Geld und Freiheit

Gastbeitrag von Joachim Bode

Der Name Hubert Haderthauer beherrscht momentan die Schlagzeilen nicht nur in Bayern.

Die merkantilen Interessen dieses Landgerichts-Arztes waren wohl geeignet, jahrelang seine eigentlichen beruflichen Aufgaben zumindest teilweise zu dominieren – Zeit genug dafür hatte er ja offensichtlich.

Beeindruckend ist dabei, dass die paar, vielleicht auch Dutzende Tausend Euro, die Haderthauer kassiert haben mag, ähnlich wie die anderen Vettern und Cousinen, Ehefrauen und Kinder, Schwestern und wer weiß wer noch alles, im bayerischen Filz-Sumpf eine weit größere mediale Aufmerksamkeit hervorrufen, als die ungeheuren justitiellen Schweinereien – sprich: Rechtsbeugungen und -brüche, Freiheitsberaubungen atemberaubenden Ausmaßes – in der Angelegenheit des Gustl Mollath.

Die eingangs genannten Verhältnisse haben nach wenigen Tagen erste, zum Teil drastische Folgen gezeitigt: Über Rücktritt von hohen Ämtern, Vertragsauflösungen, Abführung zugeschanzter Summen an Staatssäckel oder mildtätige Organisationen war zu lesen. Gesetze sollen geändert werden – und, vor allem, der kaum angezweifelte Sieg der CSU bei den bevorstehenden Wahlen im September scheint ins Wanken zu geraten.

Bei Mollath könnte man die seit Januar 2012 in Karlsruhe „ruhende“ Verfassungsbeschwerde nennen, den jetzt die Arbeit aufnehmenden Untersuchungsausschuss ins Feld führen, die Wiederaufnahmeanträge, den Freilassungsantrag.

Aber welches Ergebnis?

Da geraten offenbar grundlegende Maßstäbe aus den Fugen. Euro-Beträge im 4-5-stelligen Bereich sind wichtiger als das bereits 7 Jahre lang unterdrückte Freiheitsrecht eines Mitbürgers. Das geschieht in der Bundesrepublik Deutschland, einem Staatswesen, das seine moralische Existenzberechtigung seit Gründung immer wieder vor allem daraus herleitet, dass es wegen der garantierten Freiheitsrechte seiner Bürger das beste aller denkbaren Modelle darstelle.

Ein kurzer Blick zurück auf die Zeit der Gründung der Bundesrepublik ist hilfreich, soweit hier das Bundesland Bayern betroffen ist: Bei der Abstimmung über das Inkrafttreten des Grundgesetzes im Parlamentarischen Rat und im Bayerischen Landtag stimmten fast alle CSU-Vertreter gegen das Grundgesetz. Einer der Gründe war die angeblich zu geringe Berücksichtigung christlicher Werte in diesem Gesetz.

Wie sehr doch Bayern auf den Hund gekommen ist!

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12 Antworten zu Geld und Freiheit

