Die laufende Vorsitzende

Gastbeitrag von Joachim Bode (Lauftrainer, nebenberuflich)

Von der 7. Strafkammer des Landgerichts Regensburg war in der jüngsten Geschichte zweimal etwas zu hören.

Das eine Mal hat sich diese Strafkammer Ende 2011 unsterblich gemacht mit der Verhängung einer Kostennote gegen den Zahnarzt Braun, weil der es gewagt hatte, die Prüfung eines Wiederaufnahmeantrags im Verfahren gegen Mollath anzuregen. Die Strafkammer hatte aus dieser Anregung flugs einen Antrag gemacht, den man prima kostenpflichtig mit 60 € zurückweisen konnte. So kommt Geld in die notleidende Staatskasse. Und das ging ganz fix – etwa so fix wie die umgehende Aufhebung dieses Beschlusses durch das OLG Nürnberg, wo man die Geldnot des Freistaates Bayern offenbar nicht ganz so hoch einschätzte wie beim Landgericht Regensburg. In Regensburg ist deswegen ja auch jetzt „Land unter“.

Das angeregte Wiederaufnahmeverfahren läuft inzwischen, weil die Regensburger Staatsanwaltschaft nach immerhin einem Jahr in der Mitteilung des Zahnarztes wichtige Gründe für die Unschuld von Mollath gefunden hat – obwohl die von Anfang an drin und zwischenzeitlich keinesfalls verschwunden waren.

Wahrscheinlich hat die Justizministerin Dr. Beate Merk vor dem Hintergrund der desaströsen Kostenentscheidung der 7. Strafkammer gemerkt, dass dieser Spruchkörper juristische Verstärkung bedurfte. Solche versprach sie sich in der mit Doktorgrad und den höheren Weihen des sogenannten 3. Staatsexamens am OLG Nürnberg versehenen Bettina Mielke, die als neue Vorsitzende abseitige Entscheidungen der Strafkammer zukünftig vermeiden helfen sollte. Schließlich ist es keine Frage, ob 60 € oder der Ruf der Justiz höher zu bewerten ist – wir sind ja in Bayern, und nicht irgendwo im fernen Preußen!

Ich vermute mal, dass die beiden Kollegen Mielkes, ihre zwei Beisitzer, noch dieselben sind, die schon am Kostenbeschluss über 60 € mit herumgebastelt hatten. Auf der Homepage des LG Regensburg habe ich einige Minuten lang herumgeklickt – und über ihre Personen nichts mehr gefunden. Ich bin sicher, das war mal anders …. Noch vor Wochen konnte man da leicht sehen, aus welchen Richtern sich die 7. Strafkammer zusammensetzt. Aber vielleicht bin ich ja im Moment zu blöd zum Suchen und Finden?

Jetzt habe ich aber zumindest einen starken Verdacht – fast Gewissheit -, dass sich die beisitzenden Richter wahrscheinlich schämen, im Zusammenhang mit der 7. Strafkammer genannt zu werden und dass sie deshalb von der Homepage abgetaucht sind. Dieser Verdacht – fast Gewissheit – beruht auf folgenden Erkenntnissen – und damit komme ich zum zweiten bekannt gewordenen Auftritt der 7. Strafkammer:

Zu blöd war ich mit Sicherheit, dass ich mich zunächst mit den letzten drei Sätzen der „Vermerk“ genannten Weigerung der Strafkammer, über den Antrag auf Unterbrechung der Vollstreckung zu entscheiden, begnügt und nicht den gesamten Inhalt dessen gelesen habe, was da die Vorsitzende Richterin Dr. Mielke ihrer Umgebung, vor allem dem Gustl Mollath und seinen Verteidigern noch alles zugemutet hat. Der Vermerk vom 28.5.2013 enthält nämlich weit mehr als diese drei Sätze, die das Blut zahlreicher Menschen in empörte Wallung gebracht haben.

Auch sie haben es nämlich in sich.

Liest man das als Jurist, muss man sich infolge grenzenloser Überraschung und großen Erstaunens erst mal eine sichere Sitzgelegenheit verschaffen, weil:

Das klingt nicht danach, was ein Richter, oder eine Richterin üblicherweise von sich gibt, nein, das sind die typischen Inhalte, die festzustellen und zu vermerken in den Zuständigkeitsbereich des sogenannten Urkundsbeamten der Geschäftsstelle gehören. Da beschreibt die Vorsitzende Richterin doch über mehrere Absätze akribisch genau, wann welches Schreiben von wem wo eingegangen und was darauf wann und an welchen Adressaten verfügt worden ist. Ganz schwindlig kann es einem werden bei so vielen Daten von Vorgängen und Aktenbewegungen, die durch die Einreichung der Wiederaufnahmeanträge ausgelöst worden sind.

