PolitikInfrastruktur, PolitikTektonik

„Politikinfrastruktur“, „Politiktektonik“ sind Worte, die mir eingefallen sind. Ich weiß, dass sie unklar, verschwommen, undefiniert sind. Es sind keine Begriffe. Bekanntlich stellen sich leicht Worte ein, wo die Begriffe fehlen.

Trotzdem habe ich sie festgehalten, weil sie sich mir aufgedrängt haben, um einen Eindruck zu umschreiben. Es ist der Eindruck, dass Grundlagen, Bedingungen, Voraussetzungen von Politik (in diesem Sinne ihre Infrastruktur), obwohl sie selbst unpolitisch sind (oder zumindest vordergründig so erscheinen), enormen Einfluß auf die Politik haben. Sie fixieren oft den Gesamtrahmen des Politischen, bestimmen von vornherein, was in konkreten Situationen überhaupt als politisch möglich gilt oder aber „TINA“ ist.

Beispiel Abschlußbericht MH17: Er soll frühestens in einem Jahr vorliegen, natürlich aus rein fachlich-technologischen Gründen. Das ist Suspendierung der Politik (soweit ich diese mal als demokratischen Prozess auffasse), immerhin in einer Frage, die zu einem Kriegsauslöser hätte werden können.

Beispiel Prozess gegen islamistische Täter eines versuchten Bombenanschlags: Es ist die Rede von 55 Verhandlungstagen und einer Prozessdauer von mehr als einem Jahr. Wer legt solche Prozessdimensionen fest? Prozessdramaturgie, die ungeahnten Raum schafft für eine monatelange bis jahrelange Medien- und Politikdramaturgie.

Die Mollathprozesse vergleichend – sein erster, in dem sechs Stunden ausreichten, ihn jahrelang verschwinden zu lassen, sein zweiter, in dem wochenlange Verhandlungen das erwartete Ergebnis brachten – Vorbildlichkeit der bayerischen Justiz und des BRD-Rechtsstaats – beide Prozesse führen auf dieselbe allgemeinere Frage: Wer bestimmt die Dramaturgie solcher juristischen Vorgänge? Spielen dabei politische Absichten eine Rolle?

Auch direkt im Propagandageschäft der Medien spielen solche weitgesteckten Festlegungen/Orientierungen (man könnte sie auch Feldmarkierungen oder -besetzungen nennen) eine unauffällige aber gerade darum enorme Rolle. Ein Beispiel habe ich bei HaBe gefunden: Die „Frankfurter Rundschau“ warnte am 8.9. vor einem für 22. November 2014 geplanten „Quer-Denken-Kongress“ in Neu-Idenburg wegen der dort „mutmaßlich stattfindende Verbreitung antisemitischer und rechtspopulistischer Propaganda“. Ich sehe hier eine weit vorausschauende Mobilisierung (in scheindemokratischer Form) gegen die Meinungsfreiheit. (Man kann es auch Faschisierung des öffentlichen Lebens nennen.)

Bei allen drei Beispielen geht es um nicht weniger als eine Kanalisierung politischer Prozesse lange bevor diese Tagesgeschäft sind aber so, dass „im Tagesgeschäft“ – je nach bestimmendem Interesse – nichts mehr (oder nur in einseitiger Weise) entschieden werden kann.

Meine drei Beispiele waren von begrenzter, innenpolitischer Bedeutung. Doch auch in den „großen Fragen“, in der Geopolitik, wenn es um Krieg und Frieden geht, sind solche „strategischen Schachzüge“ auszumachen. „IS“, der islamische Staat, dürfte eine Figur auf diesem Spielfeld sein.

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2 Antworten zu PolitikInfrastruktur, PolitikTektonik

  1. Nina schreibt:

    In Neu-Isenburg (südlich von Frankfurt) findet der Quer-Denken-Kongress statt, soweit ich weiß.
    Vielleicht wäre eine Korrektur im Text sinnvoll, damit interessierte Besucher den Ort auch finden können ;-)))

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