  1. Frieder Kohler schreibt:

    Sehr geehrter Herr Bode, auch mich macht „das Ergebnis“ fassungslos und zeigt mir gleichzeitig (täglich!) die Hilflosigkeit der „Fähnleins der 7 Aufrechten“. Sind wir zusammen mehr als versprengte Häuflein von Menschen, welche schon seit Jahrzehnte feststellen konnten, dass „da offenbar grundlegende Maßstäbe aus den Fugen geraten“. Gerade ist – durch das Schicksal von Herrn Mollath – nur unsere Sichtweise mit verbesserter Brennweite und Tiefenschärfe auf den Rechtsstaat fokusiert, der von den eigenen Organen angegriffen und damit in Frage gestellt wird. Seit Bernt Engelmann „Das neue Schwarzbuch FJS“(Kiepenheuer&Witsch) 1980 herausbrachte, wurde doch dem sog. wehrhaften Demokraten klar, wohin die Reise geht:“ Engelmann belegte die lange Kette von politischen Skandalen und Affären, die die Karriere des FJS von Anfang an begleitet haben – (und…) bis in die jüngste Gegenwart (…wirken). Für jeden Leser des Schwarzbuchs stellt sich die Frage: Wieso ist Strauß noch immer ein führender Politiker und nun sogar Kandidat der CDU/CSU für das Amt des Bundeskanzlers“(Ende Zitat Klappentext). Die weitere Geschichte ist bekannt: Wir bekamen blühende Landschaften vom (Bimbes-)Kanzler der Einheit, der am Ende sein „Ehrenwort“(!) ungestraft über Gesetz und Recht stellen konnte. Den sog. Sachsensumpf erlebt ich bereits außerhalb des öffentl. Dienstes, die ungeahndeten Affären des Ministerpräsidenten Späth BW (Cleverle!) und seiner Büchsenspanner waren von meinem kleinen Freundeskreis (trotz Rücktritt des Anführers der Maultaschen-Connection) durch die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit und Karrierebewußtsein „gehemmt“ und von den müden Ermittlungsorganen nicht gewollt. Folgerung: Herr Strate wird es schwer haben, gegen das „System“ der an der Rechtsbeugung beteiligten Personen/Stellen zu bestehen und den Menschen Mollath zu rehabilitieren – die Unterstützer (also wir!) dürfen den Weg des „mißhandelten“ Rechtsstaates nicht verlassen, obwohl Widerstand längst Pflicht ist (man(n)/frau könnte verzweifeln – und Gustl ist so stark!!!

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  2. Joachim Bode schreibt:

    Ja, wir sind eine kleine Minderheit, allerdings mit dem Gesetz auf unserer Seite.
    Mindestens die letzten 100 Jahre haben gezeigt, dass ohne die Mehrheit nichts geht.
    Man kann nur versuchen, der Mehrheit den Spiegel vor die Augen zu halten:
    Schließlich sind die einzuhaltenden Gesetze von ihr, der Mehrheit, selber beschlossen worden, an die sich die Mehrheits-Vertreter in zu vielen Amtsstuben nicht meinen halten zu müssen.

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  3. besorgter Bürger schreibt:

    Herzlichen Dank Herr Bode.

    Ein hervorragender Artikel, der kurz und pointiert einen leider häufig übersehenen Sachverhalt auf den Punkt bringt und in den richtigen Kontext stellt. Das Ausmaß des gesamten Skandals oder vielmehr der vielen Skandale rund um die „causa Mollath“ die mutmaßlich erst zu einem kleinen Teil voll aufgeklärt sind, wird sicher nicht nur den Rahmen eines kleinen Artikels, sondern auch das eines dicken Buches sprengen.

    Letzten Endes verfolgen wir einen Skandal, der nur die Spitze eines gewaltigen Eisberges ist und dieser Eisberg heisst: strukturelles Versagen des demokratischen Rechtsstaats in kultureller, juristischer, pollitischer und gesamtgesellschaftlicher Hinsicht.

    Selbst wenn dieser Skandal (was ich immer noch nicht glauben mag) „vollständig“ aufgeklärt werden sollte, so wird sich der als solcher bereits „verlorene“ Rechtsstaat nur durch tiefgreifende Maßnahmen im Bereich der Justizverwaltung und ihrer rechtlichen Grundlagen wieder errichten lassen.

    Hier sind die Bürger gefragt, denn die Anwaltschaft scheint zum Aufbegehren individuell zu feige und kollektiv nicht fähig zu sein und die Angehörigen der Justizbehörden schweigen, wo Aufstand geboten scheint oder geben sich, soweit sie tätig werden offenbar die allergrößte Mühe, als Teil des Problems in Erscheinung zu treten, denn als Teil der Lösung.

