewachen zu lassen, sollen »mit Stumpf und Stiel« wenn nicht »ausgerottet«, dann doch vertrieben werden von da, wo sie nicht hingehören, nichts zu suchen haben, kein Recht haben zu sein. Interessanterweise antizipiert er – trotz seiner getroffenen Sicherheitsmaßnahmen -, dass ihm, dem nur mittelbar Betroffenen Ähnliches passieren zu droht wie einem unmittelbar betroffenen Freund, weshalb sowohl seine Empathie wie seine Solidaritätsbekundung mit diesem im Grunde auf sich selbst verweisen, auf seine Selbstliebe, auf seine möglicherweise nicht nur, aber doch im Wesentlichen materiellen Interessen. Er identifiziert sich aus naheliegenden Gründen mit dem Freund und übernimmt ungeprüft dessen herabwürdigende und abschätzige Charakterisierung: »Eine Furie, vier, fünf Kinder am Rockzipfel«.

    Der Erzähler dieser winzigen Anekdote als teilnehmender Beobachter hat den Zusammenhang von Heinzens „Mit Stumpf und Stiel ausrotten!“ und seine Sorge um die Hausväter, vermittelt über die seines Freundes seine eigene meinend, hergestellt. Um die Geschichte der Besetzung leer stehender Häuser durch obdachlose Roma auf Mallorca zu erzählen, wäre der Zusammenhang nicht notwendig gewesen.
    Genausowenig wie die Schilderung von Gerdas auf die Entrüstung folgende Verwirrung gerade über diese an sich selbst wahrgenommene Entrüstung. Eine Verwirrung, die wohl als etwas verzögerte Reaktion auf die vorhergehende, leicht provokative Frage des Erzählers zu werten ist:

    »Ich frage Gerda, ob die Romafamilie dann auf der Straße landet. „Ja“, sagt sie im Brustton von Heinzens Entrüstung… und horcht etwas verwirrt dem eben Gesagten hinterher.«

    Diese beiden Zusammenhänge – die Verbindung des Erzählers von Heinzens Haltung seiner Krankheit mit dessen Urteil über den Vorfall der »kankhaft-kriminellen« Besetzung sowie die Frage des Erzählers nach den möglichen Folgen mit der Reaktion von Gerda – als absichtsvoll inszenierte wahrgenommen hat willi uebeherr in seinem Kommentar und glaubte darin, »grandios« den »Klassenstandpunkt« des Erzählers »durch kommen« zu sehen, der eigentlich sein eigener ist:

    »Ja, nehmt euch die haeuser, wenn ihr sie braucht. So einfach ist es doch.«

    Er ist in die wahrscheinlich nicht absichtlich gestellte Falle getreten. Man kann die Geschichte so lesen, muß es aber nicht.
    Der Erzähler – allerdings nicht mehr innerhalb des Textes – entgegnet auch gleich:

    »So einfach ist es nicht!
    Und ich möchte nicht, dass Irgendjemand ohne meine Zustimmung mein Haus belegt.«

    Wenn er das nicht möchte und damit alles klar ist, was hat ihn dann dazu gebracht, die psychologischen Details der Figuren in den Zusammenhang des Vorfalls einzuführen. War er als Erzähler doch irgendwie ein anderer als der, der jetzt auf Kommentare seiner Erzählung reagiert, weil er nicht einsehen kann, dass er nach Abliefern der Erzählung nicht mehr Herr über ihre Deutungsmöglichkeiten ist? Denn mit diesem seinem Einwand ist die bloße Schilderung einer kriminellen Hausbesetzung gemeint die er als Erzähler aber um eine entscheidende Dimension überschritten hat, die sie in ein anderes Licht setzt.

    Abgesehen davon könnte auch erörtert werden, welche sozialen Verwerfungen in den südlichen Ländern nicht nur Europas dadurch angerichtet werden, dass die Häuser, Landgüter, Fincas, ganze (Traum)Inseln von den Reichen des Nordens aufgekauft werden können – ganz im Sinne des neoliberalen »freien Marktes«, weil man aus der Not der sozial in den Ruin getriebenen ein Schnäppchen schlägt, die – abgesehen vom stattfindenden Ausverkauf (ganz besonders zu besichtigen in Griechenland, aber nicht nur dort – im Verein mit anderen Notleidenden, dann noch zusehen müssen, wie die Besitztümer und Immobilien fast das ganze Jahr unbewohnt bleiben. Daran geht der simple Hinweis, dass man nicht möchte, »dass irgendjemand ohne meine Zustimmung mein Haus belegt« dann fast genauso einfach vorbei.

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  6. fidelpoludo schreibt:

    Hallo Willi,
    hatte Deinen letzten Kommentar leider vorher nicht lesen können, sonst hätte mein letzter Abschnitt daran anknüpfen können.

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  7. kranich05 schreibt:

    Liebe Diskutanten,
    Eure/unsere Diskussion lehrt mich ungemein.
    Mit den meisten Diskussionen hier im Blog bin ich nämlich ihres „überbordenden“, sich nicht fokussierenden Charakters wegen unzufrieden. Es besteht am Ende die Gefahr der Selbstblockade.
    In diesem Fall aber ist es anders: Die Diskussionsrunde bleibt rel eng am Thema, die Diskussion ist nicht „überbordend“, läuft nicht aus dem „Ruder“ der inhaltlichen bzw. gedanklichen Vorgabe, sondern schöpft diese aus und überschreitet sie z. T. folgerichtig..
    Und trotzdem befinde ich mich in einer komischen Verzweiflung. Besonders nach dem sensibel ausdeutenden Beitrag von fidelp (aber auch nach dem anders komplexen von L. L.) ist eine Welt von Bezügen ausgesprochen worden (deren etliche ich in die Gestaltung der A. hineingepackt habe, daneben andere, die fidelp aufgedeckt hat, die mir nicht bewusst waren). Es bricht sich wirklich das ganze Weltlicht im Wassertropfen.
    Schön, wenn alle Sprektralfarben aufleuchten, schön, wenn unsere Diskussion zeigt, welch reichen Geistes wir ein Jeder/Jede sind.
    Doch die Wirklichkeit verlangt mehr. Ich spreche von der Wirklichkeit der Roma von Mallorca und der der deutschen Häuslekäufer von Mallorca. Ist das eine gemeinsame Wirklichkeit? Wenigstens in EINER einzigen wichtigen Beziehung? Oder nicht?
    („gemeinsame“ nicht nur im Sinne von Regelungsbedarf, um Mord und Totschlag zu vermeiden, sondern „gemeinsam“ im Sinne einer genuinen Interessenübereinstimmung)
    Kann der Begriff des „persönlichen Eigentums“ (wie er in der realsozialistischen DDR vertraut war) hilfreich sein?
    Müssten wir uns über den Menschen, das menschliche Individuum, in seiner Dialektik von Einzelnem – Besonderen – Allgemeinen philosophisch verständigen?
    Können wir auf Hölderlins Eigentumsbegriff – ich meine sein Gedicht „Mein Eigentum“ – nicht verzichten?
    Grüße in die kleine Runde beim vielleicht Ingangbringen eines gemeinsamen Denkprozesses.

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    • Lutz Lippke schreibt:

      Ich habe den konkreten Fall bewusst umschifft. Klar, es stehen sich Interessen, Nöte und Rechte radikal gegenüber. Aber es wurde noch nicht geschossen. Immerhin. Der Fall ist konkret auch nicht entscheidbar, denn es ist eine Erzählung, kein schlüssiger Tatsachenbericht. Wer viel mit Gerichten und Juristen zu tun hatte, sieht sofort, dass aus diesem Holz auch viel Unrecht geschnitzt wird. Deswegen habe ich nur die Metapher, das schwer oder nur unbefriedigend Entscheidbare sehen wollen. Dazu kann man sich etwas wünschen, auch Radikales, oder eben heute so, morgen so. Kranich05 symbolisiert das gewollt oder ungewollt mit der Widerrede. Gibt es eine Moral von der Geschicht?
      Vielleicht die: Es geht nicht darum, was ich mir (für andere) wünsche. Das Leben und die Realität richtet sich nicht danach, welche Ergebnisse ich denke bestellt zu haben. Es kann nur darum gehen, was für die Beteiligten erreichbar, denkbar ist und womit ich dazu beitragen kann, dass das Erreichbare und Denkbare erkannt und Entscheidungen möglichst fair abgewogen werden. Es sei denn, ich wähne mich im Besitz des Wahren und dessen Machtversprechen. Aber soviel strotzendes Selbstbewusstsein kann nur der trompeten, der tatsächlich nichts zu entscheiden hat. Die tatsächlich radikal Entscheidenden finden immer beschwichtigende oder täuschend moralische Gründe und wohlfeile Vertreter, die ihnen den schmutzigen Job abnehmen. Gerechtigkeit bedeutet wohl nicht, das am Ende Alles gut wird. Allenfalls, dass das Denkbare bedacht und das Erreichbare fair abgewogen wird. Das muss nicht selten sogar radikal sein, aber deswegen keinesfalls unmenschlich. Weil das Entscheiden über Gewinnen und Verlieren keine leichte Übung ist, braucht es faire Regeln. Beim Kartenspiel ist uns die Notwendigkeit von fairen Regeln offensichtlich, wenn es tatsächlich ernst wird, dann müssen wir das Spiel aber um jeden Preis gewinnen. Das Opfer sind zuallererst die Regeln, die mit dem Wahren, dem Richtigen Ergebnis ersetzt werden. So funktioniert jedes Willkürurteil.

