Gute Worte, gutes Geld – Bayerns heile Rechtsstaatwelt

Die meinungsführenden Mollathunterstützer (Darf ich sie nach der erfolgten „Reinigung“ des Unterstützerkreises so nennen?) haben nach Mollaths Freilassung ihre Genugtuung zum Ausdruck gebracht, dass der Rechtsstaat nun wieder funktioniere. Dr. Strate: „Rechtsstaat in Bayern wieder hergestellt“. Frau Wolff: „… daß das OLG den Kraftakt geleistet hat, schnell und unbürokratisch und erstmals den Rechtsstaat wiederherzustellen,…“.

Michael Kasperowitsch im Bändchen „Staatsversagen“, Seite 30, scheint zwar anderer Meinung zu sein („Der Hinweis, die Entscheidung des Nürnberger OLG und des Bundesverfassungsgerichts hätten gerade gezeigt, dass der Rechtsstaat funktioniert, entbehrt nicht eines starken Zynismus….“ (Hervorhebung – Opa)), doch das nur am Rande.

Ich rede lieber gleich von den hohen Rechtsstaatsrepräsentanten, den neu oder wieder gewählten Abgeordneten des bayerischen Landtags. Und weil es heißt: „Über Geld spricht man nicht“, fange ich mit den guten Worten an. Die kommen von Bischof Bedford-Strohm. Der Bischof kennt sich aus mit guten Worten, mit Geld, sogar mit der Geige. Seine Worte richtete er am 7.10.2013 an die „Liebe Landtagsgemeinde“. (Den ersten Hinweis auf diese Predigt habe ich einem Schreiben von Richter i. R. Heindl entnommen.)

Bedford-Strohm gibt den Abgeordneten zwar zu verstehen, dass sie sich vor Moralismus hüten sollen, doch zugleich sollen sie leeres christliches „Geplärr“ vermeiden, damit „das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach“ ströme. Doch wie schwer ist es, „zu wissen, wo spontane Hilfe gebraucht wird und wo sie vielleicht sogar mehr schadet“. Oh Gott, wie schnell kann man/frau im Gestrüpp der zahllosen Lobbyinteressen zum Buhmann des Rechtsstaats werden! „Gold und Silber anzuhäufen“ – das kann es nicht sein, wohl aber, ob wir „die Kranken menschenwürdig gepflegt und uns um die Gefangenen gekümmert haben“. Denkt Herr Bedford-Strohm hier etwa auch an seine Kirche, die sich gegenüber allem Flehen des Gustl Mollath taub stellte? Jedenfalls wird er richtig konkret, da es ums Geld geht: Der wahre Samariter und Christ sage nicht: Das ist das Budget, damit musst du auskommen, sondern: Wenn es mehr kostet, werd‘ ich’s dir bezahlen.

Sicher werden wir bald erfahren, wie die Abgeordneten mit dieser bedenkenswerten Empfehlung umgehen. Soweit es sie selbst betrifft jedenfalls, gibt es ein Budget. Ende der Fahnenstange, und keinen Heller mehr. Es scheint eine begrüßenswerte Transparenz einzukehren. (Man verzeihe mein Nichtwissen, falls derartige Transparenz zur Abgeordnetenvergütung auch bisher schon geherrscht hat.)

Laut Informationsbroschüre von November 2013 gelten für die Zahlungen an die Abgeordneten des bayerischen Landtags die folgenden Größen: Eine (steuerpflichtige) Entschädigung von 7244 €, die (anders als meine Rente) monatlich im Voraus zu zahlen ist. Hinzu kommt eine steuerfreie, mandatsbedingte Kostenpauschale von monatlich 3282 €. Auf Antrag können den Abgeordneten für Aufwendungen für die Erledigung der parlamentarischen Arbeit im Rahmen von Arbeit-, Dienst- und Werkverträgen monatlich bis zu 7524 € erstattet werden. Die Abgeordneten können weitere Beihilfen und Erstattungen erhalten. Ich höre auf zu zählen. Man lese selbst.

Für grob gesagt 20.000 € im Monat wirkt jeder Abgeordnete für das Wohlergehen des Volks und des Steuerzahlers und des Rechtsstaats und der Forensiken und des GGG (d. i. das „Ganz Große Geld“) – jeder eine integrierte Persönlichkeit einer wahren Funktionselite. Alles wird gut.

Wer Lust hat, mag jetzt noch ausrechnen, wie viel der bayerische Landtag pro Jahr kostet und sich dann klar machen, dass das Peanuts für GGG sind.

