Joachim Bode schaut in die Sterne.
Das soll Galileo Galilei beim Verlassen des Inquisitionsgerichts gemurmelt haben, nachdem er dem kopernikanischen Weltbild öffentlich hatte abschwören müssen.
So oder ähnlich mag es auch im Oberlandesgericht Nürnberg geklungen haben, als die Freilassung Mollaths beschlossen wurde. Diesmal war allerdings nicht die Erde gemeint, nein, nur das in der Angelegenheit Mollath bayernweit festgefahrene Recht konnte damit gemeint sein, das mit dem Erlass des Freilassungsbeschlusses wieder in ordentlicher, vom Gesetz vorgegebener Richtung anfing zu rotieren. Fast könnte man meinen, der vom Namensvetter des Senatsvorsitzenden Dr. Wankel erfundene Rotations-Motor gleichen Namens habe bei der Beschlussfassung die Patenschaft gehabt, indem er mit seiner Drehung das Recht in die richtige Bewegungsrichtung brachte.
Bei der Erde muss man sich nicht sorgen: Wenn es nicht irgendwelchen Politspinnern mit Hilfe von verrückten Generalen gelingt, sie per Atomkraft in die Einzelteile zu zerlegen, kann sie noch ruhig ein paar Jährchen vor sich hin drehen. Ebenso der Wankel-Motor, der nur richtig abgedichtet mit Sprit zu versorgen ist – dann schnurrt der nur so!
Anders das Recht: Hier ist tagtäglich von Neuem darauf zu achten, dass seine Umweltbedingungen nicht zerstört werden von Interessenten, die ihre Süppchen kochen wollen darauf, dass sie ihre eigenen Vorteile jeglicher Art auf Kosten von Zeitgenossen wahrnehmen. Der Motor des Rechts ist also ständig auf runden Lauf hin zu überwachen, auf daß er nicht wieder, wie geschehen, ins Stottern, oder sogar – wie bei Mollath – ins Stocken gerät.
Übertragen auf die Angelegenheit des Gustl Mollath heißt dies, dass wir dafür sorgen müssen, die unsauberen Bestandteile des das Recht antreibenden Treibstoffs herauszufiltern – um beim Bild des Wankelmotors zu bleiben. Das OLG Nürnberg hat nämlich in seiner unendlichen Weisheit dafür gesorgt, dass der Freilassungsbeschluss für Mollath wie ein Danaer-Geschenk ausgestattet wurde:
Während – im Gegensatz zur umstrittenen Herkunft der Danaer – der Beschluss eindeutig vom 1. Strafsenat des OLG unter seinem Vorsitzenden Dr. Wankel gefasst worden ist, beinhaltet er ebenso wie die Gabe der Danaer – das Trojanische Pferd – einen sogenannten Pferdefuss, auf Computer-Deutsch: einen Trojaner! Hier bewahrheitet sich wiederum die unglaubliche Weisheit des Altkanzlers Kohl, von dem wir ja wissen, dass es darauf ankommt, was hinten heraus kommt.
Ja, was kommt denn heraus bei dem Trojaner aus Nürnberg? Hier die Antwort: Die erneute Befassung des inzwischen bundesweit berüchtigten Landgerichts Regensburg mit der Wiederauflage des Verfahrens gegen Gustl Mollath. Nur den kleinstmöglichen Ziffern-Abstand von einer einzigen Einheit hat das OLG Nürnberg zur Schand-Kammer Nr. 7 mit der angeblich laufend die Rechtmäßigkeit der Unterbringung von Mollath prüfenden Kammer-Vorsitzenden Comic-Spezialistin Dr. Bettina Mielke eingehalten, was sich in der Praxis so äußert:
Die Richter der 6. Kammer, die sich auf Nürnberger Anordnung mit Mollaths Verfahren zu befassen haben, arbeiten seit Jahren mit denen der anderen Gerichtskammern – so auch denen der 7. Strafkammer – in jährlich unterschiedlicher Zusammensetzung zusammen. Man trifft, man sieht sich, nicht nur im Gericht bei der Arbeit im Gerichts- und Beratungsraum, auch im Dienstzimmer, in der Cafeteria bei Kaffee und Stückchen, beim Stammtisch, im selben Verein, zu Hause und in der Freizeit gleicht und richtet man sich ab, bespricht Fälle, verabredet sich. Hier gärt der Stoff, der für manche nach Verschwörung riecht, für andere nur nach kollegialer Zusammenarbeit.
Das alles ist keine Spekulation, sondern alltägliche Realität in jedem Gericht der Welt.
Es kommt also Einiges auf uns zu, wenn in Regensburg die Rechtmäßigkeit des Verhaltens von Kollegen auf dem Prüfstand steht – darum wird es nämlich im wieder aufgelegten Verfahren gegen Mollath gehen. Möglicherweise wird dabei problemlos in Kauf genommen werden, dass Mollath bedingungslos frei gesprochen wird – also ohne erneute Unterbringungsanordnung, die ohnehin wegen Unverhältnismäßigkeit nicht mehr in Betracht kommen kann – theoretisch! Schlimmer als Freispruch kann es für Mollath also nicht kommen, wegen des Verschlechterungsverbots in der Wiederaufnahme. Es wird also um seine Rehabilitation gehen, die untrennbar mit den Verfehlungen der zahlreichen Justiz-Mitarbeiter zusammen hängt – im proportionalen Verhältnis, versteht sich.
Mollath hat heute – im Gegensatz zum Verfahren vor heute genau 7 Jahren – bessere Chancen, daß die Wahrheit festgestellt wird: Er ist in der Zeit seiner Unterbringung sichtlich gewachsen, in mancherlei Hinsicht. Er hat die bestmöglichen Rechtsbeistände, er sieht sich einer kompetenten Staatsanwaltschaft gegenüber in der Person des Dr. Meindl, und er hat eine sehr interessierte Öffentlichkeit auf seiner Seite, wahrscheinlich das größte Pfund, mit dem er wuchern kann.
Es geht also darum, dafür zu sorgen, dass die Richter der 6. Strafkammer in Regensburg das tun, was ihre Kollegen bisher tunlich versäumt haben, allen voran der unselige Otto Brixner von der gleichnamigen Strafkammer in Nürnberg vor genau 7 Jahren: Recht sprechen.
Wenn ein Elektromeister ein schadhaftes Gerät an den Kunden herausgibt, und es passiert was, wird er zu Rechenschaft gezogen. Wenn ein Mauerer oder Zimmermann murkst, und das Haus stürzt ein, geht er in den Knast. Wenn ein Arzt murkst, ist es schon schwieriger, das nachzuweisen. Wenn ein Richter einen Unschuldigen 7 Jahre in die Psychiatrie schickt, passiert gar nichts! Im Gegenteil, seine Kollegen mauern dann noch, das war eben ein kleines Versehen, nichts Absichtliches!
Wenn das nicht geändert wird, wird der sorglose Umgang mit dem „Recht“ so weitergehen. Ein einziger solcher Fall sollte schon genügen!
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