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      • fidelpoludo schreibt:

        „eine Erzählung, kein schlüssiger Tatsachenbericht“
        Ja genau. Stimmt vollkommen. Nur ist das Genre des „schlüssigen Tatsachenberichts“ nicht so ohne Weiteres dem der Erzählung – was den Wahrheitsgehalt betrifft – vorzuziehen. Wie die „Schlüssigkeit“ solcher Berichte entsteht, wie sie vom Zufall und mächtigen Interessen, gekauften Zeugen manipuliert werden kann, ist doch jedem hier klar. Bei entscheidenden Fragen, wo es um Besitzstandswahrung bzw. -erweiterung, Aufrechterhaltung von Macht und Herrschaft geht, sind die „besten“ Anwälte zu besten Preisen auf dem Kanzleienmarkt zur Bestimmung oder Anzweiflung der „Schlüssigkeit“ des Tatsachenberichtes zu 99% auf der Seite der 1% zu finden, wahrscheinlich weniger auf der Seite der Roma.
        Eine literarische Erzählung hat in der Regel den Vorteil, solchem Druck, solchen Ver- und Umdrehungsinteressen nicht ausgesetzt zu sein, sich den Interessen von Macht und Herrschaft entziehen zu können und dabei nicht nur auf einen Einzelfall abzuheben, sondern das Objektiv-Allgemeine der gesellschaftlichen Verfaßtheit unaufdringlich, d.h. ohne soziologische oder juristische Begrifflichkeit zur Darstellung zu bringen. In einem „schlüssigen Tatsachenbericht“ würden wir nichts über Heinzens Denk- und Fühlweise erfahren: „Mein Geld, mein Haus, mein Recht! Wer das in Frage stellt, gehört „mit Stumpf und Stiel …“ und kann, falls weiblich, nur als „eine Furie“ erkannt und bezeichnet werden. Ein genialer Satz wie: „Ja“, sagt sie im Brustton von Heinzens Entrüstung… und horcht etwas verwirrt dem eben Gesagten hinterher“ hat eben mit justiziabler Schlüssigkeit nichts auf dem Hut, sagt aber Entscheidendes über bestimmte Menschen in dieser Gesellschaft und damit über diese aus, wie sie mit den Konflikten umgehen, die ausgebreitet werden. Welche „Wahrheit“ wollen wir wissen? Die über einen bestimmten Einzelfall (einheimische Roma vs. ausländischer Steuerberater) oder die an ihm auch darstellbare Wahrheit über unsere Gesellschaft? Ich habe die Kommentare von Juristen noch im Ohr: „Die Künstler und Literaten. Ein wundersames Völkchen, das fürs Subjektive zuständig ist. Da ist unser Gegenstandsbereich dann doch von ganz anderem, bedeutenderem Kaliber. Von unseren Entscheidungen, Gedanken und Urteilen hängen menschliche Schicksale ab…“
        Wo sie recht haben, haben sie Recht.
        Wo sie unrecht haben, auch.
        Tue ich ihnen Unrecht?

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  8. willi uebelherr schreibt:

    Liebe freunde, versteht ihr eigentlich, worum es hier geht? Das recht auf ein wuerdiges leben gegen ein anspruchsrecht eines Deutschen fuer privates Land- und Haus-Eigentum in Mallorca, abgezaehlt vielleicht in Euro.

    Fidelpoludo sieht diesen kern, auch wenn er auch sich etwas um die klarheit herumdrueckt. Lutz bewegt sich in abstrakten rechtsfragen, Klaus-Peter solidarisiert sich als hausbesitzer. Theresa stimmt Lutz zu.

    Natuerlich gibt es viele moeglichkeiten der aufloesung. Die hausbesitzer schreien nach Staat und Polizei und Gefaengnis wie alle besitzenden. Deswegen sind sie auch alle Anti-Kommunisten und gerne Faschisten. Wenn wir uns die bodenspekulationen inclusive waldrodung in Portugal, Spanien, Suedfrankreich, Italien und Griechenland ansehen, dann wissen wir, worum es dort geht.

    Der familie ist es bestimmt egal, welches haus, mit oder ohne meeresblick, sie nutzen koennen. Die naehe zum dorf mit den infrastrukturen und schule fuer die kinder ist immer wichtig. Die gemeinden in der naehe sind ja auch beteiligt. Indirekt. Und was ich von menschen der insel Mallorca weiss, unterstuetzen die meisten solche hausbesetzungen. Fuer sie sind diese rentner-siedlungen aus dem Norden zumeist ein ausverkauf ihrer heimat durch mafiose banden, die mit den staatsinstanzen verbandelt sind. So kann sich fuer sie das monatseinkommen vervielfachen.

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  9. Ossiblock schreibt:

    Eine wirklich anrührende Geschichte. Mir kamen fast die Tränen.

    Ein kleiner Denkanstoß: Ein sogenanntes Eigentum an Grund und Boden ist immer Diebstahl. Denn es gibt keinen Verkäufer, der nachweisen kann, wem das Stück Erde ursprünglich gehörte.

    Zur Vertiefung: https://ossiblock.wordpress.com/2017/11/15/was-ist-grundeigentum/

    Beste Genesungswünsche aus Ostberlin!

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    • kranich05 schreibt:

      Moin, moin, Sie schlauer Ossi,
      Sind Sie eigentlich zu DDR-Zeiten durchs Umland von Berlin gezogen und haben den Datscheneigentümern erklärt, dass sie Diebe sind?
      Und Pächter sind dann wohl Diebe auf Zeit?

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      • Ossiblock schreibt:

        Weder noch. Wenn man konsequent ist und eventuell denken kann, verzichtet man darauf.
        In der DDR gab es zuwenig Privateigentum an Grund und Boden …

        Übrigens unterscheidet das BGB der BRD ganz bewußt zwischen Eigentümern und Besitzern.

        Zu DDR-Zeiten lebte ich vorwiegend in Vorpommern, Leipzig und Ostberlin – aber nie in Brandenburg.

        Ich vermisse irgendein Gegenargument vom Kranich. Da ist nur eine tiefe Leere.

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  10. Theresa Bruckmann schreibt:

    Da in der EU die „4 Grundfreiheiten“, die Freizügigkeit von Personen, Waren und Dienstleistungen, Kapital, gelten, ist es unerheblich, ob der Eigentümer Deutscher oder Spanier ist. Rechtstaatlichkeit und Demokratie gehören zusammen. „Ohne verbindliches Recht keine Demokratie“ haben wir am 10. Februar d.J. in den Kommentaren zu „Recht versus Demokratie? – Gastbeitrag von Lutz Lippke vom 06. Februar festgehalten.
    Es hadnelt sich bei der Inbesitznahme des (Ferien)Hauses in Spanien entweder um einen Verstoß oder um einen Ausnahmezustand.
    In Kriegszeiten kann eine Wohnungszwangsbewirtschaftung notwendig werden und hat es bei uns auch gegeben, um Flüchtlinge, oder wie es hieß „Heimatvertriebene“, und Ausgebombte unterzubringen.
    Wenn Heimatvertriebene ihre alte Heimat besuchen und andere Besitzer dort vorfinden, dann ist diese Situation Krieg und Vertreibung geschuldet. Und es hat Entschädigung (keine Ahnung, ob diese großzügig war), gegeben. Lastenausgleich hieß der Topf, aus dem die Gelder kamen.
    So sähe ich auch hier nicht die Familie mit den Kindern, die jetzt in dem Haus in Spanien wohnt, als ‚meine direkte Ansprechpartner‘.
    Die Gemeinde, das Katasteramt weisen Wohnraum für Wohnungslose zu. Diese müssten doch den Eigentümer von der ‚Umnutzung‘ informieren und ihm Vorschläge machen, ob er seine Behausung ganz oder auf Zeit einer obdachlosen Familie zur Verfügung stellen will, ob er sie der Gemeinde überlassen will, damit diese mehr Unterkünfte anbieten kann. Er wiederum kann auch Vorschläge machen. Diese werden wohl davon abhängen, ob er seinen Wohnsitz später nach Mallorca verlegen will, also wie seine Zukunftspläne sind.
    Es gibt verschiedene Rechtsformen (GbR, Genossenschaften, z.B.) und jede hat ihre Vor- und Nachteile, je nachdem welcher Bereich geregelt werden soll. Rechtsnormen machen aber keinen Sinn, wenn sie nicht verbindlich sind.
    Ausnahmen davon gelten nur, wenn Bedingungen eingetreten sind, die hinreichend sind, die
    Norm (eine Zeit lang) außer Kraft zu setzen, d.h. so lange bis der Notstand anhält.