Um Mißverständnissen vorzubeugen:

Nur die Sachlage und der Reim haben mich veranlasst, den Titel „Bayerns heile Rechtstaatwelt“ zu wählen. Keine Sekunde glaube ich, wir hätten es nur mit einem bayerischen, nicht einem bundesdeutschen Phänomen zu tun.

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PS, nochmal zum Geld:

In dem erwähnten Schreiben behauptet Richter i. R. Heindl übrigens, dass der Gerichtsmediziner Prof. Dr. Betz aus Erlangen jährlich von bayrischen Dienststellen 10.000 Gutachteraufträge erhalte, an denen er 3 Mio € verdiene. Ich mag das gar nicht glauben, doch Heindl teilt etliche Einzelheiten mit. Und eines, scheint es, hat ja der Fall Mollath gelehrt: Es gibt nichts, was es nicht gibt.

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7 Antworten zu Gute Worte, gutes Geld – Bayerns heile Rechtsstaatwelt

  1. Joachim Bode schreibt:

    Sicher ist es gewagt, von der Wiederherstellung des Rechtsstaats in Bayern zu reden, wie es Frau Gabriele Wolff und RA Dr. Strate getan haben. Der nächste Akt in Sachen Mollath – das Wiederaufnahmeverfahren – wird zeigen, ob diese „Wiederherstellung des Rechtsstaats in Bayern“ nur wenig das Leben einer Eintagsfliege überdauert.

    Aus Dr. Strates Sicht könnte eine Portion Verteidiger-Taktik eine Rolle spielen bei seinem Lob der bayerischen Justiz in Gestalt des OLG Nürnberg. Auf andere Teile der Justiz in Bayern dürfte sich sein Lob nämlich beleibe nicht beziehen, denkt man an die noch anhängigen Verfahren vor dem OLG Bamberg (Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der weiteren Unterbringung durch das LG Bayreuth) sowie das Klageerzwingungsverfahren, das in der Beschwerde vor der anscheinend unzugänglichen Türe des OLG München vor sich hin ruht. Wer weiß dies besser als Dr. Strate!

    Und Gabriele Wolff hat ihre von Opa gerügte Feststellung ausdrücklich auf die spezielle Situation Mollaths in der Wiederaufnahme gemünzt, womit sie ja nicht falsch lag. Auch sie wird die Fallstricke erahnen, mit denen bayerische Kollegen derzeit eifrigst daran basteln, Mollath weitere Genugtuung wegen des erlittenen Unrechts zu verweigern. Immerhin ist in ihrem Blog immer wieder heftigste Kritik an Bayerns „Rechtsstaat“ zu vernehmen (auch von mir), was bei weitem nicht nur auf den derzeit sehr diskutierten Fall Gurlitt beschränkt ist.

    Wunder geschehen in der Regel nicht, und schon gar nicht in Bayerns Justiz.

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  2. gelegentlich hier schreibt:

    @ Joachim Bode:
    Herr Strate hat doch folgsam den von Generalstaatsanwalt Nerlich geforderten Wiederaufnahme-Antrag durch die Verteidigung eingereicht, da könnte die bayerische Justiz jetzt dem Hanseaten schon etwas Dankbarkeit zollen und wenigstens ermitteln (es kann ja dann eingestellt werden) … entweder war der bereits im November im Landtag von Nerlich geäußerte Wunsch eines Wiederaufnahme-Antrags durch die Verteidigung an dieser vorübergegangen, oder sie versuchte – wenn auch erfolglos – Widerstand gegen die Wünsche der Justiz.

    Gut, dass der Hanseate kam, er hat erst mal geholfen, das Gesicht des Rechtsstaats zu wahren, indem er den lang ersehnten Wiederaufnahme-Antrag durch die Verteidigung endlich ankündigte!!!

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    • Joachim Bode schreibt:

      Ja, tatsächlich…, durch das Nordlicht bekam die bayerische Justiz Gelegenheit, mal wieder – zur Abwechslung – ins Gesetz zu gucken.

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  3. gabrielewolff schreibt:

    Wer meinen gesamten verlinkten Beitrag liest, wird nicht verkennen, daß sich mein „Wiederherstellen des Rechtsstaats“ allein auf den WA-Beschluß des OLG Nürnberg bezog, der ein Nicht-Funktionieren des Rechtsstaats bis dahin natürlich voraussetzte. Wieviel Nicht-Funktionieren des Rechtsstaats darüberhinaus noch offenblieb, habe ich ebenfalls gekennzeichnet.
    Ich werde da auch nicht lockerlassen: das OLG Bamberg muß noch seine Strafarbeit abliefern, nachdem seine Fortdauerentscheidung im Jahr 2011 für verfassungswidrig erklärt wurde, und auch die Entscheidung des OLG München wegen der Ablehnung der Aufnahme von Ermittlungen gegen Eberl und Dr. Leipziger verliere ich nicht aus dem Blick.