Fragt man sich nach dem Sinn einer solchen Mitteilung, deren Gegenstand in den Zuständigkeitsbereich des die Akten verwaltenden Geschäftsstellenbeamten gehört, fällt man der nächsten Überraschung anheim:

Völlig falsch liegt man nämlich mit dem doch allzu naiven Eindruck, mit den zahlreichen Daten solle der ach so komplizierte Verlauf der Dinge geschildert und um Verständnis für die lange Bearbeitungszeit von inzwischen mehr als 3 ½ Monaten geworben werden …

Nein, die 7. Strafkammer – hierbei nach außen vertreten allein durch die Unterzeichnerin des Vermerks, Frau Dr. Mielke, – geht gleich in die Vollen, indem sie bereits im Einleitungssatz, den ich in Erwartung wichtiger und entscheidender Dinge anfangs natürlich viel zu unaufmerksam überflogen hatte, folgendes mitteilt:

„Die Voraussetzungen … für eine Unterbrechung der Vollstreckung der mit Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 8. August 2006 ausgesprochenen Anordnung der Maßregel des § 63 StGB prüft die 7. Strafkammer des Landgerichts Regensburg als zuständiges Wiederaufnahmegericht laufend von Amts wegen.“

Ja, denke ich, da hat sie sich die Mühe umsonst gemacht, unter Übernahme der Arbeit des schlecht bezahlten Geschäftsstellenbeamten all die Daten mitzuteilen, welche die angesprochenen Verfahrensbeteiligten ohnehin schon vorher kannten. Aber – und das ist das Gute – ich weiß jetzt, dass die Vorsitzende weiß, dass die Strafkammer jederzeit von selber („von Amts wegen…“) das zu prüfen hat, was der Verteidiger Dr. Strate ausdrücklich beantragt hat.

Jodoch: die Enttäuschung folgt (im wahrsten Sinne des Wortes) gleich auf dem Fuße – nein: auf den Füßen – indem die Kammer, sprich: Frau Dr. Mielke, versichert, diese Prüfung erfolge „laufend“….

Jetzt wird mir alles klar, man muss nur richtig lesen:

Frau Dr. Mielke nimmt die Akten mit zum Joggen, damit sie laufend von Amts wegen ständig prüfen kann, ob Mollath freizulassen ist. Und beim Joggen – hat da jemand schon mal eine Joggerin gesehen, die  – wie bei Richter Eberl geschehen – gegen eine kaputte Schreibmaschine kämpfen muss, mit einer Schreibkraft im Schlepptau, die partout nicht schreiben will? Und das auch noch bei Hochwasser?

So kann kein Beschluss zustande kommen, der sich nicht in Geschäftsstellen-Gefasel erschöpft, und der den hohen Ansprüchen eines Gustl Mollath entsprechen könnte.

Dann leuchtet auch ein, warum die beisitzenden Richter nicht mitlaufen wollen.

Die warten doch lieber auf eine neue Anregung, die man kostenpflichtig zurückweisen könnte.

Und wer weiß, wann die Vorsitzende vom Joggen zurückkommt, mit den Akten. Vielleicht sind sie ja auch abgesoffen – die Akten …?

Oder hat sich die Vorsitzende tatsächlich mit den Akten joggend auf den Weg zum OLG Nürnberg gemacht, um sich von dort zeigen zu lassen, wie ein anständiger Freilassungsbeschluss für Mollath aussieht?

Dieser Beitrag wurde unter Bewußtheit, Blödmaschine, bloggen, Demokratie, kein Witz, Kunst, Machtmedien, Realkapitalismus, Widerstand abgelegt und mit , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

8 Antworten zu Die laufende Vorsitzende

    • Joachim Bode schreibt:

      Die Diskussion über die Frage der Zulässigkeit einer Beschwerde ist sicher für Gehirn-Jogger ganz interessant.
      Wenn man davon ausgeht, dass die Justiz Dienstleistungsbehörde „im Namen des Volkes“ ist, sollte die Überprüfungsmöglichkeit einer belastende Entscheidung (oder auch der Verweigerung einer gewährenden Entscheidung) selbstverständlich sein.
      Sie ergibt sich zwanglos aus dem Grundgesetz, welches wohl zunehmend unmodern (gemacht) wird.

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  1. eisbaer55 schreibt:

    Scheint, als gäbe es mehrere Grundgesetze und Gesetzesbücher in Deutschland.

    Das wusste ich bisher noch nicht, aber mann lernt ja von der Bayrischen Justiz!

    Es sollte aber dennoch von der Regensburger 7 Strafkammer als hoch eingeschätzt werden, dass eine Verteidigung eines Angeklagten nur dann erfolgen kann, wenn der Anwalt des Beklagten auch weiß welche Gesetzesbücher oder Rechts gebeugte Paragraphen dem Angeklagten zur Last bzw. für eine Vorverurteilung herangezogen werden. Auch wichtig zu wissen welches Grundgesetz in Bayern gilt.
    Wenn also die 7 Strafkammer nach dem Hochwasser (da können ja Akten wegschwimmen) etwas beschlösse so müßte Frau Richterin Dr. Bettina Mielke zu allererst die Gestzesgrundlagen veröffentlichen damit jeder weiss warum und was ein Verbrechen darstellt und warum ein Mensch der seine Bürgerpflicht erfüllt (mit der Anzeige von Steuerhinterziehern) 7 Jahre in die Psychiatrie zum Strafregelvollzug eingesperrt wird.