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    • kranich05 schreibt:

      Danke Frau Bruckmann,
      ich bin gespannt, ob Sie unseren Willi nun überzeugt haben. 🙂

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      • fidelpoludo schreibt:

        Ich hoffe doch sehr, dass Willi sich davon nicht überzeugen läßt. Ich bin auch keineswegs überzeugt. Positives Recht anzuführen und anzuwenden ist eine Sache. Wie und mit welchen (neoliberalen) Hintergedanken (der Öffnung von vorher schwer zugänglichen Märkten, besonders für die Global Players) es diese Form mit diesem Inhalt angenommen hat (Freizügigkeit von Personen, Waren und Dienstleistungen, Kapital), unberücksichtigt zu lassen, wenn es um die Bewertung demokratischer Qualitäten und der Einschätzung des Ranges geht, läßt nicht vermuten, dass hier jemand Heinz J. Bontrup oder anderen Mitgliedern der Memorandum-Gruppe aufmerksam zugehört hat.
        Irgendwelche Zweifel, wer von dieser „Freizügigkeit“ mehr und wer weniger profitiert? Hat sich Europa – mit der kurzfrisstigen Ausnahme Deutschlands – auf dieser Basis zum Besseren entwickelt? Griechenland steht den interessierten Konzernen zur freien Verfügung, ist zum Ausverkauf und zum Abschuß freigegeben, vor allem auch wegen dieser Art des Rechts. „Freizügig“ dürfen die in Athen ausgebildeten jungen Studenten sich in Europa umsehen, wem sie ihre vom griechischen Staat finanzierte Ware Arbeitskraft anbieten wollen; „Freizügig“ kommen die Waren, die in Griechenland wegen der Austeritätspolitik nicht mehr produziert werden können ins Land. „Freizügig“ sind die medizinische Grundversorgung abgeschafft und die besten See- und Flughäfen an das allzeit präsente Kapital zu Dumpingpreisen verscherbelt worden, bloß weil die deutschen und französischen Banken auf die Bedienung ihrer Kredite warten etc.
        „Freizügigkeit“ allüberall! Ick hör‘ dir trapsen.

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      • Theresa Bruckmann schreibt:

        Mich würde umgekehrt tatsächlich interessieren, wie die Darstellung und die Problemllösung hier aus einer Anarchie-Sicht aussähe. Diese Interessebekundung ließ ich aber vorsichtshalber weg, weil ich unsicher war, ob das ein Schimpfwort ist und ‚weiß Gott was alles‘ auslösen könnte, obwohl meine Frage nichts weiter ist als allgemeines Interesse an Alternativen (ob sie nun anwendbar oder utopisch sein mögen).

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    • fidelpoludo schreibt:

      „Ohne verbindliches Recht keine Demokratie“
      aber ist die Verbindlichkeit des Rechts schon eine Garantie für Demokratie?
      Haben wir schon vergessen, was wir bei Mausfeld über den Status der Demokratie gelernt haben (sollten)? Nee, es gibt ja die vier Grundfreiheiten, deren Nähe zur bis zur Identität mit der neoliberalen Agenda niemandem auffällt?
      Zumindest ist Verbindlichkeit (Recht als Zwang auf gut deusch) des Rechts noch keine Garantie für soziale Gerechtigkeit oder Gleichheit, nicht einmal für Selbstbestimmung (wenn ich die riesigen sozialen Differenzen ins Auge fasse, von deren verschiedenen Positionen aus eben ganz verschiedene „Selbste“ im Angebot sind rund um die Bruchlinie der Nötigung zum Verkauf der eigenen Ware Arbeitskraft und der Möglichkeit zum Profitmachen durch den Kauf der Ware Arbeitskraft anderer).

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      • Lutz Lippke schreibt:

        Demokratie ist ein Mehrheitsprinzip mit rudimentärem Minderheitenschutz. Weder gerechte Ergebnisse, noch Gleichheits-Ergebnisse werden garantiert. Es gibt eine grundsätzliche Begründung, warum Demokratie die einzige Form ist, die echte Legitimation und Verbindlichkeit schaffen kann. Es besteht darin die Hoffnung, das tatsächlich praktizierte Demokratie dies tendenziell am ehesten gerecht und interessenwahrend vermag. Demokratie ist keine Revolution der Tatsachen und Verbindlichkeiten von ungerecht zu gerecht, sondern eine Revolution der Mittel zur Veränderung der Tatsachen und Verbindlichkeiten. Demokratische Selbstermächtigung heißt nicht, die Macht über die Verhältnisse zu übernehmen, sondern die kollektive Übernahme der Änderungsmacht zu den Verhältnissen. Da Demokratie mit dem freien, sozialen Subjekt in Gemeinschaft begründet ist, definiert sich der Minderheitenschutz unmittelbar aus den gleichen Prinzipien. Es ist wohl in der menschlichen Sphäre das einzige widerspruchsfreie Konstrukt, das ohne selektive Vorrechte oder Vorbedingungen auskommt. Demokratie kann von jedem Status Quo ausgehend begonnen werden und erfolgreich Bedingungen anstreben, die zu Ausgleich und Gerechtigkeit führen. Demokratie ist kein Zustand, sondern ein Prozess.

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        • Theresa Bruckmann schreibt:

          Wunderbar gesagt, Lutz Lippke,
          dieses Prozesshafte ist doch gerade die Chance, dazu der Wertepluralismus,
          den uns Leute wie Ingeborg Maus wieder entdecken ließen.
          Aber es ist auch schwer, sich dieses Prozesshafte vorzustellen.
          Lange Zeit habe ich Recht und Gesetz wie in Stein gemeißelt erlebt und gemeint, das müsse so sein. Aber als dann Bewegung reinkam, ging’s nur noch abwärts. Da ist es schwer, sich diese mögliche Bewegung als Chance vorzustellen.
          Faszinierend an dieser möglichen Entwicklung finde ich auch, dass während man den
          Willen des Volkssouverän im demokratischen Verfahren findet und als Durchsetzungsziel für die Politik formuliert, der Wertepluralismus wieder Gestalt annimmt und zu einer bunten Vielfalt von Strömungen führt, und dieses TINA überall aufbricht. Transformationen stellt man sich ja zielgerichtet vor. Diese Öffnung ergibt sich aber irgendwie nebenbei und ist doch so etwas wie eine Transformation, eine Redemokratisierung.

          Videohinweise am Mittwoch

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        • fidelpoludo schreibt:

          „Demokratie“
          „ist wohl in der menschlichen Sphäre das einzige widerspruchsfreie Konstrukt, das ohne selektive Vorrechte oder Vorbedingungen auskommt. Demokratie kann von jedem Status Quo ausgehend begonnen werden und erfolgreich Bedingungen anstreben, die zu Ausgleich und Gerechtigkeit führen. Demokratie ist kein Zustand, sondern ein Prozess.“
          Wo in Geschichte und Gegenwart ist das realisiert?
          Wenn Ihr Mausfeld richtig zugehört habt, nie und nirgends. Es war nicht einmal die Absicht ihrer Begründer.
          Schlußfolgerung: Sie ist und bleibt Utopie wie der Sozialismus. Wahrscheinlich wird sich – wenn überhaupt – der utopische Staatus sowohl von Demokratie als auch von Sozialismus nur durch die Realisierung beider in Anerkennung ihrer gegenseitigen Abhängigkeit voneinander aufheben lassen.

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        • willi uebelherr schreibt:

          Lieber Fidelpoludo, wenn wir Herbert Marcuse folgen, hat sich die Utopie bereits in eine vision oder perspektive verwandelt. Und so sehe ich das auch. Ich lehne es ab, den begriff Utopie zu gebrauchen, weil er uns den zugang beraubt.
          Ja, Demokratie geht nur auf der basis des Sozialismus, und Sozialismus nur auf der basis von Demokratie. Und, was soll uns daran hindern, uns auf diesem weg zu bewegen?

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          • fidelpoludo schreibt:

            Dieser Definition von Utopie, die ja wohl auch die Blochs ist, kann ich nur zustimmen. Und bei Bloch raubt sie uns gerade nicht den Zugang, sondern ermöglicht ihn erst. Sein „Prinzip Hoffnung“ und sein „Geist der Utopie“ binden die Utopie doch gerade an das real Mögliche. Das Problem sind und bleiben bis auf Weiteres die Hindernisse, die im globalen Erfolg der neoliberalen Propaganda und vielgestaltigen „TINA-Scheinarfumente“ – gestreut von den Massenmedien etc. – sich tagtäglich zeigen und immer wieder neu aufrichten, mit dem Resultat, dass wir mit unserern Anstrengungen und Argumenten die Massen nicht erreichen.

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      • willi uebelherr schreibt:

        Lieber Lutz,
        „Demokratie ist ein Mehrheitsprinzip“ …
        „Demokratische Selbstermächtigung heißt nicht, die Macht über die Verhältnisse zu übernehmen“.

        Beides trifft meiner meinung nach nicht zu. Ich definiere die Demokratie als „die Macht ueber die Verhaeltnisse“.

        Wir kennen, wenn es um entscheidungen geht, einfache und absolute Mehrheit, Konsens und Kontent Methode. Das letzte zielt darauf ab, dass kein begruendeter ein-/widerspruch existiert. Die begruendetheit muss die ein-/wider-sprechende person selbst bestimmen. Damit geht es nicht mehr um „formale“ mehrheiten, sondern um ueberein-/zu-stimmung.

        Das kenne ich von Cecosesola, ein zusammenschluss landwirtschaftlicher kooperativen im westen von Venezuela. Auch in vielen anderen formen von kooperationen, auch in Europa, wird es angewandt. Funktioniert aber nur, wenn ein gemeinschaftliches interesse existiert.

