Wie elegant sind wir doch diesen ganzen alten Militarismus losgeworden, die Kaiser Wilhelm- und Hindenburgtypen, die Kommißköppe, von Georg Grosz gezeichnet, diese Weltkriegsgefreiten und SS-Banditen und unbesiegten Generale.
Unser freiheitliches Grundgesetz kennt nur Streitkräfte zur Verteidigung gegen Angriffe, zu unserm Schutz. Und jeder Wehrpflichtige darf seinem Gewissen folgen.
Zwar predigen die begnadetsten Generale (und die gewöhnlichsten Politiker) seit vielen Jahren, daß Deutschland weltweite Interessen hat und sich also weltweit verteidigen muß, aber nichts wird so heiß gegessen… Wo sind denn die Kriege, vor denen die Friedensbewegten immer warnten? Das gab es : Medizinische Hilfe in aller Welt, Piratenbekämpfung vor Somalia, irgendwie Hilfe, Hilfe im Kongo, Brunnenbau in Afghanistan. Den Libyieneinsatz hat man gleich ganz ausgelassen. Nun paar Raketenstellungen irgendwo in der Türkei (weit weg von der Grenze) oder paar Transportmaschinen nach Westafrika. Ist doch schön, wenn man als Bundesgenosse willkommen ist. Und sich nicht drückt.
Nein, Weicheier sind sie nicht, die Jungs und Frauen in unseren emanzipatorischen Streitkräften. Tough, qualifiziert, motiviert, seelenversorgt, von diesem Künstler und jenem Komiker erfrischt. Aber reizen sollte man sie nicht. Gnade Gott, wenn sie zuschlagen müssen (Da sei Allah vor! Spaß aus). Fragen Sie Oberst, pardon, General Klein. Aber das braucht uns nicht zu kümmern. Welcher normale Mensch tankt schon im Fluß? Wie schön für den Staatsbürger ohne Uniform, daß er sich diesen ganzen friedensbewegten Eifer sparen kann. Schutz von Menschenrechten weltweit heißt die Devise. Dort kriegen Terroristen was aufs Haupt, hier Rebellen was Süßes in den Allerwertesten… Unübersichtlich? Mag sein, aber Prof Dr. de Maiziere erklärt es militärisch knapp und Präsident Gauck mit höherem Charme. Halleluja! Endlich haben wir mMa – militärische Menschenrechtsarbeiter – und nie mehr ’ne Kolonialsoldateska.
Ergänzung:
Die neueren Kriege
machen ihre Lieferländer
irgendwo da draussen,
indem sie sich großzügig zur Hilfe
bei der Sicherung von Sicherheit
und der Stabilisierung der Stabiltät
herbeirufen lassen.
Die Geholfenen kämpfen diese Sanitätsdienste
dann bloß noch bis zum Weissbluten aus.
Deutschlands Sicherheit ist diesmal am Mali bedroht, deswegen müssen wir sie am Mali verteidigen. Sagt die Merkel.
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DER GEISTIGE AHNHERR DER ANTI‑ANTIKRIEGS‑LINKEN
Der von Jean Bricmont entlehnte Ausdruck »Anti‑Antikriegs‑Linke« (cf. http://www.voltairenet.org/article176895.html) verdeutlicht wie kein anderer die Grundhaltung Pseudolinker zu neokolonialistischen Überfällen wie zuerst auf Grenada und zuletzt auf Libyen; Überfällen, die, wenn sie nicht der von der US-Armee selbst oder der unter ihrem Oberbefehl stehenden NATO verübt werden, auch unter dem Deckmantel von UN-»Blauhelm«-Missionen immer nur auf das Betreiben oder zumindest das Placet von US-Regierungen hin erfolgen. Schon die römischen Imperialisten hatten ihre Vasallenarmeen. Doch welcher Arminius könnte sich heute erfolgreich gegen seinen Herrn erheben?