    O tempora, o mores. Wir sind auf dem besten Weg zurück in einen feudalen Unrechtsstaat scheinbarer Eliten. Mit der „causa Mollath“ steht der Rechtsstaat selbst auf dem Spiel, vor allem aber seine Abwehrkräfte gegen Angriffe von innen.

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  4. Lieber Herr @Bode,

    solange Hermann Görings dummer Spruch: „Wo gehobelt wird, fallen Späne“ in der Welt des Rechts gilt und Hannah Arendts kluger Hinweis: „Die Verletzung des Rechts eines einzigen ist die Verletzung des Rechts aller“ justiziell mißachtet wird – wird´s so bleiben wie´s heuer in Bayern und andernorts ist.

    Besten Gruß R.A., 140513.

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  5. Breitenbach schreibt:

    Aus meiner Sicht schließe ich mich Herrn Bo­de un­be­dingt an. Im Blitz­licht­ge­wit­ter der Pho­to­gra­phen wer­den ei­ni­ge Köp­fe aus­ge­tauscht. Wie un­ge­heu­er wich­tig. Der Kom­fort der Ab­ge­säg­ten lei­det nicht mal da­run­ter. Ins­ge­samt bleibt al­les beim Al­ten und der Ab­stand nach un­ten er­hal­ten. Skan­dal­ma­che­rei sug­ge­riert jour­na­li­sti­sche Sorg­falt, gleich­wohl ist sie ge­eig­net, Ser­vi­li­tät zu de­mon­strie­ren, im End­er­geb­nis lie­fert sie nur Schmei­chel­haf­tes. Ei­nen Glo­rien­schein. Die Pri­vi­le­gien sind si­cher. Will­kür und Knecht­schaft in­be­grif­fen. Da­rü­ber spricht man nicht. Wer dafür auch noch Bei­fall zollt, er­nie­drigt sich selbst.

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  6. BB7 schreibt:

    Tja und nun? –
    fünf Beiträge, die ich ausnahmslos unterschreiben könnte. Aber leider kein Lösungsvorschlag.

    Für den einzig möglichen Weg, wie von Joachim Bode treffend aufgezeigt wird, braucht es dringend der großen Medien, und gerade die ‚mauern‘.

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    • Frieder Kohler schreibt:

      Tja und nun? – wieder kein Lösungsvorschlag, obwohl das Gesetz auf „unserer Seite“ steht und es für mich Lebenspraxis ist, 2 mal täglich in den Spiegel zu schauen. Mit dieser Empfehlung an Mitglieder der (Groß-)Familie und Mitarbeiter im Umfeld des gehobenen und höheren Dienstes erfolgte der gute Rat (?), beim Gebrauch des Zeigefingers daran zu denken, daß 3 Finger auf die eigene Brust zurück zeigen! Damit wurden (wir) alle zum Teil des Problems: Nach erfolgter Diskussion wäre Handeln angebracht gewesen! Erfolg? Der Mentor, Trainer, Vorgesetzte wird zum (negativen) Anführer, d.h. zum Aufrührer und ist plötzlich ein ausgegrenzter Exot: wieder keine Mehrheit. wieder fällt mir E. Kästner ein (der Blinde):“Ohne Hoffnung, ohne Trauer, hält er seinen Kopf gesenkt. Müde hockt er auf der Mauer. Müde sitzt er da und denkt: Alles bleibt so, wie es war, wer nichts sieht, wird nicht gesehen. Wer nichts sieht ist unsichtbar“.Trost findet der müde Marathonläufer wieder beim Dichter (Auszug aus die Tretmühle):“Geh vor den Spiegel, freu dich an den Farben. die man dir kunstvoll in die Rippen schlug! Die Besten waren´s, die an Tritten starben.- Rumpf vorwärts beugt! Genug ist nicht genug! Genug für heute, die Gemeinden behalten ihre Rommel- und Quandtstraßen, die mit Verdienstorden und (Bundes-)Verdienstkreuzen geehrten Politiker rühmen sich öffentlich ihrer Strippenzieherqualitäten – und bleiben samt Gefolge Marionetten der Macht- und Herrschaftselite der BRD : des Großkapitals!