        Wie soll nun dies mit dem deutschen Eigentuemer eines landes mit einem haus darauf irgendwo auf unserem planeten, wo er nicht lebt und wohnt, funktionieren? Geht doch gar nicht. Damit faellt gemeinschaftliches gestalten heraus und die akteure agieren als raeuberrudel.

        „Im Falschen kann nichts Gutes entstehen“ ist ja so falsch auch nicht. Wenn wir demokratische prozesse betrachten, muessen wir uns den raum betrachten, in dem dieses stattfinden soll. Damit stossen wir notwendig auf die verhaeltnisse.

        Weil ich unser rechtssystem nicht als demokratisch bezeichne, muss ich da auch nicht versuchen, etwas „Demokratie“ vorzutaeuschen. Und, Verhaeltnisse zu transformieren und die Macht ueber sie zu uebernehmen, um sie auch transformieren zu koennen, widerspricht sich nicht. Eher bedingt sich gegenseitig.

        Lieber Fidelpoludo,
        „der Nötigung zum Verkauf der eigenen Ware Arbeitskraft und der Möglichkeit zum Profitmachen durch den Kauf der Ware Arbeitskraft anderer“. und dessen monopole rechtssetzung ueber den gewaltapparat Staat, vermittelt ueber den politischen ueberbau.

        mit lieben gruessen, willi

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  11. Theresa Bruckmann schreibt:

    Pardon, es geht um Privatrecht. Deshalb ist mein Hinweis auf 2 Gesellschaftsformen Unsinn.

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  12. Lutz Lippke schreibt:

    Mit dem Diebstahls-Argument wird der Unterschied zur beliebigen Willkür mit höherer Moral begründet. Denn nach der geltenden Strafnorm geht es ganz sicher nicht um Diebstahl. So überrechtlich begründet allerdings auch jede Willkür. Nicht von ungefähr trifft sich die Totalitäre im überrechtlichen Prinzip. Der Libertäre schießt im Traum die Bettler aus dem Eigentum, der Revolutionär träumt vom Erschießen der Privateigentümer, wenn er lückenhaft von Hausbesetzung hört. Die Suche nach dem ursprünglichsten Besitz oder Nichtbesitz führt ins nirgendwo. Nicht weil es im Allgemeinen falsch wäre über sinnvolle Formen der Besitznahme und Nutzung nachzudenken und diese anzustreben, sondern weil es im konkreten Fall eine geltende rechtliche und allgemeinverbindliche Situation gibt. Eine konkrete Lösung muss vom Konkreten und Erreichbaren ausgehen, nicht von einer ideellen Revision der ganzen Menschheitsgeschichte.

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  13. fidelpoludo schreibt:

    Liebe Leute,
    es darf doch hier auf diesem Blog nicht um einen Gegensatz zwischen Hausbesitzern mit Garten und denen gehen, die – wie ich – bloß zur Miete ohne Garten wohnen. Das Recht darauf (Haus mit Garten in angemessener Größe) dürfte keineswegs zur Diskussion stehen – auch nicht bei zeitweiliger Abwesenheit. Für mich beginnt es erst bei Ferienhäusern bzw. Zweit-, Dritt- und weiteren Wohnsitzb interessant zu werden, die nicht eigentlich zum primären Wohnraum zu zählen sind. Juristisch nicht gebildet und ausgebildet schon gar nicht, halte ich dafür, dass, neben über bestimmte Ausmasse hinausgehender Wohnraum unter Berücksichtigung der Anzahl der zu versorgenden Personen, der Besitz von Produktionsmitteln, Produktionsstätten und zur Produktion brauchbarem Land, Gewässer und Flüssen wie auch Luftraum und vielleicht weiteren Naturresoucen, entweder nicht oder nur zeitlich begrenzt und an bestimmte Bedingungen privat genutzt oder meinetwegen auch – nicht auf unbegrenzte Zeit – erworben werden darf. Dasselbe sollte auf das Internet und digitale Räume Anwendung finden, deren Nutzung zunächst einmal keinerlei Privilegienregularien unterworfen werden sollte.
    Also bitte! Auf dem vernünftigen Teppich bleiben.

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    • willi uebelherr schreibt:

      Lieber fidelpoludo, ich stimme dir in deinen inhalten vielfach zu, aber nicht in deinem apell.
      „Also bitte! Auf dem vernünftigen Teppich bleiben.“ Dort sind wir schon. Wir betrachten die verhaeltnisse mit dem fokus eines scheinbaren rechtskonflikts. Scheinbar, weil hier zumindest 2 verschiedene rechtsraeume aufeinander treffen.
      1) das diktat der prioritaet privater interessen ueber eigentumsverhaeltnisse
      2) das diktat gemeinschaftlicher verantwortung

      Wenn wir das lamentieren ueber rechtssetzung beenden und uns dem konkreten zuwenden, muessen wir uns entscheiden. Wir koennen unserem egoismus froenen und mit der illusion moeglicher privater bevorteilung uns den heirfuer notwendigen handlungsraum erhalten oder schaffen. Oder wir versuchen den standpunkt der lokalen bevoelkerung einzunehmen, was aus unserer eigenen erfahrung manchmal moeglich waere, und wenden unsere prinzipien der gleichwertigkeit aller menschen an.

      Es geht letztlich um universale prinzipien, die stabile lebensgrundlagen fuer alle eroeffnen oder die unterwerfung beliebiger regionen auf dem planeten unter die spekulativen konstrukte des FIAT-Geldsystems, das sich auf wenige regionen auf unserem planeten positiv auswirkt.

      Klaus-Peter hat ja voellig recht, wenn er sagt, dass sich in diesem „Wassertropfen“ die ganze Welt spiegelt. Wir sind also sehr fest auf dem teppich der Vernunft oder Unvernunft.

      mit lieben gruessen, willi

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    • kranich05 schreibt:

      Könnten wir uns darauf einigen, dass PERSÖNLICHES EIGENTUM zur Befriedigung persönlicher Bedürfnisse unstrittig (und also auch geschützt) sein sollte.
      Davon könnte man unterscheiden PRIVATES EIGENTUM zur selbständigen, den Lebensunterhalt sichernden Arbeit. Wie damit verfahren?
      Davon könnte man noch einmal PRIVATES EIGENTUM unterscheiden zur Anwendung fremder Arbeit zum Zweck des Profis. Damit wieder anders verfahren? Wie? Spielt vielleicht die Größe eine Rolle?

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  14. kranich05 schreibt:

    Liebe gnadenlose und weniger gnadenlose DiskutantInnen,
    ein Moment der kleinen Geschichte ist Euch zu meinem Bedauern überhaupt nicht aufgefallen: Dass Heinz seit Mitte November in Krankenhäusern hängt, dass die Gefahr einer Entzündung des Herzmuskels auch heute noch nicht gebannt ist, dass vielleicht sein ganzes Sehnen nach einen Frühlingsfrieden in seinem Refugium in Mallorca geht.
    Ihr wusstet schnell, für mein Gefühl allzu schnell, mit welchen Charaktermasken ihr es zu tun hattet und so waren Eure Urteile sofort sonnenklar und es ging nur noch um die Schlagkraft ihrer Begründung. (Entschuldigt meinen etwas pauschale Aussage.)
    Meine schüchterne Frage, ob es vielleicht originäre gemeinsame Interessen von Romafrau und Heinz gäbe, wurde überhaupt nicht erhört. Ich meine, dass es sie gibt.
    Und letzte Nörgelei: Die eigentlichen Übeltäter, Verursacher des Dilemmas blieben außen vor. Nein, nicht ganz außen vor aber doch außerhalb realisierbarer Handlungsvorstellungen.

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    • Theresa Bruckmann schreibt:

      Lieber Kranich05,
      also wenn es sich um ein Stück Literatur handeln würde, hätte ich mir viele phantastische Wendungen und Happy Ends vorstellen können, aber so?
      Heinz sehnt sich also nach Frühlingsfrieden.
      Frühling ja, wunderbar!
      Ein beidseitiges Aufeinanderzugehen braucht Mut und Kraft. In gesunden Tagen mag das dem einen oder anderen gelingen, eine friedvolle Wendung zu finden.
      So aber, in geschwächtem Zustand. Ich kann da nicht zuraten.
      Wenn Leute nach einer Reise in ihre Wohnung zurückkehren und entdecken
      müssen, dass eingebrochen wurde, soll – auch wenn alles wieder ordentlich
      hergerichtet ist, die Wohnung also aussieht als sei nichts gewesen – ein Gefühl
      der Verunsicherung, des sich nicht mehr Geborgenfühlens zurückbleiben, das
      sogar Schlaflosigkeit.verursacht.
      Die Roma-Familie ist ebenfalls unbehaust.
      Heinz wird wahrscheinlich nicht ruhen können, wenn er nicht nach Mallorca
      fliegt und alles in Augenschein nimmt. Er kann, die Situation der Roma-Familie und seine Lage als einen gemeinsamen Vorgang betrachten und bei der örtlichen Behörde/Gemeinde vorsprechen. Irgendetwas muss ja geschehen. Aber erholsam wird das erst einmal nicht. Am besten lässt er sich von einem Mediator (oder noch besser
      Jurist/Mediator) begleiten, der die Sache professionell in die Hand nimmt.
      So, das ist jetzt keine rechtliche Würdigung.
      Ich muss uns allesamt in Schutz nehmen; denn aufgrund unseres derzeitigen großen Themas ‚Recht vs.Demokratie‘ mussten wir annehmen, Sie präsentierten uns den Fall zur rein juristischen Problemlösung.
      Viele Grüße
      an die Rekonvaleszenten!
      Theresa Bruckmann