Die großwestdeutsche Partei »Die Linke« ging bekanntlich aus einer unter antikommunistischem Vorzeichen stehenden Amalgamierung der aus den Trümmerresten einer SED zusammengezimmerten PDS mit der extrem kurzlebigen WASG hervor – einer nach Schröders äußerst unpopulär zu werden drohenden HartzIV-Gesetzen unter Anleitung von »Genosse Kandidat« (ein Potpourri seiner Gesänge findet sich im gleichnamigen Buch) von der SPD abgespaltenen Splittergruppe; derselben SPD, die den NATO-Doppelbeschluß genauso mittrug und ausführte, wie sie anno 1914 den Kriegskrediten eines Hohenzollern zugestimmt hatte (mit einer couragierten Ausnahme, immerhin).
Der erste »demokratische Sozialist« und somit PDS’ler a n t e d a t u m – oder wenn man so will: ihr geistiger Ahnherr – war Ferdinand Lassalle, der Führer des 1863 gegründeten Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV). In informellen Gesprächen mit Bismarck, seit 1862 preußischer Ministerpräsident, sprach er sich – ihm rückgratlos hinterherhechelnd, um ihm das allgemeine Wahlrecht abzuluchsen (dieser Fuchs!) – dafür aus, eine in Oberitalien bestehende Notlage des seit mehr als 100 Jahren mit der preußischen verfeindeten Habsburger Monarchie für nationale Eroberungen auszunutzen. Insbesondere plädierte er diesem gegenüber für eine Annexion Schleswigs und Holsteins – heute würde diese freilich anders lauten: »Krisenintervention«, »Demokratisierung«, »Wiedervereinigung« oder so. Es blieb ihm nicht vergönnt, die Verwirklichung seiner Vorschläge mitzuerleben; der Tod in einem Pistolenduell kam ihm dazwischen, dem auszuweichen ihm seine aristokratische Gesinnung nun einmal verbot.
Der von ihm und seinen Anhängern, den Lasalleanern, erstrebte »demokratische Sozialismus« wurde von Marx und Engels öffentlich als »königlich preußischer Regierungssozialismus« (MEW XV 79) angeprangert und dergestalt als Verballhornung ernsthafter Bestrebungen entlarvt.
Die »Sozialismus« nur als Leimrute für die vom preußischen Militarismus als Soldaten benötigten, mit ihrem Besitzlosen»schicksal« im Kapitalismus zunehmend unzufriedenen Arbeitermassen auslegenden Lassalleaner wollten – wie ihre geistigen Nachfahren zur Jetztzeit auch – »die Armee populär […] machen« (MEW XXX 649), so Marx an Lion Philips – die gleiche Regierungsjugend i n s p e seit eh und je. Bismarck sah die Lassalleaner jedoch eher als hinderlich für seine Politik an und gab ihnen den Laufpaß.
Schon in der dem Sieg über Napoleon III. unmittelbar nachfolgenden Zerschlagung der durch die erste proletarische Revolution erkämpften Arbeiterregierung, der aufständischen Pariser Kommune von 1871, hatten sich Bismarcks Truppen eine »internationale Polizeimission« (MEW XIII 393) angemaßt, die dem »linken« Anhänger des Weltpolizisten von heute das Herz aufgehen lassen müßte.
»Eine Nation kann nicht frei werden und zugleich damit fortfahren, andere Nationen zu unterdrücken« (MEW IV 417), bemerkte schon in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts Engels. Wenigstens daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.
Anders als in der ersten Reichsverfassung, in der keine Grundrechte enthalten waren, existiert heute auf geschändetem Papier ein ganzer Katalog davon. Solange es noch eine nationale Verfassung gibt, kann hinsichtlich bewaffneter Grenzübertritte in fremde Territorien der Lackmustest für eine unverfälschte Linke nur in der Forderung nach Einhaltung von Artikel 26 Grundgesetz bestehen.
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P.S.
»Diesem System keinen Mann und keinen Groschen“
(Wahlkampfparole der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei [SDAP] 1874)
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PPS.
Der arme Herr Balhorn – jetzt habe ich auch noch seinen Namen »verbalhornt«! Sorry.
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Ein spannendes Buch über Lassalle, eben erst im Internet entdeckt und sogleich auf einen Rutsch durchgelesen:
http://archive.org/stream/Lasalle-DerFhrer/IB_9_Kohn_1926_Lasalle_der_Fhrer_k#page/n103/mode/2up
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