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  7. RA Veits schreibt:

    F. Kohlers Art von Zynismus mag entlastend sein – er hilft auch nicht weiter.

    Ich habe heute erneut die SZ, die Herausgeber der FAZ, schon früher ARD, ZDF – auch BILD
    kontaktiert und wichtige LINKS übersandt, die mögen sich der Sache annehmen. Denn der zitierte Satz von Arendt stimmt jeden Tag und immer wieder.

    Hier dazu ein Kommentar und LB an die MZ – man erkennt durch die übernommene Berichterstattung, die bei der MZ keinen Autor erkennen lässt, wie im Hintergrund Mächte die kleinen Zeitungen an die K. nehmen, so mein Eindruck.

    Daher: Man muss endlch an ARD, ZDF, BILD; FAZ und SZ (nicht nur BayernTeil) herantreten, auch Sie und gerade Sie haben eine Berichtspflicht (wie groß war die NSU-Aufregung, als viele glaubten, nicht zum Zuge zu kommen …)

    Jede einzelne Mail an die Zeitungen zählt. Jeder kann zum Verteiler werden. Schneeball wird zur Lawine.

    VG
    mkv
    http://aktionboss.de/ansammlung-von-rechtsbruechen

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    • Breitenbach schreibt:

      Auch Sie be­ru­fen sich auf »die frei­heit­li­che de­mo­kra­ti­sche Grund­ord­nung« – wo fin­de ich die schrift­lich nie­der­ge­legt?

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  8. Na sowas schreibt:

    Fachlich Elitedemokratie hat natürlich nichts mit wirklicher Demokratie zu tun, oder ?

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  9. Joachim Bode schreibt:

    Ich erlaube mir,
    Richter Udo Hochschild vom Verwaltungsgericht Dresden zu zitieren:

    „In Deutschland ist die Justiz fremdbestimmt. Sie wird von einer anderen Staatsgewalt – der Exekutive – gesteuert, an deren Spitze die Regierung steht. Deren Interesse ist primär auf Machterhalt gerichtet. Dieses sachfremde Interesse stellt eine Gefahr für die Unabhängigkeit der Rechtsprechung dar. Richter sind keine Diener der Macht, sondern Diener des Rechts. Deshalb müssen Richter von Machtinteressen frei organisiert sein. In Deutschland sind sie es nicht. In den stenografischen Protokollen des Parlamentarischen Rats [des deutschen Verfassungsgebers] ist wörtlich nachzulesen, dass die Verfasser des Grundgesetzes eine nicht nur rechtliche, sondern auch tatsächliche Gewaltenteilung, einen neuen Staatsaufbau im Sinne des oben dargestellten italienischen Staatsmodells wollten: ‚Die Teilung der Staatsgewalt in Gesetzgebung, ausführende Gewalt und Rechtsprechung und ihre Übertragung auf verschiedene, einander gleichgeordnete Träger‘ [Zitat aus der Sitzung des Parlamentarischen Rats vom 8. September 1948]. Der Wunsch des Verfassungsgebers fand seinen Niederschlag im Wortlaut des Grundgesetzes [z. B. in Art. 20 Abs. 2 und 3, Art. 92, Art. 97 GG]. Der Staatsaufbau blieb der alte. […] Das Grundgesetz ist bis heute unerfüllt. Schon damals stieß die ungewohnte Neuerung auf heftigen Widerstand. Bereits in den Kindestagen der Bundesrepublik Deutschland wurde die Gewaltenteilung mit dem Ziele der Beibehaltung des überkommenen, einseitig von der Exekutive dominierten Staatsaufbaus erfolgreich zerredet.“

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