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      • fidelpoludo schreibt:

        Liebe Theresa,
        eine Kleinigkeit übersehen einige:
        Heinzens Haus ist nichts passiert. Er hat ja die preiswerteste Variante einer „Gated Community“ installiert. Sein Haus wird permanent überwacht. Es ist „nur“ seinem Freund, dem Steuerberater passiert, dass „„Eine Furie, vier, fünf Kinder am Rockzipfel,“ ihm öffnete „und sagte, dass sei jetzt ihr Haus.“
        Wer sein Haus überwachen läßt, dürfte wohl eine Ahnung davon gehabt haben, dass in der Gegend Leute unbehaust bzw. in Hütten dahin vegitieren, die irgendwann mal nach dem Motto handeln könnten:
        „Erst kommt das (menschenwürdige) Wohnen, dann die Moral!“

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        • theresa.bruckmann@t-online.de schreibt:

          http://www.mallorca-one.com/die-verlorenen-seelen-auf-mallorca/
          Sehe ich das richtig?
          Ist es nicht wie bei den ‚Tafeln‘, bei Landgrabbing und Klima-, Kriegsflüchtlingen;
          riesige katastrophale Zustände, größtenteils politisch verursacht, die bei uns
          ankommen und uns zum Handeln zwingen. Aber ist es dann nicht so, dass ich
          wenigstens noch entscheiden darf, wie und mit wie viel ich helfen will?
          Ich kann verschenken, was mir gehört.
          Ich kann aber nicht verschenken, was ein anderer hat. Das ist mir zu billig und willkürlich,
          das ist so ungefähr die Schiene „WIR schaffen das“, was doch so ungefähr heißt, „bei uns finden sich schon welche, die das machen werden.“
          Bei umfassender Mitbestimmung am Arbeitsplatz, die auch das „Was“ und „Wie“
          produziert wird, einschließt, würden Belegschaften keine Waffen herstellen (Richard Wolff).
          Unter jetzigen Bedingungen wird auf Konzernebene eingebrockt, was dann die Menschen ganz unterschiedlich trifft. Aber habe ich das Recht zu entscheiden, wie viel ein anderer geben, leisten muss? Zumindest Ersteres bezweifle ich!
          Unter jetzigen Bedingungen würde nur ein erklärter Notstand die Voraussetzung für eine
          Zwangsbewirtschaftung von Wohnraum schaffen.

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          • kranich05 schreibt:

            Liebe Therese,
            ich finde, Ihr Hinweis auf das nicht einheimische, sondern importierte Elend (auch aus Deutschland importiert) erlaubt uns, noch weiter zu differenzieren und zu konkretisieren und Schnellschüsse zu vermeiden.

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    • willi uebelherr schreibt:

      „Liebe gnadenlose und weniger gnadenlose DiskutantInnen, …“. Lieber Klaus-Peter, alle achtung. Das kam wirklich gut.

      Lieber Fidelpoludo, mein aufrichtigen dank. Es scheint mir, dir ist dies alles nicht unbekannt. Ich kenne es aus Latein Amerika. Insbesondere von den Europaeern und Deutschen. Und sie sind immer tierisch sauer, wenn ich ihnen meine haltung dazu darlege.

      „Erst kommt das (menschenwürdige) Wohnen, dann – das anspruchsrecht auf privates Eigentum“. Die „Moral“ ist eindeutig auf der seite menschenwürdigen wohnens.

      Und Klaus-Peter sagt es ja richtig, dass es in solchen situationen viele moeglichkeiten gibt, wenn wir sie finden wollen. Auch das kenne ich. Ohne militaer oder paramilitaer. Wenn die lokale bevoelkerung ein gemeinschaftliches interesse bei uns spueren und erleben, dann helfen sie. Da brauchen wir dann keinen privaten sicherheitsdienst.

      Aber ich will nicht ablenken. Wir gestalten immer das, was wir in unseren philosophischen grundlagen mitschleppen. Und werden dann auch das in unserer „demokratischen Rechtssetzung“ zum ausdruck bringen. Und an diesem doch eher einfachen beispiel, weil der besitzer verliert ja seinen hauptwohnsitz erst mal nicht, nur sein reserveabstellplatz wird der nutzung zugefuehrt, brechen grundsaetzliche philosophische differenzen auf, die dann irgendwie auf der ebene eines „formalen Rechts“ aufgeloest werden sollen. Was ja bekanntlich nicht und nie funktioniert.

      mit lieben gruessen, willi

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      • Lutz Lippke schreibt:

        Willi, Deinen/ unseren Intentionen von Menschenwürde vor Eigentumsrechten steht nicht das formale Recht entgegen, sondern eine herrschende Rechtsmeinung, die auch unter Berufung auf die Menschenwürde Eigentumsrechte fast absolut schützt. Gern wird dazu auf Enteignung und Unrecht in totalitären Regimes verwiesen, die vom Volk und formalem Recht getragen worden sei. Das Narrativ ist, dass das Volk und das formale Recht keine sichere Bindung an Moral hat, daher verführbar und manipulierbar ist und durch Eliten und Vorgaben geführt und in seiner Wirkungsmacht beschränkt werden muss. Die Eliten stellen sich quasi korrigierend über den Souverän und das formale Recht. So wird es von den kapitalistischen Eliten durchgesetzt und von den dagegen opponierenden Eliten mit eigener Ausrichtung übernommen. In jedem Fall wird das Volk und das formale Recht zum Objekt der jeweils eigenen moral-rechtlichen Inszenierung.
        Du schreibst „die dann irgendwie auf der ebene eines „formalen Rechts“ aufgeloest werden sollen. Was ja bekanntlich nicht und nie funktioniert.“
        Das ist sehr pauschal formuliert. Tatsächlich nutzen bisher alle Eliten in ihrem jeweiligen Machtbereich den Verweis auf formales Recht nur dann, wenn sie damit Ansprüche mühelos abwehren können. Sobald formales Recht die Ansprüche rechtfertigt, wird das formale Recht mit elitären Moral- und Vernunftgründen überlagert. Ich hoffte, das mit den Hinweisen auf Ingeborg Maus sichtbar gemacht zu haben. Bisher wird also eine tatsächliche Auflösung durch formales Recht von allen Eliten (den Herrschenden, wie den Opponierenden) verweigert und damit die Wirksamkeit demokratischer Prinzipien weitgehend verleugnet. Im politisch-moralischen Konflikt und der Regelungskompetenz liegt die Daseinsberechtigung des elitären Überbaus. Das Nichtfunktionieren ist also kein irgendwie von irgendwem, sondern hat System. Darin sind wir uns wahrscheinlich einig.
        Uneins sind wir uns in der Folgerung. Du wirfst das bestehende formale Recht als verlogenes Machtmittel der Herrschenden über Bord und willst es durch spontane Gerechtigkeit im Lokalen ersetzen. Das entspricht dem Prinzip der höheren Moral, verlegt diese nur von der abstrakten Makroebene in die lokale Mikroebene.
        Ich gehe davon aus, dass sich das Unrecht des Moralisierens, der Elitenbildung recht schnell auch auf der Mikroebene durchsetzt, wenn formalen Regeln wenig Beachtung geschenkt wird. Wir sind von Emotionen spontan zu großartiger Gerechtigkeit verführbar, aber ebenso zu Missgunst und Feindschaft. Die Enttäuschungen und Reaktionen zu Letzterem vergiften bereits in geringen Dosen jede Gemeinschaftssuppe, sei diese noch so gerecht zubereitet. Da liegt zwischen uns wohl Dissenz. Du verweist oft auf positive Erfahrungen in Lateinamerika. Ich gehe von den lokalen, also im Wesentlichen deutschen Verhältnissen aus, weil ich nur darin und davon ausgehend wirken kann.
        Eine andere Frage ist, ob die bestehenden Verhältnisse und formalen Rechte es zulassen, mittels demokratischer Prinzipien die notwendigen Veränderungen zu erreichen. Dafür sehe ich keine Garantie, aber gegenüber einem „irgendwie“ viel Potenzial. So ist es auch mit dem Eigentum. Das formale Recht garantiert nicht den absoluten Besitzanspruch, sondern hat nur das Potenzial einer Verlässlichkeit von allgemein akzeptierten Ansprüchen. Wesentlich dafür ist die Gleichheit vor dem Gesetz. Die spontane und rückwirkende Enteignung steht dem genauso entgegen, wie der absolute Anspruch auf Ignoranz des Besitzanspruchs gegenüber der Allgemeinheit. Die moralischen Wertungen zu „Die Deutschen“ auf Malle und die Folklore der Zigeuner widerspricht dem Gebot zur Gleichheit vor dem Gesetz. Das Konkrete ist Sache der Mallorquiner, nicht des deutschen Moral- und Rechtsverständnisses. Das muss dem Deutschen unter Deutschen auf Malle bewusst sein oder werden.

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      • kranich05 schreibt:

        „Aber ich will nicht ablenken.“ – Genau an dieser Stelle empfinde ich keinerlei Ablenkung. Ich meine sogar, hier sind Sie genau beim Thema angekommen.
        Und die „mitgeschleppten philosophischen Grundlagen“? – Herrliches Stichwort!
        Wir Linken haben die ABSOLUTE Verpflichtung keinerlei totes Wissen mitzuschleppen. Begreifen wir endlich, dass die Geschichte uns dafür fürchterlich verdroschen hat, zu Recht.