    Bin gespannt welche Gesetzesbücher ich mir jetzt kaufen muß damit ich in Bayern ob Strafvergehen Bescheid weiß!

    Ich wüßte schon gerne warum ein Wiederaufnahmeverfahren so lange dauert, warum ein Unschuldiger nicht auf freien Fuß kommt und eine Justizminiterin einer Frau die Geheimpolizei nach Hause schickt (Waren ohne dicken Ledermantel und schwere Halsketten gekommen)

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  2. Pingback: Johann Piendl – der “rechte” Mann am Landgericht Regensburg oder Die Unterstützer des NSU sitzen nicht nur im Verfassungsschutz | opablog

  3. Piepmatz schreibt:

    Einfach köstlich, Joachim Bode! ‚Die laufende Vorsitzende‘ ist ein Kabinettstückchen, für das ich Ihnen danke. Solche amüsanten Darstellungen eigentlich tieftrauriger Sachverhalte sind für mich ein wichtiger Motor, in all unserer Bestürzung über den wahren Zu-(nein Miss-)stand unseres nur angeblich säkularen, demokratischen Rechtsstaat nicht die Contenance zu verlieren. Mit Humor lund Ironie ässt sich nicht nur besser leben, sondern auch besser streiten. Und diesbezüglich haben wir alle ja noch sehr viel Arbeit vor uns.

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  4. eiffe schreibt:

    Hallo

    das frag ich mich auch schon seit Jahren: Warum überprüfen diese Gerichte ihre Entscheidungen laufend bzw. beim Neudeutsch Joggen genannten Dauerlauf und nicht stehend, sitzend, breitbeinig, breitärschig, grinsend, mit offenem Mund, mit vollem Mund, nüchtern, angetrunken, ständig, ein Mal die Woche, ein Mal im Monat monatlich oder wenigstens ein Mal pro Quartal?

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  5. Joachim Bode schreibt:

    Hier – mehr als 7 Jahre später – eine kleine Aktualisierung, was aus der laufenden Vorsitzenden beim Landgericht Regensburg geworden ist. Immerhin hatte sich Frau Dr. Bettina Mielke zwar nicht um die gesetzlich garantierten Rechte eines Mollath, so doch um das darniederliegende Justizwesen Bayerns verdient gemacht, indem sie – natürlich laufend – für die anhaltende Bodennähe dieses (Un)Wesens gesorgt hat. Ihr Lauf hat sie nunmehr zum voraussichtlichen Abschluß einer ruhmreichen Karriere auf einen Posten beim OLG Nürnberg geführt, dessen damaliger Strafsenat die von der laufenden Vorsitzenden verfügte Rechtsverweigerung gegenüber Mollath nicht mittragen wollte (https://Süddeutsche.de/bayern/oberlandesgericht-nuernberg-gust-mollath-kommt-noch-heute-frei-1.1739939).
    Bei Wochenblatt.de findet man einen Karriere-Überblick, der natürlich keine Fehlleistungen (s.o.), dafür um so mehr die Verwobenheit einer angeblich unabhängigen Richterin in die Dienste von Staatsanwaltschaft und Staatsregierung erkennen läßt, deren Ernte sie jetzt einfährt.
    Natürlich wollte ich wissen: Wie sieht so jemand aus?
    Hier findet man sie: http://www.legaltech-ur.de/blog/train
    Und wenn man denkt „die kann doch kein Wässerchen trüben“, dann sollte man sich nochmal den unsäglichen Beschluß durchlesen, mit dem sie und ihre Beisitzer dem langjährig rechtswidrig eingesperrten Mollath den Weg in die Freiheit verbauen wollte…

    Nachtrag:
    In der letzten Zeit beeindruckt mich die zunehmende Vermutung, dass die meisten (früher) linken Organisationen inzwischen fest in der Hand der Eliten sind. Links steht für alles Beliebige, oft auch als Feindbegriff z.B. im Zusammenhang mit der angeblich linken Merkel. „Die Linke“ steht dem kaum entgegen, als zukünftige Regierungssteigbügelhalterin…..
    Geht es Ihnen auch so?
    Liebe Grüße
    Joachim Bode, Verfassungsfeind (laut Wetzlarer Neue Zeitung)

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  6. Joachim Bode schreibt:

    Hier der vollständige Zugang zum Konterfei:
    https://www.legaltech-ur.de/blog/trainers/dr-bettina-mielke-m-a/

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