    Dieselbe StA Augsburg, die gegenüber dem hilflosen Greis Gurlitt aus Nichts einen Anfangsverdacht irgendwelcher haltloser Straftaten zu fassen vermochte, woraufhin sie einen durch bayerische AG niemals geprüften Durchsuchungsbeschluß erhielt, der dann zum rechtsfreien Abtransport der von ihm geerbten Kunst führte – genau diese phantasievolle StA leugnet einen Anfangsverdacht der Freiheitsberaubung durch die Ihren, nämlich einen Richter und seinen Hilfswissenschaftler. Gedeckt durch den GStA in München, wie im Fall Gurlitt. Denn Generalstaatsanwälte sind Politiker, die kümmert das Recht eher wenig – das ist im Zweifel knetbare Masse.

    Neinnein, ich agiere keinesfalls generell affirmativ, wenn ich eine lobenswerte Entscheidung aus Bayern lobe.

    Es gibt noch viel zu tun.

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  4. Thea Frank schreibt:

    Kranich05 sagt:
    Bevor sich Hobbykriminalisten wundern: Der folgende Kommentar wurde mir von Thea Frank zur Verfügung gestellt, um ihn ins Blog zu stellen. Deshalb verweist der Namenslink auf mich selbst.

    „Lieber Herr Kurch,
    habe gerade die „Predigt an die Landtagsgemeinde“ gelesen….. – Kommentar überflüssig.

    Vielleicht kennen Sie diesen Nürnberger Fall:
    http://www.sueddeutsche.de/bayern/rechtsstreit-mit-kirche-vergiftetes-klima-1.1823786
    http://blog.nz-online.de/vipraum/2013/10/15/der-bischof-und-der-kranke-pfarrer/
    http://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.schimmel-wohnung-pfarrer-verklagt-die-kirche.c65e25bd-cbcc-409f-8d74-17d020e51d0b.html

    Ich war perplex angesichts bekannter Vorgehensweisen von Rechtsanwälten, Justiz u. a. (Schriftsätze Blog/Video – 2. Link)…
    Mollath war die Spitze des Eisbergs. Das Fundament dieses Eisberges, und so tief kann man gar nicht tauchen, ist die Fülle von Zivilprozessen mit alltäglicher Rechtsbeugung, Verweigerung des rechtlichen Gehörs, krummen Richter – und ganz besonderen Rechtsanwälten, wo Menschen zwar nicht in der Forensik gebrochen werden, aber materiell und – mancher auch moralisch – vernichtet werden (bzw. sollen). (Übrigens, wird auch in diesem Bereich diffamiert und sogar mit Prüfung der Prozessfähigkeit gedroht.) Die Muster, nach denen das betrieben wird, sind überall die gleichen. (Es sind ja auch die gleichen Akteure.) Ich möchte nicht wissen, wieviele Leichen in manchen Kellern liegen.
    Grüße aus diesem Bayern
    Thea Frank“

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    • Frieder Kohler schreibt:

      Soeben lese ich im Vorwort zu „Die Welt von gestern“ (Stefan Zweig)…“wir, die wir im neuen Jahrhundert gelernt haben, von keinem Ausbruch kollektiver Bestialität uns mehr überraschen zu lassen, wir, die wir von jedem kommenden Tag noch Ruchloseres erwarten als von dem vergangenen, sind bedeutend skeptischer hinsichtlich einer moralischen Erziehbarkeit der Menschen. Wir mußten Freud recht geben, wenn er in unserer Kultur, unserer Zivilisation nur eine dünne Schicht sah, die jeden Augenblick von den destruktiven Triebkräften der Unterwelt durchstoßen werden kann“… Ja, viele Leichen liegen in den Kellern von Menschen, die „nach oben“ wollen und ihren Platz dort weiter verbessern und nicht nur behalten wollen! Wurde unsere Bundesrepublik nicht auf Leichenbergen aufgebaut? Wurden Haupttäter nicht zu bloßen Mitläufern abgestuft und konnten dadurch nahtlos ihr Gift in Politik, Justiz,, Wirtschaft und Gesellschaft versprühen? Es lohnt sich, den Lebensweg von Angehörigen der sog. Eliten zu betrachten, dabei darf man sich nicht von (Großen) Bundesverdienstkreuzen blenden lassen. Ja – und nicht nur Leichen liegen im Keller: im Boder der Republik findet man sogar funktionstüchtige Atomwaffen…

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