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  15. fidelpoludo schreibt:

    Kleine Erholungspause:

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  16. fidelpoludo schreibt:

    „Wenn Zigeuner Hochzeit machen, gibt es viel zu sehn!“

    Nach der Erholungspause jetzt wieder frisch ans Werk in halben Tippelschritten, damit es nur allmählich wieder ernsthaft werden kann. Fröhlicher Einstieg:

    „Wenn Zigeuner Hochzeit machen,
    Klingen die Gitarren,
    Wenn Zigeuner Hochzeit machen,
    Gibt es viel Musik.
    Wenn Zigeuner Hochzeit machen,
    Gibt es viel zu sehen,
    Wenn Zigeuner Hochzeit machen,
    passiert so mancherlei.
    Niemand weiß, woher sie kamen
    Und wohin sie gehen.
    Und sie tanzen und sie lachen,
    Bis das Fest vorbei.
    Wenn Zigeuner Hochzeit machen,
    Klingt es noch nach Tagen,
    Wenn Zigeuner Hochzeit machen,
    Feiern sie sehr laut.
    Aber über alle Berge
    Sind im bunten Wagen,
    Der Zigeunerbräutigam und
    Seine junge Braut.
    Und jetzt alle noch einmal den Refrain:
    Refrain:
    Ah, Oh, wie herrlich,
    Oh, wie schön,
    Aus dem bunten Wagen die Welt zu seh’n.
    Oh, wie herrlich,
    Oh, wie schön,
    ein Zigeunerwagen bleibt niemals steh’n.

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    • Johannes S. schreibt:

      Ein zu dieser Thematik passendes Gedicht, dass mein Vater verfasst hat und das Leben der Roma um die Zeit von 1930 beschrieben ist.
      „Sie sitzen am Lagerfeuer und braten einen Hund.
      Schon den achtzehnten heuer und der ist groß und rund.
      Dunkel sind die Gesichter, wie ringsherum die Nacht.
      Nur ihre Augenlichter das Feuer leuchten macht.
      Alle sie pfeifen, rauchen, jung, alt, Mann, Kind und Weib.
      Was sie an Kleidung brauchen lässt nackt den halben Leib.
      Auch aus dem Hintergrunde, wo ihre Hütten stehn,
      im Abendwinde bunte Lappen-die-Türen-wehn.
      Ich höre sie froh beraten und muß es sehr bereun,
      dass mir so mancher Braten nicht schmeckt, wie dem Zigeun.

      Anläßlich eines Besuches bei meiner volksdeutschen Verwandtschaft, habe ich
      mir den Hochzeitszug eines Zigeunerclans angeschaut, wollte bei der Hochzeits-
      feier dabei sein und wurde auch dazu eingeladen. Meine konservativ eingestellte
      Tante war empört über diese meine Offenheit.
      Die Roma erliegen nicht einer unstillbaren Gier nach materiellen Gütern und dem Sicherheitsdenken, leben mehr oder weniger nach wie vor von der Hand in den Mund. Das Leben der Roma ist in gewisser weise ein Rätsel, ein Mysterium und eine
      Provokation für den zielgerichteten westlich-kapitalistischen Menschentypus.

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      • fidelpoludo schreibt:

        „Die Roma erliegen nicht einer unstillbaren Gier nach materiellen Gütern und dem Sicherheitsdenken, leben mehr oder weniger nach wie vor von der Hand in den Mund. Das Leben der Roma ist in gewisser weise ein Rätsel, ein Mysterium und eine
        Provokation für den zielgerichteten westlich-kapitalistischen Menschentypus.“

        Lieber Johannes,
        die zwei Sätze haben etwas, auf dem ich noch rumzukauen gedenke. Leider muss ich jetzt brav ins Bett. Aber mein auf später vertagtes „Rumkauen“ wird sowohl deine These der Provokation stützen wie aber auch die einer geheimen Attraktion, einer Anziehung verbunden mit dem Verdacht, der hinüberwechselt bis zur Hoffnung, das die Roma mehr vom wahren Leben verstehen, wir also etwas Entscheidendes von ihnen lernen können. Insofern sind die Roma dann nurmehr das Extrem der südlichen Mttelmeer-Mentalität.
        Mir fällt da eine tolle Karikatur ein, die ich hier posten würde, wenn es möglich wäre, Fotos auf diesem Blog hochzuladen. Um das möglich zu machen, müßte der Kranich bestimmte Einstellungen vornehmen, von denen ich allerdings jetzt nichts verstehe.

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  17. fidelpoludo schreibt:

    Das ganze noch einmal in bunt (einmal abgesehen von den schwarzen Fliegen):

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  18. fidelpoludo schreibt:

    „Oh, wie herrlich, Oh, wie schön, ein Zigeunerwagen bleibt niemals steh’n.
    Ja jetzt haben unsere Gesetze eher mehr als weniger erfolgreich den Zigeunerwagen zu Stehen gebracht und zwingen sie zur Seßhaftigkeit. Und wenn sie dann auf ihre Art seßhaft werden, ist es auch wieder nicht recht.
    Aber es gibt ja den Markt, den Alleskönner. Vielleicht hat die „Integration“ mit dieser Strategie mehr Aussicht auf Erfolg:

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  19. fidelpoludo schreibt:

    „Ja wir haben Holz gestohlen, aber ohne Holz frieren wir doch!“

    Doppelter Integrationserfolg:
    Statt Holz und Häuser zu stehlen gibt es eine bei interessierten Deutschen eine beliebtere Form der Roma-Integration – der Markt, der Alleskönner greift den verzweifelten Mietzockern hilfreich unter die Arme. Und – nicht vergessen die ÖPP (Öffentlich-private Partnerschaft), neudeutsch auch PPP (Public Private Partnership) genannt – wenn die Betroffenen unter diesen Bedingungen Beihilfe für Mietwucher beim Sozialamt beantragen – schlimm genug! – können sie aber sehen, wo sie sich vor denen verstecken sollen, die als „deutsche Staatsbürger“ gleich um die Ecke wohnen (müssen), wenn sie den Zuschuß auch bekommen. Doppelte Intrgration: als Auszunehmende und als Feindbild. Wer kann mehr für Deutschland leisten?

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  20. fidelpoludo schreibt:

    Mafiöse Abzockerclans mit Furien und vier Kindern am Rockzipfel im vorgeschobenen Schlepptau?
    „Ihre Masche? Nehmen, was einem nicht gehört!“ Also diese Roma, die kommen ja auf Ideen! Man glaubt es nicht! Und dann dieser hier erst:

    „Es wäre doch schlimmer, wenn ich unter der Brücke schlafen müßte! Deshalb besetze ich Häuser! Das ist doch viel menschlicher! So ich das.“

    Aber wir wollen bei aller Fokussierung auf die „Täter“ die „Opfer“ nicht vergessen: Heinz, dessen Freund und Steuerberater das passiert ist, was zu verhindern er selbst Vorsorge getroffen hat, an deren Effi- und Suffzienz nach dessen Erlebnissen nun aber der Zweifel nagt. Wir fühlen uns geneigt, gegen den Freund von Heinz, den Steuerberater, Anklage wegen Beihilfe zur kriminellen Hausbesetzung zu erheben, da er es versäumte – wie jeder betuchte, also ehrenhafte Staatsbürger – sein Haus in eine Gated Community zu integrieren oder zumindest permanent überwachen zu lassen. Wir stellen befriedigt fest: Das „Opfer-Täter-Karussel“ dreht sich heutzutage immer schneller, so dass einem schwindlig wird. Eigentlich nur übertroffen vom Drehtüreneffekt, den wir wahlweise vom Politiker zum Konzernmanager und umgekehrt miterlebt haben und noch miterleben werden. Diese „Revolving door“ dreht sich so schnell, das wir gar nicht mehr dazwischen kommen. Neben dem Effekt, auf diese Weise wieder noch mehr Schwung in den taumelnden Laden gebracht zu haben, haben wir in vorauseilendem Gehorsam auch an die notleidenden Rechtsanwaltkanzleien gedacht, die ja auch leben wollen und verzweifelt auf der Suche nach Marktlücken für ihre Art ausgeklügelter Dienstleistungen sind. Unser Beitrag, die Wirtschaft anzukurbeln ist also nicht gering zu schätzen: „Wir steigern das Bruttosozialprodukt!“ Ersparen uns aber, vorher in die Hände zu spucken. Das wäre unnötige Energieverschwendung.

    Ob es den Freund von Heinz gar nicht gibt und er vielleicht nur SPIEGEL-TV gesehen hat?

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  21. fidelpoludo schreibt:

    Dieser Heinz hatte ja wirklich Pech. Warum mußten es auch gerade Roma sein, die vermittelst der Einnahme des Hauses seines Freundes sein eigenes bedrohten. Die stammen letztenendes aus Indien, was böhmische Dörfer für einen Islamwissenschaftler sind. (Stimmt nicht ganz, aber sind wir mal nicht so streng mit der Wahrheit). Jedenfalls: Wären es Flüchtlinge aus dem Irak oder Syrien gewesen, hätte die Sache schon anders ausgesehen und er hätte den Besetzern möglicherweise weder das Gefängnis auf den Hals gewünscht, noch die verschleierte Frau eine Furie genannt. Die Besetzer hätten sich in ein lohnendes Objekt seiner vom fachlichen ins private verlängerten Neugierde verwandelt und er wäre auf lange Sicht in die Versuchung gekommen, Ummagefühle zu entwickeln, die auszupacken und am eigenen Leib zu spüren er bisher noch nicht die Gelegenheit hatte.

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  22. willi uebelherr schreibt:

    Liebe freunde, ich antworte hier, am ende, weil es mir um mehr geht als einzelne antworten.

    Die Sinti und Roma, ein nomadisches volk, wie viele unserer vorfahren, kommen aus Indien. Fidelpoludo hat zu recht darauf hingewiesen. Jaehrlich findet in Saintes Marie de la Mer in Suedfrankreich ihr grosses treffen statt. Wenn wir das mal erlebt haben, wissen wir, was kultur ist.

    Wir sollten auch nicht den Voelkermord an Sinti und Roma in Deutschland und Mittel-Europa vergessen. Und auch nicht die massiven gewaltaktionen ueberall in West-Europa insbesondere in Frankreich.

    Theresa reagiert nun mit „Bewirtschaftung des Wohnraums“. Ich frage mich, was hier nun das wort „wirtschaften“ damit zu tun hat. Wenn wir vernuenftig wirtschaften, schaffen wir wohnraum im ueberfluss. Also zumindest mehr, als gebraucht wird. Genutzt kann es immer werden.

    „Bewirtschaften“ ist ja eine passive projektion. Wir tun etwas, was mit wirtschaften nichts mehr zu tun hat. Es wird benutzt, verwertet. Dem hausbau steht der bedarf an geschuetzten raeumen gegenueber und dieser bedarf fuehrt zum hausbau. Um redundanz zu erzeugen, also mehr, was eigentlich erst mal notwendig waere.

    Kapitalistische logik setzt am mangel an. Die „bewirtschaftung“, die verwertung wird maximal, wenn der mangel maximal wird. Bis zu dem punkt, wo die sozialen grundlagen und andersweitige verwertung nicht mehr funktioniert. Dann fliegt es uns um die ohren.

    Das ist ja mit der „bewirtschaftung“ der bevoelkerung aehnlich. Lohndumping und aufloesen sozialer sicherheiten kann nur bis zu dem punkt getrieben werden, wo die freiwillige unterwerfung greift. Danach ist es schluss.

    Lutz hat ja wieder eine grossartige reflektion beigetragen. Trotz aller ihm sehr bewussten verstaendnissen von Rechtssystemen und politichem Ueberbau schreibt er:
    „Wir sind von Emotionen spontan zu großartiger Gerechtigkeit verführbar, aber ebenso zu Missgunst und Feindschaft.“

    Beide extreme haben ihre grundlagen: Egoismus oder Communismus, das Mein oder das WIR/UNS. Jetzt weiss ich natuerlich, dass die menschen aus der DDR verbrannt sind. Propaganda versus Praxis. Theresa hat in einem frueheren beitrag sofort das argument der Pacht auf Landnutzung eingefuehrt. Warum fuer wen?

    Wir sehen, wie scheinbar progressive standpunkte tief im reaktionaeren morast des Egoismus stecken. Wir koennen es als „bewirtschaften“ gemeinschaftlicher resourcen bezeichnen. Das fuehrt dann immer hin zu einem Staat. Eine ueberlagerte instanz, wo dann individuelle akteure das gemeinschaftliche interesse repraesentieren. Voellig absurd.

    Die hausbesetzungen in Mallorca oder Berlin thematisieren den wirklichen antagonismus. „Reclaim the City“, die wiedereroberung der stadt, „Reclaim the Street“, die wiedereroberung der Strasse. Sei es mit bauwagensiedlungen oder restauration alter doerfer. Dort gibt es dann kein privates Eigentum Alle sind nutzerInnen und vielleicht auch gestalterInnen und Neuschaffende.

    Eine Gemeinschaft, die sich ueber privates Eigentumsrecht definiert, ist keine Gemeinschaft. Das sind haufen von raeuberrudeln.

    Die freie, kooperative nutzung gemeinschaftlicher resourcen ist die bedingung zur oeffnung kreativer raeume der einzelnen. Und nicht umgekehrt. Und nur so kann sich auch die verantwortung fuer die vielfalt der natur ihren weg bahnen.

    So koennen sofort siedlungpunkte fuer die nomadisch lebenden menschen entstehen. Weil sie nur nutzen und niemals andere aussperren, wenn sie es selbst nicht nutzen. Und nur so koennen die nomadisch lebenden menschen das wandern und stehen bleiben konstruktiv miteinander verbinden, weil beides positive wirkung entfalten kann.

    Die grundlage allerdings fuer einen positiven umgang ist etwas ganz anderes. Hier kommt die uoekonomische unabhaengigkeit ins spiel. Dazu werden lokale technische infrastrukturen benoetigt. Das schwingt ja bei mir immer mit, weil ich denke, sehr gut zu verstehen, unter welchen bedingungen menschen autonom und unabhaengig ihre lokale lebensweise gestalten koennen.

    Ich vermuete, dass dies auch bei der hausbestzung in Mallorca eine rolle spielt. Noch hat der mafiose staatsapparat Spanien die macht der gewalt in seinen haenden. Er schuetzt die privaten Eigentuemer aus dem ausland. Das ist teil seiner zweckbestimmung. Global agierende kapitalinteressen brauchen so etwas. Fuer die lokale bevoelkerung waere es bestimmt einfach, eine zukunftsfaehige loesung zu finden.

    Im „Wassertropfen“ sehen wir wieder den grundkonflikt. Privat mit Staat gegen menschliche gemeinschaften und Natur.

    mit lieben gruessen, willi

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    • Theresa Bruckmann schreibt:

      Wenn ich ‚bewirtschaften‘ von Wohnraum sage, meine ich nicht die Privatwirtschaft.
      Das kann man so verstehen, zumal wenn ein/e Ökonom/in das sagt.
      Ich meine, dass so wie in Zeiten eines ’starken Staates‘ das Staatsziel Vollbeschäftigung dafür sorgte, dass ungefähr so viele Arbeitsplätze neu entstanden, wie insgesamt vorhanden sein müssen, damit ein jeder Arbeitssuchende in kurzer Zeit einen (neuen) Arbeitsplatz bekam.
      Mit „Bewirtschaften von Wohnraum“ meine ich, dass die Gemeinde, Stadt, so viele Wohnungen erstellen oder erstellen lassen soll, dass eine/r Jede/r eine passende und kostengünstige Wohnung findet. Das muss nicht unbedingt in Trägerschaft der Kommune geschehen. Entscheidend ist die Verantwortung für die Menge und die Preiswertigkeit von Wohnraum. (Das ist jetzt keine schöne Formulierung, weil es ‚aus dem Stegreif geschieht.
      Aber so eine Beinah-Diffamierung kann ich keine Minute länger stehen lassen.
      Herr Uebelherr, Ihre Einwände sind sehr wertvoll. Ich schätze sie, weil sie mich zwingen, noch tiefer nachzudenken; aber nicht mit dem Ziel der unbedingten Annäherung, sondern um die eigene Position entweder zu verwerfen, deutlicher herauszuarbeiten oder zu ergänzen/modifizieren.
      Wir sehen, wie scheinbar progressive standpunkte tief im reaktionaeren morast des Egoismus stecken. Wir koennen es als „bewirtschaften“ gemeinschaftlicher resourcen bezeichnen. Das fuehrt dann immer hin zu einem Staat. Eine ueberlagerte instanz, wo dann individuelle akteure das gemeinschaftliche interesse repraesentieren.

      Wie wohltuend sind dagegen, die teilweise auch sehr kontroversen Diskussionen, wie sie auf Memo-Tagungen geführt werden!

      Ich bezweifle, ob die Anerkennung der Gleichwertigkeit aller Menschen (bedeutet ja auch in ihren Lebensbezügen), wie Mausfeld sagt, hier von allen geteilt wird.
      Den Zweifel habe ich bisher nicht geäußert, weil ich denke, dass er sowieso im Verlauf weiterer Kommentare und Einwendungen zum Vorschein kommt.
      Unter anerkennen verstehe ich mehr als nur tolerieren und akzeptieren. Anerkennen hat mit gleicher Augenhöhe zu tun, eben keine Herabsetzung von Anderssein.

      Zu den nomadenden Menschen: Mein Großvater war Bürgermeister (bevor die Nazis einen anderen stellten), Land- und Gastwirt. Einmal im Jahr kamen die Menschen mit ihren Wagen, waren Gast bei meinem Großvater auf dem Hof. Sie spielten und sangen zusammen, mein Großvater mittendrin (könnte ich mir auch vorstellen). Diese die Lebensweise, mit ihren Wagen von Ort zu Ort zu ziehen und davon zu leben, dass sie den Menschen Musik und Tanz brachten, gefällt mir sehr viel besser als Oktober- und andere angesagte Feste. Sie hatten freie Kost, logiert haben sie in ihren Wagen. Die Geige im Nachlass meines Großvaters war uns ein Rätsel, bis einer die Geschichte erzählte. Wahrscheinlich hat er sie im Tausch erworben. Wie die Gemeinschaft funktionierte, die Stellung der Frau, wie sie die Kinder lehrten und schulten,
      weiß ich nicht, weil diejenigen, die noch berichten könnten gestorben sind. Schade, dass ich erst davon erfahren habe, als Großvater tot war. Wenn er tagelang unter ihnen war, wird er wohl auch ihre Lebensweise gekannt haben. Dass es eine Sehnsucht nach Weite in engen Konventionen gibt, kann ich mir gut vorstellen. Und als dann die Naziherrschaft musste man solche Sehnsüchte sowieso verheimlichen. Das war dann wohl auch das ‚Aus‘ dieser Lebensweise her bei uns.
      Danke, Lutz Lippke für das Video.

      Dass sich eine Gemeinschaft einen wie auch immer gearteten Überbau gibt, der die Einhaltung gemeinsam gefundener und manifestierter Regeln überwacht und bei Verstoß
      sanktioniert halte ich für notwendig.
      Ohne so etwas herrscht doch das Recht des Stärkeren und nicht das Recht. Außerdem fürchte ich das sich gegenseitige ‚Überwachen, Denunzieren‘, auf den ‚richtigen Weg bringen‘, weit mehr als eine von allen anerkannte und im demokratischen Prozess gewählte (Vereins)-Satzung oder wie man das nennen mag.

      Wodurch Geld zu Kapital wird, ist ebenso wesentlich zu erkennen, wie der Moment, der Boden zu einem Produktionsmittel macht. Beides ist nicht trivial und will ich hier nicht ausführen.
      Nur so viel: Ulrike Herrmann erklärt in einem interessanten Video den Unterschied.
      Heinz-J. Bontrup sagt „Denn Geld oder in Kapital umgewandeltes Geld ‚arbeitet‘ nicht, es erwirtschaftet auch keine Rendite. Vielmehr stellen diese vermeintlich selbständigen Dinge nur unterschiedliche Erscheinungsformen des Mehrwerts, also menschlicher Mehrarbeit dar.
      (gemeint sind kalkulatorischer Unternehmerlohn, Zins, Grundrente , Risikoprämie, Opportunitätskosten). Aus Arbeit, Kapital und Staat – Plädoyer für eine demokratische Wirtschaft, 5. Zusammenfassung, S.606.

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      • fidelpoludo schreibt:

        „Dass sich eine Gemeinschaft einen wie auch immer gearteten Überbau gibt, der die Einhaltung gemeinsam gefundener und manifestierter Regeln überwacht und bei Verstoß sanktioniert halte ich für notwendig.
        Ohne so etwas herrscht doch das Recht des Stärkeren und nicht das Recht.“
        Vollkommen richtig! Allerdings: Die Betonung liegt für mich darauf, dass die Gemeinschaft sich diesen Überbau gibt – mit der sehr notwendigen Einschränkung (auch als „Zusatz“ lesbar), dass sie ihn jederzeit sich auch wieder nehmen bzw. ersetzen kann. Und ihn nicht einfach vorfindet und ihm in der anno dazumal eingesetzten Gestalt auf ewig ausgeliefert bleibt, weil er sich von der Gemeinschaft entfernt, abgesondert hat und sein Mandat für andere Zwecke mißbraucht als der Gemeinschaft zu dienen. Ein gewählter Führer, Funktionär, Sprecher, Häuptling, Vorstand etc. ist ein „Überbau auf Zeit“, der aus der Gemeinschaft kommt und wieder in sie zurückkehren kann und früher oder später auch muß. Im Grunde genommen ist er gerade im Überbau oder in seiner Überbaufunktion immernoch Teil der Gemeinschaft, zwar ein herausgehobener, aber ihr doch nicht nur verpflichtet, weil sie ihn dazu ermächtigt hat, sondern auch ihre Anerkennung der „Mehrwert“ ist, der den wichtigeren Teil des Ausgleichs ausmacht, den er für sein Mehr an Verantwortung und Leistung von der Gemeinschaft erhält.
        Wenn Arbeitsteilung ein Element der Basis (Gemeinschaft) ist, dann gehört der gewählte Überbau zur Basis. Er ist eine „Beule der Basis“.

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        • Theresa Bruckmann schreibt:

          Vollkommen einverstanden. Das ist das faszinierende prozesshafte an dem Zustandekommen eines Volkssouverän-Willens, den uns Maus (wieder)entdecken ließ.

          Das Veränderbare hat man uns ja gerade genommen (Lutz Lippke am 9. Februar 19.45 h.im Rahmen der Kommentare zu seinem Gastbeitrag vom 06. Februar 2018 „Recht versus Demokratie?“ unter 3. Bürgerliche Rechtstheorie in der BRD.

          Wörtlich: „In den neueren Verfassungsinterpretationen haben sich gegenüber der Weimarer Verfassungsdiskussion aber die Rollen vertauscht.

          Während reaktionäre Intentionen (Zielsetzungen) nun scheinbar eine beschränkende neopositivistische Verfassungsinterpretation artikulieren, wendet sich die progressive Staatslehre einer antiformalen Interpretation der Verfassung zu. Aus demokratischem Verständnis heraus kann die detaillierte inhaltliche Bestimmung der Verfassung aber nicht schon in der Verfassung selbst aufgefunden werden. Das hätte nämlich zur Folge, dass solche Inhaltsbestimmung als Ergebnis rechtstheoretischer Erörterungen oder autoritärer Entscheidungen des Verfassungsgerichts dem Juristenstand überlassen bliebe…“

          Ich gebe zu, dass ich diese Sätze – ich weiß nicht wie oft – lesen musste, bis sie mir klar wurden. Das liegt aber nicht an Lutz Lippkes Darstellung, sondern an der ‚Juristensprache‘. (Mein guter Geist weigert sich, solche Texte gegenzulesen, weshalb mir jetzt allerhand (Schreib)fehler unterlaufen.

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  23. Lutz Lippke schreibt:

    Eine arte-Doku über die Gypsy Kings beeindruckte mich sehr. Mir war nur die kommerzielle Phase in den USA bekannt, aber gerade beim fahrenden Volk sind die Wurzeln wohl stark.

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  24. fidelpoludo schreibt:

    Hallo Lutz,
    idh kannte die Geschichte der Gipsy Kings nicht, war aber vom ersten Song an fasziniert von der Musik. Meine Söhne haben mich deswegen ausgelacht und belächelt. Sie meinten, das wäre nicht mehr authentisch. Sie hätten die Tradition verpopt und dadurch verraten. Sie meinten, nur Manitas de Platas und andere weniger bekannte, das sei noch authentisch. War mir egal. Ich kann nicht verstehen, wieso man die eine Art gegen die andere ausspielen muss. Mir gefällt Manitas de Platas oder Paco de Lucia auch, aber die Gipsy Kings eben noch besser. Außerdem scheinen sie mir in ihren Ausdrucksformen etwas breiter aufgestellt, mit denen sie verschiedenen Ursprünge ihrer Musik anknüpfen, etwa auch an die Wüste und wohl auch Arabisches ohne den Islam, eher an die Berber. Danke für das Video.

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  25. fidelpoludo schreibt:

    „Ein Gespenst geht um in Europa“ – Es soll zuerst in Spanien gesichtet und besichtigt werden. Mich würde es nicht wundern, wenn es nahezu zeitgleich auch andere Länder Europas heimsucht und in Wallung bringt:
    https://www.transform-network.net/en/blog/article/thinking-with-marx-today-1/
    Die nahezu totale Heimsuchung Madrids erstreckt sich auf die folgenden Gebiete:
    —– Philosophie —– Politische Ökonomie —– Geschichte —– Raumproduktion —–
    —– Kommunikation und Kultur —– Literatur und Marxismus —– Wissenschaft und Technologie —-
    —– Staat, Politik und Gesellschaft —– Marx und Soziologie —– Marx und Psychologie —–
    —– Marx und Erziehung —– Marx – Imperialismus – Geopolitik —– Marx und Lateinamerika —–
    —– Marx und Ökologie —– Marx und die Menschenrechte —–

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    • kranich05 schreibt:

      Dieses Gespenst wird uns im laufenden Jahr noch mehr als genug beschäftigen. Ich bin mir sicher, dass AUCH Staaten, superreiche Mäzene, Denkfabriken jedweder Dotierung bis hin zu weitblickenden Geheimdienststrategen Berge von Geld und unenedliche man power aufbieten werden für den „richtigen Umgang“ mit diesem Gespenst.
      Dem Beobachter des enormen Geschehens, der souverän bleiben (oder werden) möchte, empfehle ich darauf zu achten, welche Querverbindungen vom alten Marx zu Lenin, der Sozialistischen Russischen Revolution und den Bolschewismus gezogen werden.
      Ich sage voraus, dass solide Arbeit in diesem „Themenstrang“ rar sein wird.

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      • fidelpoludo schreibt:

        Also verwässerte, verdünnte „Marxismus-Suppen“ mit der einen oder anderen zum Marxportrait geformten Eiernudel versetzt, aufgepeppt mit einigen Che Guevara-Varianten derselben Machart? Ich hoffe doch sehr, der Kranich wird aus der Vogelperspektive auf solide wie extrem hanebüchene Arbeiten aufmerksam und unsere Aufmerksamkeit darauf lenken, um angemessen damit umgehen zu lernen.

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